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5. Stille Beteiligung

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Neben der sanierenden Kapitalerhöhung durch die Aufnahme neuer Gesellschafter kommt die Gründung einer stillen Beteiligung (§§ 230 ff. HGB) als Sanierungsmaßnahme in Betracht. Durch den Beitritt stiller Gesellschafter, die nach außen nicht in Erscheinung treten, kann die Zahlungsfähigkeit, des Krisenunternehmens verbessert werden. Das Konzept der stillen Gesellschaft existiert seit der Einführung des HGB im Jahre 1897. Der historische Gesetzgeber beabsichtigte, ein darlehensähnliches Dauerrechtsverhältnis zu konzipieren, mit dem der Kaufmann sein Handelsgewerbe finanzieren kann.[26] Die stille Gesellschaft ist einfach und flexibel handhabbar. Der stille Gesellschafter und der Geschäftsinhaber sind lediglich durch schuldrechtliche Beziehungen miteinander verbunden. Die schuldrechtlichen Vereinbarungen können weitgehend nach den Wünschen der Beteiligten frei gestaltet werden. Grundsätzlich bestehen keine Formvorschriften. Aus Nachweisgründen, auch gegenüber dem Finanzamt, ist indes zu empfehlen, den Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) schriftlich abzufassen. Die Rechte und Pflichten des stillen Gesellschafters beschränken sich ausschließlich auf das Innenverhältnis mit der Gesellschaft. Der stille Gesellschafter überlässt dem Unternehmen, an dem er sich beteiligt, eine Einlage, die in das Vermögen des Unternehmens eingeht. Die stille Gesellschaft wird grundsätzlich nicht zum Handelsregister angemeldet. Bei der AG ist allerdings die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen (§§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 Abs. 1 AktG) und die stille Gesellschaft ist zum Handelsregister anzumelden (§ 294 AktG). Je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages wird zwischen der typisch stillen Beteiligung und der atypisch stillen Beteiligung unterschieden.

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Der typisch stille Gesellschafter ist am Gewinn und je nach Vereinbarung auch am Verlust des Unternehmens beteiligt. Er ist indes nicht am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Grundsätzlich stehen dem typisch stillen Gesellschafter nur die Kontrollrechte nach § 233 Abs. 1 und 3 HGB zu, wonach er berechtigt ist, eine Abschrift vom Jahresabschluss zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Belege zu prüfen. Einlagen typisch stiller Gesellschafter sind indes grundsätzlich nur als Fremdkapital zu qualifizieren und erhöhen nicht das haftende Eigenkapital des Krisenunternehmens. Als ergänzende Sanierungsmaßnahme ist in diesem Fall zu empfehlen, dass der stille Gesellschafter einen Rangrücktritt (§ 39 Abs. 2 InsO; vgl. dazu Rn. 80 ff.) erklärt und ggf. mit einer Besserungsklausel (vgl. Rn. 75) versieht. Im Insolvenzfall kann der stille Gesellschafter seine Einlage, soweit diese seinen anteiligen Verlust übersteigt, als Gläubiger geltend machen (§ 236 Abs. 1 HGB), sofern nichts anderes vereinbart ist. Rückständige Einlagen hat der stille Gesellschafter zur Insolvenzmasse einzuzahlen, soweit dies zur Deckung seines anteiligen Verlustes erforderlich ist (§ 236 Abs. 2 HGB). Leistet ein Gesellschafter des Krisenunternehmens eine typisch stille Einlage, wird diese grundsätzlich wie ein Gesellschafterdarlehen (vgl. Rn. 47 ff.) gewertet. Von einer Passivierung im Überschuldungsstatus kann nur dann abgesehen werden, wenn ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart wird (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO).

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Der atypisch stille Gesellschafter ist an den laufenden Gewinnen und Verlusten sowie auch an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt und hat weitergehende Mitwirkungs- und Kontrollrechte als der typisch stille Gesellschafter. Eine atypisch stille Beteiligung kann in der Regel nicht kurzfristig gekündigt werden. Verbunden mit der nicht ausschließbaren Verlustbeteiligung ist die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters handelsrechtlich grundsätzlich als Posten mit Eigenkapitalcharakter zu werten und kann in diesem Fall in der Handelsbilanz als gesonderter Posten nach dem Eigenkapital ausgewiesen werden. Diese handelsrechtliche Wertung genügt allerdings nicht, um auf die Passivierung im Überschuldungsstatus zu verzichten.[27] Auf eine Passivierung im Überschuldungsstatus darf nur verzichtet werden, wenn der atypisch stille Gesellschafter einen qualifizierten Rangrücktritt erklärt (§ 39 Abs. 2 InsO).

