Von Sisyphus bis VAMP

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Von Sisyphus bis VAMP
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Andre Bauer

Von Sisyphus bis VAMP

Geschichten einer DDR-Amateurrockband aus Thüringen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel-Vorwort

1.Kapitel- „Star“

2. Kapitel- „Die Geburt“

3.Kapitel- „Die Stadt“

4. Kapitel „Im Proberaum“

6. Kapitel „Der große Tag „

7. Kapitel „Die Suche“

8. Kapitel „Prostitution“

9. Kapitel „Der Bär ist los...“

10. Kapitel „Der Umbruch“

11. Kapitel- „Die Balkanziege“

12. Kapitel –„Rock & Pop „

13. Kapitel –„Boote der Jugend“

14. Kapitel-„Dicke Luft“

15. Kapitel-„Rosi“

16. Kapitel –„In einer Burg...“

17. Kapitel-„Konzerte“

18. Kapitel- „Wenn ein Traum Wirklichkeit wird „

19. Kapitel-„Neue Technik“

20. Kapitel- „Studentenclub“

21. Kapitel-„Berlin“

22. Kapitel-„Der Ausstieg“

23. Kapitel-„Das Ende“

24. Kapitel-„Heute“

25. Kapitel –„Mein zweiter Frühling“

26. Kapitel- Die Spassband

28. Kapitel- „KRASS“:

29. Kapitel- „Cover Event Time“

30. Kapitel- Schlusswort:

Impressum neobooks

Kapitel-Vorwort

Das Buch erzählt die Geschichte über eine Amateurrockband aus der DDR, von denen es unzählige mit Amateur- und Berufsmusikern gab.

Beschrieben wird eine Band aus Thüringen in den Jahren 1984 bis 1991, ihr Werdegang, ihre Erlebnisse, Ihre Höhen und Tiefen im Bandalltag sowie der Neuanfang des Autors dieses Buches und gleichzeitig Sängers der Band im Heute.

Der Verfasser ist Jahrgang 1968, geboren in Thüringen, Stadt Apolda, von Beruf Hotelfachmann, ledig und Musiker.

Das Buch umfasst ausschließlich die Sicht dieses Frontmannes, André Bauer, der Bands Sisyphus und Vamp der 80er Jahre in der Provinz der DDR, der keine berühmte DDR-Rockgeschichte geschrieben hat, sondern in seiner Freizeit dem Musikmachen nachgegangen ist und in beiden Bands der breiten Amateurrockszene der DDR mitgewirkt hat.

Es gibt Einblicke in das kulturelle Leben der thüringischen Kleinstadt Apolda Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, die verschiedene Kulturstätten und Personen, die dort arbeiteten. Es erzählt von Funktionären der damals herrschenden SED-Diktatur auf der untersten Führungsebene einer Kleinstadt, den großen und kleinen Problemen einer Rockband, wie sie heute auch noch auftreten können, den Höhen und Tiefen dabei sowie dem Zusammenbruch der Band und dem Leben des Musikers heute.

Weiterhin werden Leute genannt, die aus dem Umfeld des Autors stammen, auf ihn gewirkt haben und mit ihm in Verbindung standen. Viele von ihnen haben sein Denken und Handeln als junger Mensch in dieser Zeit und unter dem Leben einer Diktatur im Bereich der Kultur der 80er Jahre beeinflusst.

Das Buch soll zugleich anregend auf junge Musiker der heutigen Zeit wirken, die damit anfangen, Musik zu machen, sich einer Band anschließen oder selbst gründen. Ihnen soll ein Einblick in den Alltag von Hobbymusikern gegeben werden, der sich zwar in großer Weise von der Vergangenheit zum Heute verändert hat, aber zum Jetzt Parallelen aufweist.

Es geht in dem Buch aber nicht um eine Verteuflung oder Nostalgie einer Zeit, in der der Autor gelebt hat, sondern um die Leichtigkeit des jungen Seins, der Widersprüche des jungen Helden und um die Faszination von Rockmusik auf junge Menschen.

Das Buch wird bildlich unterstützt von einmaligen Originalaufnahmen aus dieser Zeit, dem Ort der Handlung sowie von Dokumenten, die über den Bandalltag Auskunft geben.

