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Die beiden Dianen

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XXI.
Ein gefahrvolles Vertrauen

Im Schlosse von Amboise, im Gemache des Herzogs von Guise, war der Balafré selbst eben beschäftigt, einen nervigem kräftigen Mann von hoher Gestalt mit scharf ausgeprägten Zügen und kühner, stolzer Miene, der die Uniform eines Kapitäns der Büchsenschützen trug, zu befragen.

»Der Marschall von Brissac,« sprach der Herzog, »hat mich versichert, Kapitän Richelieu, ich könnte volles Zutrauen zu Euch haben.«

»Der Marschall ist sehr gut,« sagte Richelieu.

»Es scheint, Ihr habt Ehrgeiz, mein Herr,« fuhr der Balafré fort.

»Gnädigster Herr, ich habe wenigstens den, nicht mein ganzes Leben Kapitän der Büchsenschützen zu bleiben. Obgleich ziemlich gutem Geschlechte entsprossen, da man schon Herrn du Plessis in Bouvines sieht, bin ich doch der fünfte von sechs Brüdern, und muß folglich mein Glück ein wenig unterstützen und darf nicht zu sehr auf mein Erbe rechnen.«

»Wohl!« sagte der Herzog von Guise zufrieden.

»Ihr könnt hier einige gute Dienste leisten, die Ihr nicht bereuen werdet.«

»Monseigneur, ich bin bereit, Alles zu unternehmen, um Euch zufrieden zu stellen,« sagte Richelieu.

»Um anzufangen, habe ich Euch die Bewachung vom Hauptthore des Schlosses übergeben.«

»Und ich verspreche, gut für dessen Sicherheit wachen, Monseigneur.«

»Nicht als wären die Herren Reformierten schlecht genug berathen, um den Angriff auf einer Seite zu machen, wo sie sieben Thore hinter einander im Sturm nehmen müßten, sondern, da nichts mehr auf einem andern Wege hinaus oder herein darf, so ist der Posten sehr wichtig. Laßt also Niemand mehr ohne einen ausdrücklich von meiner Hand unterzeichneten Befehl hinaus oder herein.«

»Es soll geschehen, Monseigneur. Doch es ist so eben ein junger Edelmann Namens Graf von Montgommery ohne einen ausdrücklichen Befehl, aber mit einem von Euch Unterzeichneten Geleitbrief erschienen. Er kommt von Paris, wie er sagt. Soll ich ihn seinem Verlangen gemäß bei Euch einführen?«

»Ja, ja, ohne Verzug,« sprach rasch der Herzog von Guise. »Doch, wartet: ich habe Euch meine Instructionen noch nicht vollständig gegeben. Heute muß bei dem Thor, dessen Bewachung Euch übertragen ist, der Prinz von Condé ankommen, den wir, um das muthmaßliche Haupt der Rebellen unter der Hand zu haben, hierher beriefen; ich stehe dafür, er wird es nicht wagen, unsern Verdacht dadurch zu begründen, daß er der Aufforderung nicht Folge leistete. Ihr werdet dafür besorgt sein, mit Euren Soldaten alle Nischen und Casematen, die sich in der Länge des Gewölbes finden, zu füllen, und sobald er ankommt, sollen sich alle unter dem Vorwand, ihm die Ehren zu erweisen, mit der Büchse im Arm und mit angezündeter Lunte in Parade aufstellen.«

»Es soll vollzogen werden, Monseigneur,« sprach Richelieu.«

»Und dann,« fuhr der Herzog von Guise fort, »wenn die Reformierten angreifen und das Treffen beginnt, überwacht unsern Mann von Nahem und, Ihr hört mich wohl, rührt er sich nur einen Schritt, macht er Miene, sich mit den Angreifenden zu vereinigen, oder zögert er nur, sein Schwert gegen sie zu ziehen, wie es ihm seine Pflicht gebietet . . . so zögert Ihr nicht, ihn niederzuschlagen.«

