Kleine Sünden

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Aus der Reihe: Kleine Sünden #2
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  Kleine Sünden: Der Sexchat

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Kleine Sünden: Der Sexchat

Mittwoch. Verdammt. Warum habe ich nicht schon vorher daran gedacht? Ich hätte länger bei der Arbeit bleiben oder nach der Arbeit noch ein Bier trinken können. Stattdessen gerate ich mitten in den üblichen Marathon auf einem unserer großartigen Privatsender: zuerst zwei Stunden, in denen sich ein Haufen aus Modekarteien gecasteter blonder Zicken um einen ebenso aus einer Modekartei gelosten Schönling schlagen. Und als wäre das noch nicht Folter genug, gibt es danach eine weitere Stunde, in der sich zehn Wannabe-Prominente, deren Namen ich noch nie gehört habe und deren Namen ich vermutlich auch nie wieder hören werde, einen Campingplatz teilen und sich von einem nervigen Moderatorenduo beleidigen lassen müssen. Super! Ein Traum, der in Erfüllung geht.

Zum Glück habe ich ein Notebook und einen Kopfhörer. Nach kurzem Smalltalk schalte meinen Rechner ein und verabschiede mich aus der realen Welt. Vor einiger Zeit, als es mit dem Sex bei uns noch besser lief und wir noch etwas experimentierfreudiger waren, hatten wir uns als Paar in einem Erotikforum angemeldet. Wir hatten damals versucht, ein Paar zu finden, mit dem wir uns über unsere Fantasien austauschen wollten und das wir vielleicht auch mal für ein gemeinsames Erlebnis zu viert treffen wollten. Leider ging dieser Wunsch nie in Erfüllung, da die Paare, die uns schrieben, sich meistens als einzelne, notgeile Männer entpuppten, und wir irgendwann genervt aufgaben. Als unser Sexleben mit der Zeit weniger aufregend wurde und abends immer häufiger nur noch der Fernseher lief, beschloss ich jedoch, unser Profil nicht zu löschen, sondern für mein Kopfkino zu nutzen. Immer häufiger war ich abends im Chatraum zu Gast, während meine Frau sich mit den seelenlosen Abendsendungen privater Fernsehkanäle vom Alltag ablenkte.

Und so soll es wohl auch heute wieder sein. Der Rechner fährt hoch und fragt mich nach meinem Passwort. Nach alter Gewohnheit öffne ich zuerst mein E-Mail-Programm, bin aber nicht weiter überrascht, als ich dort nur Werbung und die üblichen Newsletter finde. Alles klar. Also dann: Browser öffnen und die URL eingeben. Auch dies geschieht mittlerweile vollkommen reflexartig. Genau diese Eingaben tätige ich in genau dieser Reihenfolge eigentlich viel zu häufig. Wie fast jeden Abend ärgere ich mich kurz und schaue dabei meine Frau an, die geistesabwesend auf den Bildschirm starrt und einen von 10 Blondinen umgebenen Mann anhimmelt. Was dort geredet wird höre ich schon gar nicht mehr. In meinen Ohren tönt ruhiger Jazz, der für zusätzliche Entspannung sorgen soll.

Das Erotikforum fragt mich nach meinem Benutzernamen und meinem Passwort und endlich bin ich drin. Ein weiterer Klick mit der Maus und das Fenster des Chatraums öffnet sich auf meinem Bildschirm. Während ich auf die Verbindung warte, checke ich wie üblich das Forum nach neuen Einträgen, die mir gefallen könnten. Aber außer den üblichen Kontaktwünschen und ein paar schlecht geschriebenen erotischen Geschichten hat sich seit gestern Abend leider nichts neues ergeben. So muss ich meine Unterhaltung für den Abend endgültig selbst in die Hand nehmen.

Ich wechsle zurück in das Chat-Fenster und lese die ersten Nachrichten. DreamboyXXL schreibt: „Welcher Mann stellt mir seine geile Dreilochstute zur Verfügung?“ Die üblichen Wünsche, die hier im Minutentakt in der Anonymität des Internets ganz ungeniert in den Raum geblasen werden. Ich frage mich, ob diese Männer ihre Wünsche in einem Club oder einem Café genauso offensiv an den Mann bzw. die Frau bringen? Und natürlich möchte ich auch zu gerne wissen, ob DreamboyXXL und all eine Kollegen auf diese so direkt formulierten Anfragen jemals ernst gemeinte Antworten erhalten. Noch während ich belustigt diesen Gedanken nachhänge, startet DreamboyXXL die nächste Offensive, um seine Vorzüge herauszustellen: „Stelle einen XXL-Schwanz zur Verfügung, 23x7, deine Frau wird nie wieder einen anderen wollen, wenn ich mit ihr fertig bin.“ Tatsächlich lässt er ein Foto folgen. Alles klar. Wenn das sein eigenes Gemächt ist, dann ist er wirklich nicht schlecht bestückt. Aber ob das wirklich seiner Größenangabe entspricht, ist höchst zweifelhaft.

Zwischendurch versuchen auch andere Männer ihr Glück: „Welche Frau lässt mich zu ihren geilen Bildern wichsen? Vollgespritzter Beweis wird zurück geschickt!“ möchte Hans1964 die Damenwelt von sich überzeugen, während DreamboyXXL endlich eine Antwort erhält. Fotzenlecker58 lässt ihn wissen: „Meine Ehehure ist fast immer läufig.“

Passiv lese ich mit, warte einfach nur, was auf mich zukommt, bis ich schließlich angesprochen werde. „Hey, wie geht's?“ Eine ganz einfache Frage, doch bevor ich antworte, sehe ich mir zuerst das Profil des Absenders an. Ein Foto gibt es nicht. Und was ChrisHH über sich schreibt ist nicht total überzeugend, aber immerhin ok. Chris ist ein leicht übergewichtiger Mittvierziger aus Hamburg, dessen erotische Interessen sich, bis auf einige Kleinigkeiten, mit den Meinen decken. Meine Erfahrung sagt mir, es könnte deutlich schlimmer sein.