Colt-Helden: Super Western Sammelband 7 Romane

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

»Gut, Marshal.«

»Komm um neun, wenn es dunkel wird.«

Der alte Ben wandte sich ab und verließ das Office.

Cobb lief auf und ab, blieb mitunter stehen und schaute in die Zelle. Manchmal schien es, als wollte er doch weiter in sie dringen, um ihnen das scheinbare Geheimnis zu entlocken.

Schließlich ging er hinaus.

»Sie hat nichts verlauten lassen«, murmelte Rio. »Komisch.«

»Wieso, Rio?«

»Weil sie eigentlich einen netten Eindruck macht.«

»Du meinst, es passt nicht dazu, dass sie sozusagen zu unserer Komplizin werden will? «

»So ist es.«

»Sie findet keinen Job mehr und weiß es. Und die Leute hier wissen es auch und werden sie entsprechend hochnäsig behandeln. Wenn nicht noch schlimmer. Da kann ein Mann zum wilden Tier und eine Frau zur verschlagenen Schlange werden.«

*

Dem alten Ben sank der Kopf auf die Brust. Ein lauter Schnarchlaut entfuhr ihm. Sein Kopf zuckte empor, er öffnete die Augen und blickte blinzelnd gegen die Lampe.

Der Docht war ziemlich weit heruntergebrannt, so dass es beinahe dunkel im Office war. Aber dem Mann fehlte es schon so sehr an Aktivität, dass er sitzenblieb. Alsbald fielen ihm die Augen wieder zu und sein Kopf sank nach unten.

Jay und Rio lagen wach auf ihren Pritschen und beobachteten den Kampf des Nachtmarshals mit seiner Natur.

Lautlos bewegte sich die Türklinke nach unten. Ein Spalt bildete sich. Ein Revolver schob sich ins Halbdunkel. Darüber tauchte Fees Gesicht auf.

Der Nacht-Marshal schnarchte.

Das Mädchen trat über die Schwelle, schob die Tür zu und erreichte den Schreibtisch. Fee trug noch das alte Kattunkleid mit den Pappsternen darauf. Sicherlich besaß sie kein anderes mehr, was Jay als Indiz dafür wertete, dass sie beruflich in der Tat das Ende erreicht haben musste.

»Mister Cohler«, sagte das Mädchen leise. Der Revolver in ihrer Faust war auf den Mann gerichtet und wackelte nicht. Eiserne Entschlossenheit zeichnete auch ihr Gesicht und ließ es bedeutend weniger faltig erscheinen.

Der Mann schnarchte. Das Kinn schlug auf die Brust.

»Mister Cohler«, sagte Fee etwas lauter.

Da zuckte der Schläfer zusammen, sein Kopf flog förmlich empor und er starrte entsetzt auf die Waffe.

»Erschrecken Sie nicht«, sagte Fee. »Und schreien Sie nicht um Hilfe. Ich möchte nicht auf Sie schießen müssen.«

»Fee, auch das noch auf meine alten Tage!«

»Wir müssen beide zusehen, wo wir bleiben, Mister Cohler. Keiner versteht Sie besser als ich. Aber begreifen Sie auch meine Lage. Die Jungens versprachen mir die Hälfte der Beute. So ein Angebot wird mir kaum noch einmal gemacht.«

Endlich schien der Nacht-Marshal seine Lage voll erkannt zu haben. Seufzend hob der die Hände. »Nicht schießen, Fee. Ich weiß, wie verzweifelt Sie sind.

»Dann gibt es ja nichts weiter zu besprechen, Mister Cohler. Nehmen Sie mit der linken Hand den Schlüssel aus der Lade und schließen Sie die Zelle auf!«

»Sie bringen sich in Teufels Küche, Fee!«

»Da bin ich schon lange. Es kann nur noch besser werden. Ich möchte wirklich nicht schießen!«

Der Mann erhob sich, ließ die linke Hand sinken und öffnete die Schublade. Er zog den Schlüssel heraus, trat mit einer erhobenen Hand ans Gitter und schloss die Tür darin auf.

Jay und Rio erhoben sich.

»Was für ein abgekartetes Spiel!«, jammerte der Nacht-Marshal, dem Cobb vergessen hatte, einen Stern an die fadenscheinige Cordjacke zu stecken.

»Umdrehen!«, befahl Jay. »Rio, ein paar Stricke und einen Knebel für Mister Cohler.«

Shayne verließ die Zelle. »Großartig, Fee, du bist ein Schatz!«.

»Ich fühle mich elend wie noch nie«, bekannte das Saloonmädchen.

