Himmel (jetzt reicht's aber)

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Himmel (jetzt reicht's aber)
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Himmel (jetzt reicht‘s aber)!







Impressum







Kapitel 1







Kapitel 2







Kapitel 3







Kapitel 4







Kapitel 5







Epilog







Danksagungen







Die Autorin







Andrea Ross







Himmel (jetzt reicht‘s aber)!





Oder: Am Ende der Zeit





Teil 3 der Endzeit-Saga





XOXO Verlag







Impressum







»Es gibt nur eine Zeit, in der es wesentlich ist aufzuwachen. Diese Zeit ist jetzt.«



Buddha





Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://www.d-nb.de

abrufbar.





Print-ISBN: 978-3-96752-032-3



E-Book-ISBN: 978-3-96752-532-8



Copyright (2019) XOXO Verlag Umschlaggestaltung:



© Ulrich Guse, Art fine grafic design, Orihuela (Costa)



© Collage von Ulrich Guse, unter Verwendung eines Lizenzbildes von: dreamstime.de





Buchsatz: Alfons Th. Seeboth





Rechtlicher Hinweis:



Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten rund um diesen Roman sind, abgesehen freilich von real existierenden Ortschaften, frei erfunden. Dasselbe gilt bezüglich der beschriebenen Vorgänge bei Behörden sowie anderen Institutionen oder Firmen. Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Menschen sowie deren Vereinigungen sind von der Autorin nicht beabsichtigt und wären daher rein zufällig. Selbstverständlich gilt letzteres nicht für ›öffentliche Personen‹ aus der Politik.





Hergestellt in Bremen, Germany (EU)





XOXO Verlag



ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH



Gröpelinger Heerstr. 149



28237 Bremen













Kapitel 1





Nicht schon wieder!





»Hallo? He, hörst du mich?« Gregorius mühte sich redlich, seinen Neuzugang davon zu überzeugen, endlich die Augen zu öffnen. Der Mann im teuren Designeranzug wäre nicht der Erste gewesen, der mit seiner neuen Situation gehadert hätte, sich notorisch gegen die bittere Erkenntnis wehrte, mausetot zu sein. Aber die Dinge hatten nun einmal so und nicht anders zu laufen – er war der Schutzengel dieses tragischen Helden namens Stephen McLaman gewesen, daher oblag es ihm auch, ihn hier mitfühlend in Empfang zu nehmen. Gregorius kannte solche Situationen, er hatte sie x-mal durchgespielt. Zuerst sahen sich die Opfer von Unfällen, Attentaten oder Naturkatastrophen, welche viel zu plötzlich aus dem Leben gerissen worden waren, ungläubig mit großen Augen um. Sie versuchten herauszubekommen, wo sie sich eigentlich aufhielten. Danach folgte stets der jähe Schrecken, wenn sie den ersten Engel erblickten und ihnen langsam dämmerte, dass sie dieses Mal nicht in ihrem Bett erwacht waren. Das war dann der Augenblick, die Neuzugänge behutsam mit der Tatsache ihres Ablebens vertraut zu machen. Tot, hinüber, Gewesene.



Diese Aufgabe erforderte einiges an Fingerspitzengefühl. Man konnte nicht einfach überall dieselbe Begrüßungszeremonie abhalten, oh konträr! Es spielte durchaus eine Rolle, um WEN es sich jeweils handelte. War der Verblichene jung oder alt, welcher Kultur oder Religion gehörte er an, handelte es sich um einen gebildeten Menschen oder um einen Asozialen? Kopfschüttelnd dachte Gregorius, der einst als Lehrer Gregor in Russland gelebt hatte und jämmerlich am Alkoholismus zugrunde gegangen war, an seine ersten Versuche. Die derzeit lebendigen Menschen auf der Erde machten sich echt keine Vorstellung davon, wie anspruchsvoll solch ein Job als Engel sein konnte.



