Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane

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Kapitel 3: Ein Raumschiff namens STERNENKRIEGER

Nachdem das Shuttle an Spacedock 1 festgemacht hatte, fand sich Commander Reilly umgehend in Konferenzraum C 4 ein. Er war einer der Letzten, die die dort eintrafen. Gut zwei Dutzend Raumkommandanten des Space Army Corps hatten sich hier versammelt. Die meisten von ihnen waren Befehlshaber Leichter Kreuzer wie der STERNENKRIEGER. Reilly sah alte Bekannte wieder, etwa Commander Steven Van Doren, der einst die JUPITER, den zweiten Prototyp der Scout-Klasse, befehligt hatte.

Nachdem die JUPITER bei der Jungfernmission im Niemandsland während eines Raumgefechts mit den Qriid vernichtet worden war, hatte Van Doren sofort ein neues Kommando erhalten. Jetzt befehligte er den Leichten Kreuzer PLUTO. Relativ häufig nahmen Van Doren und Reilly an gemeinsamen Operationen teil.

Innerhalb des letzten halben Jahres hatten sie jedoch weniger miteinander zu tun gehabt, da Commander Van Doren und seine PLUTO vorwiegend zu Patrouillenflügen im Grenzgebiet zu dem gewaltigen Reich der äußerlich sehr menschenähnlichen K'aradan eingesetzt worden war. Dort tobte noch immer ein Krieg zwischen den sauroiden Fulirr und den K'aradan. Beide Seiten hofften nach wie vor, die Menschheit als Bundesgenossen gewinnen zu können, aber bislang war es den Humanen Welten gelungen, sich aus diesem Krieg herauszuhalten.

In wie fern dies auch in Zukunft gelingen würde, war durchaus nicht sicher, aber seit die jenseits des Niemandslandes heranwachsende Bedrohung durch die Qriid bekannt geworden war, setzte die Führung des Humanen Rates alles daran, einen Zwei-Fronten-Krieg zu verhindern.

Dafür war das Space Army Corps der Humanen Welten nun wirklich nicht gerüstet. Man konnte schon froh sein, wenn die fieberhaft begonnene Aufrüstung und die Umstellung der Taktik, auf die Verwendung kleinerer, flexibel einsetzbarer Einheiten noch rechtzeitig griff, bevor es zu den ersten ernsthaften Auseinandersetzungen mit dem Imperium der Qriid kam.

Wie ein Damoklesschwert hing diese Bedrohung seit zwei Jahren über der Menschheit und sorgte dafür, dass immer größere Anteile an den zur Verfügung stehenden militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen in die Abwehr dieser Gefahr gelenkt werden mussten.

Und der Zenit dieser Entwicklung war noch längst nicht erreicht.

Jedem, der mit der Materie zu tun hatte, war das nur allzu bewusst.

„Na, wie geht’s dir, altes Haus?“, fragte Willard Reilly. „Gibt’s an der K'aradan-Front endlich Entwarnung oder was machst du hier auf Spacedock 1?“

„Umgruppierung zur Verbesserung der Effizienz nennt sich so etwas“, erwiderte Steven Van Doren, der zusammen mit Willard Reilly die Space Army Corps Akademie auf Ganymed besucht hatte.

„Das heißt in Wahrheit doch, dass es irgendwo mal wieder ein Loch zu stopfen gilt, habe ich Recht, Steven?“

„Ins Schwarze getroffen“, nickte Van Doren. „Aber es pfeifen ja auch die Spatzen von den Dächern, dass die geplante Anzahl an Leichten Kreuzern nicht fristgerecht fertig gestellt werden konnten.“

„Die Pläne waren aber auch ziemlich ehrgeizig!“

„Wem sagst du das, Willard! Und vor allem ist man bei den Planungen stets von den günstigsten Prämissen ausgegangen. Jeder, der etwas davon verstand, konnte einem vorher sagen, dass das nicht klappen konnte!“

„Und warum hat man diese weisen Experten dann nicht zu Rate gezogen?“

Van Doren machte eine wegwerfende Handbewegung. „Es ist doch immer dasselbe, Willard! Wenn du eine unbequeme Wahrheit zu verkünden hast, dann giltst du im Handumdrehen bei den Entscheidungsträgern nicht mehr als Experte, dessen Meinung gefragt ist. Raimondo wollte die Aufrüstung auf Biegen und Brechen durchsetzen und – was soll man sagen? Er hat zumindest teilweise seine Ziele erreicht.“

„Andererseits müssen wir uns tatsächlich warm anziehen, Steven. Dieses Qriid-Imperium wird nicht viel Federlesen mit uns machen.“

Van Doren grinste.