Rio fand im Spind neben dem Gewehrständer ein paar Stricke und einen einigermaßen sauberen Lappen. Damit fesselten sie den Mann an Händen und Füßen und knebelten ihn.

Als sie die Zelle verließen, lag Cohler auf einer der Pritschen, unfähig, um Hilfe zu rufen.

Fee trat zurück und bedrohte sie mit dem Colt. »Die Waffe behalte ich. Wie verabredet.«

Rio blickte auf den vollen Gewehrständer.

»Lass das!« Jay schob den Partner vor sich hinaus.

Fee folgte ihnen und schloss die Tür. Die Lampe über dem Schreibtisch flackerte.

Auf der Straße war niemand. Auch hinter den Fenstern konnten sie nirgendwo Lichtschein sehen, nicht einmal im Saloon.

»Wie spät ist es?« Jay schaute über die Schulter.

»Drei. In zwei Stunden wird es hell. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Eure Pferde stehen im Mietstall. Ich nehme das eures Freundes, der keins mehr braucht. Dann können sie mir nicht noch anhängen, einen Gaul gestohlen zu haben.«

»Gut, er soll dir gehören«, stimmte Jay zu. Er übernahm die Führung. Sie huschten an den Wänden entlang und duckten sich unter den Fenstern. Das Tor zum Mietstallgelände stand offen. An das barackenähnliche Gebäude war eine kleine Hütte angebaut. Dahinter schloss Buschwerk das Anwesen ab.

»Der Stallmann schläft.«

Jay erreichte die Tür des Stalles. Ein Balken lag quer davor in Eisenkrampen. Er hob ihn aus und legte ihn an die Wand.

Rio öffnete und drang ins Dunkel ein. Leise schnaubten die Pferde.

»Hoffentlich schläft er fest genug«, sagte das Mädchen. »Beeilt euch ein bisschen!«

Sie suchten nach ihren Pferden, befreiten sie von den klirrenden Ketten, drängten sie in den Gang und suchten in der Schwärze nach ihren Sätteln. Rio nahm den erstbesten, der ihm in die Hände fiel, nachdem er merkte, dass er seinen so doch nicht fand.

»Macht doch ein bisschen schneller!«, drängte das Saloonmädchen nervös. »Das dauert ja Stunden!«

»Dreh nicht durch, Schatz, wir sind so gut wie weg!« Rio schob das Pferd gegen die Wand. »Los, mach schon Platz.«

Fee blickte hinaus. Den Colt hielt sie immer noch in der Hand. »Das muss doch etwas schneller gehen.«

Jay führte das erste Pferd hinaus. »Da nimm.«

Fee zielte auf ihn. »Versuch nicht, mir den Revolver abzunehmen. Mir kann etwas passieren, was ich wirklich nicht will.«

»Ist doch schon gut.« Jay kehrte in den Stall zurück, brachte sein Pferd und schwang sich in den Sattel.

Fees Tier schnaubte.

Rio tauchte auf. Sein Pferd stieß mit dem das Mädchens zusammen. Das andere Pferd keilte aus. Rios Hengst wieherte und wollte auf die Hinterhand steigen.

»Los, weg!«, brüllte Shayne.

Da öffnete sich die Hüttentür hinter dem Stall. »Was soll denn der Lärm mitten in der Nacht? He, wer ist denn das?«

»Vorwärts!«, befahl Jay.

Sie ritten alle drei zugleich los, trieben die Pferde noch im Hof zum Galopp an und zwangen die Tiere zum Sprung über das Buschwerk.

Der Stallmann lief in die Hütte, holte sein Gewehr und feuerte hinter den Reitern her. Die Kugel pfiff durchs Dickicht und fetzte Zweige von den Sagebüschen.

Fluchend repetierte der Mann sein Gewehr, hastete durch die sich ausbreitende Pulverdampfwolke und schoss abermals.

Doch die Reiter sah er schon nicht mehr. Die Nacht hatte sie aufgenommen. Nur das Dröhnen der Hufe erreichte noch den Hof.

»Alarm!«, brüllte der kleine Mann, hastete zur sSraße, repetierte das Gewehr erneut und schoss in die Luft, obwohl die Männer bereits von allen Seiten gelaufen kamen.

»Die Banditen!«, brüllte der Stallmann. »Und das Flittchen aus der Kneipe! Bedankt euch bei Doug Egger, der das Mädchen unbedingt behalten musste, obwohl wir so was hier nicht brauchen!«

Der Marshal lief im flatternden Nachthemd wie ein Geist als erster in den Stall. Er brannte die Lampe an, schaute in jede Box und ging hinaus.

