Colt-Helden: Super Western Sammelband 7 Romane

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3.

Slim Bruce bewegte sich geschmeidig auf die Box zu, in der der Rappe stand, der als Killer galt. Auf seinem bronzefarbenen Gesicht lag ein unbestimmtes Lächeln. Bruce warf nur einen schnellen Blick auf Sheriff Jim Sutherland, der dem Mietstallbesitzer den Kaufpreis von zehn Dollar für den Rappen überreichte, dann glitt er auch schon in die Box hinein. Slim Bruce duckte unter den auskeilenden Pferdehufen hindurch. Dann war er auch schon am Hals des aufsteilenden Tieres, das böse die Augen rollte und nach Bruce zu beißen versuchte. Was dann geschah, war dem Mietstallbesitzer völlig unverständlich. In seinen Augen war es Zauberei, was jetzt vor sich ging. Er konnte sehen, wie Slim Bruce die Finger seiner rechten Hand in die Nüstern des Rappen grub, wie sich seine Lippen bewegten und wie er in einer fremden Sprache sang. Ja, man konnte es nur als Singen bezeichnen, was über die Lippen des Hilfssheriffs kam. Die Folge war, dass der Rappe augenblicklich ruhig wurde und nicht mehr stieg. Der Rappwallach spitzte die Ohren und lauschte. Mann und Pferd schienen die Umwelt zu vergessen. Jedenfalls gewannen Jim Sutherland und der Mietstallbesitzer diesen Eindruck. Beide hielten den Atem an, denn was sich ihren Augen zeigte, konnten sie kaum fassen. Slim Bruce schien mit geheimnisvollen Kräften vertraut zu sein. Sein dunkler, monotoner Singsang ließ den Rappen erbeben. Nervös schlug das Tier mit dem Schweif, dann wurde es ruhiger. Als der Gesang abbrach, löste Slim Bruce die Finger seiner Rechten aus den Nüstern des Pferdes und trat ein wenig zur Seite, als warte er das Ergebnis ab.

Was würde sich jetzt tun? Würde ein neuer Anfall von Raserei und Wut den Rappen zum Teufel machen? Würde sich Slim Bruce rechtzeitig in Sicherheit bringen können? Diese Fragen stellten sich Jim Sutherland und der Mietstallbesitzer, die gebannt das Geschehen verfolgten.

„Tu es nicht!“, schrie Jim Sutherland, als er sah, wie sein Hilfssheriff den Rappen vom Halteriemen löste. Das Tier bekam damit volle Bewegungsfreiheit.

Die Warnung kam zu spät. Der Rappe war frei, und Slim Bruce stand so, dass er jedem Angriff des Tieres ausgeliefert war. Das Pferd konnte ihn jetzt an die Wand der Box drücken. Was die beiden Zuschauer erwarteten, trat allerdings nicht ein. Der Rappe schnaubte, streckte den Kopf vor und blies Slim Bruce seinen Atem ins Gesicht. Die Zähne schnappten, aber sie berührten Slim nicht. Der stand ganz ruhig da. Der Rappe zog den Kopf zurück und stellte die Ohren hoch.

Jetzt streckte Slim die Hand nach dem Tier aus. Was niemand für möglich gehalten hätte, geschah. Der Rappe wich nicht zurück, stürmte auch nicht gegen den Menschen an. Er ließ sich von Slim anfassen und am Halfter nehmen. Mit einem Schlag war das Tier lammfromm und ließ sich in den Stallgang führen.

„Das kann nicht wahr sein!“, murmelte der Mietstallbesitzer. „Er führt den Killer wie einen Hund davon! Ich sehe es mit meinen eigenen Augen!“

„Es sieht so aus, als hätte er den Rappen behext“, gestand Jim Sutherland. „Die Frage ist nur, ob er den Gaul auch reiten kann.“

„Daran zweifle ich nicht mehr“, erwiderte der Oldtimer. „Dieser Bruce sollte Löwenbändiger werden! Er hat etwas an sich, das Tieren Respekt einflößt.“

Die beiden Männer folgten Slim Bruce, der den Rappen in den Hof hinausführte, hinein in das Sonnenlicht des Tages. Vor ihren Augen saß Slim auf. Er brauchte dazu keinen Sattel oder eine Decke. Er schwang sich auf den blanken Pferderücken, und der Rappe nahm es hin. Reiter und Pferd boten ein prächtiges Bild.