Es ist ausnahmsweise mal nicht die übliche und sensationswirksame Biographie eines bekannten Megastar der Pop- und Rockmusik, auch keiner berühmten Rockband, sondern der Horizont eines einfachen Musikers hinter de „Eisernen Vorhang“ der Weltgeschichte.

1.Kapitel- „Star“

Hallo, hier bin ich. Ja, ich. Wie, du kennst mich nicht?

Na, ich bin der Star aus der Provinz. Irgendwann aus den 80ern , in der Zeit der heiligen Hallen des Rockolymps, irgendwo zwischen Billy Idol und Herbert Grönemeyer. So habe ich mich jedenfalls gefühlt bei all den Bühnenauftritten, versüfften Clubs und Toiletten, lüsternen Groupies, defekten Autos, starrsinnigen Funktionären und was da sonst noch so war und herumlief.

Ich war ja erst 15, 16 Jahre alt als ich mit diesen Job anfing und hatte großen Spaß daran.

Ja, ja, lang, lang ist es her und nach über zwanzig Jahren erinnere ich mich wieder an all die Stories, schmutzigen Details und meine legendären Auftritte mit der Musik. Ich dachte mir so, es gibt ja so viele Bücher und Autobiographien über Stars und Sternchen, von U2 bis Billy Idol, von ABBA bis ZZ-Top. Also, warum nicht mal die aufregende Geschichte einer kleinen Band aus der DDR, so hieß unser kleines Ländchen damals hier, erzählen.

Große und kleine Bands der gepflegten Rockmusik gab es damals in diesem kleinen Land unzählige und jeder hätte wohl so seine Geschichte zu erzählen von all den Abenteuern, von den falschen Kompromissen und dem unbedingten Willen das alles machen zu wollen und durchzustehen.

Ich erzähle hier jetzt meine Geschichte- von Sisyphus bis Vamp, denn so hießen die beiden Bands, in denen ich damals als Frontmann mitwirkte.

Die Geschichte einer kleinen normalen Rockband aus der Provinz der DDR, wie es unzählige gab, die alle einmal angefangen hatten mit der Leichtigkeit und Schwere, eine Band zu gründen.

Dem verehrten Leser soll es auch Freude machen diese Zeilen zu lesen, mitzufiebern,

sich seine Gedanken zu machen, wenn er selber in der Situation sein sollte, eine Band z gründen. Er soll nicht aufgeben an seinem Traum, auch ein Star zu werden, zu arbeiten. In diesem Sinne: Keep on rockin!





2. Kapitel- „Die Geburt“


Also, alles begann irgendwann in den legendären 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als sich zwei Jungs im zarten Alter von 15 Jahren aufmachten aus ihren tristen Dasein als Singeclubmitglied der jeweiligen Schule in der thüringischen Provinzstadt Apolda, die Sache selber in die Hand zu nehmen, um eine Band zu gründen!

Nun war der Singeclub nicht schlecht für die ersten Gehversuche in der harten Musikbranche, wenn man wie ich sang und der Andere Klampfe spielte, aber so richtig Spaß hat das letztendlich nur bedingt gemacht. Wir sangen kämpferische Lieder von der "Sache", die damals Sozialismus hieß, von Standpunkten, von Krieg und Frieden und wie schön es in unserem Land war. War es das wirklich?



Alles wurde immer schön besungen, man gab sich immer kämpferisch im landeseigenen Blauhemd und trällerte vor Brigaden, Kollektiven, Altersheimen, welche dankbar unserer hohen Kunst lauschten. Sie kannten es aber wohl nicht anders.

 

Irgendwann machte ich mich mit meinem Freund und Klassenkameraden Rüdiger in dieser Zeit auch daran, als Disjockey, ein anderes Terrain zu betreten, wo man die richtige Musik hören und spielen konnte.

Wir konnten aber nicht alles abspielen, was wir wollten, was wir hörten und was gerade aktuell war, den es gab in unserem kleinen Land eine goldene Regel für all Diejenigen, die Musik machten oder abspielten. Sechzig, vierzig, hieß die und bezog sich nicht auf das Alter irgendeine Person. Nein, es war das sozialistische gesunde Maß für Musik aus dem Osten und der Musik, die aus den Westen kam. Letzterer konnte man sich genauso schwer entziehen wie unserer damaligen heißen Ostmugge. Die Westmusik kannte ja keine Grenze und konnte ohne Visum uneingeschränkt in unser Ohr dringen. Natürlich nur zu Hause am Radio oder im Westfernsehen, wo es neben Hitparade, Rockpalast, Formel 1, noch andere diverse Musiksendungen gab.