»Drei Pferde haben sie mir gestohlen!«, jammerte der Stallmann. »So ein Gesindel!«

»Dir fehlt kein einziges Pferd«, stellte der Stadtmarshal richtig. »Es sind die drei Gäule, die ihnen gehörten.«

»Die ich durchfüttern musste.«

Marsahl Cobb ging nicht weiter darauf ein. »Beeilen wir uns! Vielleicht holen wir sie noch ein.«

»Die müssen die Bucks ausgraben, bevor sie sich absetzen können«, verkündete der Schmied.

*

Sie standen im dichten Buschwerk, hielten den Pferden die Nüstern zu und lauschten auf den trommelnden Hufschlag, der durch die Nacht hallte.

Jay ließ seinen Hengst los. »Vorbei.«

Da verklang das Trommeln, und das Echo verlor sich im unübersichtlichen Buschland.

»Jetzt suchen sie nach Spuren«, flüsterte Rio.

»Der Stallmann hat uns alles verpatzt!«, schimpfte Fee.

»Zu spät«, sagte Jay gelassen. »Spuren hätten sie gleich hinter dem Stallgelände suchen müssen. Jetzt finden sie nichts mehr von unseren Pferden.«

Fee trat etwas zurück. Den schweren Revolver hielt sie ständig in der Hand. Das Misstrauen den vermeintlichen Raubmördern gegenüber erfüllte sie immer noch.

Jay tat, als würde er es übersehen.

»Warum reiten Sie denn nicht weiter?« Fees Nervosität ließ sich nicht übersehen. Und vielleicht wäre es leicht möglich gewesen, ihr die Waffe abzunehmen, noch dazu, dass Durango davon ausging, dass sie nicht die Nerven besaß, wirklich zu schießen.

Da ritten die Männer weiter und entfernten sich.

»Sie mussten nur beraten, was sie tun sollen.«

Die Geräusche entfernten sich nach Norden.

»Was haben die vor, Jay?«, wollte Rio wissen.

»Ich nehme an, sie reiten erst mal dahin, wo der Überfall geschah und versuchen, noch einmal die Spuren aufzunehmen, die sie am Morgen fanden.«

»In der Hoffnung, uns dabei zu erwischen, wie wir die Bucks ausgraben, was?«

 

»Ja.« Rio lachte, blickte dabei auf das Saloonmädchen und wurde jäh ernst.

»Was hat er denn?«, fragte Fee.

Jay lehnte sich gegen den Sattel. Er ging davon aus, dass sie hier keine Gefahr mehr befürchten mussten, weil die Leute der Stadt sie schon viel weiter weg von Montrose wähnten.

»Warum sagst du denn nichts?«, stieß das Mädchen hervor. »Warum lachte er so blöd?«

»Er amüsiert sich über die Männer, Fee.«

»Und warum?«

»Weil die so gewaltig auf dem Holzweg sind«, sagte Rio und lachte abermals.

Die Verwirrung des Mädchens nahm zu. »Ist es nicht logisch, dass sie annehmen, wir würden das Geld holen?«

»Für das, was sie denken, schon«, gab Jay zu. »Nur ist das völlig falsch.«

Fee trat näher und zielte mit dem Colt auf den Vormann. »Was wollt ihr mir denn jetzt vorgaukeln?«

»Nichts, Fee. Die Männer irren sich. Das ist alles.«

»Ihr wollt das versteckte Geld nicht holen?«

»Nein.«

Fee spannte den Hammer des schweren Revolvers. »Jetzt wollt ihr mich verschaukeln, was?«

Jay schüttelte den Kopf. »Wir haben kein Geld versteckt.«

»Kein Geld … versteckt?«

»Nein.«

»Aber ...« Fee wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.

»Wir haben den fliegenden Händler auch nicht überfallen und umgebracht. Er kam zu der Hütte, wollte uns unbedingt etwas verkaufen und bekam von Rio zwei Zähne ausgeschlagen. Das ist alles richtig. Aber dann fuhr er weg. Und wir sahen ihn nie wieder. Als man uns in die Stadt brachte, müssen sie ihn schon beerdigt gehabt haben.«

Eine volle Minute herrschte völliges Schweigen zwischen ihnen. Dann hob Fee den Colt höher, so dass Jay undeutlich die Mündung sehen konnte.

