Fire&Ice 12 - Fabio Bellini

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Aus der Reihe: Fire&Ice #12
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Obwohl das Tierheim nicht allzu weit weg sein konnte, da Ella täglich zu Fuß dorthin lief, kam ihm die Fahrt endlos vor.

"Deswegen laufe ich lieber. Um acht Uhr in Boston Auto zu fahren, ist eine Strafe."

Dann deutete sie auf eine schmale Straße, an deren Ende er bereits das große, weiße Gebäude sehen konnte.

Er parkte den Wagen vor dem Willkommenschild, dann stiegen sie beide aus.

Das Bellen war ohrenbetäubend. "Mein Gott, wie hältst du das aus?", fragte er und zwang sich, nicht die Hände auf die Ohren zu legen.

Ella lachte. "Die sind nicht immer so, aber sie wissen, dass es Fütterungszeit ist. Wahrscheinlich ist schon jemand im Gebäude, den sie gehört haben."

Sie führte ihn zu einer roten Eingangstür und sperrte sie auf.

"Guten Morgen, Alfred. Ich habe heute Unterstützung mitgebracht."

Aus einer Tür, die rechts am Ende des schmalen Ganges abging, kam ein älterer Mann.

"Guten Morgen, Ella, das ist eine schöne Überraschung."

Er kam zu ihnen, während Fabio die Unmengen von Fotos an den Wänden des Ganges ansah. Lauter glücklich wirkende Menschen, die ein oder mehrere Tiere um sich herum versammelt hatten.

Ella stellte ihm Alfred vor und sie schüttelten sich die Hand. "Schön, dass Sie da sind. Ella wird Ihnen zeigen, wie Sie uns zur Hand gehen können."

Dann verschwand er wieder durch die Tür, durch die er gekommen war.

"Dann komm", sagte Ella, nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter sich her.

Es fühlte sich verdammt gut an, ihre Hand in seiner zu spüren. Seine Haut kribbelte. Die Wärme, die ihre Haut ausstrahlte, breitete sich in seinem ganzen Körper aus.

In dem kleinen Personalraum gab sie ihm einen Kittel, den er über seinen Pullover ziehen konnte. Zum ersten Mal sah er Ella ohne die dicke Jacke. Sie war immer noch rundlich, aber es passte zu ihr. Wohlproportionierte Kurven, die sich himmlisch anfühlen mussten.

Sie erklärte ihm, wie die Hunde gefüttert wurden, dann machten sie sich an die Arbeit, während sie von ihrem Job im Tierheim erzählte.

Fabio hörte ihr schweigend zu, genoss es einfach nur, ihre weiche, melodische Stimme zu hören.

Die Zeit verging wie im Flug und er bemerkte erst, wie spät es war, als Ella ihm sagte, dass es Zeit für ihre Pause wäre.

"Wollen wir irgendwo etwas essen gehen?", fragte er und stellte den Besen, mit dem er die Ausläufe gekehrt hatte, zurück in die Abstellkammer.

"Gern. Ich nehme mir immer einen der Hunde mit und gehe die Straße hinunter zu einem Imbiss."

Fabio nickte zustimmend, ein Spaziergang mit Ella hörte sich gut an.

Ehe er sich versah, hatte er Max an der Leine. Der Rüde sah ihn an, als wüsste er ganz genau, dass Fabio nur wegen Ella hier war.

Ella selbst nahm eine junge Hündin, die heftig an der Leine zerrte.

"Wollen wir nicht lieber tauschen?", fragte Fabio, immerhin hatte er mehr Kraft.

"Nein, nein. Sie muss es nur erst noch lernen. Ein Hundeanfänger braucht einen Hund wie Max, der durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist."

Man sah ihm also an, dass er absolut keine Ahnung davon hatte, was er da tat. Solange Ella mit ihm zufrieden war, war es dennoch kein Problem.

Zu viert gingen sie die Straße hinunter. Max war wirklich vorbildlich, während die kleine Hündin immer wieder vor und zurück sprang.

Plötzlich kam Ella bei einem weiteren Satz der Hündin ins Straucheln und wäre beinahe gestürzt. Sie quietschte auf und ruderte wild mit den Armen, um auf dem glatten Boden nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Fabio konnte sie gerade noch abfangen und hielt sie eng an seine Brust gepresst.

