Fire&Ice 12 - Fabio Bellini

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Aus der Reihe: Fire&Ice #12
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3 Begegnungen

FABIO

Als er am nächsten Tag wieder im Park auf seiner Bank saß, ertappte er sich dabei, wie er den Park nach ihr absuchte.

Ob sie wohl öfter hierher kam? Und warum? Sich einfach so neben einen Fremden zu setzen, um nichts zu tun, war nicht ganz normal.

Dennoch, oder gerade deshalb, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Den ganzen Abend lang hatte er immer wieder an sie denken müssen.

Dieses unscheinbare Mädchen mit den faszinierenden Augen und diesem wunderschönen Lächeln. Das freundliche Mädchen ohne Namen.

"Ist da noch frei?"

Fabio sah auf und sie war da, als hätte er sie mit seinen Gedanken gerufen.

"Wieder da?", fragte er.

"Ja. Heute lieber nicht schweigen?"

Fabio zuckte die Schultern. Er war sich nicht sicher, ob und über was er mit ihr reden sollte. Er kannte sie ja überhaupt nicht.

Sie trug dieselbe Kleidung wie am Vortag, alles war gleich an ihr, er konnte sich genau an ihren Anblick erinnern.

"Was machst du hier?", fragte er zugegebenermaßen wenig eloquent.

"Sitzen", sagte sie und lächelte dabei schalkhaft.

Fabio erwiderte es. "Hier im Park meine ich."

"Ich gehe nach Hause."

Er konnte sie sich gut in einem richtigen Zuhause vorstellen. Einem, wie Sky es hatte.

Der Gedanke stimmte ihn traurig, also wandte er seinen Blick ab und sah hinaus auf den See.

"Ich muss los", sagte sie wenige Minuten später.

Er hatte sie vertrieben mit seinen trübsinnigen Gedanken.

"Danke."

Sie lächelte ihn an. "Für was?"

"Deine Gesellschaft."

Wieder ein Lächeln, dann drehte sie sich um und ging.

ELLA

"Deine Bank war wieder besetzt."

Granny lächelte. "Du musst ihm klar machen, dass es meine Bank ist."

Kauend schüttelte Ella den Kopf. "Er braucht sie, glaube ich."

"Hast du ihm Gesellschaft geleistet?" Ella wunderte sich nicht darüber, dass ihre Granny ihre Annahme nicht hinterfragte. Granny hatte ihr schließlich beigebracht, auf die Gefühlslage ihrer Mitmenschen zu achten.

"Ein wenig." Auch wenn sie es eher für sich selbst, als für ihn getan hatte. Die ganze Nacht hatte sie über ihn nachgedacht.

Warum er dort saß und ob er jeden Tag dorthin ging. Warum er so nachdenklich und schweigsam war. Warum er so traurig aussah.

"Du bist ein gutes Mädchen, Ella." Granny streckte ihre Hand aus und tätschelte über den zerkratzten Tisch hinweg ihre.

FABIO

Sky hatte ihn gefragt, was er jeden Tag im Park mache. Er hatte ihr davon erzählt, wie er die Ruhe und die eisige Luft genoss, dass er spazieren ging und sich schließlich auf die Bank setzte.

Nur von der Frau hatte er ihr nicht erzählt. Warum, wusste er selber nicht. Sie war sein kleines Geheimnis.

Ungeduldig sah er auf die Uhr. Gestern um diese Zeit war sie schon da gewesen.

"Hast du einen Termin?" Ihre Stimme kam aus dem Nichts.

"Nein. Du bist wieder hier."

Sie lächelte. "Ist da noch frei?"

"Ja." Ihr Lächeln war süß. Wie alles an ihr. Sie war einer dieser Menschen, denen man niemals etwas Schlechtes zutrauen würde.

Sie setzte sich neben ihn und musterte ihn mit schräg gelegtem Kopf.

"Du bist spät dran heute", sagte er und ärgerte sich kurz darauf über sich selbst. Es klang ja, als hätte er auf sie gewartet.

Hatte er auch, aber das brauchte ja niemand zu wissen.

"Mhm, länger gearbeitet, deshalb muss ich auch gleich weiter."

"Nach Hause", sagte er und versuchte herauszufinden, wer wohl zuhause auf sie wartete.

"Ja, sorry." Schon stand sie wieder auf. Dann legte sie den Kopf schief. "Bist du am Wochenende auch hier?"