»Ihr wollt mich ausbooten!«, schrie sie heiser. »Du hast versprochen, dass ich die Hälfte von der Beute kriege!«

»Ich habe eigentlich nur bestätigt, was du sagtest, aber es nie selbst ausgesprochen, Fee«, erwiderte Jay. »Und ich gebe zu, dass es nicht die feinste Art war, dich in dem Glauben zu lassen, wir wären Mörder und Straßenräuber. Aber uns glaubt niemand. Du auch nicht. Und wir brauchen dringend Hilfe.«

»Da nahmen wir, was sich anbot«, setzte Rio hinzu.

»Ihr verdammtes Lumpenpack lügt mir die Hucke voll!«, rief Fee grollend. Sie trat zurück.

Jay und Rio schwiegen und schauten sie an. Dem Mädchen brach der Schweiß aus.

»Ehrlich, das war nicht sehr fair von uns«, sagte Jay schleppend. »Aber was du vorhattest, finden die Leute in Montrose bestimmt auch nicht sehr nett.«

»Ihr wollt mich austricksen. Nicht mit mir, Freundchen. Wir reiten jetzt dahin, wo die Bucks versteckt sind. Und ich kriege meinen Anteil und verschwinde!«

Sie ließen ihre Worte wieder in der Nacht verhallen.

»Wir sind nichts weiter als Cowboys einer Ranch im Osten hinter den Bergen«, erklärte Jay schließlich. »Wie wir es dem Marshal sagten. Und wir waren am Nueces River auf der Jagd. Um den Speiseplan der Ranch anzureichem.«

»Und ich hab McClure eine angesetzt, dass ihm die Zähne aus dem Mund fielen.« Rio kicherte. »Nichts weiter.«

Fee trat wieder näher. Ihr durchbohrender Blick schien erforschen zu wollen, was die Wahrheit sein könnte, ob das, was sie hörte, oder das, was sie dachte.

Rio grinste sie freundlich an. »War ehrlich verdammt nett von dir, dich so für uns ins Zeug zu legen. Das vergesse ich dir auch nie, Fee. Mein Wort darauf!«

Das Saloonmädchen ließ den Colt langsam sinken.

»Trotzdem ist es wohl besser, wenn du dich in dem Nest nicht wieder sehen lässt, Fee.« Jay ging auf sie zu, nahm ihr den Colt aus der Hand und steckte ihn in die Satteltasche ihres Pferdes. »Wir können dir leider auch gar nichts mitgeben, was deinen nächsten Start erleichtern würde. Du siehst ja, wir stehen selbst mit leeren Händen da und sehen ziemlich alt aus.«

»Alle sind Narren«, murmelte Fee. »Und ich muss genauso blind wie die Männer gewesen sein.«

»Zu unserem Glück«, entgegnete Rio freundlich grinsend. »Die hätten uns glatt aufgeknüpft.«

Fee griff nach dem Steigbügel.

»Aber sie werden euch weiterjagen. Und mich noch dazu!«

»Du solltest weit wegreiten«, sagte Jay. »Das Pferd gehört dir. Es ist nicht gestohlen.«

»Wer weiß, ob sie anderen gegenüber davon reden, dass sie von einem Mädchen in die Pfanne gehauen wurden«, sagte Rio. »Würde ich doch stark anzweifeln.«

»Ich auch«, stimmte Jay zu. Er hob Fee auf und setzte sie in den Sattel. »Viel Glück. Du hast uns vielleicht das Leben gerettet. Sollten wir uns noch mal begegnen, kannst du auf uns rechnen, wenn es an etwas fehlt.«

»Halunken«, sagte Fee. Aber sie lächelte dabei, wenn auch recht unglücklich.

Jay schlug dem Pferd auf die Hinterhand. Das Tier trug das weißblonde Mädchen durch das raschelnde Buschwerk und tauchte in der Nachtschwärze unter.

»Die hat es doch noch schneller begriffen, als ich dachte.«

»Und gar nicht sehr tragisch genommen, Rio. Sie ist an Unglück gewöhnt.«

Eine Weile konnten sie den sich nach Süden entfernenden Hufschlag noch hören, dann wurde es wieder still.

»Und nun?« Rio zog den Sattelgurt nach.

»Wenn wir uns beeilen, müssten wir es vor Tagesanbruch noch zu den Farmern schaffen. Es kann sonst niemand gewesen sein.«

»Du vergisst den anderen Strohkopf. Diesen Wolter, der den Toten gefunden haben will.«

»Nein, Rio. Der wusste doch nichts von uns. Die Tasche wurde hinter der Hütte im Gestrüpp abgelegt, um uns in den Verdacht zu bringen, die Straßenräuber zu sein. Das konnte nur jemand tun, der genau Bescheid wusste. Im übrigen bin ich sicher, dass der Ort des Überfalls gründlich ausgewählt wurde. Wir sollten die Schüsse nicht mehr hören können. Wohl aber dieser Farmer.« Jay saß auf. »Versuchen wir es!«

Rio schwang sich ebenfalls in den Sattel, gab dem Pferd die Sporen und sprengte an Jay vorbei.