In diesem Augenblick hörte man Duff Terrifics knarrende Stimme: „Sheriff, du wirst mir den Mörder ausliefern!“

Der Mietstallbesitzer zuckte zusammen. Die Angst verzerrte sein Gesicht zur Grimasse. Er war so erregt, dass er nicht einmal bemerkte, wie gelassen Jim und Slim waren. Die beiden Männer schienen nicht im Geringsten beeindruckt zu sein. Sie sahen Terrific an, der grinsend mit zwei Männern näher kam. Alle drei hielten ihre Hände so tief, dass sie über den Coltkolben ihrer Waffen schwebten.

„Das ist ein schlechter Witz! Jim Sutherland hat einen Mörder zu seinem Hilfssheriff gemacht! Damit bist du am Ende deiner Amtszeit angelangt, Sutherland“, sagte Duff Terrific.

Die Hand des Besitzers des Vogelkäfig-Saloons zuckte tiefer, aber er zog die Waffe nicht aus dem Holster. Die Bewegung von Slim Bruce zum Nacken hin war keinem aufgefallen. Sein Wurfmesser zischte durch die Luft, und dann schrie Terrific gellend auf. Das Wurfmesser steckte im Handgelenk der Rechten, die gerade den Colt hatte lüften wollen. In Jim Sutherlands Rechten aber lag sein 45er Colt, der die beiden Begleiter Terrifics daran hinderte, ihre Waffen zu ziehen.

Duff Terrifics Schrei erstarb auf den Lippen. Er starrte auf sein Handgelenk, dann riss er das Messer mit einem wilden Ruck heraus.

„Hilfe, ich brauche Hilfe!“, schrie er. „Diese Runde hast du gewonnen, Sutherland, aber den Mörder ...“

„Sprich dieses Wort nicht noch einmal aus!“, sagte Slim drohend. „Du weißt selbst am besten, warum.“

Terrific gab keine Antwort. Sein Blick irrte zu seinen beiden Begleitern, die betreten dreinschauten.

„Oldman, bring mir mein Messer zurück!“, forderte Slim Bruce den Mietstallbesitzer auf. Das war ein Befehl, dem sich der Alte nicht entziehen konnte. Er nickte und tat, was ihm befohlen worden war. Aus seiner Hand nahm Slim die Waffe wieder in Empfang. Er ließ sie blitzschnell im Rückenholster verschwinden.

Terrifics Begleiter wagten keine Bewegung. Sie hatten nur zu deutlich gesehen, wie schnell Jim Sutherland seinen Colt gezogen hatte. Beide hatten mit einem Blick erkannt, dass sie den Sheriff bisher unterschätzt hatten. Seine Schnelligkeit hatte sie verblüfft.

„Zieht eure Waffen aus den Holstern und lasst sie fallen!“, befahl Jim. „Versucht keinen Trick!“ „Unternehmt nichts!“ Terrific wandte sich an seine Männer. „Diesmal sind wir geschlagen, aber das wird sich bald gründlich ändern. Du bist zu weit gegangen, Sutherland!“

„Nicht weit genug, Terrific! Die Schufte müssen aus der Welt gefegt werden, die Stadt und Land terrorisieren. — Klag diesen Mann an, Slim!“

„Dieser Mann ist der Mörder meiner Eltern!“, sagte Slim Bruce. „Er hat unsere Hütte niedergebrannt, unsere Felder verwüstet und meinem Vater sein Gold gestohlen. Dieser Mann wird sterben müssen!“

Duff Terrific wurde noch bleicher, als er schon war.

„Halte ihn auf, Sutherland!“, kam es fast kreischend über seine Lippen. „Er muss dir gehorchen, er ist dein Hilfssheriff. Du kannst nicht zulassen, dass mich ein Indianer umbringt!“

Es war ekelig anzusehen, wie Terrific jetzt wimmerte, wie er seine wahre Natur zeigte.

„Lass mich verschwinden, Sheriff!“, forderte er mit sich überschlagender Stimme.

„Du kannst gehen, Terrific“, erwiderte Jim kalt. „Ich rate dir aber, die Stadt zu verlassen. Ich werde einen Zeugen für die Anklage meines Hilfssheriffs finden, und dann hole ich dich, Terrific, wo immer du dich auch befinden magst! Du kommst vor ein ordentliches Gericht. Jetzt verschwinde augenblicklich und nimm deine beiden Leibwächter mit!“

Duff Terrific zog es vor, nicht zu antworten. Der Schmerz im rechten Handgelenk, das rinnende Blut und die Tatsache, dass er nicht zum Zuge gekommen war, hatten ihn so entmutigt, dass er nur noch daran dachte zu verschwinden. Niemand hielt ihn auf, als er sich umwandte und mit seinen beiden Begleitern den Hof verließ.

