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Die beiden Dianen

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Wäre der König noch darauf gesessen, so würde ihn gerade dieses plötzliche Anhalten in den Abgrund gestürzt haben.

Nachdem er gegen Gott, der ihn so offenbar beschützt, ein glühendes Dankgebet erhoben, nachdem er sein Pferd eingeholt, beruhigt und wieder bestiegen hatte, war es der erste Gedanke von Heinrich, voll Zorn auf den Unbekannten zuzureiten, der ihn ohne die göttliche Vermittlung so feige hätte zu Grunde gehen lassen.

Der Unbekannte war stets unbeweglich unter den Falten seines Mantels an demselben Platze geblieben.

»Elender!« rief ihm der König zu, als er nahe genug war, um von ihm gehört zu werden, »hast Du meine Gefahr nicht gesehen? Hast Du mich nicht erkannt, Königsmörder? Und wenn er auch nicht Dein König gewesen wäre, mußtest Du nicht jeden Menschen in einer solchen Gefahr retten, da Du zu diesem Ende nur Deinen Arm auszustrecken hattest?«

Der Mann rührte sich nicht, antwortete nicht; er hob nur ein wenig seinen Kopf in die Höhe, den sein breiter Filzhut vor den Augen von Heinrich verbarg.

Der König bebte, als er das bleiche, düstere Antlitz von Gabriel erkannte. Er verstummte, beugte die Stirne, und murmelte nur noch:

»Der Graf von Montgommery! dann habe ich nichts mehr zu sagen.«

Und ohne ein Wort beizufügen, gab er seinem Pferde die Sporen, und kehrte im Galopp in den Wald zurück.

»Er würde mich nicht tödten,« sagte er von einem tödtlichen Schauer ergriffen, »doch es scheint, er würde mich sterben lassen.«

Gabriel, der allein geblieben, wiederholte mit einem finsteren Lächeln:

»Ich fühle, daß meine Beute mir entgegenkommt und daß die Stunde naht.«

VIII.
Zwischen zwei Pflichten

Die Heirathsverträge von Elisabeth und von Margarethe von Frankreich sollten am 28. Juni im Louvre unterzeichnet werden. Der König war schon am 25.sten trauriger und unruhiger als je nach Paris zurückgekehrt.

Seit der letzten Erscheinung von Gabriel besonders war sein Leben eine Marter geworden. Er floh die Einsamkeit und wollte beständig Zerstreuungen von dem finsteren Gedanken haben, von dem er so zu sagen besessen war.

Er hatte auch von diesem zweiten Zusammentreffen mit Niemand gesprochen; doch er fühlte in seinem Innern zugleich ein Verlangen und eine Furcht, sich gegen eine ergebene und treue Seele darüber zu ergießen. Denn er selbst wußte nicht mehr, was er glauben und beschließen sollte: dadurch, daß er ihm so viel in’s Gesicht geschaut, hatte sich der traurige Gedanke in seinem Geiste völlig verwirrt.

Endlich faßte er den Entschluß, sich Diana von Castro zu eröffnen.

Diana hatte sicherlich Gabriel wiedergesehen; von ihr kam der junge Graf ohne allen Zweifel, als er ihm zum ersten Male begegnete. Sie konnte, sie mußte ihrem Vater entweder über diesen Punkt beruhigen, oder ihn warnen. Und trotz der bitteren Zweifel, von denen er unablässig heimgesucht war, glaubte Heinrich seine vielgeliebte Tochter nicht schuldig oder mitschuldig an einem Verrat.

Ein geheimer Instinkt schien ihm kundzugeben, daß Diana nicht minder unruhig war, als er. Kannte Frau von Castro einerseits das zweimalige seltsame Zusammentreffen nicht, das schon zwischen den Geschicken von König Heinrich und Gabriel stattgefunden hatte, so wußte sie andererseits auch nicht, was aus dem letzteren seit einigen Tagen geworden war. André, den sie mehrere Male in das Hotel der Rue des Jardins-Saint-Paul geschickt hatte, um dort Erkundigungen einzuziehen, hatte keine Nachrichten zurückgebracht. Gabriel war abermals aus Paris verschwunden. Wir haben ihn auf dem Wege des Königs in Fontainebleau gesehen.

