Colt-Helden: Super Western Sammelband 7 Romane

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Jay sattelte seinen braunen Hengst und ritt wenig später mit den beiden Männern auf der Overlandstraße nach Süden. Als sie die Stadt erreichten, stand die Sonne schon fast im Zenit und glühende Hitze lag über dem Hügelland.

Vor dem Store stand ein kurzer Planwagen. Zwei Maultiere waren in die Sielen gespannt. »McClure’s Drugstore« stand auf der grauen Plane.

Der Barbier hielt vor seinem Haus.

Jay zügelte sein Pferd ebenfalls. »Vielen Dank, Mister.«

Keach schüttelte den Kopf. »Warten Sie damit, bis Ihr Freund auf den Füßen steht. Aber sagen Sie nicht, es wäre meine Schuld, wenn das nicht geschieht.«

»Kann man für ihn nichts weiter tun?«

Keach schüttelte den Kopf und schob seine Melone in den Nacken. Das Sonnenlicht fiel auf sein zerfurchtes Gesicht. »Nein. Er braucht Ruhe, damit sich neues Blut bilden kann. Sollte er aber schon zuviel verloren haben, wird er wohl ....« Der Mann brach vieldeutig ab.

»Trotzdem besten Dank.« Jay ritt mit dem Marshal weiter. Vor dem Saloon sah er die beiden Farmer wieder. Bei Tageslicht sahen sie noch abgerissener aus als während der Nacht.

Jay hielt an.

»Stand die Hütte noch?«, fragte Jewy Zattig.

»Ja. Vielen Dank für den Tipp.«

»Wie geht es Ihrem Freund denn?«

»Den Umständen entsprechend.«

»Er lebt also noch?«, wollte Jewy Zattig wissen, während er an den Fußweg trat.

»Ja, er lebt noch.«

»Na also, dann kommt er irgendwann schon wieder auf die Beine. Nur die Guten sterben jung!«

Boris lachte krächzend. Sein Bruder wandte sich um und schob ihn vor sich in den Saloon.

Der Marshal stieg bereits bei seinem Haus ab und führte das Pferd in den Hof.

Jay ritt zum Store weiter, saß neben dem Planwagen ab, führte den Braunen zur Zügelstange und band ihn daran fest. Als er den Drugstore betrat, sah er zwei Männer hinter den deckenhohen, vollgestapelten Regalen an einem kurzen Tresen. Auch hinter der Tafel erhoben sich noch einmal Regale über die gesamte Breite des Hauses. Nur die Tür war ausgespart. Wie durch einen Tunnel ging es in den Flur dahinter.

Die beiden Männer blickten dem Eintretenden entgegen.

»Guten Tag«, sagte Jay, lief an den Regalen vorbei und blieb an der Ecke des Tresens neben einem aufgebockten Rumfass stehen. Eine kleine Waschschüssel und ein paar Gläser auf einem Lappen verrieten, dass der Krämer auch Gäste bewirtete.

»Und?«, fragte der Mann hinter dem Tresen unwirsch. Er war ein großer Mann wie ein Hüne und hatte Schultern von der Breite eines mittleren Kleiderschrankes. Dazu einen kantigen Schädel auf einem dicken Hals, der in einem Stiernacken auslief, schwarzes Haar, finstere Brauen und bernsteinfarbene Augen. Wie ein Spieler trug er ein weißes Rüschenhemd, gestreifte Röhrenhosen und eine doppelreihige schwarze Jacke. Eigentlich sah er nicht wie ein Händler aus, allerdings verriet Jay bereits vor dem Laden ein Schild, dass er auch Fuhrunternehmer war. Im Hof neben dem Haus standen auch ein paar abgestellte Frachtwagen. Das lange Gebäude dahinter schien der Stall zu sein.

»Der Barbier schickt mich. Sie hätten ein schmerzlinderndes Mittel.«

»Laudanum, Mister. Es senkt das Fieber, ist gut gegen Zahnschmerzen und sonstige Wehwehchen.« Der Mann grinste, sah deswegen aber nicht freundlicher aus.

»Sicher meint er das.«

»Ich hab gar nichts anderes.« Der Mann griff unter den Tresen und legte eine kleine Tüte darauf. »Jedes mal eine Messerspitze, wenn der Patient brüllt. Und vor allem muss man ihn darauf aufmerksam machen, dass er was gegen den Schmerz bekommt. Die moralische Wirkung ist ungeheuerlich. «

Der andere Mann grinste nun ebenfalls von einem Ohr bis zum anderen. Er zählte mindestens fünfundsechzig Jahre, war mittelgroß und gedrungen, grauhaarig und stoppelbärtig. Falten und Runen zeichneten sein Gesicht und ließen ihn älter wirken. Er trug ein graues, derbes Hemd ohne Kragen, ausgebeulte, zerschlissene Hosen, ’ Schaftstiefel, eine fadenscheinige Jacke und einen schweißdurchtränkten Schlapphut.