»Ich würde hierin keine Schwierigkeit sehen, Monseigneur,« erwiderte ganz einfach der Kapitän Richelieu, »sollte es mir nicht etwa mein Rang als einfacher Kapitän der Büchsenschützen nicht leicht machen, stets so nahe bei ihm zu sein, als ich das sein müßte.«

Der Balafré dachte einen Augenblick nach und sagte sodann:

»Der Herr Großprior und der Herzog von Aumale, welche den muthmaßlichen Verräther ebenfalls nicht einen Schritt verlassen werden, würden Euch das Signal geben, und Ihr würdet ihnen gehorchen.«

»Ich werde ihnen gehorchen, Monseigneur,« antwortete Richelieu.

»Gut,« sagte der Herzog von Guise. »Ich habe Euch keinen andern Befehl zu geben, Kapitän. Hat der Glanz Eures Hauses mit Philipp August angefangen, so könnt Ihr ihn wohl mit dem Herzog von Guise wieder beginnen. Ich zähle auf Euch, zählt auf mich. Geht. Laßt auf der Stelle Herrn von Montgommery bei mir einführen.«

Der Kapitän Richelieu verbeugte sich tief und trat ab.

Einige Minuten nachher meldete man Gabriel dem Balafré.

Gabriel war bleich und traurig, und der herzliche Empfang von Franz von Guise entrunzelte seine Stirne nicht.

Nach einigen Vermuthungen und ein paar Worten, welche die Wachen ohne Bedenken vor einem Cavalier fallen ließen, der einen Geleitbrief, unterzeichnet von Guise, bei sich trug, hatte der junge Reformierte die Wahrheit ungefähr errathen können.

Der König, der ihn begnadigt, und die Partei, der er sich angeschlossen hatte, waren in offenem Kriege begriffen, und seine Redlichkeit fand sich in diesem Streite gefährdet.

»Nun, Gabriel,« sprach der Herzog von Guise, »Ihr müßt nun wissen, warum ich Euch gerufen habe.«

»Ich vermuthe es, aber ich weiß es noch nicht genau, Monseigneur,« antwortete Gabriel.

»Die Reformierten haben die Fahne des Aufruhrs erhoben, sie werden uns mit bewaffneter Hand im Schlosse von Amboise angreifen, so ist die Kunde.«

»In der That ein schmerzliches und furchtbares Ereigniß!« sagte Gabriel, der an seine eigene Lage dachte.

»Mein Freund, das ist eine herrliche Gelegenheit,« entgegnete der Herzog von Guise.

»Was wollt Ihr damit sagen, Monseigneur?« fragte Gabriel erstaunt.

»Ich will damit sagen, daß die Hugenotten uns zu überrumpeln glauben, und daß wir sie erwarten. Ich will damit sagen, daß ihre Pläne entdeckt, ihre Entwürfe verrathen sind. Es ist guter Krieg, da sie das Schwert zuerst gezogen haben, und unsere Feinde werden sich selbst ausliefern. Sie sind verloren, sage ich Euch.«

»Ist das möglich!« rief der Graf von Montgommery vernichtet.

»Urtheilt selbst,« fuhr der Balafré fort, »urtheilt, in welchem Grad alle Einzelheiten ihres tollen Unternehmens für uns klar am Tage liegen. Am 16. März um Mittag sollen sie sich vor der Stadt versammeln und uns angreifen. Sie haben Einverständnisse bei der Leibwache des Königs, diese Leibwache ist verändert. Ihre Freunde sollen ihnen das östliche Thor öffnen, dieses Thor ist vermauert. Ihre Abtheilungen sollen endlich insgeheim auf den bezeichneten Fußpfaden des Waldes von Château-Regnault hierherkommen; die königlichen Truppen werden unversehens über diese Abtheilungen, wie sie sich nach und nach zeigen, herfallen und nicht die Hälfte ihrer Streitkräfte bis vor Amboise kommen lassen. Wir sind genau unterrichtet und, wie ich hoffe, vortrefflich auf unserer Hut!«

