Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane

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Commander Reilly blickte zum Panorama-Bildschirm. In einem Bildfenster war eine Positionsübersicht zu sehen, die die letzte Kursänderung des Qriid-Schiffs veranschaulichte und außerdem dessen Weg extrapolierte.

Die Lage war klar.

Aus irgendeinem Grund schien die Ortung des Qriid-Schiffs auf die STERNENKRIEGER aufmerksam geworden zu sein. Anders war die Kursänderung nicht zu interpretieren. Woran es letztlich gelegen hatte, dass die Tarnung des Schleichflugs nicht mehr funktionierte, konnte von der Brücke des Leichten Kreuzers aus nicht beurteilt werden. Dazu wusste man einfach zu wenig über die ortungstechnischen Möglichkeiten der vogelköpfigen Aggressoren. Allerdings reichte irgendeine unscheinbare elektromagnetische Emission, um ein Schiff im Schleichflug zu enttarnen. Die Signatur der Lebenserhaltungssysteme konnte dafür ebenso gut verantwortlich sein wie jedes andere System, das nicht abgeschaltet werden konnte. Und eine völlige Abschirmung war nicht möglich. Irgendetwas drang immer hinaus ins All. Gerade in der Nähe von Fixsternen waren Raumschiffe letztlich auch sehr darauf angewiesen, die Energie wieder abzugeben, die sie durch das Sonnenlicht empfingen. Andernfalls hätte sich das Innere des Schiffs nach und nach aufgeheizt. Trotz der Kälte des Weltalls war eines der Hauptprobleme in der Raumfahrt von jeher die Ableitung der durch Sonnenstrahlung entstandenen Wärme gewesen, was etwa durch Infrarot-Abstrahlung in den freien Raum geschehen konnte.

Doch auch die ließ sich orten…

„Der Kurs des Qriid-Schiffs lässt keinerlei Zweifel daran, dass wir erkannt wurden“, erklärte Lieutenant Barus, der Waffenoffizier der STERNENKRIEGER an Commander Reilly gewandt.

„Sie fliegen einen Abfangkurs“, bestätigte Fähnrich Rajiv. „Und da ihre Geschwindigkeit sehr viel höher ist als unsere, werde sie uns unweigerlich einholen.“

Die STERNENKRIEGER flog gegenwärtig mit einer Geschwindigkeit von unter 0,1 LG auf Snowball zu und hatte in den vergangenen Stunden stetig abgebremst, während das Qriid-Schiff beschleunigte. Zunächst war auf der Brücke der STERNENKRIEGER vermutet worden, dass die Qriid eigentlich einen Sandströmflug anstrebten und das System zu verlassen gedachten, ehe schließlich der deutliche Kurswechsel zu erkennen gewesen war.

„Was ist, wenn wir auf Maximalgeschwindigkeit gehen und auf einen Tangentialkurs am Orbit von Snowball vorbei schrammen?“, fragte Commander Reilly den Fähnrich.

Rajiv war sehr eifrig bei der Sache, denn ihm war durchaus bewusst, dass dies der bisher erste Einsatz seiner Laufbahn war, in dem es wirklich ernst werden konnte.

Fähnrich Rajiv ließ eine Simulation ablaufen, in der die Kursänderungen unter geänderten Prämissen simuliert wurden.

Das Ergebnis war deprimierend.

„Die STERNENKRIEGER hat keinerlei Möglichkeit, einer Gefechtssituation zu entkommen, da die Qriid auf eine kriegerische Begegnung Wert legen und es ihnen nicht ausreicht, uns zu verscheuchen“, erklärte Fähnrich Abdul Rajiv. „Sie werden uns abfangen, auf Parallelkurs gehen und beschießen. Auf der Positionsübersicht habe ich den Punkt markiert, der dafür in Frage kommt.“

„Sollen wir trotzdem beschleunigen oder den Gegner erwarten?“, fragte Lieutenant Commander Soldo an Commander Reilly gewandt.