„Wenigstens hast du deswegen noch nicht deinen Humor verloren.“

„Das kommt wahrscheinlich noch. Spätestens dann, wenn es wirklich knallt und sich herausstellt, dass wir nicht die Mittel besitzen, um uns gegen die drohende Invasion angemessen zu wehren!“

Reilly hatte noch etwas hinzufügen wollen. So manches, was die gegenwärtige Verfassung des Space Army Corps sowie die politische Lage betraf, lag ihm geradezu auf der Zunge. Er hatte das Gefühl, dass die Menschheit sehenden Auges auf ihr Verderben zusteuerte und letztlich nicht genug dafür tat, um die jenseits des Niemandslandes lauernde Bedrohung abzuwenden.

Zumindest in dieser Hinsicht war er mit Admiral Gregor Raimondo vollkommen einer Meinung.

Und doch verstummte er in diesem Augenblick, denn der Admiral hatte zusammen mit seiner Adjutantin Lieutenant Mara Caporale den Raum betreten.

Die anwesenden Raumschiffkommandanten nahmen Haltung an.

„Rühren und setzen“, sagte Raimondo.

Raimondo und Caporale nahmen die für sie vorgesehenen Plätze ein. Der Admiral kam ohne Umschweife gleich zur Sache. Lieutenant Mara Caporale aktivierte derweil einen Wandbildschirm.

Wenig später war dort eine schematische Darstellung der Raumkugel zu sehen, die die Humanen Welten als ihr Territorium beanspruchten – was keineswegs bedeutete, dass sämtliche innerhalb des 50-Lichtjahre-Radius um die Erde gelegenen Systeme auch tatsächlich vollständig erforscht und zur Besiedlung durch irdische Siedler erschlossen waren.

Auf jeweils entgegen gesetzten Seiten dieser Raumkugeln schlossen sich das Reich der K'aradan und das so genannte Niemandsland an das Territorium der Humanen Welten an. Wie groß das Reich der K'aradan tatsächlich war, wusste man bislang nicht. Klar war aber, dass seine Ausdehnung mindestens um den Faktor hundert die Ausdehnung der Humanen Welten überstieg. Weite Teile des heutigen Territoriums der Humanen Welten sowie der ebenfalls benachbarten Fulirr sowie der Ontiden waren früher einmal Teil des K'aradan-Reichs gewesen, dessen beste Tage längst Vergangenheit waren.

Lieutenant Caporale markierte den Bereich des Niemandslandes, von dem nicht einmal die exakte derzeitige Ausdehnung bekannt war.

„Wir haben uns lange Zeit als eher zurückhaltende Beobachter verhalten“, begann Raimondo. „Aber wir werden dies im Hinblick auf das so genannte Niemandsland nicht länger fortsetzen können. Zu lange sind wir schon im Ungewissen darüber, was sich auf dem ständig wachsenden Territorium unseres Feindes tut. Wie Sie wissen, hatte die Zurückhaltung einen taktischen Grund. Wir haben nicht einmal ausreichend Kriegsschiffe, um unsere Grenzten ständig zu bewachen. Das Space Army Corps ist dazu nicht ausgerüstet und wir befinden uns in einem schwierigen Prozess der Umstrukturierung. Die alte Strategie, die darin bestand, mit wenigen, aber gut bewaffneten und teilweise riesigen Kriegsschiffen so rasch wie möglich an den Punkt innerhalb des Territoriums der Humanen Welten zu gelangen, an dem es gewissermaßen brennt, hat endgültig ausgedient. Diese Erkenntnis führte insbesondere zur Entwicklung und Fertigstellung des ersten Prototyps des neuen Raumschifftyps, den wir als Scout-Klasse bezeichnen. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Wir werden die neue Militärdoktrin Schritt für Schritt umsetzen, um danach besser und flexibler reagieren und größere Grenzsektoren der Humanen Welten gleichzeitig sichern zu können.