Wissen durfte das keiner, wenn wir am Radio hingen mit unseren schwer erkauften Kassettenrecordern und den immer teuren Kassetten und Sendungen wie die Hitparaden von HR3 aufnahmen, um die neuesten Hits der westlichen Hemisphäre zu besitzen. Manchmal musste man auch Titel löschen, die man eine Woche vorher aufnahm, weil man zuwenig Kassetten besaß, Westkassetten. Jedenfalls war ich sehr froh, wenn ich immer Westmusik besaß, die mir sehr gefiel und die ersten Gefühle, Träume und Sehnsüchte auslösten. Platten aus dem Westen gab es fast gar nicht, außer ein paar Lizenzplatten von Nena oder BAP.

Aber auch das war ein schweres Unterfangen, denn krieg erst mal so eine lizenzierte Westplatte im Laden. Dafür musste ich mich beim damaligen Schallplattenladen

Stundenlang anstehen und wenn ich Pech hatte und ich an der Reihe war, dann gab es die nicht mehr. Alles gab es nur in einer bestimmten Anzahl oder gar nicht. Ostplatten gab es auch und da war es mitunter ähnlich, anstellen, stundenlang warten und dann der große Moment. Ich hatte mir aber, soweit mein Geld reichte, schon etliche Schallplatten von unseren Musiker zugelegt. Pankow, Rockhaus, Silly, Karat u.a. - meine Stars! Damals jedenfalls, heute auch noch, aber das will immer keiner hören. Jedenfalls kostete eine große Platte 16, 10 Mark der DDR, eine so genannte Quartett-Platte mit 4 Liedern drauf, zwei vorne auf der A-Seite, zwei auf der B-Seite kosteten auch schon stolze 8,10 Mark. Kassetten, bespielt oder unbespielt, waren auch ganz schön teuer. Ich glaube mit 20 Mark warst man dabei.

Naja und dann war ich eigentlich ein großer Volkschädling in der DDR in diesen Bereich. Heute kann ich es ja erzählen, denn ich muss dafür nicht mehr ins Gefängnis, was mir bei damaligem Recht bestimmt eine große Strafe eingebracht hätte.

Ich habe sämtliche neue kleine Quartett-Schallplatten damals aus der hiesigen Bibliothek geklaut, so heiß war ich auf die Musik und die Platten! Die Bibliothek, deren Kunde ich seit frühester Kindheit war, möge mir verzeihen, aber die

Versuchung war zu groß, weil ich mir das unmöglich hätte leisten können und selbst vor den größten Scheiß der damaligen AMIGA-Produktionen (staatliches Plattenlabel) machte ich nicht halt, wie zum Beispiel bei Tina und Ihrer "Liebe auf dem Meeresgrund". Mein Bruder zog mich dann später damit immer auf, mit der Tina meine ich, es wäre meine "Freundin". Ich meine, eine Hübsche war die schon, braungebrannt und treuherzige braune Augen, der Sound hatte mir für einen Moment auch gefallen, aber letztendlich war es musikalischer Schrott.

Meine Diebestour zog sich weiter bis in das ehemalige Pionierhaus, wo wir ab

und zu mal Disko machten. Beim Aufräumen kam so manche Quartett-Platte unter meinen Pullover. Das war die beste Methode, die Dinger unbemerkt aus dem jeweiligen Haus zu schleppen. Meiner Plattensammlung tat es gut und ich war glücklich jeden Tag eine andere Musik auf meinen Plattenspieler abzuspielen.

Jedenfalls hatte ich dann Ost-und Westmusik genügend zu Hause, getreu dem Motto: "Sechzig/vierzig". Somit leiste ich wohl auch unbewusst einen Beitrag für die goldene sozialistische Regel der Pop-und Rockmusik.

Wir hatten so auch Musik für unsere Diskothek und konnten ab Und zu mal einen Abend damit bestreiten. Mein Freund und Kumpel Rüdiger sorgte für die Musik und ich machte die Ansagen für die Titel oder irgendwelche Spiele und Aktionen. Das war schon eine andere Welt, als die strammen FDJ-Lieder mit ihren Wahrheitsanspruch. Außerdem konnte ich mich, bewusst oder unbewusst, im Ansagen üben, was für einen Frontmann und Sänger einer Rockband wichtig ist, vor allen Dingen in der DDR, wo man bei seinen Ansagen schon drauf achten musste, was man vor seinen Publikum sagte. Ist heute nicht mehr so. streng wie damals, aber man sollte sich als Musiker schon Gedanken machen, was man seinem Publikum mitteilen möchte oder nicht.