»Vortrefflich!« wiederholte Gabriel von Schrecken erfüllt. »Aber,« fügte er in seiner Unruhe und beinahe ohne zu wissen, was er sagte, bei, »aber wer konnte Euch denn unterrichten? . . .«

»Ah! zwei von den Ihrigen haben uns alle ihre Pläne angezeigt: der Eine für Geld, der Andere aus Furcht. Zwei Verräther, ich gestehe es, ein bezahlter Spion und ein erschrockener Lärmblaser. Der Spion, den Ihr vielleicht kennt, leider wie viele unter uns, und dem Ihr mißtrauen müßt, heißt Marquis von . . .«

»Sagt es mir nicht!« rief Gabriel lebhaft, sagt mir diesen Namen nicht! Ich fragte Euch aus Unachtsamkeit, und Ihr habt mir schon genug gesagt! Was mir aber das Schwierigste für einen Mann von Ehre zu sein dünkt, ist, Verräther nicht zu verrathen.«

»Oh!« erwiderte der Herzog von Guise mit einem gewissen Erstaunen, »Wir haben Alle volles Vertrauen zu Euch, Gabriel. Noch gestern sprachen wir über Euch mit der jungen Königin; ich sagte ihr, ich habe Euch hierher berufen, und sie wünschte mir Glück dazu.«

»Und warum habt Ihr mich berufen, gnädigster Herr? Darüber bin ich noch nicht von Euch unterrichtet.«

»Warum?« versetzte der Balafré, »der König hat nur eine kleine Anzahl ergebener und sicherer Diener. Ihr gehört für uns zu diesen. Ihr werdet eine Abtheilung gegen die Rebellen befehligen.«

»Gegen die Rebellen? unmöglich!«

»Unmöglich! und warum? Ihr habt mich nicht daran gewöhnt, dieses Wort von Euch zu hören, Gabriel.

»Monseigneur, ich gehöre auch zur Religion.«

Der Herzog von Guise erhob sich mit einem ungestümen Beben und schaute Gabriel beinahe erschrocken an.

»Es ist so,« fügte Gabriel traurig lächelnd bei. »Beliebt es Euch, mich den Engländern oder den Spanier gegenüber zu stellen, so wißt Ihr wohl, daß ich nicht zurückweichen werde, und daß ich Euch mein Leben voll Ergebenheit und Freude anbiete. Doch bei einem Bürgerkrieg, bei einem Religionskrieg gegen meine Landsleute, gegen meine Brüder, bin ich genöthigt, Monseigneur, mir die Freiheit zu bewahren, die Ihr mir zu verbürgen die Gnade gehabt habt.«

»Ihr, ein Hugenott!« sprach endlich der Herzog von Guise.

»Und zwar ein überzeugter Hugenott, Monseigneur; das ist mein Verbrechen, aber auch meine Entschuldigung. Ich baue auf diese neuen Ideen und habe ihnen meine Seele hingegeben.«

»Und ohne Zweifel zugleich auch Euer Schwert?« sagte der Balafré mit einer gewissen Bitterkeit.

»Nein, Monseigneur,« antwortete Gabriel mit ernstem Tone.

»Geht doch, Ihr wollt mich glauben wuchert, Ihr wisset nichts von dem Complott Eurer Brüder, wie Ihr sie nennt, gegen den König, und diese Brüder verzichten mit heiterem Herzen auf die Mitwirkung eines so unerschrockenen Verbündeten?«

»Sie müssen wohl,« antwortete der junge Graf ernster als je.

»Dann sind sie es, die Ihr verlassen werdet,« entgegnete der Herzog von Guise, »denn Euer neuer Glaube stellt Euch zwischen zwei Treubrüche.«

»Oh! mein Herr!« rief Gabriel im Tone des Vorwurfs.

»Ei! wie wollt Ihr es anders machen?« sagte der Balafré der mit einer Art von Zorn seine Toque auf den Lehnstuhl warf, den er verlassen hatte.