So wie neulich, als der 17-jährige Bursche hier heraufkam, der beim verbotswidrigen Abseilen aus dem Fenster eines Heimes für schwer erziehbare Kinder abgestürzt war. Der wollte erst verstehen, wo er sich neuerdings befand, als Gregorius sich überwinden konnte, die folgenden Worte von sich zu geben:



»Ey, Schwachmat, reich mir mal deine Lauschlappen rüber! Voll runtergeklatscht, du Vollpfosten, he? Na, jetzt biste jedenfalls übern Jordan; platt, abgeritten, kapiert? Der Reaper hat dich geholt!« Gregorius schüttelte es bei der bloßen Erinnerung an seine verbalen Entgleisungen, doch die gehörten gelegentlich leider zu seinem Handwerk, welches dennoch recht edel war.



Sobald Gregorius spürte, dass dem jeweiligen Neuankömmling langsam ein Licht über die neuen Umstände aufging, in denen er sich befand, vermochte er ihm zu helfen, sich damit abzufinden. Wäre Zeit hier oben existent gewesen, so hätte er festgestellt, dass dieser Prozess bei vielen Menschen sehr lange dauert. Zum Glück jedoch gab es hier oben in der Zentrale der Macht weder Zeit noch klar umrissenen Raum, wodurch auch während der längsten Erkenntnisprozesse nicht einmal ein Wimpernschlag in der Ewigkeit verging.



Manche wollten unbedingt wieder hinunter, sich selbst an der Unfallstelle oder im Operationssaal liegen sehen. Andere suchten verzweifelt nach Möglichkeiten, sich wenigstens von Familienmitgliedern zu verabschieden. Ein dritter Teil glaubte, jemandem auf der Erde unbedingt noch eine wichtige Botschaft überbringen zu müssen. So war das eben, wenn einer nicht planmäßig nach einem erfüllten Leben friedlich dahinschied, sondern abrupt lose Enden hinterließ. Auch bei sehr gläubigen Menschen, die zu Lebzeiten alles daran gesetzt hatten, in den Himmel zu kommen. Mit oft absurden Mitteln.



Manchmal dachte Gregorius zurück an die Zeit, als er selber noch ein Mensch gewesen war und im finstersten Sibirien gehaust hatte. Ein hartes Leben war das gewesen und doch wollte auch er nicht gerne dort fortgehen, konnte sich mit der Gewissheit seines Todes nicht gleich abfinden. Es war aber auch zu albern, was man sich als Mensch so unter dem »Himmel« vorstellte. Die einen ersehnten sich eine grüne Wiese, auf der sie bis ans Ende aller Zeiten selig dahinwandeln konnten; wie öde und langweilig!



Andere wiederum freuten sich auf das Wiedersehen mit ihren geliebten Angehörigen, die lange vor ihnen das Zeitliche gesegnet hatten. In manchen Religionen oder besser gesagt deren Auslegung gierte man sogar nach Jungfrauen, die für einen hier oben nur nach bestimmten fragwürdigen Todesarten bereitgehalten würden. Irdisch und menschlich, diese derart einfach strukturierten Gedanken, sinnierte Gregorius in solchen Momenten. Aber welches Individuum hätte mit einem begrenzten Geist schon ermessen können, dass all diese Vorstellungen zu kurz griffen? Viel zu kurz.



Gregorius wandte sich wieder seinem neuesten Erschießungsopfer zu, dessen Sakko ein ausgestanztes Loch mit einem stattlichen Blutfleck drum herum zeigte. »Ach komm, Stephen! Ich weiß doch, dass du glasklar bei Sinnen bist. Du machst es dir nur selbst schwer, eine absichtliche Verzögerung nutzt überhaupt nichts. Komm, schau mich bitte an!«



Der Engel korrigierte seine menschliche Erscheinungsform; falls er allzu durchscheinend aussah, verschreckte diese leuchtende Transzendenz manche Menschen, machte ihnen Angst. So! Nun spiegelte er optisch wieder detailgenau das Bild des Gregor Jukaschkin wider, genau wie dessen Konturen zu Lebzeiten ausgesehen hatten. Mitsamt dem wogenden Bierbauch.



»Wo … wo ist mein Vater?«



Aha, Steve realisierte zumindest bereits, dass er tot war. Das erleichterte die Sache. »Du erfährst von mir alles, was du wissen möchtest! Manches kann ich mir sparen, du bist schließlich nicht zum ersten Mal hier. Anschließend bringe ich dich zu deinem … Termin!«, sagte der Engel sanft; wohl wissend, dass die arme Seele noch lange nicht ausgelitten hätte.