Er nickte. Er hatte nicht daran gedacht, dass es schon wieder Freitag war.

"Dann vielleicht bis morgen."

"Arbeitest du am Wochenende?"

"Oft freiwillig, ja. Ich muss los."

"Bye." Enttäuscht sah er ihr nach. Er wollte länger mit ihr dort sitzen. Sich mit ihr unterhalten und mehr über sie herausfinden.

Er kannte ja noch nicht einmal ihren Namen. "Warte!", rief er aus einem Impuls heraus.

Sie sah ihn über die Schulter an. "Ja?"

"Wie heißt du?"

Ihr Lächeln wurde breiter. "Ella, und du?"

"Fabio."

"Dann bis morgen, Fabio." Sie winkte ihm und er musste sich zusammenreißen, ihr nicht einfach nachzulaufen.

ELLA

Die freiwilligen Stunden, die sie samstags oft im Tierheim absolvierte, kamen ihr heute endlos vor. Es lag wahrscheinlich daran, dass sie ständig auf die Uhr sah, ob es endlich Zeit wurde, in den Park zu gehen.

"Hast du noch Zeit, mit Max rauszugehen?", fragte Alfred, der rüstige Tierheimleiter.

Ella nickte. Sie liebte den gemütlichen Bernhardiner. Er war froh um jedes bisschen Aufmerksamkeit und war wirklich gut erzogen. Schade, dass er im Tierheim gelandet war. Sein Besitzer musste ins Altersheim und niemand aus der Familie konnte ihn aufnehmen.

Seine Vermittlungschancen standen schlecht. Er war fünf Jahre alt und würde bald ein künstliches Hüftgelenk brauchen. Mit dieser Prognose und bei seiner Größe in einer Großstadt war die Zukunft eher tristes Tierheimleben für ihn.

Sie hätte ihn gerne mitgenommen, war sich aber sicher, dass so ein riesiger Kerl, egal wie brav er war, für ihre Granny einfach zu viel sein würde.

Leider war es nicht immer möglich, den eigenen Hund mit ins Tierheim zu nehmen.

Es war schon vorgekommen, dass das Tierheim unter Quarantäne gestellt worden war, dann galt zum Beispiel ein striktes Verbot.

Mit einem kleinen Hund wäre das kein Problem. Granny würde sich hervorragend um ihn kümmern können … aber Max? Er wog mehr als Granny selbst.

Sanft streichelte sie über den riesigen Kopf. So gern sie dem Kerl eine Chance geben würde, er war einfach zu groß für Granny.

"Na dann komm. Wir gehen eine Runde durch den Park."

Max wedelte langsam mit dem Schwanz und trottete ihr dann gemächlich hinterher.

FABIO

"Ist da noch frei?"

Fabio riss den Kopf nach oben, als er Ellas Stimme hörte.

"Hi, du bist schon da?"

Sie lächelte. "Das wollte ich dich auch gerade fragen." Dann setzte sie sich neben ihn. Da erst fiel ihm der riesige Hund auf, der ihn neugierig musterte.

"Du hast einen Hund?"

Ella streichelte langsam den Kopf des Riesen, der höchstwahrscheinlich ein Kind in einem Happs fressen könnte. "Nein, leider nicht. Max ist Teil meiner Arbeit."

Verwirrt sah Fabio sie an.

"Ich arbeite im städtischen Tierheim", erklärte sie.

"Davon kann man leben?"

"Nicht wirklich … aber sie tun mir so leid. Niemand kümmert sich wirklich um sie, sie haben kein Zuhause, keine Bezugsperson, niemand, der wirklich Zeit mit ihnen verbringt."

Während sie sprach, kraulte sie langsam die Ohren des Monsters. Der Hund legte den Kopf in ihren Schoß und genoss jede Sekunde.

Auf einmal fühlte er sich wie der Hund. Einsam. So einsam, dass er um Ellas Aufmerksamkeit lechzte wie ein Hund. Er saß stundenlang in einem Park und wartete seit Tagen nur auf sie.

"Ich bin ein menschlicher Max", sagte er von sich selbst angewidert.

"So war das nicht … ich dachte nur, du könntest vielleicht Gesellschaft gebrauchen …"

Fabio riss den Blick von dem Rüden hoch und sah in Ellas zerknirschtes Gesicht. Jetzt erst verstand er, dass auch sie ihn für einen menschlichen Max hielt. Jemand, der keine Bezugsperson hatte, einsam war und Aufmerksamkeit brauchte.