»McClure, junger Freund.« Der Mann tippte an seinen Hut. »Hab schon gehört, was Ihnen widerfuhr. Werde mal vorbeischauen, ob Sie noch etwas brauchen.«

»Ich glaube nicht, dass wir etwas brauchen.« .Jay blickte den anderen Händler an. »Was kostet es?«

»Vierzig Cent. Kaum der Rede wert.«

Jay atmete auf und bezahlte. Der Händler stellte ihm ein Glas voll Whisky hin und gab dann das restliche Geld heraus.

»Der Whisky ist inbegriffen. Immer, wenn man bei mir was kauft.«

»Danke.« Jay steckte das Kleingeld wieder ein. Er war so ziemlich blank und hoffte, dass das Pulver ausreichte, bis sie daran denken könnten, Jeff weiter zu transportieren. Dabei überlegte er aber schon, ob er nicht Rio bei dem Verletzten allein zurücklassen und zur Ranch reiten sollte, um den Boss zu verständigen und einen Wagen zu holen.

Das war sicher besser. Sie würden dann früher aufbrechen können.

»Also, ich kriege dann zweitausendfünfhundert Bucks«, erinnerte McClure. »Und den obligaten Whisky hab ich auch noch nicht.«

Der Mann hinter dem Tresen schenkte ein zweites Glas voll und stellte es dem fahrenden Händler hin. Dann öffnete er die Kasse und brachte ein Bündel Banknoten zum Vorschein.

McClure hustete scharf und stellte sich gerade. Mit funkelnden Augen starrte er den anderen böse an.

»Ist was, McClure?«

»Steck das Teufelszeug wieder ein, verdammt! Seit fünfzig Jahren nehme ich nur Hartgeld und gebe auch nichts anderes aus. Ich will Silberdollars!«

»Ich würde mich langsam mal umstellen.« Der schrankbreite Stadthändler steckte das Geld wieder weg.

»Denke gar nicht daran. Auf die komischen Zettel kann jeder drauf drucken, was er lustig ist. Und wenn man mal Pech hat, verbrennt der Plunder!«

»Man muss mit der Zeit gehen.«

»Ich nicht!«, schimpfte der fahrende Händler.

Hiram Savage entnahm seiner Kasse Silberdollars und zählte sie in Reihen auf den Tresen.

Jay trank den Whisky und ließ das leere Glas ins Spülwasser fallen. »Herzlichen Dank, Mister.«

»Sonst keine Wünsche?« Savage hielt inne und blickte auf.

»Nein, danke.« Jay wandte sich ab.

»Ich schaue mal bei euch vorbei!«, rief McClure ihm nach.

»Das wird nicht nötig sein.« Durango verließ den Store.

Savage zählte weitere Reihen Silberdollars auf den Tresen. »Den Umweg kannst du dir schenken. Der pfeift auf dem letzten Loch.«

»Kann man nie wissen.«

»Tramps sind das, McClure. Die leben von der Hand in den Mund und sind dabei meistens verdammt hungrig.«

Draußen band Jay sein Pferd los und zog den Sattelgurt nach.

Die Menschen der kleinen Stadt beobachteten ihn. Er spürte es, obwohl er sie nicht alle sehen konnte.

Vor dem Planwagen scharrten die Maultiere im Sand.

Jay stieg auf und ritt die Straße hinunter. Er spürte die Blicke im Nacken noch, als er schon jenseits der Häuser der Straße nach Norden folgte.

»Schneller!«, rief er dem Braunen zu und gab ihm die Sporen.

Das Pferd streckte sich. Rechts und links der ausgefahrenen Straße wurde das vorbeifliegende Buschwerk dichter. Staub wehte hinter den Hufen in die Höhe.

*

Jay Durango erreichte die halbverfallene Hütte am Nachmittag. Rio Shayne trat ihm entgegen. Jay zügelte den Hengst und sprang ab.

»Wie geht es Jeff?«

»Unverändert, würde ich sagen. Der Verband ist durchblutet. Hast du das Zeug?«

Jay nickte. »Aber wenn ihm das hilft, glaube ich an die Wunder, von denen mir erzähl wurde, als ich noch Kind war.«

Sie betraten die Hütte. Jay blickte auf das spitze Gesicht Logans. Die bleichen Lippen des Partners bewegten sich, seine Augen waren geschlossen. Die schwarzen Ränder darum hatten Jeffs Aussehen stark verändert. Er ähnelte sich kaum noch.