Der Mietstallbesitzer wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Augen wanderten von einem zum anderen.

„Es war ein gutes Geschäft für uns“, wandte sich Jim an den Alten. „Für zehn Dollar bekommt man nicht alle Tage ein so prächtiges Pferd. Komm, Slim!“

Slim Bruce nickte. Er setzte den Rappen in Bewegung, und Jim Sutherland steckte seinen Colt ins Holster zurück. Als sie die Mainstreet erreichten, konnten sie sehen, wie schnell sich Terrific mit seinen Begleitern entfernte. Es wirkte beinahe lächerlich. Dennoch war keiner der beiden Männer geneigt, darüber zu spotten.

„Er wird deinen Rat nicht befolgen, Jim“, sagte Slim Bruce. „Er hat zu viele Karten in diesem Spiel. Wenn der Trumpf stechen soll, müsste man sofort den Vogelkäfig-Saloon in Augenschein nehmen. Es wäre gut, wenn die Vögel da wären und wenn es uns gelingen würde, sie auffliegen zu lassen.“

„Das würde bedeuten, in die Höhle des Löwen zu gehen, Slim.“

„Wir sind doch bereits mitten in dieser Höhle“, lächelte der Hilfssheriff. „Blicken wir also auch in die Winkel hinein.“

Es war erstaunlich, wie furchtlos Slim Bruce war. Weder Nervosität noch Angst waren an ihm zu entdecken. Mit einer gewissen Genugtuung schaute er zu den Passanten hin, die ihm scheu nachsahen.

Die Bürger von Danstone schienen das Gras wachsen zu hören. Nicht einer fragte rundheraus, was sich abgespielt hatte. Nicht einer war unter ihnen, der dem Sheriff Hilfe angeboten hätte. Niemand fasste sich ein Herz und zeigte Sympathie. Keiner hatte den Mut, sich auf die Seite des Rechts zu stellen. Terrifics Macht war trotz seiner Niederlage ungebrochen. Darüber waren sich auch die beiden Vertreter des Gesetzes klar. Als sie auf den Vogelkäfig-Saloon zusteuerten, verschwanden die Leute eilig in Gassen und Toreinfahrten. Ein Mann stellte seinen Einspänner hastig ab, band das Pferd fest und suchte schnell den Schutz eines Store auf.

„Sie benehmen sich wie Ratten, die fühlen, dass das Schiff zu sinken beginnt. Alle wollen sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Steig ab, Slim, lass den Rappen am Office angebunden zurück!“

Der neue Partner nickte nur. Als die beiden Männer am Office waren, glitt Slim Bruce vom Pferderücken und band den Rappen an einem der Halteringe fest. In diesem Augenblick öffnete der alte Doc Amb Wade die Tür seines Hauses.

 

Jim Sutherland sah den Mann zum ersten Mal, obwohl er schon fast ein Jahr in Danstone war. Der Doc war klein und bucklig, sein Gesicht war bleich. Eine Nickelbrille saß auf seiner geschwungenen Geiernase. Blassblaue Augen starrten die beiden Männer an. Über die dünnen Lippen des Mannes kam ein blechernes Lachen.

Jim stellte zu seinem Befremden fest, dass der Alte durch ihn hindurchsah, als wäre er aus Glas. Genauso betrachtete er auch seinen Begleiter, den jungen Slim Bruce. Das Lachen des Alten brach ab. Er hüstelte und starrte auf den Rappen, dann sagte er mit kreischender Stimme: „Stranger, womit hast du den Mankiller zahm gemacht?“

„Ich brauche keine Mittel“, erwiderte Slim stolz.

„Das nehme ich dir nicht ab“, erwiderte der Doc. „Ich kenne diesen Rappen. Er schlägt oder beißt jeden tot, der ihm zu nahe kommt. Ich habe das Tier immer mit Interesse beobachtet.“ Der Alte machte eine Pause. Sein Blick wanderte zu dem Stern auf Slims Brust. Dann krächzte er: „Ihr beide probiert wohl, wie stark ihr seid?“

Der bucklige Alte ging auf den Rappen zu. Sofort reagierte das Tier. Es stellte sich so, dass der Alte vor seine Hinterhufe kommen musste. Erschrocken wich der kleine Mann zurück.