Er war noch armseliger, als er gedacht hatte.

"Okay, dann viel Spaß noch euch beiden. Ich muss dann mal los." Schnell stand er auf.

"Fabio warte!"

Am liebsten wäre er losgejoggt, aber so armselig wie er nun mal war, durfte er noch nicht einmal mehr Sport machen.

Er verfluchte dieses verdammte Stück Metall in seinem Herzen, verfluchte die beschissene Idee, nach Afrika gegangen zu sein, und Sky, die Auslöser von all dem war.

ELLA

Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen wegen Fabio. Sie hatte ihn nicht vor den Kopf stoßen wollen und sie fand absolut nicht, dass er ein menschlicher Max war.

Im Gegenteil, je öfter sie ihn traf, desto faszinierender fand sie ihn. Sie wollte wissen, woher dieser Schmerz in seinen Augen kam und warum ein gut aussehender Kerl wie er hier Tag für Tag ganz allein im Park saß.

Als sie ihn am Sonntag nicht antraf, fühlte sie sich elend.

Sie hatte ihn eindeutig in seinem Stolz verletzt, auch wenn sie das überhaupt nicht gewollt hatte.

Sie ging nicht nur mit Max, sondern im Anschluss noch mit Pico, einem Chihuahua Rüden in den Park, in der Hoffnung, ihn dann anzutreffen.

Vergebens. Fabio tauchte nicht auf. So langsam glaubte sie, ihn nie wieder zu treffen. Der Gedanke stimmte sie seltsam traurig. Es kam ihr beinahe wie ein Verlust vor, obwohl sie ihn gar nicht kannte.

FABIO

"Wann hat er denn endlich diesen Termin?", hörte Fabio Ryan ungeduldig fragen, als er im Erdgeschoss des riesigen Hauses angekommen war.

Die Stimmen der beiden kamen aus der großen Wohnküche.

Fabio und Ryan hatten nicht unbedingt das beste Verhältnis. Wie auch, wenn sie beide dieselbe Frau liebten.

 

"Ich glaube, er sagte, er hätte Mittwoch einen Termin mit Dave. Lass ihn doch erstmal ankommen, Ryan. Er hat viel durchgemacht."

Ja, selbst in Skys Augen war er ein menschlicher Max, nur dass er in ihren Augen sogar ein todkranker, menschlicher Max war.

Konnte es wirklich noch schlimmer kommen? Vor seinem inneren Auge tauchten Ellas wunderschöne bernsteinfarbene Augen auf. Leider konnte er sich kaum auf die Farbe konzentrieren, da er nur das Mitleid in ihrem Blick sah. Dabei kannte sie ihn noch nicht einmal und hatte ihn dennoch so schnell durchschaut.

Er fühlte sich schlecht, weil er sie einfach so hatte stehen lassen. Ella war ein guter Mensch. Einfühlsam und umsichtig.

Wer außer ihr würde sich in einem Park neben einen Wildfremden setzen, nur weil dieser einsam aussah?

"Ich habe eine wunderschöne Wohnung mitten in der Stadt, da könnte er sich in Ruhe erholen", knurrte Ryan.

Sky seufzte.

"Es geht ihm nicht gut, Ryan. Wie soll ich ihn da ganz allein in deiner Wohnung lassen?"

"Ich kann ihm eine Krankenschwester engagieren."

Sky schlug etwas mit Schwung auf den Tisch. "Ryan Black. Es reicht jetzt. Diese Eifersuchtsmasche ist absolut fehl am Platz. Fabio ist mein Freund und er ist schwer krank. Ich trage deinen Ring am Finger, unsere Tochter schläft oben in deinem Haus und ich habe einen riesigen Bauch, in dem dein nächstes Baby brütet. Also sei still und zufrieden mit dem, was du hast."

"Unser Haus!"

"Hör auf Erbsen zu zählen! Du weißt genau, worum es geht!"

"Weiß ich, Baby. Es tut mir leid."

Fabio entschloss sich, jetzt lieber in die Küche zu gehen, bevor er sich die Liebesschwüre der beiden anhören musste.

"Hi … ich wollte nur kurz Bescheid sagen, dass ich in die Stadt fahre", sagte er, so locker wie möglich. Gar nicht so leicht, wenn man die beiden so engumschlungen ansehen musste.

Sky lächelte ihm entgegen. "Schon wieder?"

"Ja, dann habt ihr ein wenig … Zeit zu zweit …" Unbehaglich rieb er sich über den Nacken.