In der Vergangenheit durften wir einerseits gegenüber den Qriid nicht unnötig auf uns aufmerksam machen. Andererseits hatten wir schlicht und ergreifend die Mittel nicht, um größere Expeditionen durchzuführen. Aber dies hat sich nun geändert." Admiral Raimondo blickte in die Runde. Er war jünger als so mancher der Kommandanten, die unter ihm dienten, was nicht wenige von ihnen murren ließ. Dass politische Protektion diesen Mann zum jüngsten Admiral aller Zeiten gemacht hatte, pfiffen die Spatzen von den Dächern. Dennoch mangelte es ihm erstaunlicherweise nicht an Autorität. „Wir haben jetzt die nötigen Ressourcen, um einen erneuten Erkundungsvorstoß in die Zone des Niemandslandes zu unternehmen. Es ist dringend notwendig, dass wir Informationen sammeln. Ihre Schiffe werden Teil dieser Mission sein, und auch ich werde an Bord des Zerstörers MERRRIT an der Operation teilnehmen. Ihr Auftrag lautet, die Lage zu sondieren und Hinweisen auf Aktivitäten der Qriid folgen. Es geht darum, so viel an Informationen zu sammeln, wie nur irgend möglich. Kampfhandlungen sind zu vermeiden. Da wir nicht wissen, wie weit die Abhör- und Entschlüsselungstechnik der Qriid entwickelt ist, wird der Funkverkehr während der vor Ihnen liegenden Operation auf ein Minimum reduziert. Sie bekommen vorher Ihre klaren Befehle und Richtlinien, sodass Sie unter normalen Umständen die ganze Zeit über Funkstille halten können – es sei denn, Sie stoßen auf etwas, das es notwendig erscheinen lässt, mich unverzüglich zu verständigen. Ich lasse Ihnen in dieser Hinsicht Ermessensspielraum. Auf die Berufung eines jeden von Ihnen in sein Kommando hatte ich persönlichen Einfluss, so dass es niemanden in diesem Raum gibt, dem ich die Kompetenz absprechen würde, in derartigen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

Danke für die Blumen, Admiral!, ging es Willard Reilly durch den Kopf. Der Gedanke, nach zwei Jahren erneut – und diesmal mit einem größeren Verband – in die überwiegend unerforschten Regionen des Niemandslandes vorzudringen, reizte ihn. Das Schlimmste an einer drohenden Gefahr ist die Ungewissheit, dachte er. Aber vielleicht kann unsere Mission dazu beitragen, sie wenigstens ein Stückweit zu mindern.

Raimondo fuhr unterdessen fort: „Jede Ihrer Einheiten wird einen bestimmten Sektor zugewiesen bekommen. Die Daten befinden sich zusammen mit weiteren Befehlen auf den Bordrechnern Ihrer Schiffe und können unter Angabe Ihrer persönlichen Autorisation abgerufen werden. Wann Sie Ihre Offiziere und Mannschaften in Kenntnis setzen, bleibt Ihnen überlassen. Die Datenbank der Olvanorer im Kloster Saint Arran auf Sirius III hat uns das, von ihren Glaubensbrüdern, gesammelte Datenmaterial über die Raumregion, in der wir uns umsehen wollen, zur Verfügung gestellt. Es ist spärlich genug, aber Sie werden auf den jeweiligen Bordrechnern Ihrer Schiffe eine entsprechende Datenbank vorfinden. Ich hoffe, dass Ihnen die darin enthaltenen Berichte in irgendeiner Form weiterhelfen können.“ Raimondo ließ noch einmal den Blick schweifen, während Lieutenant Mara Caporale den Kartenausschnitt vergrößerte, sodass die Region, in der die Erkundungsoperation stattfinden solle, näher heran gezoomt wurde.