Bevor der Captain der STERNENKRIEGER antworten konnte, meldete sich Fähnrich Majevsky zu Wort.

„Captain! Wir fangen einen Notruf von der Oberfläche des Planeten Snowball auf. Dem verwendeten Code nach handelt es sich vermutlich um ein Beiboot der Qriid.“

„Können Sie die Botschaft entschlüsseln?“, fragte Commander Reilly.

„Der Bordrechner ist noch damit beschäftigt“, erklärte Fähnrich Majevsky. „Aber es läuft darauf hinaus, dass sich die Besatzung des Beibootes in höchster Gefahr befindet und Hilfe braucht. Außerdem gibt es eine Warnung vor einem Angreifer. Dann bricht die Nachricht ab.“

„Das bedeutet, jede Hilfe kommt wohl zu spät für das Qriid-Außenteam“, stellte Thorbjörn Soldo nüchtern fest.

Commander Reilly nickte. „Wir erwarten den Feind im Orbit von Snowball!“, bestimmte er. „Ruder!“

„Ja, Sir?“

„Nehmen Sie entsprechende Kurskorrekturen vor!“

„Aye, aye, Captain.“

„Bis zum Zusammentreffen mit den Qriid bleiben uns ja noch ein paar Stunden Zeit. Sobald Sie in den Orbit von Snowball eingeschwenkt sind, rufen Sie bitte Lieutenant Ramirez auf die Brücke.“

„Ja, Sir.“

Rajivs Gesicht bekam eine finstere Note. Es war ihm anzusehen, dass es ihm nicht gefiel, seinen Platz für Lieutenant Ramirez räumen zu müssen. Aber in der bevorstehenden Gefechtssituation wollte sich Commander Reilly lieber auf das erfahrenere Crew-Mitglied verlassen.

„Captain, uns erreicht ein Funkspruch des Qriid-Schiffes!“, meldete Fähnrich Majevsky. „Da diese Transmission unverschlüsselt ist, dürfte unser Translatorsystem keinerlei Schwierigkeiten mit der Übersetzung haben.“

„Auf den Schirm damit!“, befahl Commander Reilly. „Und holen Sie Bruder Padraig her!“

„Der befindet sich im Maschinentrakt.“

„Dann sorgen Sie dafür, dass er im Konferenzmodus zugeschaltet wird, Fähnrich Majevsky!“

„Ja, Sir!“

Auf den Rat des Olvanorers wollte Commander Reilly nicht verzichten.

Auf dem Panoramabildschirm wurde die schimmernde, weiße Kugel namens Snowball von einem Bildausschnitt abgelöst, der vielleicht einen Teil der Brücke des Qriid-Schiffs zeigte.

„Vermutlich haben sie auch noch auf anderen Planeten dieses Systems Landeteams abgesetzt“, raunte Thorbjörn Soldo seinem Captain zu.

Ein Qriid-Kopf füllte jetzt den Großteil des Bildausschnitts aus. Der gebogene Schnabel öffnete sich leicht. Die falkengrauen, recht weit auseinander stehenden Augen machten auf Willard Reilly beinahe den Eindruck, als würden sie in verschiedene Richtungen blicken.

„Hier spricht Tan-Balo, ehrenhafter Tanjaj-Kommandant des Kriegsschiffs KRALLE DER GLÄUBIGEN im Dienst des Heiligen Imperiums.“ Der Qriid nahm Haltung an. An der Brust seines Tunika artigen Gewandes hing ein halbes Dutzend Metallplaketten, bei denen es sich wohl nur um Orden- und Ehrenzeichen handeln konnte. Manche Dinge scheinen sich bei allen militärischen Hierarchien der Galaxis zu ähneln!, dachte Reilly.