"Du bist unser Gast, Fabio. Du musst nicht gehen. Wir können auch gemeinsam etwas unternehmen."

Sky sah nicht, wie Ryan bei ihren Worten das Gesicht verzog. Er hatte absolut kein Interesse an einem Abend zu dritt.

Einen kurzen Moment lang meldete sich der Teufel in Fabio, der ihm riet, nur hierzubleiben, um Ryan eins auszuwischen. Schnell schüttelte er den Gedanken ab.

Er musste es für sie alle nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon war.

"Danke, aber nein danke. Ich möchte ein wenig an die frische Luft und mich bewegen", antwortete er deshalb und lächelte so überzeugend wie möglich.

Er verabschiedete sich von den beiden und fuhr mit dem Audi, den Ryan ihm aus dem Fuhrpark seiner Firma JB-Industrials besorgt hatte, zum Union State Park I.

Er war spät dran. Vielleicht würde Ella schon weg sein, aber er wollte es dennoch versuchen. Die Art, wie er sie am Samstag hatte stehen lassen, war nicht richtig gewesen. Ella hatte das nicht verdient.

Als er auf den schmalen Weg einbog, der zu seiner Bank führte, sah er sie ein ganzes Stück weiter vorne gehen.

"Ella!", rief er, aber sie reagierte nicht. Er beschleunigte seine Schritte und rief noch einmal: "Ella!"

Endlich sah sie über ihre Schulter hinweg zu ihm zurück.

Ein kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Sie sah genauso süß aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Die gleichen geröteten Wangen, das vom Wind zerzauste Haar, Ella eben. Schnell ging er auf sie zu.

"Fabio. Ich hab nicht mehr mit dir gerechnet." Sie klang ehrlich erfreut, ihn zu sehen.

Und auch das war Ella. Freundlich, gutmütig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals nachtragend sein würde.

Sie blieb stehen und wartete darauf, dass er sie einholte.

"Ich bin spät dran. Wollen wir uns setzen?" Er nickte zurück in Richtung der Bank.

"Ich kann nicht. Tut mir leid. Ich bin schon zu spät."

Stimmt ja. Sie musste nach Hause. Wie dieses Zuhause wohl aussah?

"Darf ich dich ein Stück begleiten?", fragte er.

Wieder lächelte sie auf diese süße Art und ließ ihre geraden, weißen Zähne aufblitzen.

"Gern." Sie schob die Hände zurück in die Manteltaschen, was den Mantel an ihrem Bauch nur noch weiter aufstellte.

Gerne würde er wissen, wie es unter diesem Mantel wohl aussah.

Sie setzten sich in Bewegung und gingen eine ganze Zeit lang schweigend nebeneinander her.

"Ich wollte mich für Samstag entschuldigen", sagte er und kickte mit dem Fuß einen Stein vom Weg.

"Ich auch. Blödes Missverständnis."

Im einträchtigen Schweigen liefen sie nebeneinander her.

"Hast du ... vielleicht mal etwas mehr Zeit ... zum Reden, oder so?", stammelte er etwas unbeholfen. Er wusste nicht genau, wie er es formulieren sollte. Wusste ja noch nicht einmal, was genau er wollte.

Aber er wollte Ella näher kennenlernen. Er wollte mehr von diesem Menschen erfahren, der den Charakter eines Heiligen zu haben schien.

Sie lächelte ihn vorsichtig an. "Mein Terminplan ist ... recht voll", sagte sie.

Fabio erinnerte sich daran, dass sie immer pünktlich Zuhause sein musste. Wer wartete auf sie? Ihr Mann? Ihre Kinder?

"Weil du am Abend nach Hause musst?", hakte er vorsichtig nach und versuchte sich gegen die vernichtende Antwort zu wappnen.

Aber Ella schüttelte den Kopf. "Nein. Wegen der Arbeit. Ich muss Granny nur rechtzeitig Bescheid geben, damit sie nicht auf mich wartet."

"Granny?" Fabio hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber sie hörte sich prinzipiell schon mal nicht schlecht an ... außer Ella stand auf Frauen.

Dann runzelte er die Stirn. Er suchte keine Frau, sondern eine Freundin und wollte Ella lediglich rein platonisch näher kennenlernen.

Sein Herz war noch vergeben, das zeigten seine Reaktionen auf Sky und Ryan nur allzu gut.