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In steuerlicher Hinsicht erzielt der typisch stille Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), während der atypisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die Verluste stiller Gesellschafter sind nur beschränkt steuerlich abzugsfähig. Auf Anteile des typisch und des atypisch stillen Gesellschafters am Verlust ist § 15a EStG anzuwenden. Ferner dürfen Verluste aus atypisch stillen Gesellschaften weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden (§ 15 Abs. 4 S. 6 EStG). Sie mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Gewinnanteile aus „derselben“ stillen Gesellschaft in dem unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahr oder in den Folgejahren. Für typisch stille Gesellschaften gilt entsprechendes sinngemäß (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG). Beteiligt sich ein atypisch stiller Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft, wird die Kapitalgesellschaft in Verbindung mit der atypisch stillen Beteiligung gewerbesteuerlich wie eine Personengesellschaft behandelt, so dass der Gewebeertrag um den Freibetrag von 24 500 EUR gekürzt werden kann (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG).

II. Fremdkapitalmaßnahmen

1. Rechtlicher und wirtschaftlicher Maßstab

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Gläubiger sind rechtlich nicht verpflichtet, sich an Sanierungsmaßnahmen eines Krisenunternehmens zu beteiligen. Gleichwohl haben Gläubiger häufig ein wirtschaftliches Interesse, einen Beitrag zur Restrukturierung des Krisenunternehmens zu leisten, um dadurch das Krisenunternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Im Insolvenzfall verringert sich in der Regel die Aussicht der Gläubiger, ihre Forderungen zu realisieren.

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Häufig ist die Beteiligung der Gläubiger notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung. Eine wesentliche Voraussetzung für die Beteiligung von Gläubigern an Sanierungsmaßnahmen ist, dass ihnen zunächst ein schlüssiges Sanierungskonzept auf Basis einer integrierten Bilanz-, Ertrags- und Finanzplanung vorgelegt wird. Auf Basis des Sanierungskonzeptes sollte zunächst in quantitativer und qualitativer Hinsicht ersichtlich sein, in welchem Umfang welche Art von Beiträgen zur Sanierung des Krisenunternehmens erforderlich ist. Zudem benötigen die Gläubiger, nicht nur aus rechtlichen Gründen, eine Unterlage zur Unterlegung ihrer Entscheidung (z.B. Stundung oder Ausweitung von Krediten) anhand derer sie später die Zielerreichung überprüfen können. Darüber hinaus müssen die Prämissen und die Sanierungsmaßnahmen, mit Hilfe derer die Wettbewerbsfähigkeit und eine branchenübliche Rendite des Krisenunternehmens wiederhergestellt werden sollen, exakt abgebildet und nachvollziehbar erläutert werden, um das Vertrauen der Gläubiger wieder zu gewinnen. Gelingt es auf dieser Basis, mit einem wesentlichen Kreis der Gläubiger vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens zu vereinbaren, spricht man von einem außergerichtlichen Vergleich. Sanierungsmaßnahmen von Gläubigern können aber auch durch ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren in einen Restrukturierungsplan oder nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einen Insolvenzplan eingebettet werden.

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Die zu ergreifenden Fremdkapitalmaßnahmen haben vorrangig das Ziel, die Liquiditätssituation des zu sanierenden Unternehmens zu verbessern. Ein eigenkapitalerhöhender Effekt geht von den Fremdkapitalmaßnahmen in der Regel nicht aus, so dass begleitend zu den Fremdkapitalmaßnahmen grundsätzlich auch eigenkapitalerhöhende Maßnahmen notwendig sein können.

