Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten

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"Mich würde ebenfalls interessieren, was das da ist", erklärte Ravanelli. Er wandte sich an Teresita. "Hat dieser junge Mann bei mir einen Termin? Ich kann mich gar nicht an ihn erinnern und eigentlich leide ich noch keineswegs unter altersbedingtem Gedächtnisschwund."

"Nein, hat er nicht."

"Was macht er dann hier?"

"Er ist hier einfach aufgetaucht und wollte Sie unbedingt sprechen, Professor."

"Und da haben Sie ihn in Ihrer Gutmütigkeit gleich hereingelassen und ihm angeboten, dass er in meinem Büro warten kann", versetzte Ravanelli ärgerlich.

Teresita war sichtlich verlegen.

"Er bot mir an, mir bei den Schwierigkeiten zu helfen, die es mit Ihrer Projektion für die Vorlesung gibt..."

Ravanelli betrachtete Kurts Projektion. Er hob die Augenbrauen. "Die Darstellung ist einwandfrei."

"Leider nur bei meinem eigenen Datensatz. In Ihrem ist offenbar ein Fehler", erklärte Kurt.

"Ich will hoffen, dass Sie sich irren. Ansonsten kann ich meine Projektion für die Vorlesung wohl abschreiben..." Der Professor brach plötzlich ab. Irgendetwas an dem, was er sah, schien ihn geistig gefangen zu nehmen.

Kurt Farmoon stellte sich inzwischen vor.

Der Professor unterbrach ihn abrupt.

"Sagen Sie, beschäftigen Sie sich mit Alienwandler-Mathematik?"

"Ja, ich habe sie auf den "X-Space"-Effekt anzuwenden versucht und bin zu überraschenden Ergebnissen gekommen!"

"Das sehe ich", murmelte Ravanelli. "Zeigen Sie mir mehr davon!"

Bingo!, dachte Kurt. Genau das hatte er erreichen wollen.

"Nichts leichter als das!", verkündete er.

Teresita schaltete sich jetzt in das Gespräch ein. "Professor, Sie haben gleich Ihre Sprechstunde!", erinnerte sie ihn. "Und in Ihrer Vorlesung werden Sie wahrscheinlich ohne Projektion dastehen..."

Der Professor schwieg.

Er sah sich Kurts Arbeitsergebnisse an, murmelte dabei leise vor sich hin.

Zwischendurch verlangte er von dem jungen Gardisten, weitere Daten zu sehen.

Teresita hielt es zunächst für das beste, gar nichts zu sagen. Schließlich wandte sich Ravanelli ihr zu. "Sagen Sie alle Termine für die Sprechstunde und meine heutige Vorlesung ab!", verlangte er.

Teresita stand konsterniert da.

"Wie bitte?"

"Haben Sie mich nicht verstanden? Machen Sie schon! Außerdem brauche ich jetzt eine Communicator Phone-Verbindung zu Generalmajor Angham..."

*


Generalmajor Angham, seines Zeichens Kommandant der Raumgarde, war über Communicator Phone nicht erreichbar. Laut Auskunft seines Adjutanten Jeffrey Kantos befand sich Angham in einer wichtigen Besprechung, bei der er unmöglich gestört werden konnte.

Ravanelli war außer sich.

"Alles nur Vorwände!", schimpfte der gegenwärtige Dekan der Garde-Universität. "Davon sollten wir uns nicht abwimmeln lassen!"

"Was schlagen Sie vor, Professor?", fragte Kurt.

"Wir gehen zu Ihrem obersten Kommandeur und stellen ihn einfach zur Rede. Ganz gleich, über welche taktischen Feinheiten er jetzt gerade auch in irgendeinem erlesenen Zirkel herumschwadronieren mag -—Sie haben letzte Nacht eine Entdeckung gemacht, die es wert ist, dass er Ihnen wenigstens fünf Minuten Gehör schenkt!"