Tan-Balo machte eine rhetorische Pause. Er stieß einen grollenden Laut aus, der tief aus der Kehle kam und entfernt an das Gurren einer Taube erinnerte. Willard Reilly fragte sich, welche Bedeutung diese Verhaltensweise hatte. Handelte es sich vielleicht um einen nonverbalen Ausdruck der Geringschätzung? Das Translatorsystem verfügte zwar über genug gespeichertes Qriid-Sprachmaterial, aber was den Bedeutungsgehalt nonverbaler Äußerungen anging, so herrschte da bislang völlige Unkenntnis. Dasselbe galt für den kulturellen Hintergrund der Qriid, über den nur wenige markante Fakten bekannt waren.

Bruder Padraigs Gesicht erschien jetzt auf einem der Nebenbildschirme.

Tan-Balo fuhr unterdessen fort: „Es ergeht die Aufforderung, sich zu ergeben und das Schiff den tapferen Glaubenskriegern des Imperiums ohne Widerstand zu übergeben. Andernfalls ist euch die Vernichtung gewiss!“

„Schalten Sie den Kanal frei, Fähnrich Majevsky!“, wies Reilly die Funkerin an. „Ich möchte Kommandant Tan-Balo gerne meine Antwort geben.“

„Kanal ist frei, Captain!“, bestätigte Fähnrich Majevsky.

„Hier spricht Commander Willard Reilly, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER im Dienst des Space Army Corps der Humanen Welten. Wir sind nicht in kriegerischer Absicht hier, sondern in einer reinen Forschungsmission!“

„Ihr betreibt Aufklärung“, erwiderte Tan-Balo. „Und das in einem Gebiet, das vom durch Gott inspirierten Aarriid für sich und das Heilige Imperium beansprucht wird! Das ist eine aggressive militärische Aktion und hat mit einer Forschungsmission nicht das Geringste zu tun.“

Er ist der Wahrheit gefährlich nahe!, dachte Willard Reilly.

„Wie gesagt, ich würde ein Gefecht gerne vermeiden!“

„Weil du weißt, dass du dich auf Grund der Geschwindigkeitsunterschiede in einem taktischen Nachteil befindest, Captain Reilly!“, erwiderte Tan-Balo. Diesmal musste man nicht viel in die krächzenden Laute hinein interpretieren, die der Qriid-Kommandant über den Schnabel brachte, um zu begreifen, welchen Triumph er empfand.

Leider hat er weitgehend Recht!, dachte Reilly. Aber wenn er glaubt, dass ihm die STERNENKRIEGER als leichte Beute in den Schlund fällt, dann hat er sich getäuscht!

Den Beweggrund des Qriid-Kommandanten, auf ein Gefecht möglichst zu verzichten und den Menschen die Aufgabe anzubieten, konnte Reilly durchaus nachvollziehen. Wahrscheinlich war es jedoch weniger der Wunsch, ein Gefecht vermeiden zu wollen, als vielmehr die Erkenntnis, wie wertvoll es sein konnte, ein Schiff des – zukünftigen – Gegners in die Hände zu bekommen. Umgekehrt würde auch das Oberkommando des Space Army Corps viel darum geben, die Waffensysteme eines Qriid-Schiffs endlich mal aus der Nähe und bis ins kleinste Detail untersuchen zu können!, dachte Reilly.

„Ihr habt keine Chance zu entkommen“, erklärte Tan-Balo. „Mein Schiff, die KRALLE DER GLÄUBIGEN wird ihrem Namen alle Ehre machen und euer Schiff zumindest manövrierunfähig schießen. Darüber hinaus wurde die Tanjaj-Flotte alarmiert. Es sind Dutzende von Einheiten hier her unterwegs. Die meisten davon setzen sich von einem der umliegenden Systeme aus in Bewegung, die wir derzeit allesamt besuchen, um ihre Integration in das Imperium sicherzustellen, bevor…“

 

„Bevor der Heilige Krieg in eine weitere Etappe geht!“, schloss Commander Reilly. „Das ist es doch, nicht wahr?“