So sind wir mit unserer Diskothekensache im damaligen Hans der Pioniere, kurz Pionierhaus, gelandet, wo wir ein Paradies der damaligen Technik und einem Equipment vorfanden. Was sich doch die Genossen so alles leisteten!

Es gab Schallplatten, wie schon unrühmlich erwähnt, Mikrophone, Boxen, Endstufen, Verstärker, Tonbandgeräte und noch viel mehr.... Ein sozialistisches Kleinparadies. In der Zeit überlegten wir, auch beeindruckt von dem technischen Equipment des Pionierhauses, eine eigene Band zu gründen. Rüdiger spielte Gitarre und Klavier und ich sang für meine Leben gern und auch nicht schlecht, wie mir damals alle bescheinigten.

Zu Hause bei Rüdiger übten wir immer. Er am Klavier und ich sang, obwohl ich damals am liebsten eigene Sachen machen wollte und Rüdiger seine Akkordfolge auf dem Klavier aber oft schrecklich fand. Er meinte zwar, wir sind wie John Lermon und Paul Mac'Cartney von den Beatles, aber das war mir dann doch etwas sehr hoch gegriffen, denn so richtig gefielen mir seine Kompositionen nicht. Ich begann damals auch anzufangen mit Texten und wollte immer meine Texte, die stark an Silly orientiert waren, mit einbringen. Irgendwie klappte das aber nicht, meine holprigen Texte, seine leirigen Akkorde. So taten wir zwar unser Bestes und übten oft sehr lange, aber so richtig kam wohl doch nichts dabei heraus. Ist halt nicht so einfach gleich ein musikalisches Duo zu bilden, welches auch drauf hatte.

Mit der Zeit kam uns der Gedanke, den wir ja noch immer hatten, eine Band zu gründen. Das war so Ende 1979/Anfang 1980 herum. Aber da war ich noch nicht so aktuell bei Rüdiger, der erst einmal seine eigene Gruppe gründete, ohne mich, und diese "The Fans" nannte.

Die Urbesetzung der Gruppe "The Fans" bestand aus 2 Mädeln und 2 Jungs, Andrea und Carola, Gesang und Gitarre, Rüdiger, Gesang und Gitarre sowie Peter Schlagzeug. Doch das hielt nicht lange, die Mädels verschwanden und auch dieser breakdancegesteuerte Schlagzeuger Peter. Jetzt war für Rudi guter Rat teuer und er fragte mich, ob ich nicht mitmachen wollte. Wir kannten uns ja aus dem Singeclub, wo ich sang. Doch die Band war nicht komplett.

So fehlten zu einer Band nur noch der Schlagzeuger und ein Bassist. Die fanden wir auch. Meinen Bruder Thomas setzten wir hinter ein Pappschlagzeug (Millboarddrum) welches nur aus Pappe bestand, wie der Name schon verrät. Es bestand genauer gesagtaus 2 0M0-Waschmittelbehältern und einen richtigen Becken, aber mit Nieten. Nun waren die OMO-Waschmittelbehälter schon etwas Besonderes, denn sie stammten aus den Westen, was damals nicht so üblich war. Eine Fußmaschine gab es dafür nicht am Schlagzeug, was wiederum ungewöhnlich war, aber wie sollten wir die zusammenbastelten.

Aber man muss schon sagen, es ist ein Graus für ein Schlagzeuger dieses Pappschlagzeug , aber wir hatten nichts anderes, auch wenn es das tolle Equipment im Pionierhaus gab, aber das war nur für unsere Diskothek gestattet. Einen 2. Gitarrist, der dann doch kein Bass spielte, fanden wir im Nachbarn und Schulkameraden Knut, der bei Rüdiger in der Nähe wohnte. So übten wir die ersten Songs bei Rüdiger im Wohnzimmer, was groß genug war für solche Zwecke. Ich glaube, wir sangen von John Lermon "Imagine". Wir hatten noch keine Zuschauer und Fans, außer Rüdigers Eltern. Wohin sollte die Reise also gehen?