* * *





Viele Fragen und Antworten später saß Stephen auf demselben unbequemen Stuhl wie … damals. Harrte vor dem riesigen Portal auf den Beginn des Tribunals mit den 12 Stimmen, die von sich selbst behaupteten, dennoch eine Einheit zu sein. Wie bei seinem letzten unfreiwilligen Besuch befand er sich in keiner heiteren Gemütsverfassung, obwohl dies hier offensichtlich der Himmel sein sollte, das vielgepriesene Paradies. Wenigstens war er sich nach Gregorius‘ Erläuterungen darüber im Klaren, dass die vagen Erinnerungen an einen Aufenthalt im Himmel, die ihn hartnäckig während seines Lebens verfolgt hatten, keine Hirngespinste gewesen waren.



Und wieder hatte er keine Ahnung, was er eigentlich falsch gemacht hatte. War die Welt, die er kannte, zwischenzeitlich nun untergegangen oder nicht? Gregorius hatte sich total bedeckt gehalten, was diese brisante Auskunft anging. Hingegen hatte er ihn bereitwillig darüber aufgeklärt, dass sein Vater Thomas McLaman keinen Zutritt in die himmlischen Gefilde erhalten durfte. Stephen nahm sich vor, im Angesicht des Tribunals nicht so schnell klein beizugeben. Die feinstofflichen Herrschaften da drin würden ihm schon Rechenschaft darüber ablegen müssen, was sie sich bei dieser Aktion gedacht hatten. Sein Vater und er hatten schließlich alles drangesetzt, was menschenmöglich war, um die Welt vor dem Untergang zu retten. War das der Dank? Er selbst durfte sich in Kürze dafür verantworten, dass er sein ganzes Leben ohne Rücksicht auf Verluste für diese undankbare Aufgabe verwendet hatte und erhielt hernach nicht einmal eine Auskunft, ob er am Ende erfolgreich gewesen war oder nicht. Seinen Vater hatte man sogar nach »unten« in Luzifers Abteilung verbannt, weil er angeblich ein egoistischer, rücksichtsloser Mensch gewesen sei.

 



Klar, Vater hatte so seine Fehler gehabt – aber schließlich und endlich war er der maßgebliche Urheber des Projektes IKARUSWING 2029 gewesen, welches dazu dienen sollte, den unheilbringenden Meteoriten Apophis von seinem Kollisionskurs zur Erde abzubringen. Darüber hinaus zeichnete er zumindest finanziell verantwortlich für das weltvereinende Videospiel »Die Ikarus-Matrix«, mit dessen Hilfe die Weltbevölkerung über alle Grenzen und Ideologien hinweg jahrelang die möglichen Endzeitszenarien durchprobieren konnte, um spielerisch eine Lösung zur Abwendung der apokalyptischen Katastrophe zu eruieren.



Hatte Vater solch einen fiesen Lohn für seine Bemühungen verdient? Schlussendlich waren Vater und Sohn dann auch noch von einem vermutlich gestörten Datenschutzfanatiker erschossen worden, quasi während sie im Dienste des Himmels die Welt retten wollten! Wie schätzte man diesen Vorfall hier oben eigentlich ein? Als bedauerlichen Dienstunfall, als Bauernopfer oder womöglich gar als jämmerliches Versagen? Bald würde Stephen das erfahren und sein Groll wuchs angesichts dieser Aussichten noch um ein paar weitere Grade auf seiner persönlichen Frustskala.



»Dieser Stuhl erscheint dir nur deshalb hart und unbequem, weil du gerade negative, unbequeme Gedanken hegst! Warum entspannst du dich nicht und materialisierst dir lieber eine kuschelige Couch?«



Erstaunt sah Stephen hoch. Vor ihm stand Julian, sein vor langer Zeit verstorbener »kleiner« Bruder, welcher ihn schon beim vorigen Besuch in die wolkige Machtzentrale der allwissenden 12-teiligen Einheit begleitet hatte.