"Meine Großmutter. Wir wohnen zusammen."

Mit aller Kraft ignorierte er den Stein, der ihm vom Herzen fiel.

"Hört sich schön an."

Ellas Lächeln wurde so weich und herzlich, dass Fabios Herz schneller schlug.

"Ist es auch."

Eine Weile schwiegen sie wieder, dann bogen sie auf eine Straße ein.

"Da vorne ist es schon. Sehen wir uns morgen?"

Fabio ärgerte sich, dass er die Zeit nicht besser genutzt hatte, nickte aber. "Gern. Morgen werde ich wieder pünktlich sein."

Ella lachte. "Dann kannst du mir auch erzählen, wie es kommt, dass du jeden Tag im Park bist."

Fabio nickte, dann drückte Ella seinen Arm und überquerte die Straße.

Sie ging die wenigen Stufen zu dem kleinen Reihenhaus nach oben und sperrte die Tür auf. Ohne einen Blick zurück verschwand sie nach drinnen.

Aus zwei Fenstern schien Licht auf die Straße, aber niemand kam nah genug ans Fenster, damit er etwas erkennen konnte.

Seufzend drehte er sich um und ging zurück zu seinem Wagen.

Morgen würde er sie wiedersehen und hoffentlich mehr Zeit mit ihr haben.

ELLA

Sie beeilte sich, von der Arbeit im Tierheim in den Park zu kommen. Sie konnte es kaum erwarten, Fabio endlich wiederzusehen. Dieser Mann gab ihr nur Rätsel auf, die sie endlich lösen wollte.

Als sie bei Grannys Bank ankam, wartete er bereits auf sie.

"Hi Ella."

"Hey." Lächelnd setzte sie sich neben ihn.

"Du hast vergessen zu fragen, ob da noch frei ist", sagte er ebenfalls lächelnd.

"Erzähl es nicht meiner Granny. Sie bekommt einen Anfall, wenn sie von dieser Unhöflichkeit erfährt."

Fabios Züge wurden weicher. "Hört sich nach einer tollen Frau an."

"Das ist sie. Sie hat mich aufgezogen", gab Ella strahlend zurück.

Fabio runzelte die Stirn. "Wo waren deine Eltern?"

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. "Das ist aber die letzte Frage zu mir! Wir wollten über dich sprechen. Meine Mum ist gestorben, als ich noch sehr klein war. Mein Dad arbeitet viel, daher bin ich froh, dass ich bei meiner Granny aufgewachsen bin. Und jetzt zu dir. Was treibt dich hierher?"

Fabios Blick glitt auf den See hinaus. "Ich versuche nachzudenken, mein Leben zu sortieren."

"Im Park?" Eigentlich sollte sie das nicht wundern, ihre Granny hatte das schließlich genauso gemacht.

"Naja ... im Park, in Boston ... ich komme aus Deutschland und bin bei Freunden zu Besuch."

Ella war sofort Feuer und Flamme und ließ sich jedes Detail über sein Leben in Deutschland erzählen. Dann löcherte sie ihn mit Fragen über andere Länder Europas.

"Wir sollten langsam los", unterbrach Fabio ihren Frageschwall.

"Oh verdammt!" Sie war so vertieft in ihre Fragerei, dass sie die Zeit völlig vergessen hatte. Sie war noch nicht viel zu spät, aber sie würde sich beeilen müssen.

"Ich kann dich wieder begleiten."

Sie lächelte ihn dankbar an. So hatte sie wenigstens noch einige Minuten, um ihn weiter auszufragen.

"Und warum bist du hier in Boston?", fragte sie, während sie den Weg entlang gingen.

"Freunde besuchen und herausfinden, was ich mit meinem Leben anstellen möchte." Er klang sehr nachdenklich.

Ehe Ella sich entscheiden konnte, ob sie weiter nachbohren sollte oder nicht, waren sie bereits vor dem Haus ihrer Granny angekommen und Fabio verabschiedete sich von ihr.

"Dann sehen wir uns morgen wieder im Park?", fragte sie und schalt sich innerlich selbst, weil sie so hoffnungsvoll klang.

Sie musste unbedingt mehr über diesem Mann erfahren.

Langsam stieß sie den angehaltenen Atem aus, als Fabio zustimmend nickte.

"Dann bin ich aber wieder dran mit Fragen stellen", sagte er und zwinkerte ihr schelmisch zu.

"Okay. Dann bis morgen."

Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. Seine Lippen waren warm und weich. Sie fühlten sich verdammt gut auf ihrer Haut an und hinterließen ein angenehmes Kribbeln.

"Bis morgen", sagte sie leise und wandte sich zur Tür.

4 Neue Perspektiven

FABIO

In einem langen, intensiven Gespräch, wie es nur Mediziner miteinander führen können, redeten Dave und er über den Splitter und die momentanen Möglichkeiten, die Fabio zur Wahl hatte.

Dave hatte ihm nicht wirklich etwas Neues gesagt. Das alles wusste Fabio schon, wenn nicht sogar besser, da er in Sachen Chirurgie im Camp einiges an Erfahrung gesammelt hatte.

Eigentlich war er genau wie Dave Allgemeinmediziner, hatte aber mittlerweile bei vielen Operationen assistiert, und kleinere sogar selbst durchgeführt.

"Kannst du mir die Unterlagen da lassen? Ich habe eine Freundin im Krankenhaus, die sich damit bestimmt besser auskennt."

Fabio nickte und reichte Dave die Mappe. Auch hiervon versprach er sich nicht viel. Warum sollte Boston auch bessere Ärzte haben? Sie alle kochten nur mit Wasser. Da er aber wusste, wie wichtig es Sky war, widersprach er nicht. Sie sollte sich keine Sorgen um ihn machen, wenn sie selbst ein Kind erwartete.

"Danke, Dave. Es ist nicht dringend." Im Gegenteil, eigentlich wollte er diese Operation überhaupt nicht.

"Nichts zu danken." Dann zögerte er. "Wie geht es dir psychisch?"

Fabio lächelte gequält. Er brauchte Dave nichts vorzumachen, er würde ihn sowieso durchschauen, also entschied er sich für die halbe Wahrheit.

"Die Albträume haben wir mit der Therapie in den Griff bekommen. Manchmal habe ich Flashbacks, aber das wird auch noch eine Weile so bleiben."

Dave nickte und wechselte dann das Thema. "Wie machst du das mit deinem Job, wenn du so lange hier bist?"

"Ich habe immer bei meinem Dad in der Praxis gearbeitet und schon gekündigt, bevor ich nach Afrika gegangen bin. Von daher kein Problem. Im Moment bin ich noch krankgeschrieben, aber ich kann auch ohne weiteres eine Weile von meinen Ersparnissen leben, wenn es sein muss."

Dave lachte. "Wenn du auf Dauer bleibst, kannst du einen Job bei mir haben, ich komme langsam nicht mehr über die Runden."

Fabio verzog das Gesicht. "Ich kenne jemanden, der würde mich eher umbringen, als mich dauerhaft in Boston zu dulden."

Daves Lachen wurde noch lauter. "Ryan hab ich ganz vergessen. Wenn du erstmal nicht mehr bei ihm wohnst, wird er sich schon beruhigen."

 

Fabio bezweifelte das, aber er hatte sowieso nicht vor hierzubleiben ... naja, wenn man es genau nahm, hatte er überhaupt keine Ahnung, was er als Nächstes tun wollte.

"Mal sehen. Jetzt muss ich erst wieder fit werden, bevor ich weiter planen kann."

"Wir haben in nicht ganz vier Wochen unser nächstes Fire&Ice Monatstreffen in Cats Hotel. Ist immer ganz lustig und wir brauchen dringend Unterstützung an der Singlefront."

Fabio lächelte. Wenn den anderen Männern das Geturtel der Pärchen genauso auf die Nerven ging wie ihm, konnte er sich das gut vorstellen.

"Ich werde sehen, was sich machen lässt, wäre aber schön, mal wieder alle zu sehen."

Dave erzählte ihm noch kurz, um was es beim Monatstreffen ging, dass sie die Planungen für die kommenden Monate besprechen und dann gemütlich gemeinsam essen würden. Es hörte sich wirklich gut an und Fabio nahm sich vor teilzunehmen.

Nach dem Besuch bei Dave fuhr er direkt in den Park, um auf Ella zu warten.

Im Moment war sie die einzige, auf die er sich Tag für Tag freute. Die kurze Zeit, die sie jeden Tag miteinander verbrachten, machte sein Leben ein ganzes Stückchen schöner.

Noch vor wenigen Tagen war er jeden Nachmittag aus dem Haus geflohen, um der angespannten Stimmung zu entkommen. Dann war er am See gesessen und hatte sich selbst bemitleidet.