Dieser Satz ging Kurt natürlich wie Öl herunter. Schließlich kam er nicht von irgendwem, sondern von der Autorität auf dem Gebiet der Hochenergietechnik schlechthin.

"Danke!"

"Nichts zu danken. Ich verteile keine Komplimente, sondern drücke nur meine Anerkennung für Ihre Leistung aus!" Ravanelli schüttelte den Kopf. Er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und meinte anschließend: "Irgendwoher kenne ich Sie doch, Farmoon. Habe ich Sie vielleicht schon einmal in einem Doktoranden-Kollegium gesehen? Ich kann mir Gesichter so schlecht merken..."

"Nein."

"Hätte ja sein können..."

"Aber ich habe schon Vorlesungen von Ihnen besucht", sagte Kurt, wobei er Teresita einen kurzen Blick zuwarf.

Sie errötete leicht und wich seinem Blick aus.

"Ich werde Sie zu Generalmajor Angham begleiten, Farmoon."

"Danke, Professor!"

"Er muss Ihnen einfach zuhören..."

Bevor der Professor und Kurt das Büro verließen, wandte sich Teresita noch einmal an den Gardisten.

"Scheint so, als wären Sie doch ein Genie", sagte sie anerkennend und zwinkerte ihm zu.

*


Etwa eine Viertelstunde später trafen Kurt Farmoon und Professor Ravanelli beim Kommandanten ein.

Ravanelli wollte geradewegs in dessen Büro marschieren, aber Anghams Adjutant trat ihm gerade noch rechtzeitig in den Weg.

"Einen Moment, Sie können da jetzt nicht herein."

"Wir können sehr wohl", sagte Ravanelli.

"Ich habe Ihnen bereits bei unserem Communicator Phone-Gespräch gesagt, dass Generalmajor Angham im Moment nicht zu sprechen ist. Er nimmt an einer wichtigen Sitzung teil und darf nicht gestört werden. Was immer Sie ihm auch unterbreiten möchten, ich bin überzeugt davon, dass es warten kann."

Ravanelli deutete auf Kurt. "Dieser junge Mann hat vielleicht eine Entdeckung gemacht, die auch für die Raumgarde ganz neue Möglichkeiten im operativen Vorgehen ermöglichen könnte! Und Sie wollen ihn seine Ideen nicht einmal vortragen lassen?"

"Tut mir leid!"

"Das darf doch nicht wahr sein!"

"Ich habe meine Anweisungen, Professor!"

"So viel Ignoranz in einer Amtsstube habe ich lange nicht gesehen!", ereiferte sich der Professor.

"Fünf Minuten!", verlangte Kurt, bevor der Adjutant etwas erwidern und sich die Lage noch weiter zuspitzen konnte. "Fünf Minuten und keine Sekunde länger! Mehr will ich gar nicht!"

"Nicht heute. Lassen Sie sich einen Termin geben. Im übrigen..." Der Adjutant blickte auf die Garde-Uniform, die Kurt trug. "Müssten Sie nicht im Dienst sein?"

"Ich habe Urlaub genommen, Sir", erklärte Kurt.

Jeffrey Kantos atmete tief durch. "Ich bin gerne bereit, Ihr Anliegen entgegen zu nehmen. Ich werde Sie dann zu gegebener Zeit an Generalmajor Angham weiterleiten."

Weder Kurt noch der Professor waren allerdings bereit sich auf dieses durchsichtige Manöver einzulassen.

"Ich bin eher dafür, dass wir hier warten, bis der Kommandant aus seiner Sitzung zurückkehrt", sagte Kurt.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür von Anghams Büro.

Der Kommandant der Raumgarde blickte angestrengt auf sein Chronometer und trat hinaus.

Kurt Farmoon grüßte militärisch.

Der Kommandant blieb abrupt stehen, warf seinem Adjutanten einen fragenden Blick zu.