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Nachfolgend werden verschiedene Maßnahmen zur Sanierung von Krisenunternehmen vorgestellt, die jeweils das Fremdkapital des Krisenunternehmens betreffen. Im Einzelnen die Gewährung von Gesellschafterdarlehen, die Erhöhung von Kreditlinien vor allem durch Kreditinstitute, die Stundung und Novation insbesondere von Lieferantenforderungen, der Forderungsverzicht durch Gesellschafter und sonstige Gläubiger sowie die Rangrücktrittserklärung durch Gesellschafter und sonstige Gläubiger. In einem separaten Abschnitt werden die deutlich erweiterten Restrukturierungsmöglichkeiten von Anleihegläubigern vorgestellt, die das Schuldverschreibungsgesetz von 2009 bietet. Das neu gefasste SchVG löst das SchVG von 1899 ab und ist nunmehr anwendbar auf Anleihen, die dem deutschen Recht unterliegen.

2. Gesellschafterdarlehen

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Gesellschafter können frei darüber entscheiden, ob sie ihrem Unternehmen in der Krise benötigtes zusätzliches Kapital entweder als zusätzliches Eigenkapital gewähren oder mit Abschluss eines Darlehensvertrages (§ 488 BGB) der Gesellschaft Fremdkapital in Form eines Darlehens (Gesellschafterdarlehen) zur Verfügung stellen. Gesellschafterdarlehen kommen v.a. in Krisensituationen in Betracht, in denen es in erster Linie darum geht, die drohende Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Zusätzlich lassen sich positive Liquiditäts- und Ergebniseffekte bei dem Krisenunternehmen erreichen, wenn der Gesellschafter dem Krisenunternehmen das Darlehen zinsvergünstigt oder zinslos gewährt. Eine Überschuldung lässt sich durch die Gewährung von Gesellschafterdarlehen indes nicht ohne Weiteres vermeiden, da die liquiden Mittel zwar die Aktiva des Krisenunternehmens erhöhen, in gleichem Maße erhöhen sich aber auch die Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz bzw. des Überschuldungsstatus.

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Aus Gesellschaftersicht bietet die Gewährung von Darlehen statt Eigenkapital den Vorteil, dass die Gewährung von Darlehen grundsätzlich befristet ist gegenüber der grundsätzlich unbefristeten Überlassung von Eigenkapital, so dass das der Gesellschaft überlassene Kapital bei Bedarf schneller wieder verfügbar ist. Zudem erwirbt der Gesellschafter auch während der Unternehmenskrise Ansprüche auf Zinszahlungen für die Darlehensgewährung, sofern er das Darlehen nicht zinslos gewährt, während er bei der Überlassung von Eigenkapital nur an den Unternehmensgewinnen beteiligt ist. Die Darlehensgewährung hat gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung indes den Nachteil, dass insoweit das Verlustausgleichspotential des Eigenkapitals nicht vergrößert wird. Empirische Untersuchungen zeigen, dass vor allem eine hohe Eigenkapitalbasis maßgebend ist für die Bestandsfestigkeit von Unternehmen.[28]

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Durch das mit Wirkung zum 1.11.2008 in Kraft getretene MoMiG sind die Vorschriften zum Rechtsinstitut der „Eigenkapitalersetzenden Darlehen“, v.a. die §§ 32a, 32b GmbHG, für künftige Fälle abgeschafft worden, ebenso wie die bisherigen „Rechtsprechungsregeln“ zum eigenkapitalersetzenden Darlehen (§§ 30, 31 GmbHG a.F. analog; vgl. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n.F.). Die Qualifizierung von Gesellschafterdarlehen als „eigenkapitalersetzend“ hat also, abgesehen von Altfällen, keine rechtliche Relevanz mehr (hierzu auch unter Rn. 159 ff.).