Sie galoppierten durch das Buschland, mussten die Pferde jedoch immer wieder zügeln, Ausschau halten und auf Geräusche achten, um nicht unversehens in eine Falle der suchenden Posse zu geraten.

Als sie drei der vier Meilen zur Zattig-Farm zürückgelegt hatten, kündigte ein grauer Streifen im Osten die Dämmerung eines neuen Tages an.

Jay zügelte seinen Braunen. »Zu spät. Wir müssen einen Bogen schlagen.«

»Und dann?«

»Durch das Maisfeld könnten wir uns anschleichen. Selbstverständlich ohne die Pferde.«

»Ziemlich riskant, was?«

»Allerdings.« Jay lenkte sein Pferd nach Westen.

*

Dort, wo die Spuren den Hang hinunterführten und im ausgetrockneten Creek weiter nach Westen verliefen, zügelte Stadt-Marshal Cobb seinen Grauen und wartete auf das Aufgebot.

»Die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben«, knurrte der Schmied.

»Hier waren sie nicht«, gab Cobb zurück. »Wir hätten neue Spuren finden müssen.«

»Dann sind sie offenbar direkt dahin, wo das Geld versteckt liegt«, vermutete Barbier Keach. »Die wollen keine Zeit verlieren, Marshal. Kann man sich ja auch denken.«

Cobb ritt weiter. Im Morgengrauen verloren sich die Spuren bald auf dem Gestein der trockenen Rinne. Der Stadt-Marshal hielt sich nicht damit auf, alles in der Runde abzusuchen, weil er sicher war, damit nur die kostbare Zeit zu vergeuden.

Im Galopp ließ er den Grauen durch das Bachbett laufen. Das Aufgebot galoppierte hinter ihm her.

Noch vor dem ersten Hügel lenkte der Marshal den Grauhengst aus der Rinne und zügelte ihn.

Nebelfetzen hingen zwischen den flachen Erhebungen und hüllten das Dickicht ein.

»Ja, hier irgendwo müsste es sein«, murmelte der Barbier, der sich nachdenklich über das stopplige Kinn rieb. »Sie mussten schließlich nach Süden zurück, um schneller als wir bei der Hütte sein zu können.«

»Wir sollten eine Kette bilden, nach Süden reiten und alles absuchen«, schlug der schrankbreite Schmied vor. »Mehr können wir ohnehin nicht mehr tun.«

Cobb nickte, verteilte die Leute und ritt dann ungefähr in der Mitte zwischen ihnen südwärts. Alle zwanzig Yard suchte ein anderer Mann das Gestrüpp ab.

Die Sonne ging auf und warf strahlenden Glanz über die Wildnis. Die Nebelschwaden lösten sich auf.

Eine Stunde ritten die Männer suchend in breiter Kette nach Süden, dann gaben die ersten auf und kehrten zu dem Marshal zurück. Die anderen ließen sich nicht nötigen und folgten ihnen. Sie sahen lustlos aus.

»Ich möchte wissen, für wen wir das alles tun«, maulte der Barbier, der die Stimmung übersah und schon immer gesagt hatte, was er wirklich dachte.

»Das frage ich mich allerdings auch«, stimmte Hiram Savage, der Drugstorebesitzer zu. »Obwohl McClure mir eigentlich recht nützlich war. Er transportierte manches für mich von Pueblo heran, was meine Wagen nun selbst holen müssen, was allemal teurer wird.«

Cobb blickte über das Gestrüpp hinweg. Dunst senkte sich über das Land. Ein Flimmern stand vor den Hügeln und den Waldgebieten im Westen vor dem Colorado River.

»Von hier aus ist es nicht mehr weit zu den Zattigs«, wandte ein Mann ein. »Wir sollten sie fragen, ob sie was hörten.«

Cobb nickte. Da er selbst keine bessere Idee hatte, ritt er weiter nach Süden hinunter.

*

Jay und Rio ließen ihre Pferde zwischen Sagebüschen und Cottonwoods zurück. Sie befanden sich noch rund eine halbe Meile von der Farm entfernt und konnten nur die Dächer der beiden Hütten in der flimmernden Luftspiegelung erkennen. Jay glaubte fest, dass sie unbemerkt bis hierher gelangten.