"Tut mir leid, Sir, aber ich habe nicht verhindern können, dass diese beiden Männer..."

"Schon gut, Kantos", unterbrach ihn Farnhahm. Er wandte sich an Ravanelli. "Was immer Sie auch mit mir besprechen wollen, Sie kommen in einem äußerst ungünstigen Augenblick. Ich müsste eigentlich schon im Schweber sitzen..."

"Fünf Minuten, Sir!", forderte Kurt Farmoon abermals, ehe Ravanelli etwas sagen konnte. "Ich habe eine Entdeckung gemacht, deren militärische Bedeutung noch gar nicht abzuschätzen ist..."

"Schütze Farmoon, ich weiß Ihr Engagement zu schätzen. Ich weiß, dass Sie in einigen Einsätzen in der jüngsten Vergangenheit hervorragendes geleistet haben, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, hier einfach aufzukreuzen und..."

"Sir, es geht um einen Überlichtantrieb, der Raumsprünge ohne Transitionsschock ermöglicht! Das bedeutet, dass man ein Raumschiff mit einem derartigen Antrieb nicht anmessen könnte, wenn es ins Normalkontinuum zurückkehrt!"

Angham stutzte.

Er öffnete halb den Mund, wollte zunächst etwas erwidern, schwieg dann aber. Ein erneuter Blick auf das Chronometer folgte.

"Fünf Minuten?"

Kurt nickte. "Fünf Minuten."

Eine Sekunde noch rang Angham mit sich selbst, dann gab er sich einen Ruck.

"Okay", stimmte er zu.

"Danke, Sir."

"Gehen wir in mein Büro." Angham wandte sich an Jeffrey Kantos. "Sagen Sie Bescheid, dass ich etwas später zur Kommandeurstagung in Terra Town kommen werde."

*


"Ihre Zeit läuft, Farmoon!", stellte Angham klar.

Kurt nickte. "Ich habe mir die letzte Nacht um die Ohren geschlagen, um die Alienwandler-Mathematik auf den "X-Space"-Effekt anzuwenden. Eine Bemerkung aus Chris Barringtons Vortrag hat mich dazu angeregt..."

"Und das hat Sie zu Ihrer angeblichen Entdeckung geführt?", fragte Angham sichtlich ungeduldig.

"Heute morgen habe ich meine Arbeitsergebnisse mit Professor Ravanelli besprochen, der sich dafür dankenswerter Weise ein paar Stunden Zeit genommen hat..."

"Die Ergebnisse, die dieser junge Mann herausgefunden hat, sind absolut korrekt", warf Ravanelli ein.

Kurt fuhr fort: "Es ist tatsächlich möglich, einen zuverlässig funktionierenden Antrieb zu konstruieren, der auf dem "X-Space"-Effekt basiert..."

"Farmoon! Das ist etwas für Nostalgiker!", warf Angham dabei mit Blick auf Ravanelli ein.

 

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

Aber Kurt ließ sich nicht beirren. Er fuhr einfach fort. Fünf Minuten hatte Farnhajm ihm zugestanden. Und diese Zeit wollte Kurt nutzen. "Die Distanz, die auf diese Weise risikolos überwunden werden kann, beträgt 1,7 Lichtjahre. Nicht besonders viel, aber dafür ist keinerlei Transitionsschock messbar. Eine perfekte Tarnung, wenn Sie mich fragen."

Zum ersten Mal, seit Kurt mit seinen Ausführungen begonnen hatte, sah Angham den jungen Mann an.

"Reden Sie weiter!", forderte er zu Kurts Erstaunen.