„Ich sagte doch schon, Doc, er bekam keine Droge. Er wird niemanden außer mir auf seinen Rücken lassen. Versuch nicht noch einmal, ihm zu nahe zu kommen“, warnte Slim Bruce.

„Das ist mir neu“, murmelte der Doc, nahm die Brille ab und zog ein Tuch aus der Tasche, um sie abzuwischen. „Ich glaube nicht an Zauberei und daran, dass man ein Tier behexen kann. Wie hast du den Killer für dich gewonnen?“

„Ich habe mit dem Rappen gesprochen, Doc. Das allein genügte.“

Wieder kam ein Kichern über die Lippen des Alten. In seine blassblauen Augen trat ein fanatischer Glanz.

„Das gibt es nicht! Lüg mich nicht an, Rothaut!“, platzte er heraus. „Du hast einen Trick, einen kleinen, schäbigen Trick angewandt und versuchst, ihn gut zu verkaufen. Bei mir kommst du damit nicht an, mein Junge. Du hast zu viel von euren Medizinmännern gesehen. Mir können die nicht imponieren. Ich habe sie durchschaut, und ich durchschaue auch dich.“

Es war für Jim Sutherland erstaunlich zu sehen, wie gelassen Slim Bruce die Beleidigungen hinnahm. Das Gift des kleinen Doc schien an ihm abzuprallen.

Zum ersten Mal sah der Doc dem Hilfssheriff jetzt voll in die Augen. Es war ein hypnotischer Blick, den der junge Mann, ohne mit der Wimper zu zucken, ertrug. Slim erkannte, dass in dem kleinen missgestalteten Körper von Doc Amb Wade eine vitale Kraft und Lebenszähigkeit steckte, wie man sie nur selten in einem Menschen fand. Diese innere Kraft schien der Ausgleich für die Missgestalt des Mannes zu sein.

„Sag, dass du mich belogen hast, Rothaut!“, forderte Amb Wade wütend.

„Ich lüge nicht! Und nenne mich nie wieder eine Rothaut! Mein Vater hatte eine weiße Hautfarbe wie du. Nur einen Unterschied gab es ...“

„Und der wäre?“

„Dass es auch im Inneren meines Vaters hell war, Doc. Er wälzte keine düsteren Probleme.“ Amb Wade zuckte zusammen. Sein Gesicht verwandelte sich zu einer maskenhaften Fratze. Doch das dauerte nur einige Sekunden, dann hatte sich der kleine Alte wieder in der Gewalt und lachte blechern. Man sah deutlich, wie gut er sich zu beherrschen vermochte. Brüsk wandte er den beiden Männern den Rücken zu und ging ins Haus. Er warf die Tür hinter sich ins Schloss.

„Er ist ein Sonderling, Slim. Ich freue mich, dass du ihn so genommen hast, wie er es verdient.“

„Jim, er ist ein böser Mensch“, erwiderte Slim Bruce.

„Möglich, aber er kann niemanden schaden. Er ist sich selbst zur Last. Ein Mann, der keine Freunde hat, wird verbittert. Du siehst zu schwarz und urteilst zu hart, Slim.“

„Ich hasse ihn!“, sagte Slim tonlos.

„Junge, das ist Kraftverschwendung. Er ist ein Krüppel. Und Hass führt zu nichts.“

Slim Bruce gab keine Antwort. In seinen dunklen Augen lagen Schatten. Sicherlich nahm er es dem Doc übel, dass er ihn Rothaut genannt hatte. Jim Sutherland konnte seinem Partner nachfühlen, wie er dachte. Konflikte mit den weißen Menschen stellten ihn immer wieder vor neue Probleme. Menschen, die zwischen zwei Rassen standen, würden es immer schwer haben. Immer wieder würden sie auf Menschen stoßen, denen Toleranz ein unbekannter Begriff war. Sicherlich lag in der abwertenden Behandlung dieser Leute Mischlingen gegenüber mehr Dummheit und Arroganz als echte Absicht.

Jim Sutherland atmete auf, als sich Slim Bruce in Bewegung setzte und mit ihm zum Vogelkäfig- Saloon ging. Slim hatte den Gang eines Raubtieres. Er stakste nicht unbeholfen daher wie ein Cowboy.