Vieles war ja noch unklar, da wir ja auch keine Meister waren auf unseren Instrumenten,/ aber bei jedem war der Wille und ein bisschen Talent vorhanden. "The Fans" durften dann so langsam, aber sicher nicht mehr bei Rüdiger im Wohnzimmer spielen, denn das sah Rüdigers Mutti nicht so gerne mit der Zeit. Es durfte ja auch nicht wie auf dem Rummel vor sich gehen in den eigenen vier Wänden. Zwischendurch waren wir mal bei Knut in der Villa, der wohnte gleich nebenan und die Villa war zudem viel geräumiger als Rüdigers kleines Wohnzimmer. Aber auch das hielt nicht lange.

Dann erfuhren wir, dass im Pionierhaus der Stadt eine Band probte. Das war Ur-Vamp, obwohl sie damals noch nicht so hießen und die Diskothek "Speed 2000" legte dort auf. Wir gingen also zum Boss des Hauses und fragten an, ob es eine Chance gebe, da zu proben. Er schrieb erst einmal unsere Namen auf. Ordnung muss ja sein.


So sind wir dann zu Ludwig gekommen, Ludwig, den damaligen Leiter des Pionierhauses, für den wir ab und zu mal Disko machten, und wir sehnlichst baten, uns in seine heiligen Hallen aufzunehmen. Das Zeug, was da alles vorhanden war, stand eh nur sinnlos herum, denn die Jungs die darauf spielten und ihre eigene Band hatten, waren bis auf einen bei der Armee. Dem einen, ein gewisser Herr Müller, der zufälligerweise noch da war, konnten wir die Disko übergeben, da er das so oder lieber machen wollte. Später wurde er unter anderem ein Techniker von uns. Nun hatten wir endlich alles: ein richtiges Schlagzeug, Verstärker, Boxen, Endstufen, Mikrophone und Ständer, Knut seine E- Gitarre. Rüdiger legte sich einen Bass zu. Der Anfang war gemacht. Alles befand sich damals in einen kleinen Proberaum des Hauses, den wir nutzen konnten und dort fingen wir an zu proben. Und immer das Fenster offen, bei diesen heißen Sommertagen, damit uns auch jeder hören sollte und konnte. So erhoffte ich es jedenfalls, denn so viele Bands gab es in unserem Ort nicht, so dass ich auf viel Aufmerksamkeit hoffte, wenn jemand draußen vorbei lief. Aber ich glaube, dem war nicht so, denn irgendwie bekam uns trotzdem keiner mit. Waren wohl doch alle mit ihrem Alltag beschäftigt. Uns beschäftigte die Musik, und unser erstes Stück in neuen Gefilden und mit neuer Technik, hieß dann "Oh Diane" von Fleetwood Mac. Wobei ich damals weder Fleetwood Mac groß kannte noch war ich mir sicher, um welche Diane es sich in diesen Lied handelte. Es war aber schön, Musik machen zu können, richtige Rockmusik, wenn auch etwas schräg und nicht ganz richtig in den Harmonien.

So verging die Zeit und wir kamen eigentlich nicht so richtig weiter, auch wenn wir unser Proben mittlerweile auf die besseren Etagen des Hauses umsiedeln durften.

Ein größere Raum, bessere Akustik. Wir hatten sogar ein eigenes Stück im Programm, welches erst einmal erstellt werden musste und das hieß "Music in the Town", Musik in der Stadt und handelte von Jugendlichen, die sich langweilten und nur die Musik hatten wie in unserer Kleinstadt und sich damit ausdrückten. Es war eine einfache Melodie, mit drei Akkorden, das sehr stark archaisch gespielt und mit Hingabe von mir gesungen wurde, da ich ja auch den Text dazu beisteuerte. Rüdiger komponierte das Ganze, glaube ich, damals.

Wir hießen dann auch nicht mehr "The Fans" sondern nannten uns "Sisyphus", nachdem Typen aus der Sage, der immer den Stein den Berg her aufrollte und der immer wieder herunter kam in einem sinnlosen Unterfangen. So fühlten wir auch, Rüdiger und ich, der den Namen von der Rockband City besorgte, die ein gleichnamiges Lied dazu hatten. Es war alles immer ein Heraufwollen, also Arbeit, und dann rollte alles wieder zurück wie der Stein, was bedeutet, dass wir entweder nicht vorwärtskamen oder keine Erfolge in der eigenen Sache so richtig hatten.