Am Nachmittag des 26. Juni war Diana allein und ganz nachdenkend in ihrem Zimmer. Eine von ihren Frauen lief hastig herbei und meldete ihr den Besuch des Königs.

Der König war ernst, wie gewöhnlich. Nach den ersten Begrüßungen ging er plötzlich zur Sache selbst über, als wollte er sich sogleich seiner lästigen Sorgen entschlagen.

»Meine liebe Diana,« sagte er, indem er seine Augen in die Augen seiner Tochter tauchte, »wir haben seit geraumer Zeit nicht mehr mit einander über den Vicomte d’Ermès gesprochen, der nun den Titel eines Grafen von Montgommery angenommen hat. Habt Ihr ihn lange nicht gesehen?«

Bei dem Namen Gabriel erbleichte und zitterte Diana. Doch sie faßte sich so gut als möglich und antwortete:

»Sire, ich habe den Herrn Vicomte d’Ermès seit meiner Rückkehr von Calais ein einziges Mal gesehen.«

»Und wo habt Ihr ihn gesehen, Diana?« fragte der König.

»Hier, im Louvre, Sire.«

»Vor etwa vierzehn Tagen, nicht wahr!«

»In der That, Sire, es mögen ungefähr vierzehn Tage sein,« erwiderte Frau von Castro.

»Ich vermuthete es,« sprach der König und machte dann eine Pause, als wollte er seine neuen Gedanken fester in’s Auge fassen.

Diana schaute ihn aufmerksam und ängstlich an und suchte den Beweggrund dieser unerwarteten Fragen zu errathen. Doch das ernste Gesicht ihres Vaters schien ihr undurchdringlich, und ihren ganzen Muth zusammenraffend sagte sie:

»Sire, entschuldigt mich, darf ich mir die Freiheit nehmen, meinerseits Eure Majestät zu fragen, warum sie nach dem langen Stillschweigen, das sie in Beziehung auf denjenigen, welcher mich in Calais von der Schande rettete, beobachtet hat, mir heute die Ehre dieses Besuchs erweist, bei dem es, wie ich. mir einbilde, Absicht ist, mich über ihn zu hören?«

»Ihr wünscht es zu wissen, Diana?«

»Sire, ich bin so kühn.«

»Es sei, Ihr sollt Alles erfahren, und ich wünsche, daß mein Vertrauen das Eurige hervorrufen möge. Ihr habt mir oft gesagt, Ihr liebet mich, mein Kind?«

»Ich habe es gesagt und ich wiederhole es,« rief Diana. »Ich liebe Euch als meinen König, als meinen Wohlthäter, als meinen Vater.«

»Ich kann also Alles meiner zärtlichen und redlichen Tochter enthüllen,« sprach der König, »hört mich wohl, Diana.«

»Ich höre Euch mit meiner ganzen Seele.«

Heinrich erzählte nun sein zweimaliges Zusammentreffen mit Gabriel: das erste Mal in der Gallerie des Louvre, das zweite Mal im Walde von Fontainebleau. Er sagte Diana, welche seltsame Haltung stummer Rebellion der junge Mann beobachtet, wie er das erste Mal seinen König nicht habe grüßen, wie er ihn das zweite Mal nicht habe retten wollen.

Und bei dieser Erzählung vermochte Diana ihre Traurigkeit und ihre Angst nicht zu verbergen. Das Zusammentreffen zwischen Gabriel und dem König, das sie so sehr fürchtete, hatte schon bei zwei Gelegenheiten stattgefunden und konnte sich noch gefährlicher und furchtbarer erneuern.