Sie fühlte sich in seinen Armen noch besser an, als er es sich vorgestellt hatte. Warm und weich. Er drückte sie ein klein wenig fester an sich, wollte mehr von ihr spüren.

Den dicken Mantel verfluchte er innerlich, er wollte ihre Hüfte und ihren Hintern unter seinen Händen spüren.

Sie sah mit weit aufgerissenen Augen und leicht offen stehendem Mund zu ihm auf.

Sein Blick wurde völlig automatisch von ihren Lippen angezogen. Immer wieder hatte er darüber nachgedacht, wie sich diese Lippen wohl anfühlen würden, wenn ihre Wange schon so samtig weich war.

Ganz langsam senkte er den Kopf, wurde von ihr angezogen wie ein Magnet.

Ihre Zungenspitze schoss hervor und befeuchtete ihre Lippen.

Er konnte keinen Moment länger warten. Also überbrückte er das letzte Stückchen zwischen ihnen und presste seine Lippen leicht auf ihre.

Er spürte, wie ihre Hände sich in die Ärmel seiner Jacke verkrallten und sein Griff verstärkte sich völlig automatisch.

Ella erwiderte den Kuss. Vorsichtig, forschend, genau wie er selbst.

Sie fühlte sich unbeschreiblich gut an. In seinen Armen, genauso wie an seinem Mund. Sie war weich und nachgiebig. Anschmiegsam und verspielt. Sie schmeckte nach süßen Früchten und herben Kaffee.

Er wollte mehr von ihr, brauchte mehr von diesem Kuss, mehr von Ella.

Gerade als er eine Hand in ihren Nacken schieben wollte, um den Kuss zu vertiefen, zog sie sich quiekend zurück.

Es dauerte einen Moment, bis er verstand, dass nicht sie sich zurückgezogen hatte, sondern die Hündin erneut an der Leine gerissen hatte, sodass Ella unwillkürlich ein wenig zurückgetaumelt war.

"Sorry", sagte sie lächelnd.

Fabio lächelte zurück. "Solange du damit nicht den Kuss, sondern den Hund meinst …"

"Den Hund!" Sie nickte so eifrig, dass Fabios Herz schneller schlug.

Er schlang seinen Arm um ihre Taille und zog sie wieder an sich, um sie erneut zu küssen. Er hatte noch lange nicht genug von ihr. Sie schmiegte sich sofort an ihn und legte den Kopf in den Nacken, damit er ihren Mund besser erreichen konnte.

Gerade als seine Lippen die ihren berührten, ging erneut ein Ruck durch ihren Körper.

Fabio stöhnte genervt und sah die Hündin strafend an, doch Ella lachte nur. "Sie ist noch jung. Wir sollten weiter, sonst ist die Pause vorbei, ehe wir etwas zu essen haben."

Ohne nachzudenken, griff er nach ihrer freien Hand und verflocht seine Finger mit ihren.

Ihr süßes Lächeln sagte ihm, dass sie es genauso sehr wollte, was sein Herz nur noch schneller schlagen ließ.

"Das nächste Mal nehmen wir zweimal die Sorte Max mit", entschied er, da er keine Lust hatte, sich ständig von diesem ungestümen Ding unterbrechen zu lassen.

"Das nächste Mal?"

Ja, er würde definitiv so viel Zeit wie möglich mit Ella verbringen, auch wenn das hieß, dass er sie zur Arbeit begleiten musste. Er wollte mehr über sie erfahren, sie besser kennenlernen.

"Wenn du mich nochmal mitnimmst."

Ihre Wangen röteten sich leicht und sie sah nach vorn. "Jederzeit", gab sie leise zurück.

"Morgen wäre ein guter Tag." Er wollte sie nicht unter Druck setzen, aber es brannte ihm unter den Nägeln, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.

Am Nachmittag zeigte Ella ihm, wie man die Kleintierkäfige reinigte.

Irgendwas änderte sich im Laufe der Stunden, denn Ella wurde immer ruhiger.

"Alles okay bei dir?", fragte er gegen vier Uhr.

"Ja, ich bin nur ein wenig traurig, weil die Tierärztin gleich kommt, um eine Katze einzuschläfern."

Fabio runzelte die Stirn. "Warum?"

"Sie hat einen großen Tumor im Bauchraum. Zudem mehrere Metastasen und ist zu alt, um die Operation zu machen."

Verständnislos sah er sie an. "Sie ist schon 18, wenn sie dadurch noch zwei oder drei schöne Monate hat, ist es gut gelaufen, dazu stehen die Kosten der OP nicht im Verhältnis."