»Ich reite nach Rancho Bravo«, sagte Durango. »Der Boss muss wissen, was passiert ist. Einen Wagen brauchen wir auch. Und mein Geld ist praktisch alle.«

»Hast du ihnen gesagt, dass wir zu dieser Ranch gehören?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

Jay wandte sich um. »Warum sollte ich?« Auf dem Tisch öffnete er die kleine Tüte, zog das Messer, reinigte es an der Hose und nahm die Spitze voll von dem weißen Pulver. »Wasser!«

Sie flößten Jeff das Pulver und Wasser ein. Der Verletzte hustete und spuckte die Hälfte wieder aus.

»Du wirst mindestens vier Tage unterwegs sein«, maulte Rio.

Jay schob das Messer hinter den Gürtel. »Aber dann bin ich zurück und habe einen Wagen und Leute dabei. Ist das nicht besser, als wenn wir in vier Tagen immer noch allein hier herumsitzen?«

Rio fluchte verdrossen, weil es ihm nicht behagte, dass er so lange allein bei dem Verletzten bleiben sollte, dem er überdies nicht zu helfen wusste. »Und wenn er mir unter den Händen stirbt?«

»Dann würde es auch nichts ändern, wenn wir beide hier sitzen.«

»Warte wenigstens bis morgen.«

Jay hob den Kopf. »Warum denn das?«

»Vielleicht ist es gar nicht ....« Rio brach ab und biss sich in die Unterlippe.

»Ach so.« Jay schaute auf das spitze Gesicht Logans. Vielleicht erlebte der Cowboy den nächsten Tag wirklich nicht mehr und der ganze Aufwand erübrigte sich.

»Es wird sowieso bald Nacht«, setzte Rio hinzu. »Es dürfte auf ein paar Stunden auch nicht ankommen. Außerdem wird deinem Gaul die Pause gut tun. Seit wir vom Nueces weg sind, bist du beinahe ununterbrochen geritten.«

»Ich könnte dein Pferd nehmen.« Jay lächelte dünn. »Das ist ausgeruht. «

»Ich glaube nicht, dass er es überlebt. Die innere Blutung ist nicht gestoppt.«

 

Jay schob Logans Hemd zur Seite und sah den roten Verband. Der Fleck besaß die Größe einer Hand, so dass die linke Brustseite davon völlig bedeckt war.

»Also gut, dann warte ich bis morgen.«

*

Die beiden Farmer holten ihre Pferde aus dem Mietstall.

Vor dem Saloon stand Fee, ein alt gewordenes Saloonmädchen mit blond gefärbten Haaren. Als sie ins Sonnenlicht trat, offenbarte das Kattunkleid mit den silbernen Pappsternen daran seine ganze Schäbigkeit.

Die beiden Zattigs stiegen auf die Pferde und winkten dem Mädchen mit dem faltigen Gesicht.

»Geht zum Teufel, ihr Geizkragen!«, schimpfte Fee mit rauer Stimme.

Jewy Zattig warf noch einen Blick auf den Planwagen des fahrenden Händlers, der inzwischen an der Ecke des Saloons im Schatten stand. Dann trieb er sein Pferd an.

Boris folgte dem Bruder. Sie ritten aus der Stadt, verließen die Straße und hielten zwischen hohen Sagebüschen an.

»Absteigen, sonst kann man uns vom Karrenweg aus sehen.« Jewy ging sofort mit gutem Beispiel voran.

Auch sein Bruder kletterte aus dem Sattel. Er dachte noch an McClure, den ziehenden Händler, der zuletzt bei ihnen am Tresen des Saloons stand. »Wieviel Geld hat er?«

»Genug.«

»Bist du sicher, dass es glatt geht?«

»Aber klar. Hast du denn nicht gehört, wie verächtlich sie von dem Fremden redeten? Den schickt uns der Himmel.«

»Wenn wir den Zaster eines Tages anfangen auszugeben, riechen sie doch noch Lunte.«

Jewy grinste den Bruder herablassend an. »Wir geben den Zaster nicht aus. Nicht hier. Wir leben bis zum Winter wie die ärmsten Teufel der Welt weiter und werden nie vergessen, entsprechend zu jammern. Und so ganz nebenbei fangen wir an, von der Aufgabe der Farm zu reden. Das fällt überhaupt nicht auf, zumal wir nicht die ersten sind.«

»Ja, das könnten sie schlucken.« Boris grinste.