Ohne daß er die Erschütterung seiner Tochter zu bemerken schien, schloß Heinrich mit folgenden Worten:

»Nicht wahr, das sind schwere Beleidigungen, Diana? Es sind beinahe Majestätsverbrechen! Und dennoch habe ich alle diese Beleidigungen und meinen Groll verborgen, weil dieser junge Mann zur Zeit meinetwegen gelitten hat, trotz der ruhmwürdigen Dienste, die er meinem Reich geleistet, und wofür er allerdings einen bessern Lohn erwarten durfte . . .«

Und seinen durchdringenden Blick auf Diana heftend, fügte der König bei:

»Ich weiß nicht, ich will nicht wissen, ob Ihr mein Unrecht gegen Herrn d’Ermès kennt; Ihr sollt nur erfahren, daß mir mein Stillschweigen durch das Gefühl dieses Unrechts und durch die Reue hierüber vorgeschrieben worden ist . . . Doch ist dieses Stillschweigen nicht auch unklug? . . . Weissagen diese Beleidigungen nicht auch noch andere, viel ernstere? Muß ich nicht endlich auf Herrn d’Ermès aufmerksam sein? Hierüber wollte ich mich freundschaftlich mit Euch berathen, Diana.«

»Ich danke Euch für dieses Vertrauen, Sire,« antwortete mit schmerzlichem Tone Frau von Castro, die sich so zwischen die Pflichten von zwei Zuneigungen gestellt sah.

»Dieses Vertrauen ist ganz natürlich, Diana,« erwiderte der König. »Doch nun sprecht!« fügte er bei als er sah, daß seine Tochter zögerte.

»Sire,« sagte Diana mit einer gewissen Anstrengung, »ich glaube, Eure Majestät hat Recht . . . und sie wird vielleicht weise handeln, wenn sie auf Herrn d’Ermès . . . aufmerksam ist.«

»Denkt Ihr, mein Leben sei in Gefahr, Diana.«

»Oh! ich sage das nicht, Sire,« rief Diana lebhaft, »doch Herr d’Ermès scheint tief verletzt worden zu sein, und man kann befürchten . . .«

Die arme Diana hielt ganz zitternd und die Stirne in Schweiß gebadet inne. Ihre letzten Worte welche eine ihr durch den moralischen Zwang entrissene Art von Anzeige enthielten, widerstrebten ihrem edlen Herzen.

Doch Heinrich deutete ihr Leiden auf eine ganz andere Weise und sprach, indem er aufstand und mit großen Schritten im Zimmer auf- und abging:

»Ich verstehe Euch, Diana! Ja, ich ahnte es; Ihr seht, ich muß dem jungen Mann mißtrauen . . . Doch unabläßig mit diesem Schwerte des Damokles über meinem Haupte leben, das ist unmöglich. Die Könige haben andere Verpflichtungen, als die gewöhnlichen Edelleute. Ich werde Anstalten treffen, daß man sich des Herrn d’Ermès versichert.«

Und er machte einen Schritt, als wollte er hinausgehen, doch Diana warf sich ihm entgegen.

Wie! Gabriel sollte angeklagt, vielleicht zum Gefangenen gemacht werden! und sie, Diana wäre es, die ihn verrathen hätte! Sie konnte diesen Gedanken nicht ertragen. Im Ganzen waren die Worte von Gabriel nicht so bedrohlich gewesen.

»Sire, einen Augenblick!« rief sie. »Ihr täuscht Euch, ich schwöre Euch, Ihr täuscht Euch! Ich habe entfernt nicht gesagt, es sei eine Gefahr für Euer zweimal geheiligtes Haupt vorhanden. Nichts konnte mich in den Geständnissen und Mittheilungen von Herrn d’Ermès den Gedanken an ein solches Verbrechen vermuthen lassen. Großer Gott! hätte ich Euch sonst nicht Alles geoffenbart?«

»Das ist richtig,« sprach Heinrich stillestehend. »Doch was wolltet Ihr dann sagen, Diana?«

»Ich wollte nur sagen, Sire, Eure Majestät würde wohl daran thun, so viel als möglich ein solches ärgerliches Zusammentreffen zu vermeiden, wobei ein beleidigter Unterthan die seinem König schuldige Ehrfurcht vergessen könnte. Doch von einer Verletzung der Ehrfurcht bis zu einem Königsmord ist es weit, Sire. Sire, wäre es Eurer würdig, ein erstes Unrecht durch eine andere Unbilligkeit wieder gut zu machen?«

 

»Nein, das war gewiß nicht meine Absicht; zum Beweise mag dienen, daß ich geschwiegen habe, und da Ihr meinen Verdacht zerstreut, Diana, da Ihr Euch für meine Sicherheit vor Gott und Eurem Gewissen verantwortlich macht, da ich Eurer Ansicht nach ruhig sein kann . . .«