»Wie ich es anders machen werde?« versetzte Gabriel kalt und beinahe streng. »Die Sache ist einfach: je falscher die Stellung ist, desto aufrichtiger muß meiner Ansicht nach der Mensch sein. Als ich Protestant wurde, erklärte ich den hugenottischen Häuptern laut und unumwunden, heilige Verpflichtungen gegen den König, die Königin und den Herzog von Guise würden mich immer während der ganzen Dauer dieser Regierung abhalten, in den Reihen der Protestanten zu kämpfen, wenn ein Kampf stattfände. Sie wissen, daß die Reformation für mich eine Religion und nicht eine Partei ist. Bei ihnen, wie bei Euch, Herr Herzog, habe ich die strenge Aufrechterhaltung meines freien Willens zur Bedingung gemacht. Ihnen, wie Euch, bin ich meine Mitwirkung zu verweigern berechtigt. In diesem traurigen Streite zwischen meiner Dankbarkeit und meinem Glauben wird mein Herz unter allen Streichen bluten, welche fallen, doch mein Arm wird keinen führen. Und so habt Ihr mich schlecht gekannt, Monseigneur, und ich hoffe, indem ich neutral bleibe, ehrenhaft und geehrt bleiben zu können.«

 

Gabriel sprach so mit Begeisterung und Stolz. Allmälig wieder zur Ruhe gebracht, konnte der Balafré nicht umhin, die Offenherzigkeit und den Adel seines früheren Waffengefährten zu bewundern.

»Ihr seid ein seltsamer Mann, Gabriel!« sagte er ganz nachdenklich.

»Warum seltsam, gnädigster Herr? Weil ich sage, was ich thue, und thue, was ich sage? Ich wußte nichts von diesem Complott der Protestanten, das schwöre ich Euch. Doch ich gestehe, ich habe in Paris zu gleicher Zeit mit Eurem Brief einen Brief von einem derselben erhalten; dieser Brief aber ging, wie der Ewige, in keine Erklärung ein, und sagte mir nur: »Kommt.« Ich habe die harte Alternative, in der ich mich befinden sollte, vorhergesehen, und bin nichtsdestoweniger dieser doppelten Aufforderung gefolgt. Ich bin gekommen, um keiner meiner Verpflichtungen untreu zu werden. Ich bin gekommen, um Euch zu sagen: »Ich kann diejenigen, deren Glauben ich theile, nicht bekämpfen.« Ich bin gekommen, um ihnen zu sagen: »Ich kann diejenigen nicht bekämpfen, welche mir mein Leben geschenkt haben.«

Der Herzog von Guise reichte dem jungen Grafen von Montgommery die Hand und sprach:

»Ich habe Unrecht gehabt. Schreibt mein Aufbrausen dem Kummer zu, den ich darüber empfinde, daß ich Euch, auf den ich so sehr zählte, unter meinen Feinden sehe.«

»Feind! ich bin nicht Euer Feind, ich werde es nie sein. Bin ich, weil ich mich offenherziger erklärt habe als sie, mehr Euer Feind, als der Prinz von Condé und Herr von Coligny, welche wie ich nicht bewaffnete Protestanten sind?«

»Bewaffnete sind sie, ich weiß es wohl . . . ich weiß Alles! Nur verbergen sie ihre Waffen. Es ist gewiß, wenn wir uns treffen, werde ich, wie sie heucheln, ich werde sie Freunde nennen und mich im Fall der Noth für ihre Unschuld verbürgen, Allerdings eine Komödie, doch eine nothwendige Komödie.«

»Monseigneur,« sprach Gabriel, »da Ihr die Güte gehabt habt, zuweilen für mich von den nothwendigen Conventionen abzugehen, so sagt mir, ob Ihr außerhalb der Politik noch an meiner, des Hugenotten, Ergebenheit und Ehre glauben könnt; sagt mir hauptsächlich, ob Ihr, wenn eines Tags der Krieg mit fremden Mächten abermals ausbräche, immer noch die Gnade haben würdet, mein Wort in Anspruch zu nehmen und mich bei der Armee für den König und das Vaterland sterben zu lassen?«