»Dann gehen wir weit weg. Und dort, wo wir das Geld ausgeben, erzählen wir eine fantastische Geschichte. Von einer Ölquelle, die wir auf unserem miesen Land fanden und verkauften.«

Die beiden Halunken lachten schallend.

Ihre Geduld wurde noch auf eine längere Probe gestellt. Als die Sonne jedoch tief nach Westen gesunken war, hörten sie Peitschenknallen. Die Plane des Wagens ließ sich bald über dem Buschwerk erkennen.

»Na also!«, frohlockte Jewy und rieb die Hände aneinander. »Er nimmt immer den gleichen Weg. Und er fährt auch glatt am Abend los, um die Bucks fürs Übernachten zu sparen.«

»So ein verdammter Geizhals!«

»Das kannst du laut sagen!«

Der Wagen rollte hundert Yard von den lauernden Farmern entfernt vorbei und entfernte sich rasch.

Jewy führte sein Pferd an den Rand der Straße und beugte sich zur Seite. So sah er den leicht schaukelnden Wagen wieder.

Boris tauchte neben ihm auf. Sie stiegen auf die Pferde und folgten dem Gefährt mit großem Abstand.

Als der Wagen die Straße verließ, pfiff Jewy durch die Zähne. »Merkst du was?«

»Er fährt zu der verlassenen Hütte, die nicht mehr verlassen ist«, erwiderte der jüngere Bruder.

»Genau. Will den Kerlen noch versuchen, was anzudrehen. Der lässt aber auch nichts aus.«

»Schlecht für unseren Plan, was?«

»Aber nein, Boris. Das ist gut. Sehr gut sogar. Die Radrinnen sehen sie morgen noch. Die Cowboys sind danach zehnmal so verdächtig wie vorher. Haben hier bei McClure genau gesehen, was der mit sich herumschleppt!«

*

Jay trat vor Rio aus der Hütte, als der Wagen im verwahrlosten Hof der aufgegebenen Farm anhielt.

»Hallo, da bin ich!«, rief der Händler. Ein kicherndes Lachen folgte den Worten.

»Ist der verrückt?«, flüsterte Rio hinter Durango.

»Kein bisschen.«

McClure stieg ab, zog den alten Schlapphut vom Kopf und schlug den Staub damit von der Kleidung. »Na, ist euch eingefallen, was ihr noch gebrauchen könntet?«

»Wir haben kein Geld.« Jay lehnte sich neben der Tür an die Hüttenwand.

»Aber, aber, Mister, einen Notdollar hat doch jeder noch!« Der Händler kicherte wieder. »Wie geht es dem Freund?«

»Ziemlich schlecht.«

»Ich hab noch ein anderes Pülverchen, mit dem schon verblüffende Wirkungen erzielt wurden. Aus getrockneten Blättern von den Kiowas gerieben. Konnte bei Savage nur nicht davon erzählen, weil er das übelgenommen hätte. War schließlich sein Laden, in dem wir standen.«

»Ich glaube, dass alle eure Pülverchen nur einem helfen«, murmelte Rio. »Und zwar dem, der sie verkauft!«

»Nana, junger Mann, keine Beleidigungen!«, schimpfte der fahrende Händler grollend. »Ich verkaufe nur echte Sachen! Das Pulver kriegt ihr von mir für einen halben Dollar.«

»Ich glaube, Sie hören nicht zu, wenn andere reden«, erwiderte Jay schleppend. »Wir haben kein Geld.«

McClures stoppelbärtiges Gesicht zog sich in die Länge. »Kann ich den Jungen mal sehen?«

Rio trat zur Seite.

McClure ging hinein. »Teufel, der sieht aber gar nicht gut aus. Dem würde mein Pulver bestimmt helfen, Jungens!«

Jay blickte auf die Büsche, die vom letzten Sonnenlicht wieder in bunten Farben beleuchtet wurden und einen goldenen Schimmer wie einen Heiligenschein bekamen.

»Der gefällt mir wirklich nicht.« McClure trat aus der Hütte. »Dem würde meine Medizin bestimmt helfen.«

»Soll ich ihm auf meine. Art nochmal sagen, dass wir kein Geld haben?«, fragte Rio.

»Verschwinden Sie, Mister«, sagte Jay. »Wir kaufen nichts, weil wir kein Geld mehr haben.«

»Also schenken kann ich euch meine Ware nicht!«, schimpfte McClure. »Ihr denkt wohl, ich will mich aus lauter Menschenfreundlichkeit an den Bettelstab bringen?«

»Er geht mir auf die Nerven, Jay!«

»Mir auch.«

Drohend schob sich Rio an den miesen Händler heran, der partout nicht einsehen mochte, dass kein Geschäft abgewickelt werden könnte.