Kein Mensch war auf der Mainstreet zu sehen. Je mehr sich die beiden Männer dem Saloon näherten, desto größer wurde ihre Aufmerksamkeit. Ihren Augen entging nichts. Über ihnen stand ein blauer wolkenloser Himmel. Sonnenlicht flutete auf die Mainstreet. Noch bevor die beiden um die Biegung der Straße kamen, hinter der der Vogelkäfig-Saloon lag, tauchte aus einer Toreinfahrt Hayde Egan auf. Das Mädchen schien ziemlich aufgeregt zu sein. Atemlos hielt Hayde vor den Männern an.

„Beruhigen Sie sich, Madam!“, wandte sich Jim an sie. „Was gibt es?“

„Das fragen ausgerechnet Sie, Jim?“, kam es erstaunt über ihre Lippen. Mit weit geöffneten Augen blickte sie Jim an. Sie schien seine Ruhe nicht zu begreifen. Sie konnte wohl nicht verstehen, dass Jim mit seinem Hilfssheriff daherkam, als befänden sich die beiden auf einem Spaziergang.

„Ist etwas mit John geschehen?“, forschte Jim, der sich nicht vorstellen konnte, dass sie seinetwegen gekommen sein könnte.

„Um John machen Sie sich keine Sorgen, Jim!“, platzte sie heraus.

„Hat er keine Schwierigkeiten? Hat Terrific ihm nicht zugesetzt?“

„Jim, denken Sie nicht immer an andere, denken Sie an sich!“, erwiderte sie, aufgebracht über sein Nichtbegreifen. „John spielt sich hin und wieder auf und täuscht den Leuten den großen und starken Mann vor, der es wagt, sich gegen Terrific zu stellen. Das ist nur ein abgekartetes Spiel. Terrific würde dieses Spiel nur so lange mitmachen, solange er sich eine Chance bei mir ausrechnet. Aber das ist vorbei.“

„Was ist vorbei, Madam?“

„Jim, stellen Sie sich nicht dümmer als Sie sind“, erwiderte Hayde hastig. „Bevor Terrific Ihnen mit seinen Leuten zum Mietstall folgte, war er in der Schmiede. Es gab einen schlimmen Auftritt. Ich habe Terrific geohrfeigt und ihn wissen lassen, dass er aus meiner Nähe bleiben soll. Ich konnte seine plumpen Annäherungsversuche nicht länger ertragen, Jim.“

Jim sah Hayde fest an. Sein Herz schlug schneller. Das Mädchen hatte sich bezaubernd gekleidet.

„Wenn Sie sich so feiertagsmäßig kleiden, ist es kein Wunder, wenn ein Mann aufdringlich wird, Madam. Terrific hielt das wohl für eine Aufforderung. Sie waren unvorsichtig, Madam.“

Die Veränderung, die mit Hayde vorging, ließ Jim abbrechen. Sie blickte ihn an, als begreife sie ihn nicht mehr.

„Oh, Jim“, hörte er sie sagen, „ich kleidete mich Ihretwegen so, Ihretwegen kaufte ich das Kleid. Sie sollten mich einmal bewusst ansehen und sollten endlich einmal mit mir sprechen. Ich tat es nicht für Terrific, Jim. Ich habe diesen Saloonbesitzer nie leiden mögen. — Sie sollten auf mich aufmerksam werden, aber Sie sind wie ein Eisblock. Was sind Sie nur für ein Mensch, Jim!“

Haydes Augen flammten ihn an. Er wurde unsicher und begriff jäh, dass es nur an ihm gelegen hatte, dass er dem Mädchen bis jetzt noch nicht nähergekommen war. Er hatte es einfach nicht gewagt. Seine Stimme war rau, als er sagte: „Und warum wollten Sie mit mir sprechen, Madam?“

Ein trauriges Lächeln lag auf ihrem Mund.

„Ich wollte Sie bitten, das Land zu verlassen, Jim. Jetzt können Sie noch umkehren. Terrifics Leute lauern auf Sie und Ihren Hilfssheriff.“

„Nur deshalb kamen Sie, Madam, nur deshalb?“, kam es heiser von seinen Lippen. Er begriff nicht, dass das Mädchen im Beisein eines anderen nicht die Wahrheit sagen konnte, dass es als Frau einem Mann nicht seine Zuneigung offenbaren konnte. Der Mann musste selbst herausfinden, wenn er geliebt wurde. Jim Sutherland hatte zu wenig Erfahrung, um das zu wissen. Er hielt den dunklen Blick ihrer Augen nur für Mitleid.