»Ja, Gabriel, obschon ich die Meinungsverschiedenheit, die uns nun trennt, beklage, vertraue ich Euch, werde ich Euch stets vertrauen, und um es Euch zu beweisen und einen Augenblick des Verdachts, den ich beklage, wieder gut zu machen, nehmt dies und gebraucht es, wenn es Euch beliebt.«

Er ging um den Tisch schrieb eine Zeile, unterzeichnete und gab das Papier dem jungen Grafen.

»Das ist der Befehl, Euch aus Amboise hinauszulassen, an welchen Ort Ihr Euch auch begeben wollt. Mit diesem Papier seid Ihr frei, und wißt, daß ich dieses Merkmal der Werthschätzung und des Vertrauens dem Prinzen von Condé, den Ihr so eben anführtet, nicht geben werde, und daß er sobald er den Fuß in dieses Schloß setzt, wie ein Feind von ferne gehütet und stillschweigend wie ein Gefangener bewacht werden soll.«

»Ich schlage dieses Merkmal des Vertrauens und der Werthschätzung auch aus,« sprach Gabriel.

»Und warum?« fragte der Herzog von Guise ganz erstaunt.

»Monseigneur, wißt Ihr, wohin ich ginge, wenn Ihr mich aus Amboise hinausließet?«

»Das ist Eure Sache, und ich frage Euch nicht.«

»Aber ich will es Euch gerade sagen. Wenn ich Euch verließe, Monseigneur, ginge ich dahin, wohin mich meine andere Pflicht ruft. ich ginge unter die Rebellen, um einen derselben in Noizai aufzusuchen . . .«

»In Noizai! Castelnau befehligt dort.«

»Ja, Ihr seid ganz und gar gut unterrichtet.«

»Und was würdet Ihr in Noizai thun, unglücklicher?« versetzte der Balafré.

»Ah! was würde ich dort thun? Ihnen sagen: »Ihr habt mich gerufen, hier bin ich, doch ich vermag nichts für Euch;« und wenn sie mich über das befragen würden, was ich auf dem Wege habe hören und bemerken können, so müßte ich schweigen, ich könnte sie nicht von der Falle unterrichten, die ihr ihnen stellt, gerade Eure vertraulichen Mittheilungen nehmen mir das Recht dazu. Ich erbitte mir also eine Gnade von Euch, Monseigneur.«

»Welche?«

»Behaltet mich als Gefangenen hier und schützt mich so vor einer grausamen Verlegenheit, denn wenn Ihr mich gehen laßt, werde ich wenigstens meine Gegenwart unter diesen Menschen, die in ihr Verderben rennen, beurkunden wollen, und es wird mir nicht freistehen, sie zu retten.«

»Gabriel,« sprach der Herzog von Guise, nachdem er nachgedacht hatte, »ich kann und will Euch kein solches Mißtrauen bezeigen. Ich habe Euch meinen ganzen Schlachtplan enthüllt, Ihr geht unter Freunde, deren höchstes Interesse es ist, diesen Plan kennen zu lernen, und dennoch übergebe ich Euch einen Auslaßbefehl.«

»Dann bewilligt mir wenigstens eine letzte Gunst,« sagte Gabriel niedergeschlagen. »Ich flehe Euch darum im Namen von dem, was ich für Euren Ruhm in Metz, in Italien, in Calais zu thun im Stande gewesen bin, im Namen von dem an, was ich seitdem gelitten habe, und ich habe seitdem viel gelitten!«

»Was wollt Ihr? Vermag ich es, so werde ich es thun, Freund.«

»Ihr könnt es, Ihr müßt es vielleicht, Monseigneur; denn es sind Franzosen, die Ihr bekämpft. Erlaubt mir, sie von ihrem unseligen Plan abzubringen, nicht indem ich ihnen den gewissen Ausgang enthülle, sondern indem ich ihnen rathe, sie bitte, beschwöre.«