 

„Die Code-Bezeichnung der Mission lautet Operation Scout“, erklärte Raimondo. „Und das bezieht sich keineswegs auf die Schiffsklasse, der die meisten der dabei eingesetzten Einheiten angehören.“ Ein verhaltenes Lächeln umspielte Raimondos Mundwinkel.

Witzige Bemerkungen und lockerer Plauderton sind nicht seine Sache!, erkannte Commander Reilly. Er sollte sich auf diesem Gebiet erst wieder versuchen, wenn er ausgiebig vor Publikum geübt hat, sonst macht er sich nur lächerlich!

In diesem Augenblick erschien in Admiral Raimondos Gesicht zum ersten Mal ein Zug, der sich als ein Zeichen leichter Verunsicherung interpretieren ließ. Aber schon im nächsten Moment hatte Raimondo sich wieder unter Kontrolle und sein Gesicht bot die gleichförmig-sachliche Oberfläche, die man von ihm gewohnt war.

Auf der Sternenkarte erschien jetzt eine Linie in rot. Eine Sekunde später leuchtete noch eine Zweite in blau auf. Lieutenant Caporale nickte Raimondo kurz zu und dieser erklärte: „Die rote Linie stellt die mutmaßliche Grenze des Qriid-Imperiums dar, wie sie vor zwei Jahren Bestand hatte. Natürlich waren wir auf teilweise sehr vage Angaben und Vermutungen angewiesen. Im Wesentlichen fußten die zu Grunde liegenden Daten auf dem, was die STERNENKRIEGER von ihrer Mission zurückbrachte. Der Unsicherheitsfaktor ist selbstverständlich recht hoch anzusehen. Die blaue Linie bezeichnet die Ausdehnung des Imperiums, so wie wir ihn heute vermuten und unter der Voraussetzung, dass die Expansion in etwa mit gleicher Intensität vorangetrieben wurde. In den Grenzsystemen Bannister und New Hope gab es immer wieder Kontakte zu Spezies, deren Angehörige sich vor den Qriid auf der Flucht befanden. Die Angaben, die wir von ihnen erhielten, lassen den Schluss zu, dass bereits ein Drittel des ehemaligen Niemandslandes inzwischen fester Bestandteil des Qriid-Imperiums ist. Ich brauche Ihnen nicht sagen, was dies für die Zukunft der Menschheit bedeutet… Ihre jeweiligen Operationsgebiete sind so ausgewählt, dass wir den Fortschritt dieser bedrohlichen Entwicklung auf breiter Front verifizieren können.“ Raimondo atmete tief durch. „Wir werden zunächst einen Rendezvouspunkt in der Nähe des New Hope-Systems anfliegen, dessen Koordinaten bereits Teil der Befehlsdatei sind. Dort werden wir die letzten Lageberichte aus dem Grenzgebiet einholen. Anschließend brechen Sie zu den Ihnen zugewiesenen Raumregionen auf. Das wäre alles für heute. Passen Sie auf sich und Ihre Besatzungen auf.“

Danke gleichfalls!, dachte Reilly. Wärme und Anteilnahme glaubhaft zu kommunizieren müssen Sie noch lernen, sollten Sie ernsthaft irgendwann eine politische Laufbahn anstreben – Admiral!

1

Eine Viertelstunde später betrat Commander Reilly die Brücke der STERNENKRIEGER.

Lieutenant Commander Thorbjörn Soldo, der Erste Offizier des Leichten Kreuzers, nahm Haltung an.

„Captain…“

„Rühren, I.O.“

„Willkommen an Bord, Sir“, meldete der blonde Soldo, dessen Erscheinung Reilly ein wenig an einen Wikinger denken ließ.

Der Captain der STERNENKRIEGER ließ den Blick schweifen. Ruderoffizier Lieutenant Clifford Ramirez und Kommunikationsoffizierin Lieutenant Jessica Wu blickten von ihren Konsolen auf, mit deren Hilfe sie gerade damit beschäftigt waren, die Systeme neu zu kalibrieren, was regelmäßig geschehen musste, um Systemfehler zu verhindern. Waffenoffizier Lieutenant Chip Barus ging gerade mit Fähnrich Robert Ukasi die Lieferungen an Gauss-Geschossen und Raketen durch, die jüngst auf der STERNENKRIEGER eingelagert worden waren. Beide hatten ihre Unterhaltung in dem Moment unterbrochen, als Commander Reilly den Raum betreten hatte.