„Tut mir leid, Madam, Sie haben sich vergeblich bemüht. Kehren Sie zu John zurück und sagen Sie ihm, dass er sich nicht in meine Angelegenheiten mischen soll.“

»Jim!“ Hayde Egan sprach seinen Namen so aus, als hätte er ihr einen Schlag mitten ins Gesicht gegeben.

„Wollen Sie mir noch etwas sagen, Madam?“, fragte er sie und mühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. Irgendwo in einem Winkel seines Herzens spürte er eine Unruhe aufsteigen, die ihn unsicher machte und ihm sagte, dass er sich falsch benahm; mehr noch, dass er dabei war, eine Riesendummheit zu begehen.

„John hat damit nichts zu schaffen“, erwiderte Hayde. „Ich handelte aus eigenem Antrieb. Terrific ist zu mächtig, er wird Sie gnadenlos jagen, Jim. Ich möchte, dass Sie am Leben bleiben. Es gibt andere Orte, wo man in Frieden leben kann. Dorthin sollten Sie gehen.“

„Nein, ich laufe nicht davon, ich bleibe.“

„Und wenn ich mit Ihnen gehen würde, Jim?“, sagte Hayde mit einer Stimme, aus der die Verzweiflung herauszuhören war. „Vor einer Woche wurde ich volljährig. Ich bin für mich selbst verantwortlich, mein Halbbruder könnte mich nicht mehr zurückhalten. John und ich haben uns nie gut verstanden. Ich möchte mein eigenes Leben führen, Jim.“

„Ich soll Ihnen dabei behilflich sein, von hier fortzukommen, Madam?“

„Ich verachte John, Jim! Ich durchschaue ihn seit heute richtig. Als Terrific zudringlich wurde, rührte er keinen Finger, um ihn zu strafen. John hatte Angst vor Terrifics Begleitern. Seine Angst verleitete ihn dazu zu sagen, dass Terrific der richtige Mann für mich wäre. Ich suche mir aber meinen Lebensgefährten selbst aus, Jim. Ich weiß, dass ich den richtigen selbst finden werde. Ich lasse mir niemanden aufzwingen!“

Jim konnte nicht antworten. Das Schweigen wurde peinlich.

„Sie wollen nicht mit mir fliehen, Jim?“, fragte Hayde, als sie keine Antwort bekam. „Sie mögen mich nicht, Sie verachten mich?“

„Madam!“, keuchte Jim, „ich verachte Sie nicht, im Gegenteil, ich ...“ Er brach ab. Er konnte es ihr nicht sagen, dass er sie liebte, dass er es nicht ertragen würde, sie von hier fortzubringen, damit sie in einem anderen Land den Lebensgefährten finden könne. Er glaubte nicht anders, als dass sie ihn für den Rettungsanker ansah, der ihr in der jetzigen Lage Hilfe bringen könnte. Auf den Gedanken, dass sie ihn liebte, kam er nicht. Die Bitterkeit in ihm wuchs und ließ nicht erkennen, wie es wirklich um ihn stand. So redeten sie aneinander vorbei.

„Jim!“, flehte sie. „Gehen Sie nicht weiter, kehren Sie um!“

„Es ist zu spät“, erwiderte er bitter, „ich kann nicht mehr zurück!“

„Sie werden sterben, Jim!“

„Es wird niemanden geben, der um mich weint“, erwiderte er rau. „Einmal müssen wir alle sterben, da kommt es auf ein paar Jahre früher nicht an.“ Jim sagte nicht, dass es nicht nur das Pflichtgefühl war, das ihn antrieb, nicht, dass er jetzt wusste, dass Terrific mit Ken Maker Verbindung hatte, mit dem Mann, der seinen Bruder Brod ermordete. Er konnte von diesen Dingen nicht zu ihr sprechen. Ein schneller Blick überzeugte ihn davon, dass Slim Bruce taktvoll zurückgetreten war, so dass er kaum etwas von dem Gespräch hören konnte.