»Gabriel, nehmt Euch in Acht!« sprach der Herzog von Guise mit feierlichem Tone; entschlüpft Euch ein Wort von unseren Vorkehrungen, so werden die Aufrührer auf ihrem Plan beharren und nur die Ausführung ändern, und dann ist der König dann ist Maria Stuart, dann bin ich verloren. Erwägt das wohl. Macht Ihr Euch nun bei Eurem adeligen Ehrenwort anheischig, sie weder durch ein Wort, noch durch eine Anspielung, noch durch ein Zeichen etwas von dem, was vorgeht, errathen oder ahnen zu lassen?«

»Bei meiner Ehre als Edelmann mache ich mich hierzu anheischig,« erwiderte der Graf von Montgommery.

»Geht also,« sagte der Herzog, »und versucht es sie dahin zu bringen, daß sie auf ihren strafbaren Angriff verzichten; ich meinerseits werde mit Freuden auf meinen leichten Sieg verzichten, indem ich bedenke, daß hierdurch eben so viel französisches Blut, erspart wird. Doch wenn, wie ich glaube, die letzten Berichte nicht lügen, so haben sie ein zu blindes, zu hartnäckiges Vertrauen zu ihrem Unternehmen, und Ihr werdet scheitern, Gabriel. Gleichviel! geht und versucht diesen äußersten Schritt. Für sie, besonders für Euch, will ich mich nicht widersetzen.«

»Für sie und für mich danke ich Euch, gnädigster Herr,« sprach Gabriel.

Eine Viertelstunde nachher war er auf dem Wege nach Noizai.

XXII.
Untreue der Treue

Der Baron von Castelnau von Chalosses war ein muthiger und hochherziger junger Mann, dem die Protestanten nicht den am wenigsten schwierigen Posten übergaben, indem sie ihn nach dem Schlosse Noizai voranschicken, wo sich alle ihre Abtheilungen am 16. März versammeln sollten.

Er mußte sich den Hugenotten zeigen und vor den Katholiken verbergen, und diese schwierige Stellung erforderte eben so viel Klugheit, als Kaltblütigkeit und Mut.

Durch das Losungswort, das ihm der Brief von la Renaudie anvertraut hatte, war Gabriel im Stand, ohne zu viel Hindernisse zum Baron von Castelnau zu gelangen.

Dies geschah am 16. März Nachmittags.

Ehe achtzehn Stunden vergingen, sollten sich die Protestanten in Noizai versammeln ehe vier und zwanzig Stunden vergingen, sollten sie Amboise angreifen.

Man sieht, es war keine Zeit zu verlieren, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen.

Der Baron von Castelnau kannte wohl den Grafen von Montgommery, den er manchmal im Louvre gesehen und von dem die Vornehmsten der Partei oft in seiner Gegenwart gesprochen hatten.

Er ging ihm entgegen und empfing ihn wie einen Freund und Verbündeten.

»Ihr seid da, Herr von Montgommery,« sagte er, als sie allein waren. »Wohl hoffte ich auf Euch, aber ich erwartete Euch nicht. La Renaudie wurde vom Admiral getadelt, daß er Euch durch seinen Brief hierherzukommen aufforderte. »Ihr hättet den Grafen von Montgommery von unseren Plänen in Kenntnis setzen, aber ihn nicht hierher berufen sollen,« sagte er zu ihm. »Er würde gethan haben, was ihm beliebt hätte. Hat uns der Graf nicht vorher schon gesagt, so lange Franz II. regiere, würde sein Schwert nicht uns, nicht einmal ihm selbst gehören?« Hierauf hat ihm La Renaudie geantwortet, sein Brief mache Euch zu nichts verbindlich, und lasse Euch vollkommen Eure Unabhängigkeit.«

»Das ist wahr,« sagte Gabriel.