»Ich bin extra von der Straße abgebogen!«

»Hau ab!« Rio stieß den Mann mit der Schulter an. »Los, zieh Leine, Krämerseele!«

»Und beschimpfen lasse ich mich auch nicht!« McClure stieß Rio den Ellenbogen in den Leib.

Der Cowboy krümmte sich im jähen Schmerz zusammen. In der nächsten Sekunde schmetterte er dem Händler die Faust gegen das Kinn.

McClure brüllte, taumelte zurück und stürzte vor dem Wagen zu Boden. Sein Gesicht sah verschoben aus. Er kniete und spuckte zwei Zähne aus.

Rio schaute maßlos verblüfft auf Jay. »Ich hab doch kaum hingelangt?«

»Seine Zähne sind lang wie bei einem alten Pferd und stecken kaum noch im Kiefer«, erwiderte Jay.

Fluchend erhob sich der Mann. »Das werdet ihr mir büßen, Halunken! Das zahle ich euch heim!«

»Bleib hier!« Jay hielt Rio fest, als der hinter dem schimpfenden Krämer her wollte.

McClure kletterte auf den Bock und nahm die Peitsche. »Spitzbuben! Mördergesindel!«

Die Peitsche knallte. Die Maultiere zogen an.

»Banditengesindel!«, brüllte der Händler mit einem pfeifenden Unterton hinten durch den Wagen. Dann knallte die Peitsche wieder. Der Wagen walzte das Dickicht nieder und verschwand hinter einer Staubwolke. Die Geräusche entfernten sich.

Jay betrat die Hütte.

»Ob sein Kiowapulver doch was genützt hätte?«, fragte Rio, den leise Zweifel zu plagen schienen.

»Blödsinn.«

*

Die beiden Zattigs hockten noch im Gestrüpp hinter dem verfallenen Korral und schauten in den Staub, der durch die Dämmerung zog und das verfallene Haus zusätzlich verhüllte.

»Hast du das gesehen?«, flüsterte Boris.

»Ich bin nicht blind. Aber wir können damit nichts gegen sie anfangen.«

»Wieso nicht?«

»Weil wir nicht sagen dürfen, dass wir sie beobachtet haben.« Jewy schüttelte den Kopf. »Bei dir schreitet die Verkalkung in jüngster Zeit erschreckend rasch voran, Bruder.« Jewy kehrte um. Zweihundert Yard entfernt standen die Pferde. Er stieg auf und ritt nach Osten, um die Straße zu erreichen.

Den Wagen hörten sie erst wieder vor sich, als die Dunkelheit bereits über das Land sank. Eine Meile mochten sie sich von der verfallenen Farm entfernt haben.

»Jetzt?«, fragte Boris.

»Noch ein Stück.«

»Aber bald ist es nicht mehr weit bis zu Wolters Farm. Er wird die Schüsse hören!«

»Soll er ja auch.«

Boris begriff gar nichts mehr.

Jewy grinste überlegen. »Er wird was hören und nachsehen. Und dann reitet er in die Stadt und alarmiert den Marshal. Bis der Tag wieder graut, sind die Leute der Stadt da und machen, wenn wir Glück haben, kurzen Prozess. Hauptsache, die Kerle selbst hören die Schüsse nicht.«

Noch eine halbe Stunde folgten die Zattigs dem Planwagen, dann hielt dieser an.

»Was ist jetzt?« Boris sprang sofort ab.

»Er scheint ein bisschen schlafen zu wollen.« Jewy blickte sich um. Er glaubte, dass sie weit genug entfernt waren, um den Überfall riskieren zu können, ohne dass die Cowboys etwas hörten. Hohes Buschwerk und ein paar Hügel lagen zwischen ihnen und der aufgegebenen Farm. Und Louis Wolters Farm konnte nicht mehr fern sein.

»Weiter, Boris. reiß dich zusammen! « Jewy zog die Sharps 52 aus dem Scabbard und spannte den außenliegenden Hammer.

Boris stieg auf, nahm den Remington-Karabiner zur Hand und repetierte ihn.

Sie ritten langsam zwischen den Fahrrinnen weiter. Die Hufe schlugen in den Sand. Boris’ Pferd schnaubte.

»Ist da jemand?«, rief die keifende Stimme des fahrenden Händlers. »Halt, nicht näherkommen!«

Die beiden Zattigs hielten an. »Hier ist Jewy Zattig, McClure. Wolltest du nicht noch mal bei uns vorbeischauen?«

»Zattig?« Das Gesicht des Händlers war hinten unter der Plane wie ein heller Fleck zu erkennen. »Nein, nicht, dass ich wüsste.«

»Aber wir wollten was kaufen«, wandte Boris ein.