„Tut mir leid, Madam, ich kann Ihnen nicht dienlich sein. Ich kann Sie jetzt nicht von hier fortbringen. — Warum setzen Sie sich nicht in eine Postkutsche? Auf der Reise wird sich bestimmt jemand finden, der den Kavalier spielt und Ihnen behilflich ist. Ein Mädchen wie Sie dürfte eine große Auswahl haben. Aber wählen Sie gut, Madam, mancher Schuft hat eine glatte Maske.“

„Oh, Jim, ich werde nicht fahren, ich werde keine Postkutsche benutzen! Ich bleibe hier in Danstone und werde für Sie beten!“ Hastig wandte sich das Mädchen ab und lief wie gehetzt davon. Verblüfft schaute ihr Jim nach, bis sie seinen Blicken entschwunden war.

„Jim“, meldete sich Slim Bruce, „wie alt bist du eigentlich?“

„Was soll diese Frage?“, fauchte Jim ihn böse an.

 

„Ich kann nichts dafür, dass ich scharfe Ohren habe und einen Teil der Unterhaltung mitbekam, Jim. Du hast eben ein Mädchen tief gekränkt, das nicht offener hätte sein können. Warum hast du es nicht hören und begreifen wollen? Hayde Egan ist sehr schön, Jim, sie hat sehr viel Mut bewiesen. Es muss sie sehr viel Überwindung gekostet haben, zu kommen und diese Dinge zu sagen. Sie hat ein Herz und gehört wohl zu den Frauen, die nur einmal lieben. Du wirst nicht wieder solche Fehler machen dürfen wie eben, Jim.“

„Himmel, was redest du da, Slim?“ Überrascht schaute er seinen jungen Partner an.

„Es ist nicht zu fassen“, erwiderte der. „Du hast es wirklich nicht verstanden! Und ich nahm an, dass du hartherzig bist. Ich hielt dich für einen Frauenfeind. By gosh, du kannst mir jetzt beinahe leid tun.“

„Ich dir leid tun?“, murmelte Jim und spürte, wie ihm das Blut zu Kopf stieg und wie seine Wangen brannten. „Willst du damit sagen, dass du dir keinen bösen Scherz mit mir erlauben wolltest?“

„Ich würde mir keine Scherze dir gegenüber erlauben, Jim“, sagte Bruce rau. „Ich kann hören und sehen, und ich bin ohne Vorurteile. Ich sage dir, Jim, Hayde Egan liebt dich, so wie eine Frau nur einmal einen Mann lieben kann. Du hast das allem Anschein nach nicht einmal bemerkt.“

Jim Sutherland stand starr da. Er atmete schwer. Einen Moment lang war ihm schwindlig. Er hatte das Gefühl, sich setzen zu müssen. Sein Herz pochte dumpf und schwer, so als wollte es die Rippenwandung sprengen. Seine Verwirrung war groß. Schließlich dämmerte ihm die Erkenntnis, dass er sich wie ein Narr benommen hatte, dass er sich in der von ihm herbeigesehnten Begegnung wie ein Tölpel auf geführt hatte. Er hatte wie ein dummer Junge gehandelt. Jetzt machte er eine Bewegung, als wollte er hinter Hayde her rennen.

„Das wäre verkehrt, Jim“, sagte Bruce. „Wenn du jetzt zu ihr gehen würdest, könntest du alles zerstören. Lass sie sich erst einmal ausweinen.“

„Du lieber Himmel, Slim! Wie sprichst du mit mir?“

„Wie ein Freund sprechen würde“, erwiderte der junge Partner fest. „Ich spreche wie ein Mann, der nicht wünscht, dass der Freund um sein Glück kommt. Ich bin es dir schuldig, Jim. Du hast mir geholfen, und jetzt helfe ich dir. So gleicht sich alles im Leben wohl einmal aus.“

Jim Sutherland antwortete nicht. Er begriff jetzt, dass der Partner ein größeres Wissen in sich trug, als viele andere Männer. Slim war feinfühlig und gefühlsstark, er konnte sich in die Gedanken anderer versetzen.

„Was rätst du mir, Slim?“, fragte Jim.

„Es kommt alles von selbst in Ordnung, Jim“, meinte Bruce. „Du wirst sehen, dass sich alles wieder einrenkt. Die Zeit tut mehr, als wir ahnen. — Gehen wir jetzt weiter, oder ...“

„Oder was, Slim?“

„Es wäre ja jetzt immerhin möglich, dass du umkehren möchtest. Hayde Egan hat dir ein Angebot gemacht.“

„Dennoch muss ich meinen Weg zu Ende gehen, Slim. Dieser Weg wird aber jetzt schwerer zu gehen sein, als ich dachte.“