Bis Ella kam. Jetzt konnte er es kaum erwarten, auf ihrer Bank zu sitzen und sie wiederzusehen.

"Ist da noch frei?"

Er grinste breit, als er zu ihr aufsah.

"Natürlich. Hey Ella." Sie sah genauso hinreißend aus, wie an all den anderen Tagen. Er liebte ihre Augen. Diese spezielle Farbe, die die Wärme und Güte ihrer Seele wiedergab.

Sie legte den Kopf schief und musterte ihn. "Dir geht es gut."

Ja, jetzt, weil du da bist.

Aber das konnte er ihr nicht sagen. Sie würde ihn für einen Verrückten halten … oder einen menschlichen Max.

Also zuckte er nur mit den Schultern.

"Ja, ich bin zufrieden. Aber heute bin ich wieder mit den Fragen dran", sagte er und zwinkerte ihr zu.

Ella seufzte schwer, als hätte sie eine gehörige Last zu tragen, aber das vergnügte Funkeln in ihren Augen verriet sie sofort.

Er konnte sich nicht vorstellen, dass Ella überhaupt lügen konnte, so leicht wie man aus ihr lesen konnte. Er fragte sie über ihre Familie aus, über ihre Granny und ihren Dad. Auch über ihre Ausbildung und ihren Job beim Tierheim.

"Da mein Dad immer noch meint, mich und Granny aushalten zu müssen, kann ich es mir gut leisten im Tierheim für wenig Geld zu arbeiten."

"Und was machst du da den ganzen Tag?", fragte er, während sie aufstanden und in Richtung des Hauses ihrer Granny gingen.

"Mich um die Tiere kümmern. Sie füttern, ihre Wehwehchen versorgen, mit ihnen trainieren und alles reinigen. Zwischendurch muss ich auch im Büro arbeiten, oder zu Veranstaltungen gehen, auf denen wir Info-Flyer verteilen."

Gab es einen selbstloseren Menschen als sie? Nein, eher nicht.

Ella stupste ihn leicht mit der Schulter an. Am liebsten hätte er einen Arm um sie gelegt.

"Du könntest einmal mitkommen, dir alles ansehen, wenn du willst."

Fabio lächelte. Er mochte Tiere, aber er war bei weitem nicht so ein Fan wie Ella, Alexa oder Jack.

Aber er könnte einen ganzen Tag mit Ella verbringen, nicht nur eine halbe Stunde. Das wäre jede noch so beschissene Arbeit wert.

"Hört sich gut an. Wann?"

"Wir können uns morgen gleich um acht Uhr an der Bank treffen und zusammen hingehen, wenn du willst." Das Strahlen auf ihrem Gesicht war so ansteckend, dass er völlig automatisch zustimmend nickte. Gleich darauf schüttelte er den Kopf. "Ich bin sowieso mit dem Auto unterwegs. Ich hole dich um acht Uhr bei dir ab."

Ella biss sich auf die Unterlippe, nickte aber schließlich. Was genau konnte sie daran nicht wollen? Es war doch viel praktischer als zu laufen?

Oder hatte sie etwa Angst, bei ihm mitzufahren? Sie kam ihm eigentlich nicht vor wie der Typ übervorsichtiges Frauchen.

"Wenn es dir lieber ist, können wir uns auch im Park treffen", bot er vorsichtshalber an. Er wollte sie nicht einschüchtern.

"Nein, nein, schon okay."

ELLA

Seufzend betrat sie das Haus, nachdem sie Fabio verabschiedet hatte.

"Hey Granny!"

"Hey Liebes, das Essen ist fertig."

Ella lächelte, ging zu ihrer Großmutter und küsste sie auf die Wange. Dann setzten sie sich gemeinsam an den Esstisch.

Granny fragte sie wie jeden Tag nach der Arbeit und nach Fabio. Ella schaute auf ihren Teller und schob das Essen hin und her. Es war irgendwie komisch mit Granny über ihn zu reden. Sie wollte ihn nicht teilen, nicht einmal die kleinsten Informationen über ihn. Das war Quatsch, das war ihr klar, aber an dem Gefühl änderte das nichts.

"Er holt mich morgen früh ab und kommt mit ins Tierheim."

Granny lächelte. "Dann kann ich ihn auch mal sehen."

In Ellas Kopf erschien ein Bild, wie Granny an der Tür stand und Fabio genau inspizierte. Sie würde ihn ausquetschen und Dinge über ihn erfahren, die noch nicht einmal Ella wusste.