Tan-Balo zögerte. „Ich höre in dieser Äußerung so etwas wie moralische Geringschätzung für das Handwerk des Kriegerischen, was mich persönlich sehr erstaunt, denn wie du selbst gesagt hast, gehört dein Schiff einem Verbund an, der für die militärische Verteidigung zusammengestellt wurde! Wie kann ein Angehöriger einer militärischen Organisation jedoch den Krieg, für den er geboren wurde, moralisch in Frage stellen? Ich bitte um Verzeihung, aber dieses Paradox ist in meinen Augen nicht aufzulösen.“

„Wie auch immer, ich werde das Schiff nicht aufgeben!“

„Wir würden das Leben deiner Besatzung schonen und euch auf einem Planeten eurer Wahl im Umkreis von zehn Lichtjahren absetzen“, schlug Tan-Balo fort. „Wir wissen, dass dein Volk feige ist und im Gegensatz zu den ehrenhaften Tanjaj den Tod fürchtet wie das Schlupf-Ei den plötzlichen Frost!“

Commander Reilly atmete tief durch. Welch profunde Kenntnis unserer menschlichen Mentalität schimmert doch in diesen Worten auf!, überlegte er voller Sarkasmus. Andererseits konnte man auf Seiten des Space Army Corps wohl kaum behaupten, im Hinblick auf das Wissen über die Qriid besser dazustehen. Abgesehen, dass man wusste, wie gefährlich sie waren und wie kompromisslos sie gegen ihre Feinde vorgingen, war nicht vieles bekannt. Bruchstücke nur.

Der Qriid ballte die großen Krallenpranken zum qriidischen Äquivalent zweier Fäuste. Er musste sich sichtlich beherrschen, um nicht irgendwelche wüsten Drohungen oder Flüche von sich zu geben.

„Wir würden deiner Mannschaft sogar einen kleinen Überlichtsender zur Verfügung stellen, sodass eine Rettung möglich wäre!“, gab er zu bedenken. Sein Gemütszustand schien angegriffen zu sein.

„Wir brauchen Bedenkzeit!“, mischte sich jetzt Bruder Padraig ungefragt ein.

„Darf dieser Mensch für die STERNENKRIEGER sprechen, Captain?“, fragte Tan-Balo.

„Das darf er“, sagte Reilly nach kurzer Pause. Der Olvanorer hatte die Verhandlung kurzerhand an sich gerissen, als er feststellte, dass etwas seiner Meinung nach in eine falsche Richtung ging.

Warum nicht?, kommentierte eine Stimme in Reillys Hinterkopf die Lage. Vielleicht kann Bruder Padraig ja sein diplomatisches Geschick in die Waagschale werfen, um den Kampf zu vermeiden…

„Versetzen Sie sich in unsere Lage“, verlangte Bruder Padraig. „Angenommen Sie würden aufgefordert, sich zu ergeben und sähen vielleicht sogar die militärische Notwendigkeit ein – so würden auch Sie…“

„Ein Qriid würde nicht aufgeben!“

„Für uns hat die Rettung des menschlichen Lebens die höchste Priorität“, erklärte Bruder Padraig.

„Unsere Priorität sieht etwas anders aus“, entgegnete Tan-Balo. „Für uns kommt zuerst die Verbreitung des Glaubens. Wir kämpfen nicht, um des Kämpfens Willen, sondern weil es Gottes Wille ist.“

„Wie können Sie sich über den Willen Gottes derart sicher sein? Ich bin auch ein tiefgläubiges Individuum, würde mir aber niemals anmaßen, in dieser Frage genau zu wissen, was Gott will.“

Der Qriid stutzte. Zumindest musste ein irdischer Beobachter dieses Wesens die Reaktion des Schiffskommandanten so auffassen. Er vollführte eine ruckartige Bewegung. Die Schnabelhälften schabten aneinander und erzeugten dabei ein unangenehm scharf klingendes Geräusch.

„Du bist zu bedauern, dass du den Willen Gottes nicht kennst! Aber du bist ein Schnabelloser. Was soll man da schon von deiner Rasse halten.“ Er machte eine kurze Pause und fügte anschließend noch hinzu: „Es ist alles gesagt. Wenn ihr nicht aufgegeben habt, bis wir auf Schussweite heran sind, ist es zu spät. Dann werden wir euer Schiff zerstören und ihr werdet ein kaltes, unbedecktes Grab im Weltraum finden!“

2

Die Verbindung zur KRALLE DER GLÄUBIGEN wurde von Seiten der Qriid unterbrochen.