"Wer entscheidet das?"

"Die Organisationsleitung. Wir haben nur ein begrenztes Budget und die Tierarztbehandlungen sind teuer."

Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich, er wäre Tierarzt und nicht Humanmediziner. Er würde ihr jedes einzelne Tier operieren, nur um diesen Ausdruck aus ihrem wunderschönen Gesicht zu vertreiben.

ELLA

Fabio fuhr sie nach der Arbeit nach Hause. Die Fahrt über schwiegen sie. Ella war noch immer in Gedanken bei der alten Katzendame, die sie heute hatten gehen lassen müssen.

Vor dem Haus ihrer Granny angekommen, hielt er den Wagen an. Er stellte den Motor aus und schnallte sich ab.

"Morgen um acht Uhr?", fragte er und schenkte ihr ein trauriges Lächeln.

"Sehr gern." Auch Ella löste ihren Gurt.

Fabio schob ihr langsam eine Hand in den Nacken und zog sie zu sich heran. Allein die Berührung seiner Hand ließ die Schmetterlinge in ihrem Bauch wild durcheinander fliegen.

Seine Lippen auf ihren zu spüren, ließ ihren ganzen Körper kribbeln.

Sein Kuss war so süß, so weich und zärtlich, dass sich die Härchen an ihrem ganzen Körper aufstellten. Er fühlte sich unglaublich gut an. Ella wollte mehr von ihm spüren, ihn mit nach drinnen nehmen, und seinen Körper erforschen und … da fiel ihr ein, wer im Haus auf sie wartete.

Granny würde sie mit größer Wahrscheinlichkeit vom Küchenfenster aus beobachten.

Sacht löste sie sich von ihm. Ihr Lächeln fiel ein wenig schwach aus. Sie war unsicher, was sich gerade zwischen ihnen entwickelte. Genau aus diesem Grund mied sie solche Situationen für gewöhnlich.

Sie war keine Jungfrau mehr, aber vor einigen Jahren war ihr dieses ewige Rätseln, wohin eine Beziehung führen würde, zu dumm geworden und sie hatte sich lieber auf ihre Arbeit und ihre Granny konzentriert.

Fabio griff nach ihrem Kinn, hob ihren Kopf an und küsste sie noch einmal hauchzart.

"Ich lass dich nur ungern gehen."

Sie versuchte ihre Unsicherheit zu verbergen. "Morgen um acht?"

 

"Nichts lieber als das."

5 Immer mehr

FABIO

Die ganze restliche Woche hatte er sie zum Arbeiten begleitet.

Wann immer es ihm möglich gewesen war, hatte er sich Küsse von ihr gestohlen. Aber es war nicht genug. Er brauchte mehr von ihr.

Je öfter er ihren Körper an seinem spürte, desto süchtiger wurde er nach ihr. Er wollte sie schmecken, sie fühlen, er wollte wissen, wie sich ihre Haut auf seiner anfühlen würde, hatte aber keine Ahnung, wie er das anstellen sollte.

Hätte sie eine eigene Wohnung, würde er nach dem Arbeiten einfach mit zu ihr gehen. Nur war das leider nicht möglich, da sie mit ihrer Großmutter zusammen wohnte … und der Gedanke, dass diese im selben Haus war, war definitiv ein Stimmungskiller.

Es war Montag und er fuhr Ella gerade vom Arbeiten zurück nach Hause.

Sie schien nervös zu sein, so wie sie ihre kleinen Hände in ihrem Schoß knetete. Hatte sie vielleicht die gleichen Gedanken wie er?

Eher nicht. Zumindest bislang hatte sie keine Andeutungen in diese Richtung gemacht.

Als er den Wagen vor ihrer Einfahrt hielt, bewegte sie sich nicht, sie starrte nur gerade aus.

"Alles okay, Süße?"

Das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, fiel ziemlich zittrig aus.

"Das klingt jetzt total schräg, ich weiß, und du musst absolut nicht, wenn du nicht willst."

Verwirrt runzelte er die Stirn.

"Ähm … also meine Granny … naja, sie möchte dich unbedingt zum Essen einladen." Ella schlug sich eine Hand vor die Augen und stöhnte leise. "Ich schwöre, das ist mir wirklich peinlich und ich verstehe echt, wenn du nicht möchtest, aber sie hat gedroht, dass sie einfach zum Auto kommt, wenn ich dich nicht frage."