Wir teilten den Anderen den Namen mit und die rissen natürlich gleich ihre Witze darüber, von wegen Syphilis und so, aber uns war es ernst und der Name blieb.

Wir bedachten nur ein bisschen, dass wir mit dem Namen Ärger bekommen könnten. Er war für viele, darunter auch Ludwig, so düster und depressiv. Wir hatten aber den Sinn der Sage als Metapher im Sinn. Unser Gründungsjahr war dann der September 1984.



3.Kapitel- „Die Stadt“


Hier bin ich geboren, in dieser Stadt, im November des Jahres 1968, im Kreiskrankenhaus von Apolda, welches es heute nicht mehr gibt.

Apolda, ein kleiner Ort, eine kleine Stadt mitten in Thüringen, einem Bundesland von Deutschland, dem grünen Herz Deutschlands. Apolda liegt geographisch gesehen am nordöstlichsten Rand von Thüringen, im so genannten Thüringer Becken. Apolda ist eine Kleinstadt heute mit knapp 22.000 Einwohnern und gehört verwaltungstechnisch zum Weimarer Land mit Weimar als Verwaltungszentrale.

 

Hier bin ich geboren, aber das war zu der Zeit als Apolda (bis 1989) eine Kreisstadt mit knapp 30.000 Einwohner n war und im Bezirk Erfurt lag, einem Bezirk von 15 Bezirken der Deutschen Demokratischen Republik.

Die Stadt an sich ist eigentlich nicht hässlich, eigentlich schön anzusehen und gemütlich. Bekannt ist diese Stadt durch das Gießen von Glocken und wird auch als Glockenstadt bezeichnet Unsere Glocken sind in der ganzen Welt bekannt geworden, denn es gibt Glocken aus Apolda in Argentinien, Australien, den U. S. A. und was weiß ich noch wo. Eine berühmte Glocke gibt es in Köln im Kölner Dom, die aus Apolda stammt. Einmal im Jahr findet ein so genanntes Weltglockengeläut statt wo per TV und Internet die Glocken aus Apolda in der ganzen Welt zum Klingen erbracht werden. Insofern ist die Stadt musikalisch, denn jede Glocke hat einen bestimmten Ton, der ertönt. Und in einem Glockenspiel wie zum Beispiel am Apoldaer Stadthaus, kann dadurch sogar eine Melodie gespielt werden.

Es liegt also in Apolda schon seit Jahrhunderten Musik in der Luft durch die Glocken und ihrem Klang.

Ich weiß nicht, ob ich jetzt, wo ich das Licht der Welt erblickte in dieser Stadt, Glocken gehört habe, sicher nicht, aber geschrien habe ich bestimmt ganz mächtig. Ich bin also in einer durchaus musikalischen Stadt geboren worden. Mit Musik auf eine besondere Art und Weise, auch wenn in Apolda keine großen Komponisten gewohnt haben, durchgefahren sind oder dort geboren wurden. Musik lag also immer in der Luft. Weiter ist die thüringische Kleinstadt bekannt durch ihre Wirk- und Strickwaren, also Pullover und solches Zeug, welches schon sehr früh in Apolda entwickelt und produziert wurde und später dann in aller Welt verschickt wurde gegen hartes Geld. So gab es in Apolda unzählige Strickereifamilien mit Kleinstbetrieben und manche sind dadurch auch sehr reich geworden. Apolda war zu DDR-Zeiten die reichste Stadt gewesen, wo es zu DDR-Zeiten schon Millionäre gegeben hat.

Einen Hund haben wir in Apolda auch gezüchtet, den Dobermann ‚benannt nach seinem Züchter Friedrich Louis Dobermann, der einen besonders "scharfen" Wachhund züchten wollte und da mehre Hunde durcheinander gemischt haben muss. Eine echte deutsche Hunderasse eben dieser Hund.

Etwas anderes was auch echt deutsch war, war ein in Apolda entwickeltes Auto, der Apollo. Es gab aber auch ein noch kleineres Auto aus Apolda, den Piccolo, der hier gebaut und entwickelt wurde.