»Hey Brüderchen! Du bist der erste Lichtblick seit meinem Ableben und ich freue mich echt, dich zu sehen! Zu fragen wie es dir geht, erübrigt sich hier oben wohl, oder?«



Stephen fand seinen Verlegenheits-Gag schon während des Aussprechens selber nicht mehr witzig; außerdem nahm Julians fein geschnittenes Gesicht bereits wieder die gewohnt ernsten Züge an, die keinen Zweifel daran ließen, dass es für Stephen nun wohl tatsächlich genau DAS zu werden drohte: ernst. Schon öffnete sich lautlos das Portal und Julian bat ihn mit einer entsprechenden Handbewegung, gleich einzutreten.



Den atemberaubenden Anblick des himmlischen KonferenzZentrums kannte Stephen bereits. Im Grunde existierte hier nichts außer ganz feinen Konturen, drapiert zwischen Wolkenstrukturen und Licht. Das 12-teilige Tribunal hatte Stephen zu Ehren dieselben Formen angenommen wie bei seinem vorigen Besuch, damit man ohne Erklärungen und Umschweife zur Sache kommen konnte.



Wieder stand Stephen in geradezu trotziger Körperhaltung da, die ihm eigentlich hier überhaupt nicht zustand. Jetzt lächelte er gar versonnen und das Tribunal fing seine Gedanken im selben Moment auf, in dem sie ihm durch den Kopf geisterten. Dieser unbedarfte Delinquent fragte sich soeben scherzhaft in Gedanken, wo denn bitteschön die himmlische Espresso-Maschine stehe, für die der liebe Gott zum Leidwesen von George Clooney doch immer neue Kapseln benötigte; zumindest, wenn man einer Werbung aus den 2010-er Jahren Glauben schenkte. Die fand er damals nämlich witzig.



»Stephen McLaman, bist Du nun fertig? Kannst Du jetzt bitte mit dem nötigen Ernst an unsere Zwiesprache herangehen?«, dröhnte die Stimme der Macht durch die heiligen Hallen. Er erinnerte sich; die 12 schemenhaften Gestalten sprachen mit einer einzigen Stimme.



»Ja gut, ich hätte da auch gleich eine Frage. Wieso ist mein Vater nicht hier bei mir? Er hätte eine Chance verdient, so wie er sich bemüht hat, die Welt zu retten! Das muss doch in eurem Sinne gewesen sein!« Stephen bemühte sich, an diese Feststellung nicht allzu viele negative Gedanken anzuhängen, denn diese blieben hier leider niemandem verborgen.



»Stephen, wir sind dir keinerlei Rechenschaft schuldig, eher du uns. Daher sollst du nur wissen, dass du über die wahre Motivation deines Vaters nicht im Bilde bist – er hat sich hauptsächlich deshalb so aktiv für die Abwendung der Apokalypse eingesetzt, um seinen persönlichen Ruhm zu steigern, Unsummen an Geld zu verdienen und deine Mutter bei sich zu halten. Nicht aus reiner Liebe, sondern weil deren Weggang einen Imageverlust für ihn bedeutet hätte. Sie hat er genauso ausgenutzt und verblendet wie dich. Seine Struktur passt nicht hierher, doch dort unten ist er unter seinesgleichen.«



Stephen schluckte; Vater konnte doch nicht nur … oder etwa doch?



»Aber nun zu deiner eigenen Seele, Stephen McLaman. Wir hatten dir die seltene Gnade zukommen lassen, eine neue Chance auf der Erde zu nutzen. Doch was hast DU getan? Bist eigenen, eitlen Interessen nachgelaufen, hast dich völlig verblenden lassen und rührtest gar noch an Dinge, die für Menschen seit jeher tabu sind. Sieh dich doch an! Sogar verkleidet hast du dich, um den Menschen deiner Umgebung eine eingebildete Erhabenheit vor Augen zu führen!« Steve sah an sich hinunter. Er steckte noch immer in seinem teuren Designer-Maßanzug, den er getragen hatte, als man am Hamburger Flughafen auf ihn schoss. Na und? Er war Geschäftsmann gewesen, zumindest zum Schluss …



»So kleidet man sich eben auf der Erde, wenn man etwas erreichen will! Kleider machen Leute. Ich habe schließlich bis zum bitteren Ende versucht, die Welt zu retten. In eurem Auftrag. Und das, obwohl man mir alle nur verfügbaren Steine in den Weg legte. Zuerst das ganze Theater, bis ich endlich zu Lena finden durfte, die schwierige Erziehung des Messias, dann die jahrelangen Bemühungen mit dem Videospiel, welches nebenbei die Welt vereinte. DAS soll falsch gewesen sein? Ihr findet auch immer ein Haar in der Suppe! Kann man euch überhaupt etwas recht machen?« Natürlich war Steve klar, dass er sich soeben nicht sehr beliebt gemacht hatte. Aber da musste eine Klärung her! Sonst würde er bestimmt bis ans Ende der Ewigkeit an offenen Fragen herumkauen müssen.