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Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen in der Unternehmenskrise ist in Art. 9 MoMiG verankert und wird nunmehr durch die gesetzlichen Vorschriften der InsO geregelt. Die Neuregelungen gelten für alle Arten von Gesellschafterdarlehen. Danach werden im Insolvenzverfahren Rückzahlungsansprüche aus jeglichen Gesellschafterdarlehen von Gesetzes wegen nachrangig bedient (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen außerhalb des Insolvenzverfahrens ist anfechtungsfrei, wenn sie vor der maßgebenden Jahresperiode des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgt ist. Andernfalls kann die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens angefochten und auf diesem Wege zur Insolvenzmasse gezogen werden. Auch zu Zeiten der Unternehmenskrise resultiert aus dem Gesetz keine gesetzliche Rückzahlungssperre analog § 30 GmbHG mehr (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n.F.). Im Hinblick auf die Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus ist indes weiterhin eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung des Darlehensgebers erforderlich, um den in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO festgeschriebenen Nachrang bereits vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu erreichen. Präzisiert wird die Formulierung des Rangrücktritts im Hinblick auf die Tiefe des Rangrücktritts durch § 19 Abs. 2 S. 2 InsO, wonach ein Rangrücktritt nach § 39 Abs. 2 InsO genügt (vgl. dazu Rn. 80 ff.).

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Kleingesellschafter und Sanierungsgesellschafter sind, wie zuvor nach alter Rechtslage (§§ 32a Abs. 3 S. 2, 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a.F.) durch das neue Recht nach dem MoMiG privilegiert. Ihre Gesellschafterdarlehen sind von der nachrangigen Befriedigung gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausgeklammert. Das Sanierungsprivileg (§ 39 Abs. 4 S. 2 InsO n.F.) soll Gläubiger motivieren, zunächst eine Beteiligung am Krisenunternehmen zu erwerben, um anschließend privilegierte Sanierungskredite oder stille Einlagen zur Finanzierung des Krisenunternehmens zu leisten. Nach § 39 Abs. 4 S. 2 InsO gilt die Einstufung als nachrangiges Gesellschafterdarlehen nicht für Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen von solchen Gläubigern, die bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile der Gesellschaft nachweisbar zum Zwecke der Sanierung erwerben (s. hierzu unter Rn. 159 ff.). Ähnliches gilt auch für Gesellschafterdarlehen, die im Zeitraum der Geltung des Gesetzes zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Zuge der Corona-Pandemie erfolgt sind (§2 COVInsAG).

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Das Kleinbeteiligungsprivileg oder Zwerganteilsprivileg (§ 39 Abs. 5 InsO n.F.) soll die Finanzierung mittelständischer Unternehmen erleichtern, hat aber in der Praxis keine nennenswerte Bedeutung erlangt.[29] Nach § 39 Abs. 5 InsO gilt die Einstufung als nachrangiges Gesellschafterdarlehen nicht für Forderungen von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern, die mit 10 % oder weniger am Haftkapital beteiligt sind.

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Bei der Bewertung von niedrig oder nicht verzinsten (Gesellschafter-) Darlehen stellt sich die Frage, ob handelsrechtlich eine Abzinsung geboten ist. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB schreibt vor, dass Verbindlichkeiten grundsätzlich mit ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen sind. Eine Abzinsung ist danach nicht zulässig, da diese dem Wortlaut des § 253 Abs. 1 S. 2 HGB widersprechen würde. Zudem würde eine Abzinsung auch gegen das handelsrechtliche Realisationsprinzip verstoßen, weil ungewiss ist, ob der aus der Abzinsung resultierende Gewinn unternehmensintern überhaupt erwirtschaftet wird.[30]

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In steuerlicher Hinsicht gilt, dass der Finanzierungsaufwand bei der Gesellschaft grundsätzlich als Betriebsausgabe steuerlich abzugsfähig ist (§ 4 Abs. 4 EStG). Allerdings wurde die Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 deutlich eingeschränkt durch die Einführung einer Zinsschranke (§ 4h EStG) sowie die geänderten gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften (§ 8 GewStG). Die Zinsschranke wird nicht angewendet, wenn die die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen die Freigrenze von gegenwärtig 3 Mio. EUR nicht überschreiten. Wird diese Freigrenze überschritten, ist der Abzug auf 30 % des steuerlichen Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) begrenzt. Die Zinsschranke gilt zwar nicht für Betriebe, die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, allerdings greift die Zinsschranke bei Kapitalgesellschaften auch ohne Konzernzugehörigkeit, wenn eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung nach § 8a Abs. 2 KStG vorliegt. Diese ist anzunehmen, wenn die Vergütungen für das Fremdkapital an einen zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Gesellschafter, eine diesem nahe stehende Person (§ 1 Abs. 2 AStG) oder einen Dritten, der ein Rückgriffsrecht auf die zuvor genannten hat, mehr als 10 % des Zinssaldos betragen (§ 8a Abs. 2 KStG). Gelingt Konzernunternehmen der Nachweis, dass ihre Eigenkapitalquote gleich hoch oder höher als die Konzerneigenkapitalquote ist, ist die Zinsschranke nicht anzuwenden (Escape-Klausel, § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG), allerdings darf auch hier wiederum keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8a Abs. 3 KStG) vorliegen. Nicht abziehbare Schuldzinsen werden durch das Betriebsfinanzamt gesondert festgestellt und können in die steuerlichen Folgeperioden vorgetragen und unter Beachtung der Zinsschranke abgezogen werden. Da gerade Krisenunternehmen durch eine hohe Fremdkapitalquote und einen entsprechend hohen Zinsaufwand sowie durch eine schlechte Ertragslage und ein entsprechend niedriges EBITDA gekennzeichnet sind, kann die Zinsschranke insbesondere bei Krisenunternehmen zu wesentlichen steuerlichen Mehrbelastungen führen.