Ach, fast hätte ich es vergessen. Zu Essen und zu trinken gab und gibt es in Apolda immer reichlich, denn das lieben die Apoldaer, hält ja auch Leib und Seele zusammen. So wird natürlich die berühmte Thüringer Bratwurst auch in Apolda hergestellt, gebraten und verzehrt. Apolda produziert seit dem 14. Jahrhundert ein schönes würziges Bier, was in der DDR zum Beispiel damals sehr bekannt und begehrt war.

In Apolda wird auch ein Waffelbrot hergestellt, welches Filinchen heißt und lecker


schmeckt mit allem süßen Zeug, wie Honig, Marmelade und solchen Sachen drauf Das sind so die hauptsächlichen Fakten, durch die die Stadt berühmt wurde und bekannt ist.

Es gab und gibt aber auch Persönlichkeiten der Stadt, die Apolda Ruhm und Ehre gebracht haben, wie zum Beispiel unser Ausnahmesportler Wolfgang Hoppe, der sechsmal mit seinem Bob bei den Olympischen Spielen Medaillen holte; Louis Dobermann natürlich mit dem erwähnten Hund; oder der "Men of the World"

was nichts anderes heißt als schönster Mann der Welt mit den schon etwas skurrilen Namen Nico Schwanz.

Dann gibt es noch zwei Sänger aus Apolda, die einigermaßen bekannt sind. Zum einem der etwas volkstümliche Sänger und Ivan-Rebrov-Interpret Ronny Weiland und das Talent Mark Ashley, der eigentlich das dritte Mitglied von Modem Talking hätte sein können von seiner Stimme her und wenn es diese Band noch gäbe.

Und es gäbe noch viele andere Menschen aus Apolda aufzuzählen, die bekannte Persönlichkeiten der Stadt waren und sind.

Ja, ja, in Apolda und von der Stadt gibt es viel zu erzählen, denn die Stadt ist ja mittlerweile auch schon über 700 Jahre alt.

Apolda hat auch einen Spitznamen, der nur dem Apoldaer Einwohner und manchem aus der Region bekannt ist, denn die Stadt wird auch Gramont genannt, nachdem Namen einer französischen Kleinstadt. Ein General aus Frankreich, der während der Napoleonfeldzüge und bei der Schlacht von Jena/Auerstedt dabei war, ritt an der Stadt vorbei und rief zu seinem Kameraden von den Hügeln von Apolda, das diese Stadt seinem Gramont ähnlich sei. Seitdem heißt Apolda auch Gramont und weil es in Apolda oft um das Essen und Trinken geht, auch Fressgramont. Welch niedliche Bezeichnung für einen Ort.

In diese Stadt wurde ich also im vergangenen Jahrhundert hineingeboren und fühlte mich schon als Kind glücklich, denn ich wurde sonntags geboren, bin also ein Sonntagskind und habe auch ein durchaus sonniges Gemüt.

Meine Kindheit war glücklich und ich lebte in einer Großfamilie als vorletzter Spross und gedieh prächtig. Ich hatte als Kind immer viel gespielt, gelacht, ab und zu bestimmt auch Blödsinn gemacht und empfand die Tage als schön.

Mein erstes Erlebnis mit der Musik hatte ich dann in der Schule. Im Musikunterricht, wo man immer mal singen musste. Volkslieder und so etwas. Irgendwie habe ich meinen Gesang von meiner Mutter geerbt, die auch schon immer wie eine Nachtigall sang, und bekam immer die Note 1 im Singen. Das machte mich einerseits stolz, denn Singen machte Spaß, aber ich schämte mich auch ein bisschen, denn ich war ein Junge. Die meisten Jungen konnten bei uns nicht singen und so kam ich mir schon etwas doof vor, denn Singen war auch oft als Weiberkram angesehen. Ein Mädchen wollte ich dadurch ja nicht sein, aber wenn man so gerne wie ich sang, dann denkt man an so etwas nicht groß.