"Granny …", setzte sie besorgt an.

"Keine Sorge, Mäuschen. Ich werde am Küchenfenster stehen und mein Frühstück machen, wie jeden Tag. Nicht mehr und nicht weniger."

Ella lächelte sie dankbar an.

Nach dem Essen verzog Ella sich mit einem Buch in ihr Zimmer.

Wirklich aufs Lesen konnte sie sich nicht konzentrieren. Fabio tauchte immer wieder in ihren Gedanken auf. Sie dachte an seine schmalen Lippen, die nun schon zweimal ihre Wange geküsst hatten und jedes Mal dieses angenehme Kribbeln auf ihrer Haut hinterließen.

FABIO

"Guten Morgen, warum bist du denn schon so früh auf?", fragte Sky, als er in die Küche kam.

Ryan schenkte ihm nur ein finsteres Nicken, als hätte er Ryan mit seinem Anblick gerade den Morgen versaut, dann widmete er sich wieder seiner Zeitung.

"Guten Morgen. Ich gehe ins Tierheim."

In Zeitlupe senkte Ryan seine Zeitung. Fabio könnte ihn beruhigen, aber irgendwie fühlte er sich absolut nicht dazu veranlasst.

Sky hielt mit dem Löffel auf halbem Weg zu Marrys Mund inne und sah ein wenig verunsichert zwischen ihm und Ryan hin und her.

"Wir haben hier keine Tiere", sagte Ryan und nahm einen Schluck von seinem Kaffee.

Fabio ließ sich ebenfalls einen aus der Maschine.

"Hab ich mitbekommen." Er genoss es ein klein wenig zu sehr, wie angespannt die beiden waren.

"Wir haben nicht vor, das zu ändern", fuhr Ryan fort.

Fabio ärgerte sich ein wenig darüber, dass er für Sky mitsprach. Sie wohl auch, denn sie funkelte ihn böse an.

"Naja, wir haben darüber gesprochen, ob wir vielleicht einen Hund haben möchten, aber Ryan ist noch nicht davon überzeugt."

Fabio würde sich niemals einen Hund anschaffen. Sie waren viel zu abhängig von einem. Wenn überhaupt würde er eine Katze wollen. Die waren selbstständig. Aber auch um die musste man sich kümmern, sie machten Dreck und brauchten Aufmerksamkeit.

Er wurde von der leisen Diskussion hinter ihm aus seinen Gedanken gerissen.

Mit der Kaffeetasse in der Hand drehte er sich um und beobachtete die beiden.

Zum ersten Mal verspürte er dabei keinen Stich in seinem Herzen.

Er sah einfach nur eine Freundin, die mit ihrem Mann diskutierte, nicht die verlorene Liebe seines Lebens. Vielleicht schaffte er es doch langsam, ein wenig Abstand von allem zu bekommen.

Möglicherweise war es doch gut, sich all dem hier auszusetzen und hautnah zu sehen, wie gut die beiden zusammen passten. Es schien ihm wirklich dabei zu helfen, über alles hinwegzukommen.

"Bevor ihr jetzt einen Streit vom Zaun brecht, ich habe nicht vor, mir ein Tier anzuschaffen. Ich habe nur angeboten, einen Tag dort zu helfen."

Sky zog eine Augenbraue nach oben. "Du bist aber nicht unbedingt der Typ dazu."

Fabio lächelte. Sie kannten sich einfach zu gut. "Ja, ich möchte einer Freundin helfen."

Wenn möglich, wanderte ihre Augenbraue noch höher. "Keiner unserer Freunde arbeitet dort."

Fabio zuckte nur mit den Schultern, leerte seinen Kaffee und ging zur Tür.

"Bis heute Abend!"

Obwohl er fünf Minuten zu früh war, riss Ella in dem Moment die Haustür auf, in dem er am Randstein hielt.

Schade, er hätte sie gern an der Tür abgeholt und einen Blick ins Innere dieses Hauses geworfen.

Sie kam so schnell die Stufen herunter, dass er kaum Zeit hatte auszusteigen.

"Hi. Bleib ruhig sitzen", sagte sie und öffnete sich die Beifahrertür, ehe er um den Wagen herumgehen konnte. Also ließ er sich wieder auf den Sitz gleiten.

"Hey, alles klar bei dir?"

"Ja." Sie lächelte, schnallte sich an und beschrieb ihm dann den Weg, den er fahren musste.