Der Schirm zeigte wieder den Planeten Snowball und dahinter das Zentralgestirn des Systems.

„Sie haben es offenbar auf unsere Technik abgesehen“, stellte Lieutenant Commander Soldo fest.

Reilly nickte.

„Das klingt einleuchtend.“

Der Besitz eines Space Army Corps Schiffes wäre für die Qriid von unschätzbarem Wert gewesen, um sich auf den irgendwann unweigerlich bevorstehenden Konflikt mit den Humanen Welten besser vorbereiten zu können.

Umgekehrt hätte die STERNENKRIEGER auch jede Gelegenheit wahrgenommen, um in den Besitz von qriidischer Technik zu gelangen. Aber Commander Reilly hatte nicht die Absicht, es dazu kommen zu lassen.

3

„Der Weg, den du befohlen hast ist riskant, ehrenhafter Kommandant“, sagte Dom-Tabun. Der Erste Offizier der KRALLE DER GLÄUBIGEN hatte es erst gewagt, seine Meinung zu äußern, nachdem ihn Kommandant Tan-Balo ausdrücklich dazu aufgefordert und um eine offene Stellungnahme gebeten hatte. Jetzt, da es in gewisser Weise schon zu spät ist, denn die Befehle sind gegeben und welcher Kommandant, der etwas auf seine Tanjaj-Ehre gibt, würde sie jetzt noch zurücknehmen!, dachte Dom-Tabun voller Bitterkeit.

„Vielleicht uns dieser Weg aber endlich in die Lage, ein Schiff dieser Schnabellosen untersuchen zu können!“

„Sie werden nicht darauf eingehen!“, prophezeite Dom-Tabun.

„Gott allein kennt die Zukunft – oder du etwa auch, Dom-Tabun?“ Die Bemerkung des Kommandanten grenzte an eine Beleidigung, schließlich unterstellte sie dem Ersten Offizier so etwas wie eine blasphemische Anmaßung.

Aber Dom-Tabun hatte in all den Jahren, die er schon als treuer Tanjaj des Aarriid diente, gelernt, dass es stets das wichtigste war, die Ruhe zu behalten. So verfahren die Situation auch sein mochte. Tan-Balo drängt es, sich besonders hervorzutun und es seinen Vorgesetzten zu erleichtern, ihn zu befördern!, dachte der Erste Offizier. Dieser Ehrgeiz frisst ihn förmlich auf. Allerdings riskiert er dabei unser aller Leben. Schließlich weiß niemand von uns, wie kampfstark die Schiffe der Schnabellosen tatsächlich sind! Schließlich hat es ja erst eine einzige Begegnung mit ihnen gegeben…

„Ruhm und Ehre können wir erringen“, sagte Tan-Balo. „Und wir können dem Imperium einen großen Dienst erweisen. Diesem Schiffstyp begegneten unsere Tanjaj-Brüder im Zuge unserer Auseinandersetzung mit den Wsssarrr – und wir täten gut daran, ihn genau untersuchen und auf seine Schwachstellen hin überprüfen zu können.“

„Andererseits scheinen unsere Tanjaj-Brüder auf der Oberfläche unsere Hilfe zu brauchen“, wandte Dom-Tabun ein.

In diesem Augenblick meldete der Funker, dass sämtliche Versuche, noch einmal mit der Mannschaft der KLEINEN KRALLE Kontakt aufzunehmen, gescheitert seien.