Fabio lachte auf. Deswegen war sie so durch den Wind? Seine Mama hätte Ella wahrscheinlich am ersten Abend schon ins Haus gezogen.

"Lach nicht, sag einfach, ob du morgen möchtest oder nicht."

Sie klang ein klein wenig sauer, was er von Ella so gar nicht kannte.

"Morgen kann ich leider nicht. Ich kann auch nicht mit ins Tierheim."

Sie lächelte ihn an, aber es war kein echtes Lächeln. "Kein Problem." Dann schnallte sie sich ab. Schnell griff er nach ihrem Gesicht, bevor sie aussteigen konnte.

"Würde es übermorgen gehen? Ich habe morgen einen Arzttermin."

Zwar würde er bestimmt rechtzeitig fertig sein, aber er hatte keine Ahnung, was Dave ihm zu sagen hatte und wie er darauf reagieren würde.

Mit grüblerischer Laune zu Ella zu kommen, stand absolut nicht zur Debatte.

Ganz egal wie gern er sie sehen wollte, seine Stimmung war zu unberechenbar.

Sie sah ihn verwirrt an. Wie sollte es auch anders sein? Er hatte ihr von so ziemlich allem in seinem Leben erzählt. Von seiner Familie, seinen Freunden, die jetzt so gut wie alle hier lebten, von seinem Job und auch von seinem Unfall in Afrika.

Nur den Teil, der ihn wirklich nach Boston geführt hatte, den hatte er ausgelassen.

Warum? Ganz einfach: Er wollte absolut nicht, dass die erste Frau, die ein Kribbeln in ihm auslöste, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging und ihn bis in seine Träume verfolgte, ihn für schwach hielt.

Sie sollte kein Mitleid mit ihm haben, oder sich um ihn kümmern wollen. Sie sollte den echten Menschen hinter all dem Schmerz mögen und nicht den Krüppel, zu dem er geworden war.

Er lächelte sie gequält an. "Ich habe ein kleines Souvenir aus Afrika mitgebracht und ein befreundeter Arzt will untersuchen, ob es eine sichere Methode gibt, um diesen Splitter zu entfernen."

"Von der Mine?"

Fabio nickte und Ella schluckte schwer. "Wo …?"

Er hatte diese Frage erwartet, dennoch fiel es ihm schwer, ihr die Antwort zu geben.

Mit dem Zeigefinger tippte er sich auf die Herzgegend. Beinahe augenblicklich füllten sich Ellas wunderschöne Bernsteinaugen mit Tränen.

Sanft streichelte er über ihre Wange. "Weine nicht, Ella. Es ist alles in Ordnung. Er ist da drin sicher festgewachsen. Es kann absolut nichts passieren."

"Warum willst du dich dann operieren lassen?"

Er wollte dieses Thema nicht mit ihr besprechen. Allein das Wissen darum, machte sie unglücklich, dabei wollte er der Letzte sein, der sie unglücklich machte.

Ella war ihm in kurzer Zeit so sehr ans Herz gewachsen, dass er es selbst kaum glauben konnte.

"Will ich nicht. Ich höre es mir an, meinen Freunden zuliebe, die nur das Beste für mich wollen."

Ella nickte und sah erleichtert aus.

"Ich könnte übermorgen um acht wieder hier sein …", bot er an, während er langsam mit dem Daumen über ihre Unterlippe fuhr.

Wieder nickte sie und Fabio beugte sich zu ihr, um sie noch einmal zu küssen.

Sein Atem ging schwerer, als er sich erneut von ihr löste. Mit rauer Stimme sagte er: "Dann bis übermorgen. Arbeiten, dann essen mit deiner Granny."

"Du musst das nicht …"

"Ich will", unterbrach er sie sofort. Als würde er dazu jemals nein sagen. Seit er sie das erste Mal nach Hause gebrachte hatte, wollte er wissen, wie es dort aussah, wie Ella lebte.

"Gut, dann … gute Nacht." Ihre Lippe streiften seine und er tat sich schwer, sie einfach gehen zu lassen.

ELLA

Allein die Vorstellung, dass Fabio übermorgen mit in dieses Haus kommen würde, veranlasste sie dazu, halb durchzudrehen.

Dass ihre Granny, die das Ganze schließlich ausgelöst hatte, sie dafür nur milde belächelte, machte es nicht gerade besser.