Sie schlichen durch das Buschwerk, erreichten das reichlich lichte Maisfeld und gingen in die Hocke. Der Hof der Farm blieb ihnen noch verborgen, und so hatten sie auch die Zattig-Brüder bisher nicht gesehen und wussten nicht, wo sie sein mochten.

Jay richtete sich vorsichtig auf, glitt zum Feld hinüber und zwischen die Stauden. Er musste geduckt gehen, so kümmerlich wuchs der Mais in diesem Sommer.

Rio befand sich links von ihm und glitt wie eine Schlange durch die Reihen. Es dauerte nicht lange, dann vermochten sie den Hof und den Rest des Anwesens zu überschauen. Die Hüttentür stand weit offen. Im Korral steckten die Pferde und Maultiere mitten in der Umzäunung die Köpfe zusammen. Die Sättel hingen über der Fenz, der flache Ranchwagen stand ein Stück dahinter. Seine Deichsel war nach oben gestellt.

Die Farm erweckte den Eindruck tiefen Friedens.

Jewy Zattig trat aus der Hütte, setzte sich davor auf die Bank und streckte die Beine aus. Er zog eine Maiskolbenpfeife aus der Tasche, stopfte sie, schob den speckigen Zylinder in den Nacken und klemmte die Pfeife zwischen die Zähne. Auf der Bank rieb er ein Schwefelholz an und setzte den Tabak in Brand.

Sein etwas jüngerer Bruder tauchte auf und lehnte sich an die Wand.

»Ist heute Sonntag?«, fragte Rio flüsternd.

»Ich weiß nicht.«

»Es sieht aus, als wäre Sonntag und die Zattigs gläubige Leute, denen ein solcher Tag heilig ist.«

Jay sah, wie die beiden alten Männer sich zufrieden angrinsten. Jewy lachte glucksend.

Da erschallten Geräusche. Zuerst klang es wie ein Raunen, das eine nahende Bö verursachte, dann wurden die Geräusche lauter und härter.

Die beiden Männer bei der Hütte hörten es. Jewy sprang auf und hastete zur Hüttenecke.

»Wer ist es?«, rief Boris erschrocken.

Dahin war der geruhsame Farmfrieden.

»Der Marshal mit seinem Haufen.«

»Verdammt, was wollen die denn?«

»Das gefällt mir gar nicht!«, schimpfte Jewy, klopfte die Pfeife an der Wand aus und zog sich den speckigen Zylinder in die Stirn.

Jay sah die Reiter von Norden kommend auftauchen. Marshal Cobb besaß mehrere Längen Vorsprung und zügelte sein Pferd vor dem Farmer.

Jewy Zattig trat zurück. »Was ist denn passiert, Marshal, dass ihr so früh am Morgen schon von Norden kommt? «

»Die Halunken sind uns durchgebrannt.«

»Was?« Zattig trat noch weiter zurück. »Machen Sie keine Witze, Cobb. Das kann brandgefährlich für uns werden.«

Der Stadt-Marshal stieg ab und trat vor das Pferd. Den Zügel behielt er kurz in der Hand.

Die anderen stiegen ebenfalls ab und bildeten einen Halbkreis vor den abgerissenen Brüdern.

»Ihr habt nichts Verdächtiges gehört?«, erkundigte sich der Stadtmarshal, der die beiden scharf nacheinander anschaute.

»Absolut nichts.« Jewy rückte nervös an seinem alten Zylinder herum. »Die nehmen Rache an uns.«

 

»Wieso an euch?«

»Na ja, weil ich doch dazukam, als sie verhaftet wurden.«

»Die beiden holen ihr Geld und kratzen die Kurve.«, sagte der Barbier. »Damit sind die genug beschäftigt.«

»Und der dritte?«

»Der hat solche Sorgen nicht mehr«, sagte der Marshal barsch. Er ging an den Zattigs vorbei und schaute in die Hütte.

Jewy wandte sich um. »Suchen Sie was? Hier haben die beiden den Zaster bestimmt nicht versteckt!«

Cobb kehrte zu den anderen zurück.. »Wir können nichts weiter tun, als den US Marshal zu verständigen. Reiten wir zur Stadt zurück.«

Die Männer stiegen sofort auf.

»Wenn wir noch was von den Kerlen bemerken, verständigen wir Sie sofort», versprach Boris. »Oder wir nehmen sie selbst fest, wenn es sich einrichten lässt.«

»Wieso konnten die beiden denn entwischen?«, wollte Jewy noch wissen.