Kurt spürte, dass er sein Gegenüber jetzt an der Angel hatte. Das Thema hatte auch Angham gepackt. Die damit verbundenen Implikationen waren einfach zu verlockend. Ein nicht anmessbarer Überlichtantrieb... Davon träumte die Terranische Flotte ebenso wie die Raumgarde oder die Regierung auf Kelradania, dem Zentrum des Kelradan-Imperiums. Scheint so, als hätte ich das Eis ein Stück weit aufbrechen können, durchzuckte es Kurt. "Durch eine gezielte Verunreinigung des verwendeten Nabal-Metalls könnte man die Reichweite erhöhen. Aber die Verlustrate läge bei über 20%. Zu hoch, um es auch nur in Erwägung zu ziehen."

"Leider wahr", stellte Generalmajor Angham fest. In der Mitte seiner Stirn bildete sich eine deutlich sichtbare Falte. Er wirkte jetzt etwas gereizt. "Ich hoffe, Sie haben etwas mehr vorzuweisen, als diese Uralt-Erkenntnis!"

"Natürlich, Sir. Der Punkt ist folgender: Die hohe Versagerquote bei den seinerzeit mit "X-Space"-Effekt betriebenen Schiffen lag nicht nur daran, dass man damals noch nicht in der Lage war, Nabal-Metall mit ausreichendem Reinheitsgrad herzustellen."

"Sondern?"

"Nach meinen Berechnungen lag es auch an der Größe der Schiffe. Professor Ravanelli hat meine Berechnungen überprüft. Das Ergebnis ist eindeutig: Je größer die Masse eines mit "X-Space"-Effekt bewegten Objekts, desto höher die Versagerquote. Für große Kolonisten-Raumer wie damals die GALAXIS ist dieser Antrieb ungeeignet. Aber mit den verhältnismäßig kleinen Absetzern der Raumgarde verhält es sich anders."

Angham wollte etwas erwidern. Aber noch bevor er auch nur ein Wort herausbringen konnte, griff Professor Ravanelli ein.

"Kurt Farmoon und ich haben alles noch einmal genau durchgerechnet. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein modifizierter "X-Space"-Effekt-Antrieb für die Absetzer ideal wäre. Die Absetzer verfügen ohnehin schon über die modernste Stealth-Tarntechnik und sind außer über optische Systeme kam zu orten. Wenn jetzt ein Antrieb auf Basis des "X-Space"-Effekts konstruiert werden könnte, würde es auch keinen anmessbaren Transitionsschock mehr geben."

"Das heißt, die Absetzer wären fast gar nicht mehr aufzuspüren."

Die Falte auf Anghams Stirn verschwand. Er verschränkte die Arme, lehnte sich dabei gegen die Kante seines Schreibtischs. "Klingt interessant", murmelte er. "Vorausgesetzt, das Versager-Risiko ließe sich wirklich minimieren!"

"Das steht meiner Ansicht nach fest!", warf Ravanelli ein.

Angham nickte Kurt zu.

"Fahren Sie fort, Farmoon!

"Ich habe das Datenmaterial mitgebracht und könnte es Ihnen vorführen, wenn Sie mich an Ihren Kristallsensor lassen."

"Nicht ganz so schnell", wehrte Angham ab. "Vorher hätte gerne noch ein paar Dinge genauer gewusst. Beispielsweise ist es doch so, dass der "X-Space"-Effekt nicht im Einflussbereich solarer Magnetfelder ausgelöst werden darf. Führt das Ihre Idee nicht ad absurdum?"

Ravanelli antwortete, bevor Kurt etwas sagen konnte. "Keineswegs!", widersprach der Professor. "Unseren Berechnungen nach gibt es mit Magnetfeldern nur bei sehr hoher Felddichte Probleme. Schließlich ist ja das gesamte Universum mehr oder weniger stark von Magnetfeldern erfüllt. Ich bin mir sicher, dass Felder von geringer Feldstärke nicht zu Schwierigkeiten führen. Probleme dürfte es nur im unmittelbaren Nahbereich einer Sonne geben, aber unsere Gardisten sollen ja dort in der Regel auch nicht abgesetzt werden."

Angham quittierte Ravanellis witzig gemeinte Bemerkung nicht einmal mit einem Zucken der Mundwinkel.