Mit 14 ungefähr trat ich dann dem neu gegründeten Singeclub der Schule bei, der von Frau Gundermann geleitet wurde. Wir mussten uns Anfangs erst zusammenraufen, die ganzen Mädels und Jungs und erstellten dann ein gemischtes und

abwechslungsreiches Programm, das auch Songs von Joan Baez, Volkslieder aber auch FDJ- und Kampflieder aufzuweisen hatte. Das war eben die Zeit und meist sangen die Singeclubs im Lande mit dem Blauhemd der FDJ und auch die Lieder der FDJ und der deutschen Arbeiterklasse. Ein Fakt, der unter dieser Diktatur des Proletariats mit der SED als Führungspartei nicht zu umgehen war. Man kann dies auch nur verstehen, wenn man als Mensch in einer Diktatur oder einem totalitären


Staat gelebt hat. Eigentlich war die FDJ sogar der Hitlerjugend ähnlich nur unter anderem Vorzeichen: statt Braunhemd, ein blaues Hemd, statt Nationalsozialismus, jetzt Sozialismus und Kommunismus, statt Kriegslieder jetzt Kampfeslieder. Alles sehr ähnlich und höchst verdächtig. Wir empfanden das als junge Menschen aber nicht ganz so und hätten eigentlich die Parallelen zur Vergangenheit ziehen müssen, vor allen Dingen auch deshalb, weil ja in der DDR der Antifaschismus zur Alltagspredigt gehörte.

Wir wurden so als Kinder und als Jugendlich missbraucht, wie damals im so genannten dritten Reich auf deutschen Boden.

Man trat ja ab der 8. Schulklasse automatisch in die Jugendorganisation der DDR ein, jeder, und konnte lange FDJ-ler sein, vielleicht sogar bis ins hohe Alter. Welch ein geistiger Unfug! Doch das fiel uns damals zu der Zeit nicht ein, und das böse Erwachen gab es erst nach der Wende.

So sangen wir gut, auch im FDJ-Hemd, und hatten einen schönen und guten Singeclub. Hier konnte ich also nach Herzenslust singen, mich einbringen und auftreten. Ein Lied gefiel mir besonders, dass ich immer mit Andrea aus dem Singeclub sang. Es hieß: "Sag mir wo die Blumen sind". Ein fantastisches Lied, gesungen von Marlene Dietrich, Joan Baez und später von der Rockband City. Ich hatte immer Gänsehaut bei diesem Lied und mag es heute noch sehr.

Streit gab es im Singeclub auch mal und man musste die Dinge klären. Manchmal wuchs man an dem Streit, manches war aber auch unversöhnlich und dumm. Musiktechnisch waren wir nur mit Gitarren und Tambourin versehen und so ein Singeclub hatte etwas von der Skiffle-Bewegung der 60er Jahre und auch etwas von den Hippies der 70er.

Der Singeclub tat gut, wir hatten viele Auftritte, sammelten Erfahrungen und ich kam so das erste Mal mit Musik in Berührung in Form einer Gruppe und Gemeinschaft. Außer den Singeclubs gab es Chöre in und um Apolda, wie zum Beispiel den Vereinigten Männerchor 1828 e.V. von Apolda, wo Rüdigers Vati mitsang. Mich fragten Sie auch eines Tages, ob ich mit dabei sein will. Ich wollte nicht, denn diese Knaben waren mir einfach zu alt. Aber, sie traten auch beim bekannten Sängertreffen in Eisenach auf. In Apolda selbst gibt es ein Sängerdenkmal in der August-Bebel-¬Straße.

Apolda hatte also musikalische und sangesfreudige Einwohner und Menschen, alles in allem sind die Menschen in Apolda so oder so sehr gemütlich, sehr gesellig und als freundlich zu betrachten.

Ihre Geselligkeit zum Ausdruck bringend, findet jedes Jahr der Faschingsumzug statt. Mit einigen wenigen Ausnahmen fast jedes Jahr. Fasching wird in Apolda groß geschrieben, denn das leben die Apolda er auch richtig und neben ihren Umzug wurde viel im Volkshaus gefeiert. Meine Mutter war mit ihren damaligen Freund Peter auch mal zum Fasching in Apolda und bekam beim Tanzen im Volkshaus einen schweren Glasaschenbecher von der Empore auf den Kopf, wobei der dann stark mit bluten anfing. Sie merkte es erst nicht und ihr Freund wollte sie dann ins Krankenhaus bringen. Selbst im Krankenhaus wollte sie zurück zur Faschingsfeier, so närrisch waren die Leute damals in Apolda.

Ich selbst habe mit Fasching im traditionellen Sinne nichts am Hut, als Kind vielleicht, später dann nicht mehr. Aber für mich und solche Leute gab es eine Alternative zum Ursprungsfasching: den Bluesfasching. Man muss genauer sagen den Apolda er Bluesfasching. Die Idee dazu ist bestimmt in Apolda geboren wurden.