„Es scheint da unten tatsächlich ein Problem zu geben“, gestand nun auch Tan-Balo ein. Er schabte etwas mit seinem Schnabel und stieß ein tiefes, gurrendes Geräusch aus. „Wahrscheinlich gibt es mal wieder Probleme durch unzureichende Wartung der Technik. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass die eingeborenen, primitiven Schnabellosen, die bei der Fortbewegung noch auf die Windkraft angewiesen sind, für unsere Tanjaj-Brüder tatsächlich eine ernstzunehmende Gefahr darstellen könnten.“

„Vielleicht existieren dort unten Gefahren von denen wir nicht einmal etwas ahnen!“, gab Dom-Tabun zu bedenken.

Ein Glucksen entrang sich Tan-Balos halb geöffnetem Schnabel.

„Das kann unmöglich dein Ernst sein, Dom-Tabun!“, glaubte der Kommandant der KRALLE DER GLÄUBIGEN. „Diese Eingeborenen sind unseren Erkenntnissen nach nicht dazu in der Lage, einen Qriid zu gefährden, der über die Standardausrüstung der Tanjaj verfügt.“

„Dennoch muss dort unten etwas geschehen sein!“, beharrte Dom-Tabun.

In diesem Augenblick meldete sich der Funker.

„Ehrenhafter Kommandant, ich habe einen qualitativ nicht sehr zufrieden stellenden Funkkontakt über den Kommunikator eines Mitgliedes des Bodenteams!“

„Wer ist es?“, fragte Tan-Balo.

„Rekrut Nirat-Son!“

„Lass hören!“

Das Gesicht des Tanjaj-Rekruten erschien auf einem Schirm. Die Umgebung, in der er sich befand, vermochte Kommandant Tan-Balo nicht so recht einzuordnen. Tatsache war, dass es offenbar warm genug war, um die Gesichtsmaske und die Kapuze des Thermoanzugs abzunehmen. Aber genauso sicher konnte er davon ausgehen, dass der Rekrut nicht aus der Passagierkabine der KLEINEN KRALLE sprach.

„Rekrut Nirat-Son meldet sich aus dem Wrack eines Xabo-Schiffs und bittet um die Erlaubnis, berichten zu dürfen.“

„Erlaubnis erteilt, Rekrut!“, sagte Tan-Balo gleichermaßen ungeduldig und irritiert.

Dann begann Nirat-Son mit seinem Bericht. Er fasste die Ereignisse seit der Landung des Beibootes auf Korashan V zusammen, erwähnte die furchtbaren, aus dem Eis hervor kommenden Vielbeiner ebenso wie das Schicksal der ersten auf dem Eisplaneten gelandeten Mannschaft. Er schilderte, wie er Re-Lims Gruppe fand, in den Sturm geriet und schließlich Rettung in dem Wrack der Xabo fand.

„Ich hatte Zeit genug, in den Daten der Xabo herum zu forschen und weiß, wonach sie in dieser Eiswüste suchten.“

„Und das wäre?“, fragte Tan-Balo nur mäßig interessiert, denn eigentlich rührte es ihn nicht besonders, dass ein paar Tanjaj gefräßigen Vielbeinern zum Opfer gefallen waren, anstatt sich erfolgreich zu wehren. Nach Tan-Balos Ansicht waren diese Wesen ein Fall für eine Art planetaren Kammerjäger – und er sah es als Schande an, dass Tanjaj, die auf seinem Schiff ihren Dienst taten, offenbar mit diesem Ungeziefer nicht fertig geworden waren. Möge das ewige Eis von Korashan V ihre Körper bedecken und nie jemand erfahren, dass sie durch eine Art Ungeziefer ihr Leben aushauchten…

Das, was Nirat-Son jedoch über die Anwesenheit von Xabo auf diesem Planeten zu sagen hatte, interessierte ihn schon sehr viel mehr. Ohne Grund waren sie nicht hier, so viel stand fest. Unterhielten sie vielleicht eine geheime Basis auf dem Eisplaneten?

Es wurde höchste Zeit, dass man mit den Xabo aufräumte.

Zumindest war das Tan-Balos Meinung. Der Tanjaj-Mar rüstete derzeit gerade zum entscheidenden Schlag gegen den Xabo. Zumindest besagten das die offiziellen Informationen dies, mit denen die Tanjaj-Offiziere während ihrer Kommandanten-Konferenzen versorgt wurden.