»Ruhig sein!« unterbrach ihn Diana schauernd. »Ich habe mich nicht so weit ausgesprochen, Sire. Mit welch einer furchtbaren Verantwortlichkeit belastet Ihr mich! Eure Majestät müßte im Gegentheil wachen, auf Ihrer Hut sein.«

»Nein,« sprach der König, »ich kann nicht immer fürchten, nicht immer zittern! Seit zwei Wochen lebe ich nicht mehr. Entweder das Eine oder das Andere: entweder überlasse ich mich, auf Euer Wort bauend, ruhig meinem Schicksal und meinem Leben, denke an mein Königreich und nicht an meinen Feind, beschäftige mich gar nicht mehr mit dem Vicomte d’Ermès; oder ich setze den Mann, der mich haßt, außer Stand, mir zu schaden, zeige seine Beleidigungen dem zuständigen Richter an und überlasse, zu hoch gestellt und zu stolzen Gemüthes, um mich selbst zu vertheidigen, die Sorge denjenigen, deren Pflicht es ist, meine Person zu wahren.«

»Wer sind diese Menschen, Sire?« fragte Diana.

»Einmal Herr von Montmorency, der Connétable und Chef des Heeres.«

»Herr von Montmorency!« wiederholte Diana schauernd.

Der verhaßte Name von Montmorency erinnerte sie an alles Unglück des Vaters von Gabriel, an seine lange und harte Gefangenschaft und an seinen Tod. Wenn Gabriel ebenfalls in die Hände des Connétable fiel, so war ihm dasselbe Schicksal vorbehalten, er war verloren!

Diana sah vor den Augen ihres Geistes denjenigen, welchen sie so sehr geliebt, in einen luftlosen Kerker versenkt, dort sterbend in einer Nacht, oder, was noch viel schrecklicher! in zwanzig Jahren und im Sterben derjenigen fluchen, die ihn aus einige ungewisse, zweideutige Worte preisgegeben hätte.

Nichts bewies, daß die Rache von Gabriel den König erreichen konnte oder wollte; aber es war gewiß, daß der Groll von Montmorency Gabriel nicht schonen würde.

In einigen Secunden stellte sich Diana dies Alles in ihrem Geiste vor; und als der König, sie schärfer fragend, fortfuhr:

»Nun, Diana, welchen Rath gebt Ihr mir? Da Ihr besser als ich die Gefahren muthmaßen könnt, denen ich preisgegeben bin, so wird Euer Wort Gesetz für mich sein. Soll ich mich nicht mehr um Herrn d’Ermès kümmern, oder soll ich mich im Gegentheil um ihn kümmern?«

Da antwortete Diana, welche der Ausdruck dieser letzten Worte des Königs erschreckt:

»Sire, ich habe Eurer Majestät keinen andern Rath zu geben, als den Eures Gewissens. Wenn irgend ein anderer durch Euch beleidigter Mensch die Achtung gegen Euch auf Eurem Wege verletzt, oder Euch verrätherischer Weise Eurer Gefahr überlassen hätte, so hättet Ihr mich nicht um Rath gefragt, denke ich, um eine gerechte Strafe über den Schuldigen zu verhängen. Ein gebieterischer Beweggrund hat Eure Majestät zu dem Stillschweigen der Verzeihung veranlaßt, und ich sehe nun keinen Grund, warum sie aufhören soll, so zu handeln, wie sie es zu thun angefangen. Denn Herr d’Ermès, wenn der Gedanke eines Verbrechens ihm hätte kommen können, dürfte, wie mir scheint, nicht zwei bessere Gelegenheiten abwarten, als die, welche sich, ihm in einer einsamen Gallerie des Louvre und im Walde von Fontainebleu, am Rande eines Absturzes, geboten haben . . .«

»Das genügt, Diana, und ich verlangte nichts Anderes von Euch. Ihr habt eine große Sorge in meinem Innern getilgt, wofür ich Euch danke, mein liebes Kind. Sprechen wir nicht mehr hiervon. Ich werde nun in voller Freiheit an unsere Hochzeitsfeierlichkeiten denken können. Sie sollen glänzend werden, und auch Ihr sollt glänzend sein, Diana, hört Ihr?«