Sie hatte sich gewaltig in diesen fabelhaften Kerl verknallt und hatte absolut keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte.

Seit sie erwachsen war, hatte sie keine wirkliche Beziehung mehr gehabt. Und alles davor zählte nicht wirklich.

Affären ja, oder auch mal einfach nur Sex, nachdem sie in irgendeinem Club gewesen war, aber sie hatte niemals einen von ihnen mit nach Hause genommen oder ernsthaftes Interesse an ihnen gehabt.

Von Verliebtheit ganz zu schweigen. Meistens war es eher eine Art Forschungsprojekt.

Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie es nur immer wieder versucht, weil sie herausfinden wollte, was genau an Sex so toll sein sollte.

Jeder schwärmte davon. Ihre Freundinnen, die Medien, die Filme und Bücher. Für Ella war es bislang maximal aufregend gewesen, die meiste Zeit eher beschämend oder todlangweilig.

Dieses Kribbeln, das sie in Fabios Nähe verspürte, war ihr gänzlich fremd. Bei ihm reichte es bereits, wenn er ihr nahe war und sie seinen frischen Duft roch. Seine Hand in ihrem Nacken, dieser weiche Griff, mit dem er sie immer zu sich zog, verschaffte ihr ein Kribbeln zwischen den Beinen, das sie so nicht kannte.

Ella legte sich in ihr Bett und schloss die Augen. Einen Tag lang würde sie ihn nicht zu Gesicht bekommen. Einen Tag, dann hatte sie ihn wieder den ganzen Tag für sich.

FABIO

"Guten Morgen, Fabio."

"Morgen, Dave." Ganz so viel Begeisterung wie Dave konnte er bei weitem nicht aufbringen.

"Ich habe gute Neuigkeiten. Meine Freundin, Dr. Aleks Totter, hat deinen Fall dem Chefarzt vorgestellt. Er meinte, er würde es für möglich halten, das ganze minimalinvasiv vorzunehmen, damit sinken die Risiken enorm."

Fabio horchte auf. Sollte der Thorax nicht, wie in Deutschland geplant, geöffnet werden müssen, würden die Risiken wirklich enorm sinken.

Dave sagte ihm alles, was er von Dr. Totter gehört hatte. Es klang wirklich gut. Natürlich würden noch Restrisiken, wie zum Beispiel die normalen Narkoserisiken, bleiben, aber es war bei weitem nicht so schlimm wie die komplette Öffnung des Thorax. Dave nahm sich viel Zeit, um mit Fabio zusammen alle Informationen durchzugehen und die Erläuterungen anhand der Befunde zu analysieren.

Zum Schluss rief er noch bei seiner Freundin an und vereinbarte über sie einen Termin mit dem Chefarzt in vier Wochen, da dieser ziemlich ausgebucht war.

Fabio bedankte sich und verabschiedete sich von Dave. Dann fuhr er guter Dinge zurück zu Sky.

Natürlich brannte sie auf Neuigkeiten und war ganz aus dem Häuschen, als Fabio ihr von dem Angebot erzählte. Auch für ihn klang es nicht schlecht. Gut sogar, wenn er ehrlich zu sich war. Aber war es wirklich das, was er wollte?

Unter Skys Euphorie fühlte er sich erdrückt und gedrängt. Es fühlte sich an, als hätte ihn jemand einen Schritt näher an die Schlucht geschoben und versuchte, seine Entscheidung zum Sprung zu erzwingen.

Aber die Frage blieb noch immer. Sollte er springen und das Risiko eingehen, nie auf der anderen Seite anzukommen?

Zusammen mit Ella schien ihm das Leben auf dieser Seite gar nicht so schlimm zu sein. Sie war bei ihm, schaffte es, dass er sich unglaublich gut fühlte. Schaffte es sogar, dass er Sky fast völlig aus seinen Gedanken verdrängte.

Sky war nicht mehr viel mehr als eine gute Freundin. Es tat nicht mehr weh, sie zusammen mit Ryan oder Marry zu sehen. Wenn er abends im Bett lag, dachte er nicht mehr an Sky, sondern an Ella. Seine Ella. Gutmütig, sanft, voller Mitgefühl und unglaublich empathisch.

Ella mit ihren weichen Kurven, dem schönen Gesicht und den perfekten Augen. Er dachte an Ellas weiche Lippen, die sich so unglaublich gut auf seinen anfühlten. Ihren immer süßen Geschmack und die feinen Hände, die so zärtlich über ihn glitten.