»Warum habt ihr das nicht getan, als ich bei euch war?« Nacktes Misstrauen ließ sich heraushören.

»Da sprachen die Umstände dagegen«, erklärte Jewy.

»Was redest du denn für dummes Zeug, zur Hölle?«

»Wir können dich doch nicht auf unserer Farm in die Hölle schicken, McClure, alter Halsabschneider!« Boris lachte krächzend. Dann drückte er ab.

Ein Feuerstrahl fuhr dem Händler, von einem Donnern begleitet, entgegen. Die Kugel bohrte sich in seine Brust. Er schrie. Seine Arme stießen zur Plane hinauf.

Jewy drückte ebenfalls ab.

McClure wurde noch einmal getroffen, stieß einen zweiten, abgerissenen Schrei aus und stürzte hinten über die Bordwand.

Das Krachen verlor sich in der Wildnis.

Jewy stieg ab und beruhigte sein Pferd. »Sieh nach, ob es ihm reicht, Boris!«

Der jüngere Zattig sprang kichernd vom Pferd. »Hat der blöd aus der Wäsche geguckt, Jewy!«

Den älteren interessierte das nicht. Er lief am Wagen entlang und kletterte auf den Bock.

Boris wälzte den steif hinter dem Wagen liegenden Händler auf den Rücken. »Nein, der hat keine Sorgen mehr, Jewy.«

Mit einer abgeschabten Satteltasche in der Hand stieg Jewy Zattig vom Bock. »Dann nichts wie weg. Wir reiten zuerst zum Creek, damit sie keine Spuren finden.«

Boris beugte sich über den Toten. »Sieh mal, dem fehlen zwei Zähne, Jewy. Die hatte er in der Kneipe noch im Mund.«

Jewy schaute nun doch auf den Toten.

»Die muss der Kerl ihm aus der Futterluke geschlagen haben, als sie rauften. Lässt sich anders nicht erklären.«

»Dann liegen sie sicher noch vor der Hütte im Sand.« Ein sattes Grinsen überzog Jewy Zattigs Gesicht. »So was übersieht der tüchtige Marshal bestimmt nicht. Los, ab geht die Post!«

Sie stiegen auf die Pferde und ritten ins Dickicht westlich der Straße. Das Knacken brechender Äste entfernte sich.

*

Graue Nebelschwaden zogen über das Buschwerk und den verfallenen Korral.

Jeff Logan stöhnte so laut, dass Jay davon erwachte. Er erhob sich und trat ans Fenster.

Rio schaute auf. »Was ist?«

»Ich weiß nicht.« Jay blickte hinaus. Wie Watte schwebte der Nebel über den Büschen. »Aber irgend etwas muss los sein.«

Rio kniete und kroch neben Jeff Logan. »Wie geht es dir, alter Junge?«

Der Verletzte reagierte nicht darauf.

Rio stand auf. »Ich hab ehrlich keine Lust, ein paar Tage mit ihm allein hier zu warten. Vor allem, er kann mir unter den Händen sterben, Jay. Ich habe keine Hoffnung, dass er in drei bis vier Tagen noch lebt.«

 

»Also gut, dann bleibe ich hier und du reitest nach Rancho Bravo«, erwiderte der Vormann.

Eins der Pferde am Zaun gegenüber schnaubte.

Rio öffnete die Tür.

Auch die beiden anderen Tiere wurden unruhig.

»Da stimmt doch was nicht.« Der ehemalige Scout trat über die Schwelle. »Ist da jemand?«

Die aufgehende Sonne drückte die Nebelfelder auf den Boden und verdichtete sie noch einmal kurz. Die Wipfel einzelner Krüppelkiefem und Cottonwoods traten über den Schwaden klar ans Licht. Dann stachen die waagerechten Sonnenstrahlen wie ein Goldhauch darüber hinweg, und in der jähen Hitze lösten sich die grauen Felder binnen zwei Minuten völlig auf.

Zwischen den Büschen hielten Reiter. Auf einmal waren sie klar zu erkennen. Der Stadtmarshal mit dem funkelnden Stern an der Jacke gab seinem großen Tier die Sporen.

»Vorwärts!«, rief der Mann barsch.

Rio trat rückwärts in die Hütte. »Die wollen was von uns, Jay!«

»Den Eindruck habe ich auch«, entgegnete der Vormann sarkastisch.