»Eure Majestät entschuldigt mich,« sprach Diana, »ich wollte sie gerade um Erlaubniß bitten, nicht bei diesen Freudenfesten erscheinen zu dürfen. Ich muß gestehen, es wäre mir lieber, in meiner Einsamkeit bleiben zu dürfen.«

»Wie!« rief der König, »wißt Ihr nicht, Diana, daß ein ganz königliches Fest stattfinden soll? Es wird die schönsten Spiele und Turniere der Welt geben, und ich selbst werde einer von den Kämpfenden sein. Was kann Euch von den herrlichen Spielen entfernt halten, meine vielgeliebte Tochter?«

»Sire, ich habe zu beten . . .« antwortete Diana mit ernstem Tone.

Einige Minuten nachher verließ der König Frau von Castro, die Seele erleichtert von einem Theil seiner Angst.

Doch diese Angst, er ließ sie ganz und gar in dem Herzen der armen Diana zurück.

IX.
Vorzeichen

Von der Unruhe, die ihn so traurig gemacht, beinahe befreit, betrieb nunmehr der König mit seiner ganzen Thätigkeit die Vorbereitungen zu den prachtvollen Festen, die er bei Gelegenheit der glücklichen Vermählung seiner Tochter Elisabeth mit Philipp II. und seiner Schwester Margarethe mit dem Herzog von Savoyen geben wollte.

In der That, sehr glückliche Heirathen, welche es wohl verdienten, daß man sie mit so vielen Lustbarkeiten feierte! Der Dichter von Don Carlos hat es so, daß man es nicht zu wiederholen braucht, gesagt, worauf die erste auslief.

Der Heirathsvertrag von Philibert Emanuel mit der Prinzessin Margarethe von Frankreich sollte am 28. Juni unterzeichnet werden.

Heinrich ließ verkündigen, am 28. und an den folgenden Tagen wäre in den Tournelles offene Bahn für Tourniere und andere Ritterspiele.

Und unter dem Vorwand, die zwei Bräutigame mehr zu ehren, in Wirklichkeit aber in der Absicht, seinen eigenen leidenschaftlichen Geschmack für ein solches Lanzenbrechen zu befriedigen, erklärte der König, er würde selbst unter der Zahl der Kämpfenden sein.

Doch am Morgen des 28. Juni ließ die Königin Catharina von Medicis, welche in jener Zeit ihrer Zurückgezogenheit nur sehr selten ausging, den König dringend um eine Unterredung bitten.

Heinrich entsprach, wie sich dies von selbst versteht, sogleich diesem Wunsch seiner Frau und seiner Dame.

Catharina trat ganz bewegt in das Zimmer des Königs und rief, sobald sie ihn sah:

»Ah! theurer Sire, im Namen Jesu beschwöre ich Euch, verlaßt bis zum Ende dieses Monats Juni den Louvre nicht.«

»Und warum dies Madame?« fragte Heinrich ganz erstaunt über den ungestümen Anfang.

»Sire, es muß Euch in diesen Tagen ein Unglück widerfahren.«

»Wer hat Euch das gesagt?« fragte der König.

»Euer Gestirn, Sire, an dem ich in dieser Nacht mit meinem italienischen Astrologen die drohendsten Zeichen einer Gefahr, einer Todesgefahr beobachtet habe.«

Man muß wissen, daß Catharina von Medicis schon damals sich der Praktik der Magie und Astrologie hingab, die ihr, wenn man den Denkwürdigkeiten jener Zeit glauben darf, im Verlaufe ihres Lebens nur selten logen.