Sollte er das alles für einen kleinen Sprung riskieren? Nach Jahren war er endlich wieder glücklich, wie konnte er das aufs Spiel setzen? Fabio schob den Gedanken von sich. Bevor er mit dem Chefarzt gesprochen hatte, brauchte er sich keine Gedanken darüber zu machen.

ELLA

Fabio war den ganzen Vormittag über sehr ausgelassen. Er hatte ihr von dem Gespräch mit seinem Freund erzählt und klang dabei ziemlich begeistert, aber irgendetwas stimmte nicht.

In ihrer Mittagspause entschied sie sich, neben Max einen weiteren ruhigen Hund mitzunehmen, damit sie in Ruhe mit Fabio sprechen konnte.

Mit ineinander verschränkten Fingern liefen sie die Straße zum Imbiss hinunter.

"Und was genau hindert dich dann an dieser Operation?", fragte sie und sah dabei angestrengt auf den Boden.

Diese Frage kam ihr irgendwie zu persönlich vor, als hätte sie nicht das Recht, in sein Innerstes zu sehen.

Eine ganze Weile lang schwieg er. Seine Hand fühlte sich angespannt an und sie konnte die Rädchen in seinem Kopf arbeiten hören.

"Ich habe Angst."

Sein Geständnis kam quasi aus dem Nichts. Er hatte so glücklich geklungen, woher kam dieser Wandel?

"Warum?"

"Natürlich ist das Risiko gering … aber es gibt ein Risiko. Ich kann mir nichts vormachen. Ich meine … ich bin sehr zufrieden im Moment, sollte ich wirklich alles wegen dieser OP aufs Spiel setzen? Mir geht es gut, ich kann fast alles machen."

Sofort erschienen sämtliche Horrorszenarien in Ellas Kopf. Sie stellte sich vor, wie sie zu Hause saß und die Nachricht erhielt, dass Fabio die OP nicht überstanden hatte.

Ihr Herz krampfte sich zusammen. Der Rest ihres Körpers tat es ihm gleich. Der Gedanke, ihn zu verlieren, zog ihr den Boden unter den Füßen weg und ließ sie taumeln.

"Ella?" Fabios besorgte Stimme ließ sie aufsehen. Besorgt musterte er sie. "Was ist los?"

Sie biss sich auf die Unterlippe. Es war seine Entscheidung, sie durfte sich nicht einmischen.

Sanft streichelte er über ihre Wange. Sein Blick war voller Sorge, was ihr Herz nur noch schwerer werden ließ.

"Was ist los, Ella?", fragte er noch einmal.

"Ich habe auch Angst", sagte sie leise. Sie sollte ihm das nicht sagen, sollte es ihm nicht noch schwerer machen, es war sein Leben.

Er küsste sie unglaublich zärtlich, dann streichelte er sanft mit dem Daumen über ihre Unterlippe.

"Ich werde nichts überstürzen, Ella. Ich habe viel zu verlieren. Mehr als ich mir lange Zeit habe vorstellen können. Ich werde mir anhören, was der Chefarzt zu sagen hat, aber ich habe nicht vor, meine Zeit, die ich mit dir verbringen könnte, fahrlässig aufs Spiel zu setzen."

Ihr wurde warm ums Herz und sie spürte, wie die Erleichterung ihren Körper durchflutete.

Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und ihre Hände verkrallten sich in seiner Jacke. Dann küsste sie ihn stürmisch.

 

Fabios Arme schlossen sich fest um ihre Mitte, als er sie an sich presste und den Kuss genauso gierig erwiderte. Sie liebte seine Lippen, die Art, wie er sie küsste. Sie liebte es, seine Arme um sich zu spüren, als wäre sie etwas Kostbares, das er festhalten musste. Sie liebte seinen klugen Verstand und seine einfühlsame Art.

Sie liebte ihn.

Diese Erkenntnis ließ ihr Herz einen Moment lang aussetzen, nur um es dann doppelt so schnell weiterschlagen zu lassen.

Sie beendete den Kuss und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Diesen Gedanken, diese Gefühle, musste sie erst einmal verdauen.

Es war viel zu früh, sie sollte sich nicht so überstürzt auf ihn einlassen.

Was würde passieren, wenn er wieder ging? Zurück nach Hause? Sie müsste hier bleiben und mit einem gebrochenen Herzen allein klarkommen.