»Nichtsdestoweniger dachten wir, Ihr würdet kommen,« fuhr Castelnau fort, »denn das Sendschreiben des wüthenden Barons sagte Euch nicht, um was es sich handelte, und ich bin beauftragt, Euch unser Vorhaben und unsere Hoffnungen mitzutheilen.«

»Ich höre Euch,« sprach der Graf von Montgommery.

Castelnau wiederholte nun Gabriel Alles, was ihm der Herzog von Guise schon im Einzelnen mitgetheilt hatte.

Und Gabriel sah zu seinem Schrecken, bis auf welchen Grad der Balafré gut unterrichtet war. Nicht ein Punkt vom Bericht der Angeber war ungenau, nicht ein Umstand des Complotts war von ihnen ausgelassen oder übergangen worden.

Die Verschworenen waren wirklich verloren.

»Ihr wißt nun Alles,« sagte zum Schluß Castelnau zu seinem vernichteten Zuhörer, »und ich habe nur noch eine Frage an Euch zu richten, deren Beantwortung ich vorhersehe. Nicht wahr, Ihr könnt nicht mit uns gehen?«

»Ich kann es nicht,« sprach Gabriel, traurig den Kopf schüttelnd.

»Wohl!« sagte Castelnau, »wir werden darum nicht minder gute Freunde sein. Ich weiß, daß Ihr Euch vertragsmäßig das Recht vorbehalten habt, Euch nicht in den Kampf zu mischen; und das ist besonders Euer Recht unter diesen Umständen, wo wir des Sieges sicher sind.«

»Seid Ihr dessen sicher?« fragte Gabriel absichtlich.

»Vollkommen sicher,« antwortete der Baron, »der Feind ahnt nichts und wird unvermuthet überfallen werden. Wir hatten einen Augenblick Furcht, als sich der König und der Hof aus der offenen Stadt Blois nach dem befestigten Schloß von Amboise begaben. Es war offenbar ein Verdacht entstanden.«

»Das mußte in der That in die Augen fallen.«

»Ja, doch unser Zögern nahm bald ein Ende, denn diese unvermuthete Veränderung der Residenz schadete unseren Plänen nicht nur nichts, sondern unterstützte dieselben im Gegentheil ganz außerordentlich. Der Herzog von Guise schlummert gegenwärtig in einer trügerischen Sicherheit, und stellt Euch vor, Graf, wir haben Einverständnisse am Platz und man wird uns das östliche Thor öffnen, sobald wir uns zeigen. Oh! der Erfolg ist sicher, sage ich Euch, und Ihr könnt Euch ohne Bedenken jeder Theilnahme an der Schlacht enthalten.«

»Das Ergebniß macht oft die schönsten Hoffnungen zu Schanden,« sprach Gabriel mit ernstem Wesen.

»Doch hier haben wir keine Chance gegen uns, gar keine!« wiederholte Castelnau, sich freudig die Hände reibend. »Der morgige Tag wird den Sieg unserer Partei und den Sturz der Guisen sehen.«

»Und . . . der Verrath?« sagte mit einer gewissen Anstrengung Gabriel, schmerzlich ergriffen, als er so viel Muth und Tugend sich mit geschlossenen Augen in den Abgrund stürzen sah.

»Der Verrath ist unmöglich,« erwiderte Castelnau mit unstörbarer Ruhe. »Die Häupter allein sind in das Geheimniß eingeweiht, und keines derselben wäre zu einem Verrath fähig . . . Doch Herr von Montgommery,« fügte er sich unterbrechend bei, »so wahr ich ein Edelmann bin, ich glaube, Ihr seid eifersüchtig auf uns, und Ihr scheint mir mit aller Gewalt unserem Unternehmen Schlimmes durch die Wuth weissagen zu wollen, mit der Ihr Euch der Theilnahme enthaltet. Pfui, der Neidische!«

 

»Ja, es ist wahr, ich beneide Euch,« sprach Gabriel mit düsterer Miene.