Doch Heinrich II. war sehr ungläubig in Beziehung auf Gestirne, und er antwortete der Königin lachend:

»Ei! Madame, wenn mein Gestirn eine Gefahr verkündigt, so wird mich diese Gefahr eben so gut hier, als auswärts erreichen.«

»Nein, Sire,« entgegnete Catharina, »unter dem Himmel und in freier Luft erwartet Euch die Gefahr.«

»Wahrhaftig! So ist es vielleicht ein Windstoß?«

»Sire, scherzt nicht über solche Dinge. Die Sterne sind das geschriebene Wort Gottes.«

»Dann muß man zugestehen,« sprach Heinrich, »daß die göttliche Schrift im Allgemeinen sehr dunkel und sehr vernebelt ist.«

»Wie so, Sire?«

»Die Durchstriche machen den Text unverständlich, so daß Jeder daraus entziffern kann, was er will. Nicht wahr, Ihr habt in dem göttlichen Zauberbuch gesehen, ich sei bedroht, wenn ich den Louvre verlasse?«

»Ja, Sire.«

»Nun wohl! Forcatel hat im vergangenen Monat etwas Anderes darin gesehen. Ich glaube, Ihr schätzt Forcatel?«

»Ja,« antwortete die Königin, »er ist ein gelehrter Mann, der da schon liest, wo wir nur buchstabieren.«

»Erfahrt also, Madame, daß Forcatel in Euren Gestirnen den schonen Vers gelesen hat, dessen einziger Mangel die Unverständlichkeit ist:

 
»Ist es nicht Mars, so fürchtet Euch vor seinem Bild.«
 

»In welcher Hinsicht schwächt diese Weissagung diejenige, welche ich Euch bringe?« fragte Catharina.

»Wartet, Madame: Ich habe irgendwo hier meine Nativität, welche im vorigen Jahr gestellt worden ist. Ihr erinnert Euch dessen, was sie mir weissagt?«

»Ziemlich unbestimmt, Sire.«

»Nach dieser Nativität, Madame, steht geschrieben, daß ich im Zweikampfe sterben werde: was sicherlich etwas neu und selten bei einem König ist! Doch ein Zweikampf ist das Bild von Mars, wie mir scheint, es ist Mars selbst, nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten.«

»Was schließt Ihr hieraus, Sire?«

»Daß es, da alle Vorhersagungen sich widersprechen, sicherer ist, keiner von ihnen zu glauben. Diese Lügnerinnen strafen sich gegenseitig Lügen, wie Ihr seht.«

»Und Eure Majestät wird den Louvre in diesen Tagen verlassen?« fragte Catharina.

»Unter allen andern Umständen wäre ich glücklich, Madame, Euch dadurch, daß ich bei Euch bliebe, angenehm zu sein. Doch ich habe öffentlich versprochen und verkündigt, ich würde zu diesen Festen kommen, und so muß ich kommen.«

»Ihr werdet wenigstens nicht selbst die Bahn betreten?«

»Auch hier verpflichtet mich der Umstand, daß ich mein Wort gegeben, zu meinem großen Bedauern, Euch nicht zu entsprechen. Doch welche Gefahr kann bei diesen Spielen obwalten? Ich bin Euch aus dem Grunde meines Herzens dankbar für Eure Sorge, aber laßt mich Euch sagen, daß alle dergleichen Befürchtungen chimärisch sind, und daß es, wenn man ihnen nachgeben würde, fälschlicher Weise zum Glauben an Gefahren bei diesen edlen, lustigen Turnieren führen müßte, die meinetwegen durchaus nicht aufgehoben werden sollen.«

»Sire,« sprach Catharina von Medicis besiegt, »ich bin gewohnt, mich in Euren Willen zu fügen, und füge mich auch heute, obwohl mit Schmerz und Angst im Herzen.«

»Und Ihr werdet nach den Tournelles kommen, Madame, nicht wahr?« sagte der König, indem er der Königin die Hand küßte, »und wäre es nur, um meinen Lanzenstößen Beifall zu spenden und Euch selbst von der Blindheit Eurer Befürchtungen zu überzeugen.«

»Ich werde Euch bis zum Ende gehorchen, Sire,« antwortete die Königin und entfernte sich.

* * *

Catharina wohnte wirklich mit ihrem ganzen Hofe, mit Ausnahme von Diana von Castro, dem ersten Turniere bei, wobei der König den ganzen Tag mit Jedem, der sich ihm gegenüber stellte, Lanzen brach.

»Nun, Madame, die Sterne hatten also Unrecht!« sagte der König lachend am Abend zur Königin.

Catharina schüttelte traurig den Kopf und erwiderte:

»Ach! der Monat Juni ist noch nicht zu Ende.«

Doch am zweiten Tag, am 29. Juni, war es dasselbe. Heinrich II. verließ den Turnierplatz nicht, und, sein Glück kam seiner Kühnheit gleich.