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Die Gewährung eines zinsvergünstigten oder zinslosen Darlehens ist steuerlich nicht als verdeckte Einlage zu werten, da der Zinsvorteil kein eigenständiges, einlagefähiges Wirtschaftsgut darstellt, sondern lediglich einen nicht einlagefähigen Nutzungsvorteil.[31] Unverzinsliche und niedrig verzinsliche Darlehen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag mehr als 12 Monate beträgt, sind mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG), so dass bei der Gesellschaft ein steuerpflichtiger Abzinsungsgewinn entsteht. In den Folgejahren ist die Verbindlichkeit wieder schrittweise aufwandswirksam bis zum Erreichen des Rückzahlungsbetrages zu erhöhen.

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Auf Ebene der Gesellschafter sind Zinserträge, unabhängig von einem eventuell eingeschränkten Betriebsausgabenabzug auf Ebene der Gesellschaft, in voller Höhe zu versteuern. Bei privaten Gesellschafterdarlehen hängt die Besteuerung der Zinserträge und der Abzug von Zinsen für ein Refinanzierungsdarlehen von der Höhe ihrer Beteiligung an der Kapitalgesellschaft ab. Zinsen aus privaten Darlehen von Gesellschaftern, die mit weniger als 10 % beteiligt sind, unterliegen als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Abgeltungssteuer (25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Etwaige Refinanzierungszinsen können sie steuerlich nicht geltend machen (§ 20 Abs. 9 EStG). Gesellschafter, die mit mindestens 10 % beteiligt sind, haben Zinsen aus Gesellschafterdarlehen der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen. Im Gegenzug entfällt für sie das Werbungskostenabzugsverbot. Verluste dürfen mit anderen tarifbesteuerten Einkunftsarten ausgeglichen und nach § 10d EStG abgezogen werden. Zinserträge, die im Gewerbebetrieb erzielt werden, unterliegen der Gewerbesteuer, die auf die Einkommensteuer anrechenbar ist (§ 35 EStG). Bei Kapitalgesellschaften unterliegen Zinserträge der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer.

3. Erhöhung der Kreditlinien

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Eine Erhöhung der Kreditlinien kann auf einfache Art einen Liquiditätsengpass und damit eine drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigen. Eine drohende oder eingetretene Überschuldung kann dadurch aber nicht beseitigt werden. Einerseits werden zwar liquide Mittel zugeführt und damit die Aktiva des Krisenunternehmens entsprechend erhöht, andererseits erhöhen sich aber insoweit auch die Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz bzw. des Überschuldungsstatus. Die Erhöhung der Kreditlinien führt somit zu einer Erhöhung der Fremdkapitalquote sowie zu einem zusätzlichen Zinsaufwand, der sich insoweit negativ auf die Ertragslage der Gesellschaft auswirkt.