Entweder teilte er Ravanellis Sinn für Humor einfach nicht oder er war zu sehr auf das konzentriert, was Kurt und der Professor ihm vorgetragen hatten.

Möglichkeiten, die fast schon zu verlockend erschienen, um wahr zu sein.

Irgendwo musste doch ein Haken zu finden sein. Oder war es wirklich möglich, dass man die in der Nutzung des "X-Space"-Effekts liegenden Möglichkeiten bisher deshalb nicht sehen konnte, weil die Forschung schlicht und ergreifend in eine andere Richtung geblickt hatte?

So etwas nannte man einen Paradigmenwechsel. Den Blick der Forschung in eine andere, bis dahin ungewohnte Richtung lenken. Einem verdienten Wissenschaftler wie George Ravanelli war so etwas zweifellos zuzutrauen—aber einem kaum zwanzigjährigen Gardisten wie Kurt Farmoon?

Die Zweifel standen Angham geradezu ins Gesicht geschrieben.

Aber er spürte auch, dass die Überlegungen seines Gegenübers weitaus ernsthafter waren, als es auf den ersten Anschein gewirkt hatte.

Schließlich war nicht davon auszugehen, dass jemand mit dem Renommee eines George Ravanelli leichtfertig einer Idee seinen guten Namen und seinen Einfluss lieh.

Ravanelli fuhr fort: "Magnetfeldern kann man außerdem bis zu einem gewissen Grad mit Abschirmungen begegnen. Auf diesem Gebiet gibt es Neuentwicklungen, die man beim Bau eines "X-Space"-Effekt-angetriebenen Absetzers vielleicht berücksichtigen müsste."

"So weit sind Sie in Ihren Gedanken also schon", sagte Angham. Ein verhaltenes Lächeln bildete sich um seine dünnen Lippen. "Wissen Sie auch, was das kosten würde?"

"Nicht so viel, wie Sie vielleicht glauben, schließlich..."

Angham hob die Hand und unterbrach den Professor. "Moment!", sagte er. "Bevor wir uns über die Kostenfrage auch nur einen einzigen Gedanken gestatten, möchte ich erstmal wissen, wie Sie beide es sich denn gedacht haben, an einen Planeten heranzukommen, wenn Sie nicht in den Nahbereich einer Sonne springen können. Immerhin sind solare Magnetfelder zumeist bis weit über die Lebenszone eines Systems hinaus von einer Feldstärke, die trotz aller Abschirmungstechnik relevant sein dürfte."

"Auch dafür haben wir eine Lösung", verkündete der Professor. Er nickte Kurt aufmunternd zu.

"Man könnte die aus Nabal-Metall bestehenden Silos des Antriebs so miteinander verschalten, dass sie mit dem Magnetfeld der Sonne interagieren. Auf diese Weise hätten wir einen Magnetantrieb..."

"...der ebenfalls nicht anmessbar wäre!", warf der Professor ein.

"...und recht hohe Geschwindigkeiten erlaubt", vollendete Kurt seinen Satz.

"Wie hohe Geschwindigkeiten?", hakte Angham nach.

"Natürlich differieren die Werte je nach Ausdehnung und Feldstärke des jeweiligen Magnetfeldes. Aber beim Eindringen eines Absetzers ins Sol-System könnte er unseren Berechnungen nach die Strecke Pluto - Sonne in zwölf Stunden schaffen."

Angham hob die Augenbrauen. "Das wäre in der Tat praktikabel!"

"Angesichts der Tatsache, dass der Absetzer dann wirklich nicht von der Ortungstechnik erfasst werden kann, lässt sich eine solche Zeitverzögerung vertreten, finde ich."

Angham nickte.

Verstohlen blickte Kurt auf die Uhr an der Wand.