„Wir haben den Befehl, sofort aufzubrechen. Zielpunkt sind Rendezvouskoordinaten in der Nähe von New Hope.“

Es war unnötig zu erwähnen, dass nicht die Stadt New Hope im Wega-System gemeint war. Schließlich war es derzeit ziemlich abwegig, dass die STERNENKRIEGER dort eine Mission zu erfüllen hatte.

„Dann geht es ins Niemandsland?“, schloss Soldo.

Reilly nickte.

„Ja.“

„Wenn Sie mir ein freies Wort gestatten: Das wurde auch Zeit, Sir!“

„Ich verstehe, weshalb man so lange still gehalten hat“, erwiderte Reilly. „Aber ich glaube auch, dass wir uns nun langsam der Gefahr stellen müssen, die da draußen auf die Menschheit lauert.“ Reilly wandte leicht den Kopf. Er war mit den Gedanken nicht hundertprozentig bei der Sache. Die Erinnerungen der letzten Tage stiegen in ihm auf. Seine Familie, Dar-el-Reilly, sein Bruder Dan, der zu Bruder Daniel geworden war und dies so verinnerlicht hatte, dass nun wohl auch Eric Reilly senior klar geworden sein musste, dass er niemals die Sirius-Linie von Reilly Ltd. übernehmen würde. Unter keinen Umständen. „Wir besprechen alle Einzelheiten in meinem Raum“, erklärte Reilly.

„Wann?“

„In zwanzig Minuten. Wenn alle Mannschaften an Bord sind, brechen wir sofort auf.“

„Unser L.I. befindet sich bei seinen Verwandten auf dem Mond. Er könnte in wenigen Stunden hier sein“, sagte Soldo. Die Rede war von Lieutenant Morton Gorescu, dem Leitenden Ingenieur der STERNENKRIEGER.

„Dann sorgen Sie dafür, dass er verständigt wird“, forderte Reilly.

„Schwieriger wird es mit unserem Schiffsarzt.“

Reilly runzelte die Stirn. „Was ist mit Dr. Rollins?“

„Er hält einen Gastvortrag an der Far Galaxy Akademie auf Sedna.“

„Wer hat das genehmigt? Wir hatten Bereitschaftsstatus!“

„Ich war das nicht, Sir. Anscheinend hat sich Dr. Rollins an die Personalverwaltung des Space Army Corps gewandt und die hat seinen Wunsch, nach Sedna zu fliegen als wichtigen Grund anerkannt.“

Reilly ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten.

Sedna war eines der zahlreichen planetengroßen Objekte, die den Kuiper-Gürtel kennzeichneten. Die Astronomie sah inzwischen auch den Pluto eher als eines dieser Kuiper-Objekte an, denn als eigenständigen neunten Planeten, aber Pluto hatte das Glück, zu einer Zeit entdeckt worden zu sein, als man die Definition des Begriffs Planet nicht so eng fasste.

Im Mittel war Sedna 290 Astronomische Einheiten von der Erde entfernt und brauchte mehr als zehntausend Jahre für einen Sonnenumlauf.

„Wir werden einen ganzen Tag durch den Flug nach Sedna verlieren“, stellte Reilly ärgerlich fest. Er wandte sich an Lieutenant Wu. „Kontaktieren Sie Admiral Raimondo und teilen Sie ihm mit, dass es entweder zu dieser Verzögerung kommen wird, oder wir für Dr. Rollins einen Ersatz brauchen. Ich nehme jedenfalls nicht an, dass Raimondo uns ohne medizinische Betreuung fliegen lässt.“

„In Ordnung, Sir!“, bestätigte Jessica Wu.

„Da ist noch etwas, Captain.“

Reilly sah Soldo erstaunt an, so als wollte er sagen: Reicht das denn nicht schon an unangenehmen Dingen, wenn man gerade aus dem Urlaub zurückkehrt?