»Ihr seht, Madame, daß sich die Sterne auch für heute täuschten,« sagte er zu Catharina, als sie in den Louvre zurückkehrten.

»Ach! Sire, ich fürchte den dritten Tag darum nur um so mehr!« rief die Königin.

* * *

Dieser letzte Turniertag, der 30. Juni, ein Freitag, sollte der schönste und glänzendste von alten dreien sein und würdig die ersten Feste beschließen.

Die vier Platzhalter waren:

Der König, der Schwarz und Weiß als die Farben von Frau von Poitiers trug.

Der Herzog von Guise, der Weiß und Hochroth trug.

Alfons von Este, Herzog von Ferrara, der Gelb und Roth trug.

Jakob von Savoyen, der Gelb und Schwarz trug.

»Es waren da,« sagt Brantôme, »vier Fürsten von den besten Kriegsmännern, die man nicht allein in Frankreich, sondern auch in andern Ländern finden konnte. Sie vollbrachten auch Alle an diesem Tag Wunder, und man wußte nicht, wem man den Ruhm geben sollte; auch war der König einer der Vortrefflichsten und Gewandtesten zu Pferd in seinem Reiche.«

Die Chancen theilten sich in der That sehr schön unter diesen vier geschickten und berühmten Platzhaltern, und die Kämpfe folgten sich, der Tag rückte vor, ohne daß man sagen konnte, wem die Ehre des Turniers gebühren würde.«

Heinrich II. war ganz belebt, ganz befiebert. Er war bei diesen Spielen und Waffengängen wie in seinem Element, und es lag ihm vielleicht beinahe eben so viel daran, hier zu siegen, als auf wahren Schlachtfeldern.

Doch es kam der Abend, und die Trompeten und Clarine gaben das Zeichen zum letzten Stechen.

 

Es war der Herzog von Guise, der es unter großem Beifall der Damen und der versammelten Menge vollbrachte.

Dann stand die Königin endlich athmend auf.

Dies war das Zeichen zum Aufbruch.

»Wie! ist es denn vorbei? rief der König gereizt und eifersüchtig. »Wartet, meine Damen, ist es nicht an mir, zu rennen?«

Herr von Vieilleville bemerkte dem König, er habe die Bahn zuerst eröffnet, die vier Platzhalter haben eine ähnliche Zahl von Kämpfen geliefert, der Vortheil sei allerdings unter ihnen gleich geblieben und es gebe keinen Sieger, aber die Bahn sei geschlossen und der Tag beendigt.

»Ei!« erwiderte Heinrich voll Ungeduld, »wenn ein König zuerst hereingekommen ist, muß er auch zuletzt hinausgehen. Das soll nicht so endigen, und es sind hier auch noch zwei ganze Lanzen.«

»Aber, Sire,« versetzte Herr von Vieilleville, »es sind keine Angreifer mehr da.«

»Doch, doch, seht jenen dort, der das Visir beständig herabgelassen und noch nicht gekämpft hat. Wer ist es, Vieilleville?«

»Sire, ich weiß es nicht . . . ich hatte ihn nicht bemerkt« . . .« antwortete Vieilleville.

»He! mein Herr« rief Heinrich dem unbekannten zu, »Ihr werdet, wenn es Euch beliebt, diese letzte Lanze mit mir brechen.«

Der Unbekannte verharrte einige Zeit, ohne zu antworten; dann aber sprach er mit ernster, tiefer, bewegter Stimme:

»Eure Majestät erlaube mir, diese Ehre zurückzuweisen.«

Ohne daß Heinrich sich davon Rechenschaft geben konnte, mischte der Ton dieser Stimme eine seltsame Bangigkeit in die fieberhafte Ungeduld, von der er bewegt war.

»Ich soll Euch erlauben, zurückzuweisen! nein, ich erlaube Euch das nicht, mein Herr,« sagte er mit einer nervigen Bewegung des Zorns.

Da schlug der Unbekannte stillschweigend sein Visir auf.

Und zum dritten Male seit vierzehn Tagen konnte der König das bleiche, düstere Gesicht von Gabriel von Montgommery sehen.