»Fee«, erwiderte der Marshal nur.

Aber Keach setzte hinzu: »Die sollte für dich bei den beiden spionieren und hat dir was gehustet, Cobb.«

Verstohlen grinsten die Männer.

»Vergiss das nicht, dem US Marshal mit zu melden.« Barbier Keach trieb sein Pferd an, galoppierte über den Hof und entfernte sich nach Südosten.

Boris Zattig kicherte. »Das ist wirklich ziemlich komisch, Marshal, wenn man so ’reingelegt wird.«

»Halt’s Maul, Boris!«, befahl Jewy. »Das kann jedem mal passieren. Sie haben bestimmt das Richtige versucht, Marshal Cobb. Aber wer keine Verantwortung trägt und nichts herausfinden muss, der kann ja auch keinen Fehler machen. Dieser Narr!«

Die Reiter verließen bereits den Farmhof in einer lang auseinandergezogenen Kette.

»Seid vorsichtig«, sagte der Stadtmarshal. »Und haltet die Augen offen.« Er schnalzte mit der Zunge und ritt den anderen nach.

*

Jewy nahm den Zylinder ab und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Boris sank auf die Bank vor der Hütte und bekreuzigte sich.

Jewy stülpte die speckige Kopfbedeckung auf das lange Silberhaar.

»Der Marshal ist so blöd wie ein Ofen.«

»Hast du ihn deswegen so hofiert?«

»Nein, Boris. Dann wäre ich ja genauso vernagelt wie er. Ich wollte, dass er so bleibt. Wenn man einem Zucker um den Mund schmiert, bekommt er den faden Beigeschmack nicht mit.«

Wie Teufel grinsten die beiden sich an.

»Aber dass diese Kerle frei sind, gefällt mir gar nicht.« Jewy Zattig wurde ernst.

»Denkst du, die riechen den Brei vielleicht?«

»Woher soll ich das wissen, Boris? Ausgesprochen dämlich sahen sie allerdings nicht aus. Aber ich hatte eine solche Panne nicht einkalkuliert.«

»Das Mädchen, Jewy! Das hat in Montrose keinen müden Dollar mehr verdienen können.«

»Und die beiden schlauen Halunken müssen ihr vorgegaukelt haben, da wäre ein Vermögen zu verdienen!« Jewy fluchte und spuckte in den Sand.

»Wir sollten den Zaster ausgraben und verschwinden!«, schlug Boris vor.

»Keine Panik! Wenn wir jetzt abhauen, merkt der Stadt-Marshal doch noch was. Wir müssen monatelang jammern, am besten noch das Maisfeld anzünden und die Sonne dafür verantwortlich machen. Dann schlucken die Leute, dass wir hier aufgeben mussten. Dann merkt keiner was. Nur nicht zu plötzlich.«

»Dann wollen wir es wenigstens ausbuddeln.«

»Warum?«

»Wenn die Kerle etwas riechen und hier herumschnüffeln, könnten sie die Stelle finden, an der frisch gegraben wurde.«

Jewy sah nachdenklich aus, zog den Zylinder erneut vom Kopf und musste sich wiederum den Schweiß vom Galgenvogelgesicht wischen.

»Wir können es im Haus verstecken. Das ist sicherer. Unter den Dielen. Der Herd lässt sich zur Seite bewegen. Darunter würde niemand das Holz aufhacken!«

»Gut.« Jewy setzte den Zylinder auf. »Das ist vielleicht in der Tat besser, Boris. Hol den Spaten!«

Der jüngere Zattig wandte sich dem Schuppen zu.

Jay Durango blickte zu Rio hinüber und flüsterte: »Wir sind genau im richtigen Moment gekommen.«

Rio nickte. »Wenn wir nur Waffen hätten, um die beiden angreifen zu können!«

»Nein, das ist doch nicht unsere Sache. Da winden die sich doch noch heraus und erzählen dem Marshal, wir hätten die Beute mitgebracht. Das überlassen wir Cobb.«

Jewy wandte sich um und blickte aus zusammengekniffenen Augen zum Maisfeld herüber.

Jay kam der Verdacht, er könnte zu laut gesprochen haben. Er hielt den Atem an und versuchte, sich noch tiefer an den Boden zu ducken.

Da kehrte Boris aus dem Schuppen zurück. Er brachte einen kurzstieligen Spaten mit und kicherte, als er seinen Bruder erreichte.

»Was hast du denn, setzt dir die Sonne zu sehr zu?«, schimpfte Jewy.