„Worum geht es?“

„Shuttle-Pilot Bran Kolewsky hat sich von uns verabschiedet.“

„So kurzfristig?“, wunderte sich Commander Reilly.

„Er bekam ein sehr attraktives Angebot aus der freien Wirtschaft und fliegt jetzt die Sirius-Linie.“

Soldos letzte Worte versetzten Reilly einen Stich. „Doch nicht zufällig auf einem Schiff der Eric Reilly Ltd.?“, murmelte der Captain tonlos.

„Ich habe keine Ahnung, Sir. Allerdings muss das Angebot finanziell so attraktiv gewesen sein, dass er den Verlust sämtlicher Versorgungsleistungen des Space Army Corps auf sich genommen hat.“

Commander Reilly atmete tief durch.

Wüsste ich es nicht besser, dann könnte man ja durchaus auf den Gedanken kommen, das wäre Absicht gewesen, Dad!, ging es ihm durch den Kopf. Natürlich war das absurd.

„Ein möglicher Nachfolger wartet in Ihrem Raum auf Sie, Captain“, erklärte Soldo.

„Da war die Personalverwaltung des Space Army Corps ausnahmsweise mal richtig schnell!“

„Nein, Sir, Sie irren sich.“

„Wie bitte?“

„Sie wissen doch, wie knapp Piloten im Moment sind. Die Aufrüstung des Space Army Corps hat dazu natürlich erheblich beigetragen – aber das Frachtaufkommen privater Raumlinien steigt natürlich auch exponentiell mit jeder neuen Kolonie, die da draußen errichtet wird. Die Personaldecke des Space Army Corps ist in diesem Segment momentan so angespannt, dass wir nur die Wahl haben, von unserem ersten Shuttle-Piloten Jacques ein anderes Crew-Mitglied kurzfristig anlernen zu lassen…“

„Ty Jacques wird mir was husten!“, unterbrach Reilly seinen Ersten Offizier. „Und das mit Recht! Man kann auf diese Weise vielleicht jemanden rekrutieren, der regelmäßig die Linie Erde-Mond fliegt, aber keinen Fährenpiloten, der das Beiboot eines Kriegsschiffs unter Einsatzbedingungen steuern soll.“

„Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht, Sir. So bleibt uns wohl keine andere Wahl, als Triffler zu engagieren.“

Reilly runzelte die Stirn.

„Triffler?“

„Der Mann, der da drinnen auf Sie wartet, heißt Moss Triffler. Er war Test-Pilot in den Diensten des Far Galaxy Konzerns, flog dort aber raus, nachdem ihm nachgewiesen wurde, dass er technische Daten eines Steuermoduls an die Konkurrenz verriet. An den finanziellen Folgen des Zivilprozesses wird er wohl sein ganzes Leben lang abzahlen.“

„Eine verkrachte Existenz also“, stellte Reilly fest.

Soldo nickte leicht.

„Wenn ich an Triffler Stelle wäre, würde ich mich innerhalb der Grenzen der Humanen Welten nicht mehr sehen lassen. Aber er denkt offenbar anders über diesen Punkt.“

„Gibt es da nicht irgendwelche formellen Schwierigkeiten, wenn er als zweiter Fährenpilot auf der STERNENKRIEGER anfängt?“

„Nein. Ich habe das Okay des Oberkommandos und der Personalverwaltung. Es gibt speziell zur Anstellung von Piloten seit jüngstem Sonderbestimmungen, die Seiteneinsteigern den Eintritt ins Space Army Corps erleichtern sollen. Und genau diesen Paragraphen möchte Moss Triffler jetzt für sich nutzen – vorausgesetzt, Sie sind damit einverstanden.“

Die Entscheidung ist doch längst gefallen – ohne mich!, dachte Reilly. Soldo hat alles vorbereitet und bereits die nötigen Schritte in die Wege geleitet. Und ein Testpilot dürfte ja wohl auch über jeden Zweifel an der nötigen fachlichen Qualifikation erhaben sein.

„Ich werde ihn mir mal ansehen!“, kündigte Commander Reilly an.