Von vorn und von rechts und links ritten sie mit angeschlagenen Gewehren näher.

Jay Durango griff zum Colt, ließ ihn jedoch wieder los. Gegen die vielen Männer besaßen sie keine Chance, was immer diese von ihnen wollten.

»Dreizehn Mann«, murmelte Rio. »Das bedeutet nie etwas Gutes!«

Jay schob den Partner zur Seite und trat aus der Hütte. »Hat es einen bestimmten Grund, dass ihr halb in der Nacht schon so weit reitet, Leute?«

»Und ob es den hat!«, rief der Marshal grollend. »Hebt die Hände hoch!«

»Warum denn?« Rio kam nun ebenfalls wieder in den Hof.

»Blöde Fragen stellen können die jedenfalls«, sagte jemand.

»Ein paar Meilen von hier entfernt wurde der fahrende Händler McClure ermordet«, erklärte der Marshal. »Auf der Straße nach Norden.«

»Ermordet und ausgeplündert«, setzte der Drugstorebesitzer Savage hinzu. »Davon habt ihr natürlich keine Ahnung, was?«

»Allerdings nicht«, sagte Jay, dem es kalt über den Rücken rann.

»Ihr habt euch eingebildet, es könnte lange dauern, bis man ihn findet«, fuhr der Marshal fort. »Viel Verkehr ist auf der Straße schließlich nicht. Aber der Platz war schlecht gewählt.«

»Was ein Fremder nicht wissen kann!« Der bullige Schmied lachte polternd. »Da gibt es ganz in der Nähe eine Farm. Und dort hörte man die Schüsse.«

»Ich hab Ohren wie ein Luchs!« Der kleine Farmer stellte sich in den Steigbügeln auf.

»Und mir fiel in meinem Store schon auf, wie der Kerl auf McClures Geld schielte!«

»Ach so«, sagte Jay. »Da wurde also jemand überfallen, und ihr habt auch gleich ein paar Verdächtige.«

»Wir konnten die Spuren von zwei Pferden finden«, erläuterte der Stadtmarshal. »Sie führten von der Straße nach Westen, ließen sich natürlich nur bis zum ausgetrockneten Creek verfolgen. Nun müssen wir feststellen, wo die Dollars von McClure geblieben sind. Sicher eine Menge Geld.«

«Allein zweieinhalbtausend Bucks von mir«, erinnerte Savage. »Und wenn ich mich recht erinnere, sagte er, dass er hier noch einmal vorbeischauen wollte!«

»So?« Marshal Cobbs Augen zogen sich zusammen. »Hat er das getan?«

»Nein!«, stieß Rio sofort hervor.

Cobb stieg ab. Der mittelgroße, bullige Sechziger kam vor die Pferde, das Gewehr weiterhin an der Hüfte angeschlagen. »Er war also nicht hier?«

»Hören Sie schwer?«, schmimpfte Rio.

»Wir müssen die Hütte durchsuchen«, entschied der StadtMarshal. »Und natürlich auch das Dickicht in der Nähe.«

»Wenn Sie meinen.« Jay zuckte mit den Schultern.

Cobb winkte zwei Männern, die ebenfalls absaßen und an Jay vorbeigingen. »Und drei suchen draußen«, sagte der Stadtmarshal.

Weitere Reiter saßen ab, ließen die Zügel auf den Boden fallen und verschwanden neben dem langsam verfallenden Haus, an dem die Wildnis nagte. Sie schlugen das laut raschelnde Gestrüpp auseinander und suchten den Boden ab.

»Passt auf, ob irgendwo frisch gegraben wurde!«, rief ihnen der Händler aus der Stadt nach.

In der Hütte wurde das primitive Mobilar umgeworfen und die Pritsche mit dem Verletzten darauf von der Wand gezogen. Mit seinem Gewehr klopfte einer der Männer die Dielen ab.

Jay fragte sich, ob es nicht doch klüger gewesen wäre, mit dem Verletzten auf der Schleppbahre langsam weiterzuziehen, nachdem der Barbier Jeff kaum geholfen hatte. Doch gleich darauf sagte er sich, dass sie von den Reitern eingeholt worden wären. Und vielleicht müsste deren Verdacht dann noch schwerwiegender ausfallen.

»Nein, hier ist nichts.« Der erste Mann trat aus der Hütte.

Der andere folgte dichtauf und schüttelte den Kopf.

»Was ist mit dem anderen, lebt er noch?«, wollte der Barbier wissen.

»Ja, der lebt noch.«

»Habt ihr ihn auch gründlich durchsucht?«

»Selbstverständlich.«

»Marshal!«, schallte es an der Hütte vorbei.