»Auftrag, Stephen McLaman? Du sprichst von einem ausdrücklichen Auftrag, die Erde vor der Apokalypse zu retten? Nun, dein Verhalten ist nicht diskutabel, wir stellen hier nur fest. Anstatt viele Worte zu verlieren, zeigen wir dir deinen letzten Besuch hier oben lieber noch einmal in Bildern. Ebenso eine Zusammenfassung deines – wie du das nennst – zweiten Lebens, das du von uns vertrauensvoll geschenkt erhalten hattest. Danach benenne uns bitte die Stelle, an der wir dir angeblich den Auftrag gaben, die Apokalypse abzuwenden!«



Die Zentrale der Macht verwandelte sich augenblicklich in eine Art IMAX-Kino, nur ohne technische Hilfsmittel. Stephen beobachtete sein früheres Selbst beim Auftritt vor diesem Tribunal. Sah, wie man ihn über die Bedeutung der Zahl 12 in Kenntnis gesetzt, ihm Lenas Kindheit und Jugend präsentiert und schließlich erklärt hatte, dass er sie unbedingt beschützen sollte. Vor allem hatte er Sorge dafür zu tragen, dass Lena nicht noch vor der Geburt ihrer Tochter, des neuen Messias, Selbstmord begehen würde. Was er zwar unter dem Strich gemeistert hatte, jedoch nach Meinung des Tribunals in höchst unzulänglicher Manier.



Es folgte die Zusammenfassung seiner zweiten Existenz auf Erden. Stephen tat sich selber Leid, all seine vergeblichen Bemühungen noch einmal mitansehen zu müssen, die Welt zu retten oder wenigstens den Ablauf seines parallelen Lebens auf die vertraute Schiene des ersten zu lenken, um nur noch die finale Sequenz seines unrühmlichen Abganges verändern zu müssen. Aber kleinste Abweichungen hatten seinen Lebensweg dieses Mal in eine komplett andere Richtung geführt, ihn wider Willen andere Abzweigungen auf dem Lebensbaum nehmen lassen. Sein verzweifeltes Gegensteuern hatte nichts gebracht.



Genau! Yggdrasil, die Weltenesche. Die Spanierin Mercedes hatte ihm einst mühevoll diese Zusammenhänge begreiflich gemacht, in der virtuellen Zusammenfassung seines Lebens hatte er diese interessante Frau soeben wiedersehen können.



Bald schon war die Vorführung an dem Punkt angelangt, als Steve sich mit Leib und Seele in seines Vaters Software-Firma LAMANTEC AG einbrachte und blind vor lauter Feuereifer an dem Videospiel »Die Ikarus-Matrix« arbeitete, zusammen mit dem ebenso besessenen Daniel »The Freak« Biterman. Wonach das Spiel schnell zum Welterfolg wurde und es der Menschheit ermöglichte, Lösungen zur Abwendung der drohenden Apokalypse zu erarbeiten. Zumindest theoretisch.



»Na ja«, musste Stephen an dieser Stelle gedanklich einräumen.



»Das Theater mit Geschäftsmann und Anzug hätte echt nicht sein müssen. Da war ich wohl wirklich nicht ich selbst, habe ein wenig meine Persönlichkeit verraten. Aber das wird doch hoffentlich nicht der Grund dafür sein, dass ich jetzt dort nach unten in die Hölle …«



Weiter konnte Stephen diesen Gedanken nicht spinnen, denn soeben wurde er in dieser abstrusen Kinovorstellung erschossen und die Aufzeichnung riss ab. Wieder erhielt er keinen Hinweis darauf, ob die Welt nun kurze Zeit später wie in seiner letzten SpielSimulation untergegangen war oder weiter existier