Etwas, das sich nicht durch eine OP beheben ließ.

FABIO

Nachdem Ella so erleichtert auf seine Entscheidung reagiert hatte, war irgendetwas an ihr anders geworden.

Sie war ruhiger am Nachmittag, erzählte ihm nicht so viel wie sonst. Es schien, als würde etwas sie ziemlich beschäftigen.

Gedankenverloren stand sie vor einem der Kleintierkäfige und starrte seit Minuten hinein.

Fabio trat hinter sie und stützte die Hände links und rechts von ihr am Regal ab.

Dann vergrub er seine Nase in ihrem Nacken und atmete ihren süßen Duft ein.

Alles an Ella war süß. Ihre Art, ihr Aussehen, ihr Gesicht, ihr Geruch und ihr Geschmack. Seine süße Ella.

Er empfand weit mehr für sie, als er sich hätte vorstellen können. Das war gut so. Ella hatte ihm ein neues Ziel gegeben, etwas, für das es sich zu leben lohnte.

"Alles klar, Süße?", fragte er und küsste sie sanft auf den Nacken.

Von dem Gefühl ihrer weichen Haut unter seinen Lippen konnte er nicht genug bekommen.

Sie drehte den Kopf und lächelte ihn an. Was fehlte, war das übliche Funkeln in ihren schönen Augen. Also versuchte er, sie aufzuheitern.

"Du musst dir keine Sorgen wegen heute Abend machen, Rotkäppchen. Ich bin nicht der böse Wolf und ich werde deine Granny nicht fressen."

Es funktionierte, Ella lachte. "Darüber mache ich mir bestimmt keine Gedanken. Granny wird dich so mästen, dass sie ganz bestimmt nicht mehr in dich hineinpasst", gab sie grinsend zurück.

Dann drehte sie sich ganz zu ihm und ihre zarten Finger strichen über seinen Oberkörper. Er wollte sie auf seiner Haut spüren und verfluchte den Stoff seines Pullovers dafür, dass er sie davon abhielt.

"Und was ist es dann, das dein hübsches Köpfchen so beschäftigt?", fragte er und strich ihr eine Strähne hinters Ohr.

"Ich … äh …", stotterte Ella und wurde dann von Alfred unterbrochen.

"Hast du die Flyer für morgen schon eingepackt?", fragte dieser und lächelte, als er sie erblickte. "Ach ja, junge Liebe. Hauptsache, du vergisst die Flyer für Newton nicht", fügte er dann hinzu und verschwand wieder aus dem Raum.

"Newton?", fragte Fabio verwirrt.

Ellas Kopf war hochrot. Das war süß. Ella-süß eben.

"Ich muss von morgen auf übermorgen nach Newton auf eine Heimtiermesse, das war es auch, woran ich gedacht habe." Sie sagte den Satz so schnell, dass Fabio Schwierigkeiten hatte, ihr zu folgen.

Sie schlüpfte unter seinem Arm heraus und ging dann in die Richtung, in die Alfred verschwunden war. Fabio folgte ihr.

"Du bist morgen nicht hier?", fragte er und verdrehte dann über sich selbst die Augen.

Konnte man noch verzweifelter klingen? In seinem Kopf formte sich das Bild, wie er hechelnd neben Max sitzt und um ihre Aufmerksamkeit bettelt.

Du bist erbärmlich!

"Nein, ich fahre gleich in der Früh nach Newton", antwortete sie und wuchtete einen großen Karton nach oben.

Fabio eilte zu ihr und nahm ihn ihr ab. "Lass mich das machen. Wohin?"

Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. Als ob er das nicht sowieso dauernd tun würde.

Wie Max!

"Und was machst du da?", fragte er, als sie den Kofferraum eines in die Jahre gekommenen Ford Mondeo öffnete.

"Flyer verteilen, auf Spendenaktionen aufmerksam machen", antwortete sie abwesend, während sie die Kisten im Kofferraum verstaute.

"Kann ich mitkommen?"

Hör auf zu betteln, Max!

Sie lächelte ihn aufrichtig an. "Wenn du willst, sehr gern!"

Er griff nach ihren Hüften und zog sie an sich. Das wäre die Gelegenheit, sie endlich einmal für sich zu haben. "Nichts lieber als das."

Ella biss sich auf die Unterlippe und sah ein wenig verlegen aus. Hatte sie den gleichen Gedanken?