Das Dickicht prasselte. Keuchend erreichte einer der Sucher den Hof und zeigte eine abgeschabte Satteltasche.

Jay zog den Kopf ein. »Das gibt es doch nicht«, murmelte er entsetzt. Sein Blick fiel auf Rio.

Stadtmarshal Cobb nahm dem Mann die Tasche ab, öffnete sie und drehte sie so herum, dass alles herausgefallen wäre, befände sich noch etwas darin.

»Leer«, konstatierte der Händler.

Cobb hielt ihm die Tasche hin. »Gehörte sie McClure?«

»Ja, Marshal.«

»Kein Irrtum möglich?«

»Nein, bestimmt nicht.« Savages bernsteinfarbene Augen leuchteten auf.

Der Marshal warf die Tasche dem Mann zu, der sie aufhob. »Aber wo sind die Bucks? Mehrere tausend Dollar Hartgeld?«

»Die man vergraben kann«, sagte der Händler. »Mindestens für eine Weile.«

Die anderen Männer des Suchtrupps kehrten ebenfalls zurück.

Cobb sah nachdenklich aus.

»Wir würden doch nicht so verrückt sein, die Tasche hinter die Hütte zu werfen«, sagte Jay. »Damit ihr sie gleich finden müsst, wenn ihr hier aufkreuzt.«

Cobb blickte überlegend in den Sand, trat einen Schritt vor und beugte sich nieder. »Was ist denn das?« Er griff zu, richtete sich auf und zeigte einen Zahn.

Hiram Savage stieg ab, kam vor die Pferde und ließ sich den braunweißen Stummel geben.

»Da liegt doch noch einer!« Der Barbier stieg ab und kam ebenfalls vor die Pferde. Doch Stadtmarshal Cobb bückte sich schneller und hob auch den zweiten Zahn auf.

»Und hier sehe ich Wagenspuren, die nicht alt sein können!« Barbier Keach streckte den Arm aus. »Ich glaube, die lügen uns die Hucke voll, Marshal. McClure war hier. Und ein paar Zähne fehlten der Leiche auch.«

»Gestern in der Stadt noch nicht.« Händler Savage gab den ausgeschlagenen Zahn zurück.

»Habt ihr dafür eine Erklärung?« Stadtmarshal Cobb steckte die Zahnstummel ein.

»Ja, er war hier«, gab Jay zu. »Wollte uns unbedingt etwas verkaufen. Irgendein Mittel von den Kiowas, das besser sein sollte als das Pulver aus dem Store.«

Sie stiegen alle ab und bildeten rechts und links der Hütte vor den Pferden Mauern.

»Er war hier, und ihr habt sein Geld gesehen«, stellte Savage fest. »Und das musstet ihr natürlich abstreiten.«

»Lügen haben kurze Beine«, orakelte der Barbier und kicherte erfreut. »Der Tote wird von einem Mann samt dem Wagen in die Stadt gebracht. Dort werde ich feststellen, dass die Zähne in McClures Gebiss gehörten. Einfache Sache!«

»Er wollte uns unbedingt etwas verkaufen«, sagte Jay noch einmal. »Um jeden Preis.«

»Das hättest du besser gleich zugeben sollen!« Savages Augen strahlten.

»Wo ist es?«, fragte der Marshal barsch.

»Wir sind ihm nicht gefolgt.«

Von beiden Seiten schoben sich die Mauern dichter heran.

»Die verheizen uns, Jay!« Rio trat rückwärts.

»Schön die Hände über die Köpfe!«, befahl der Stadtmarshal. Rio wirbelte herum, stieß das Gewehr zur Seite und setzte dem verdatterten Mann die Faust ans Kinn. Er sprang vorbei und wollte zwischen die Pferde.

Ein Schlag mit einem Gewehrlauf in den Nacken beendete Rios Fluchtversuch. Er stürzte zwischen die erregt tänzelnden Pferde. Die Gewehrmündung presste sich in seinen Rücken.

»Noch eine Bewegung, dann hörst du den Knall nicht mehr!«

Jay trat zurück und stieß neben der Tür gegen die Hüttenwand. Ein Fluchtversuch erschien ihm sinnlos. Auch wenn die Männer nicht schossen, um sich nicht gegenseitig den Garaus zu machen, konnte er den Ring nicht durchbrechen.

»Wo ist es versteckt?«, fragte Cobb schroff.

Rio wurde an Händen und Füßen gefesselt und zu den abgesattelten Pferden am Korral geschleift. Jay sah noch immer keine Lücke. Im Gegenteil, der Kreis schloss sich noch.