Aber insgeheim hegte Tan-Balo den Verdacht, dass diese Informationen propagandistisch gefärbt waren und in diesem Fall nur dazu dienten, die Ungeduld einiger ehrgeiziger Kommandanten zu bremsen, die am liebsten sofort gegen die Xabo zu Felde gezogen waren.

Aber das Oberkommando unter dem Tanjaj-Mar wollte derzeit offenbar unbedingt die Verluste gering halten, da ansonsten die Gefahr einer Überdehnung des Imperiums und seiner Kräfte kommen konnte. Die Expansion ging mit atemberaubender Geschwindigkeit in alle Richtungen voran und so waren gelegentlich Verschnaufpausen selbst für die gut geölte Militärmaschinerie der Tanjaj-Flotte unerlässlich, um vor allem den Nachschub nicht abbrechen zu lassen.

Die Mission der KRALLE DER GLÄUBIGEN diente dieser Konsolidierung. Innerhalb weniger Monate konnten im Korashan-System die ersten Industriekomplexe errichtet werden, wobei die unerschöpflichen Wasservorkommen von Planet Nummer 5 ein nicht zu unterschätzender Faktor waren. Die Qriid-Industrie war darauf ausgerichtet, mit derartigen, schnell errichteten Werkskomplexen den Nachschub der Flotte zu sichern, so dass spätestens nach Aufnahme der Produktion damit zu rechnen war, dass die Tanjaj-Flotte zum entscheidenden Schlag gegen die neue Heimat der Xabo-Flüchtlinge ausholte.

Das Drei-Sonnen-System, das sie sich zum neuen Zentrum erkoren hatten, war von qriidischen Kundschafter-Einheiten bereits beobachtet worden. Nach und nach wurden nun Tanjaj-Flottenverbände aus weit entfernten Regionen des Imperiums zusammengezogen, um die Xabo ein weiteres Mal zu schlagen. Es waren bereits Tanjaj-Schiffe aus der fernen Noirmad-Exklave unterwegs, um die hiesigen Qriid-Einheiten zu unterstützen.

Ihr Eintreffen im so genannten Expansionsstreifen, der das eigentliche Territorium des Imperiums umgab, wurde bereits erwartet.

„Die Xabo glaubten, dass sich auf Korashan V die Basis einer längst untergegangenen Zivilisation befindet, die sie die ‚Erhabenen’ nennen und die ein schier unglaubliches technisches Niveau erreicht hatten. Die fünfdimensionalen Impulse, deren Ursprung auf dem Meeresgrund des vereisten Ozeans liegt, haben sie zumindest so interpretiert. Ich habe alle Daten an meinen Tanjaj-Nom gesandt, bekomme aber keinen Funkkontakt mehr zu ihm…“

 

Gedankenverloren und nur mühsam seine Abwesenheit verbergend hatte Tan-Balo dem Bericht des Rekruten Nirat-Son zugehört. Die technologische Hinterlassenschaft einer hoch entwickelten Superrasse? Das klang interessant. Zumal natürlich um jeden Preis verhindert werden musste, dass Xabo oder gar die schnabellosen Menschen in Kontakt mit dem Wissen dieser Hochkultur kamen.

„Ich danke dir für deine Auskunft. Sende uns bitte sämtliche Daten, die du an die KLEINE KRALLE übermittelt hast, auch an uns!“, verlangte der Kommandant der KRALLE DER GLÄUBIGEN.

„Ja, ehrenwerter Kommandant“, erwiderte Nirat-Son. „Anschließend werde ich mich zur KLEINEN KRALLE begeben, was etwas mühselig sein wird, da mein Antigravaggregat inzwischen defekt ist.“

„Nein“, bestimmte Tan-Balo. „Harre bei dem Wrack der Xabo aus. Vielleicht werden wir ein weiteres Bodenteam zur Oberfläche des fünften Planeten schicken…“

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