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Bei der Erhöhung der Kreditlinien kommt vor allem den Kreditinstituten häufig eine Schlüsselstellung zu, weil Sanierungsbeiträge der anderen beiden großen Gruppen von Gläubigern, Lieferanten und Arbeitnehmer, aufgrund der Vielzahl der Betroffenen nur schwer zu organisieren sind und aufgrund der zum Teil nur geringen Leistungsfähigkeit der einzelnen Gläubiger kaum im erforderlichen Umfang geleistet werden können. Allerdings besteht für Kreditinstitute keine Rechtspflicht, Sanierungsbeiträge zu leisten. Etwaige nebenvertragliche Treuepflichten beschränken sich lediglich auf die bereits abgeschlossenen Kreditverträge und nicht etwa auf die Gewährung neuer Kredite.[32] Die Gewährung neuer Kredite treffen Kreditinstitute auf Basis einer unternehmerischen Entscheidung. Entscheidungsgrundlage ist regelmäßig ein schlüssiges Sanierungskonzept,[33] das von den erkannten und erkennbaren Gegebenheiten ausgeht und sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht offenlegt, in welchem Umfang welche Art von Beiträgen von Gesellschaftern und Gläubigern zur Sanierung des Krisenunternehmens erforderlich sind. Darüber hinaus müssen die Prämissen und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen, mit Hilfe derer die Wettbewerbsfähigkeit und eine branchenübliche Rendite des Krisenunternehmens wiederhergestellt werden soll, exakt abgebildet und nachvollziehbar erläutert werden. Aus dem Sanierungskonzept muss erkennbar sein, dass die Kreditvergabe durch das Kreditinstitut dem Zweck der Sanierung dient und dazu auch objektiv geeignet ist. Schließlich dürfen keine ernsthaften Zweifel am Gelingen der Sanierung bestehen. Andernfalls müsste das Kreditinstitut sich bei einer gescheiterten Sanierung möglicherweise den Vorwurf der Insolvenzverschleppung gefallen lassen und dass es durch die Kreditvergabe sittenwidrig andere Gläubiger geschädigt habe (§ 826 BGB). Der Vorwurf könnte lauten, das Kreditinstitut habe den zusätzlichen Kredit ohne Sanierungsabsicht vergeben, um lediglich eigennützige Ziele zu verfolgen, etwa um bereits gewährte Kredite zurückzuführen. Andere Gläubiger könnten auch dadurch benachteiligt sein, dass diese aufgrund der zusätzlichen Kreditvergabe die Lage des Krisenunternehmens zu günstig beurteilt haben und deshalb ihre Forderungen gegen das Krisenunternehmen nicht mit letzter Konsequenz eingefordert oder gesichert haben oder weitere Forderungen aufgebaut haben.[34]

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Liegen die vorgenannten Voraussetzungen vor, kann das Kreditinstitut die Gewährung zusätzlicher liquider Mittel auf Basis einer unternehmerischen Entscheidung treffen. Diese werden nur dann zusätzliche Kreditlinien gewähren, wenn absehbar ist, dass dadurch ein Liquiditätsengpass bei dem Krisenunternehmen ohne wesentliche Beeinträchtigung des Ertragspotenzials überwunden werden kann oder notwendige Sanierungsmaßnahmen oder Investitionen realisiert werden können, durch die das Ertragspotenzial des Krisenunternehmens wieder hergestellt werden kann. In diesem Fall kann die Gewährung zusätzlicher Kredite die Wahrscheinlichkeit der Rückführung der bestehenden Kredite erhöhen.

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Gewährt ein Kreditinstitut in der Phase der Prüfung eines vorgelegten Sanierungskonzeptes einen Überbrückungskredit, der zumindest bis zum Ende der Prüfungsphase die Zahlungsfähigkeit des Krisenunternehmens gewährleistet, wird die Kreditgewährung nicht als sittenwidrige Insolvenzverschleppung anzusehen sein, sofern die Beteiligten ernsthaft und mit aus ihrer Sicht tauglichen Maßnahmen die Sanierung verfolgen, auch wenn das Kreditinstitut damit eigennützige Ziele verfolgt.[35]

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In steuerlicher Hinsicht ist zu beachten, dass durch die Gewährung zusätzlicher Kredite und die damit verbundene Erhöhung des Zinsaufwands die steuerliche Abziehbarkeit des Zinsaufwands durch die Zinsschranke (§ 4h EStG) begrenzt sein kann (vgl. dazu im Einzelnen Rn. 54).