Die vom Kommandanten der Raumgarde zugesagten "fünf Minuten" waren längst und lange vorüber. Kurt hielt das für ein gutes Zeichen. Auch wenn Angham noch den einen oder anderen Einwand vorbrachte, so war sein Interesse offensichtlich geweckt.

"Angenommen, ich würde mir Ihre Arbeitsergebnisse noch einmal genau ansehen und käme nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis, dass wir Ihre Idee unbedingt in die Tat umsetzen sollten, Farmoon -—warum sollte man Ihrer Meinung nach an einem bewährten System etwas ändern? Wie ich meine Vorgesetzten kenne, wäre das die erste Frage, die ich gestellt bekäme. Und wenn ich darauf keine überzeugende Antwort parat habe, brauche ich gar nicht erst anzutreten." Angham umrundete den Schreibtisch, blieb schließlich stehen und tickte nervös mit den Fingerkuppen auf der Tischplatte herum. "Die bisher benutzten Einweg-Gleiter funktionieren perfekt."

"Aber es sind eben Einweg-Absetzer, die nach der Landung nicht mehr benutzt werden können. Die Absetzer, die mir vorschweben, sind zwar teurer in der Anschaffung, man braucht aber eine wesentlich geringere Anzahl und kann sie immer wieder verwenden, wenn sie nicht im Kampfgeschehen beschädigt werden. Außerdem entfällt eine ebenfalls aufwendige und kostspielige Rückholung der Soldaten durch Raumtransporter. Abgesehen davon könnten die Absetzer der neuen Generationen den Einsatzort nicht nur völlig unbemerkt erreichen, sondern ihn auf dieselbe Weise auch wieder verlassen. Das erhöht die operative Beweglichkeit unserer Einheit um ein Vielfaches. Bisher blieben von jedem unserer Kommandoeinsätze zwangsläufig Spuren zurück, die auf unsere Anwesenheit schließen ließen. Das Absetzer-Wrack zum Beispiel. Aber man braucht nicht viel Phantasie, um sich Situationen auszumalen, in denen unter keinen Umständen bekannt werden darf, dass ein Einsatz überhaupt stattgefunden hat, weil es sonst zu diplomatischen Verwicklungen führen könnte."

Angham presste die Lippen aufeinander. Er nickte. Einen Augenblick stand er nachdenklich da, dann aktivierte er ein Sprechgerät und stellte eine Verbindung zu seinem Adjutanten her.

"Sagen Sie meine Teilnahme an der Kommandeurstagung ab..."

"Aber, Sir!"

"Lassen Sie sich irgendeinen Vorwand einfallen. Ich bin hier jedenfalls noch voraussichtlich ein paar Stunden beschäftigt."

"Jawohl, Sir."

"Und sorgen Sie dafür, dass wir hier ausreichend mit Kaffee versorgt werden."

Angham unterbrach die Verbindung. Er wartete die Bestätigung seines Adjutanten gar nicht erst ab. Kurt vermutete, dass der Kommandant der Raumgarde einfach keine Lust hatte, sich weitere Einwände anhören zu müssen.

Angham wandte sich direkt an Kurt. "Sie sind schon sehr weit für Ihr Alter, Schütze Farmoon", stellte der Kommandant fest.

"Danke, Sir."

"Ich möchte mir Ihre Arbeitsergebnisse jetzt gerne genauer ansehen."

"Kein Problem, Sir, ich habe alles dabei!"

"Da Professor Ravanelli Sie so vehement unterstützt, gehe ich davon aus, dass Ihre Arbeit Hand und Fuß hat. Wie Sie wissen, ist eine Promotion Voraussetzung für eine Offizierslaufbahn bei der Garde."

"Ja", nickte Kurt.

"Wenn es Ihnen tatsächlich gelingt, ein Raumfahrzeug für verdeckte Operationen zu entwickeln, könnten Sie die Konstruktion als Doktorarbeit vorlegen. Jemand mit Ihren Fähigkeiten sollte nicht zu lange als einfacher Schütze dienen, Farmoon!"