»Ich sehe immer noch die doofen Gesichter der Stadtfräcke, Jewy. Die beiden standen beinahe auf dem Zaster! « Boris kicherte wieder.

Jewy nahm ihm fluchend den Spaten ab und umging die Hütte.

Jay konnte den Kerl nicht mehr sehen. Auch der andere verschwand aus seinem Blickfeld. Er hörte Büsche rascheln. Der Spaten fuhr in den Sand. Dann wiederholte sich das Rascheln.

»Nimm du den Spaten!«, kommandierte Jewy.

Zwei Minuten später tauchten die beiden wieder auf. Boris trug den kurzen Spaten. Jewy hielt einen Leinensack, zweimal so groß wie eine Hand, in den Fingern. Als er ihn spielerisch wog und dabei schüttelte, ließ sich das Klimpern der Silbermünzen bis ins Maisfeld vernehmen.

Die beiden tauchten in der Hütte unter.

»Zurück, Rio!«, flüsterte Jay.

Geduckt schoben sie sich rückwärts durch die Staudenreihen und erreichten das Feldende. Doch erst jenseits der Büsche durften sie es wagen, zu ihrer vollen Größe emporzuwachsen.

Die Pferde fanden sie noch dort vor, wo sie beide zurückließen.

Jay nahm den Braunen am Zügel und führte ihn weiter von der Farm weg. Rio kam ihm mit dem anderen Tier nach.

»Und nun?«

»Wir brauchten ein Gewehr. Wenigstens einen Revolver.«

»Um den Marshal bedrohen zu können?«

»Genau. Für andere Argumente ist er ja leider bisher noch nicht zugänglich. «

»Der wird Augen machen, wie eine Kuh wenn es donnert!«, versicherte Rio. »Ich meine, wenn er die Silberdollars unter dem Herd sieht.«

Jay stieg auf und ritt durch das Dickicht weiter von der Farm weg.

Rio holte ihn ein. »Aber der Marshal soll eine Frau haben. Der wohnt nicht allein in seinem Haus.«

Durango dachte bereits daran.

»Die schlägt in der Stadt Krach, Jay. Und dann haben wir wieder die ganze Horde auf dem Hals.«

»Die kämen aber zu spät. Wenn Cobb das Geld gesehen hat, ist die Sache für uns ausgestanden, Rio. Die Frau muss uns also nicht unbedingt behindern, wenn wir mit dem Marshal nur genügend Vorsprung gewinnen.«

»Du meinst, wir müssen sie binden wie den Nachtwächter?«

»Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«

»Und Waffen?«

»Nachts soll niemand im Office sein.«

Rio zügelte sein Pferd. »Du spinnst doch!«

»Angst?« Jay lächelte scharf.

»Es wäre einfacher, zur Ranch zu reiten und mit Verstärkung zurückzukehren.«

»Das dauert mit jetzt zu lange. Niemand weiß, was den Zattig-Brüdem morgen einfällt. Ob sie so gelassen bleiben, wie sie jetzt noch sind. Nein, das müssen wir schnell klären. In der nächsten Nacht!«

*

Jay schob sich an der Wand entlang. Sein Ärmel kratzte über die rohen Wandbretter. Er sah den aus dem Saloon fallenden Lichtschein und mehrere Männer drinnen am Tresen. Als er einen Blick um die Ecke werfen konnte, atmete er auf.

Im Office brannte kein Licht. Wie erwartet hielt sich der Stadt-Marshal nicht darin auf.

Jay schob sich zurück, glitt hinten um die Ecke und erreichte die schmale Hintertür. Er schaute sich um und meinte Rio und die Pferde bei den Büschen im Mondschein schemenhaft zu sehen. Bestimmt war der hünenhafte Partner noch aufgeregter als er selbst. Jay lächelte darüber.

Die Tür besaß innen einen Riegel, der sich jedoch von außen nicht betätigen ließ. Dafür saß er nicht sehr fest, so dass die Tür zwei Fingerbreit bewegt werden konnte.

Jay griff in den Falz, stemmte einen Stiefel gegen die Wand und zog an der Tür. Das aufgesetzte Fugenbrett brach ab. Durango strauchelte, vermochte sich jedoch zu fangen. Er klemmte das Brett quer in die Fuge und benutze es als Hebel. Der Riegel platzte von der Tür und schlug drinnen dumpf auf den Boden. Die Tür sprang auf. Im Mondschein erkannte Jay eine kleine Kammer, gerade groß genug für das Bett und einen Gang daneben.