Mit dem Daumen zog er ihre Unterlippe zwischen ihren Zähnen hervor und küsste die malträtierte Stelle sanft.

"Wir könnten Kosten sparen und uns ein Hotelzimmer teilen …", murmelte er.

"Das wäre vernünftig", gab sie leise zurück.

ELLA

Ihr Hände waren feucht, als sie mit Fabio zusammen die Stufen zum Haus ihrer Granny hinaufstieg.

Es war seltsam, ihr jemanden vorzustellen, der ihr so sehr am Herzen lag wie Fabio.

Mit zitternden Händen schloss sie die Haustür auf. Ihr Blick fiel sofort auf die alten, etwas abgewohnten Möbel und sie überlegte sich, was Fabio wohl davon halten mochte.

Er hatte immer neue Kleidung, einen schicken Wagen, war Arzt und konnte sich einige Monate Auszeit in den USA leisten.

Für ihn musste es ziemlich schäbig aussehen, im Vergleich zu seinem eigenen Leben.

Ella wünschte sich zum ersten Mal, dass sie mehr auf solche Dinge geachtet hätte.

"Hallo Granny!", rief sie wie üblich und musste sich ein Zusammenzucken verkneifen. Es passte irgendwie nicht, so durchs Haus zu rufen, wenn Fabio hinter ihr stand.

"Da seid ihr ja. Das Essen ist fertig", drang eine freundliche Stimme aus der Küche.

Ella grinste in sich hinein und bemerkte dann Fabios fragenden Blick.

"Das Essen ist immer fertig, wenn ich nach Hause komme. Was meinst du, wo das herkommt?", fragte sie und kniff sich in die Hüfte.

Fabio schob ihre Hand beiseite und streichelte darüber. "Dann werde ich deiner Granny wohl meinen Dank ausrichten müssen", gab er lächelnd zurück.

Ella wurde rot, schnappte sich seine Hand und zog ihn hinter sich her in die Küche.

"Hey Granny." Sie küsste die Großmutter auf die weiche Wange und deutete dann verlegen auf Fabio. "Granny, das ist Fabio. Fabio, meine Großmutter."

Fabio streckte ihr eine Hand entgegen. "Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mrs …?"

"Nennen Sie mich einfach Granny, Fabio." Lächelnd schüttelte sie seine Hand.

Dann scheuchte Granny sie zum Tisch und schlug jedes Hilfsangebot aus. Sie stellte Wasser und Eistee auf den Tisch, dann brachte sie eine große Auflaufform mit Gemüsegratin und Putensteaks.

Während des Essens löcherte sie Fabio mit Fragen über seine Arbeit, Deutschland und Afrika. Auch wenn sie es auf eine für sie eher zurückhaltende Art machte, war es Ella sehr peinlich. An der Art, wie sie sich erkundigte, erkannte man sofort, dass Ella viel über ihn gesprochen hatte.

Fabio erkannte es auch und grinste sie wissend an. Ohne mit der Wimper zu zucken, beantwortete er jede von Grannys Fragen.

Er war höflich, aufgeschlossen und stellte ihr ebenfalls interessierte Fragen zurück.

Grannys Augen funkelten belustigt, als Fabio erzählte, dass er Ella nach Newton begleiten würde.

Da sie am nächsten Tag früh aufbrechen würden, verabschiedete Fabio sich kurz nach dem Essen.

Ella atmete lange aus, nachdem sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte.

"Ein guter Mann", sagte ihre Granny.

Ella zuckte erschrocken zusammen und drehte sich zu ihr. Ihre Granny stand hinter ihr im Flur und beobachtete sie.

"Ja." Ella ging zu ihr und legte ihr einen Arm um die schmalen Schultern.

"Du magst ihn."

"Mhm …" Nicht gerade etwas, das sie mit Granny besprechen wollte, vor allem, da ihre Gefühle noch viel zu aufgewühlt waren.

Granny tätschelte ihre Hand. "Dann lass ihn dir nicht entgehen."

Granny ließ sie völlig verwirrt im Flur zurück.

Lass ihn dir nicht entgehen … und was soll ich machen, wenn er zurück nach Hause geht?

FABIO

Gut gelaunt betrat er Skys Haus. Im Wohnzimmer brannte noch Licht, also war zumindest einer von ihnen noch wach und er konnte Bescheid geben, dass er den nächsten Tag nicht hier sein würde.

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