»Ah! ich war dessen sicher!« rief der junge Baron lachend.«

»Sagt jedoch, habt Ihr einiges Vertrauen zu mir?« fragte Gabriel.

»Ein blindes Vertrauen, wenn Ihr im Ernste sprecht,« antwortete Castelnau.

»Wollt Ihr einen guten Rath, einen Freundesrath hören?«

»Welchen?«

»Verzichtet auf Euren Plan, Amboise morgen zu nehmen. Schickt auf der Stelle sichere Boten an alle diejenigen von unseren Verbündeten, welche in dieser Nacht oder morgen hier mit Euch, zusammentreffen sollen, und laßt ihnen sagen, der Plan sei gescheitert, oder er müsse wenigstens vertagt werden.«

»Aber warum? warum?« rief Castelnau, der unruhig zu werden anfing, »sicherlich habt Ihr, um so zu mir zu sprechen, einen ernsten Grund.«

»Mein Gott! nein,« erwiderte Gabriel mit schmerzlichem Zwang.

»Ihr rathet mir doch nicht ohne Ursache einen Plan, der sich unter so günstigen Vorzeichen darstellt, aufzugeben und unsere Brüder zum Aufgeben desselben zu veranlassen?«

»Nein, es geschieht allerdings nicht ohne Ursache, doch ich kann Euch nicht sagen warum. Wollt und könnt Ihr mir auf mein Wort glauben? . . . Ich gehe hierin schon weiter, als ich gehen sollte. Habt die Güte, mir auf mein Wort zu glauben, Freund.«

»Hört,« erwiderte Castelnau ernst, »nehme ich den seltsamen Entschluß, im letzten Augenblick umzukehren, auf mich, so werde ich la Renaudie und den andern Häuptern gegenüber verantwortlich sein. Kann ich sie wenigstens Euch zuschicken?«

»Ja,« antwortete Gabriel.

»Und Ihr werdet Ihnen die Beweggründe, die Euch Euren Rath eingegeben haben, sagen?«

»Leider bin ich nicht hierzu berechtigt.«

»Wie soll ich dann Eurem Drängen nachgeben?« Versetzte Castelnau. »Würde man mir es nicht zu einem grausamen Vorwurf machen, ich habe auf ein Wort sichere Hoffnungen vernichtet? Welches wohlverdiente Vertrauen wir auch insgesamt zu Euch haben, Herr von Montgommery, ein Mensch bleibt nur ein Mensch und kann sich mit den besten Absichten der Welt täuschen. Ist es Niemand gestattet, Eure Gründe zu untersuchen und zu bestätigen, so werden wir genöthigt sein, darüber wegzugehen.«

»Nehmt Euch wohl in Acht!« entgegnete Gabriel mit strengem Ton, »die Verantwortlichkeit für Alles das, was Unseliges entstehen mag, bleibt auf Euch lasten!«

Castelnau war betroffen durch den Ton, mit dem der Graf diese Worte sprach.

»Herr von Montgommery,« sagte er, von einem plötzlichen Lichte erleuchtet, »ich glaube die Wahrheit zu ahnen! Man hat Euch ein Geheimniß anvertraut, oder Ihr habt ein Geheimniß erlauscht, das Euch zu enthüllen verboten ist. Doch Ihr wißt etwas Ernstes über den wahrscheinlichen Ausgang unseres Unternehmens, zum Beispiel, daß wir verrathen worden sind, nicht wahr?«

»Ich habe das nicht gesagt!« rief Gabriel.

»Oder Ihr habt wohl, als Ihr hierher kamt, den Herzog von Guise gesehen, der Euer Freund ist und Euch, da er vielleicht nicht wußte, daß Ihr zu den Unseren gehört, von dem Stande der Dinge in Kenntnis gesetzt hat.«

»Keines von meinen Worten konnte Euch auf diese Vermuthung bringen!« rief Gabriel.

»Oder habt Ihr,« fuhr Castelnau fort, »oder habt Ihr, als Ihr durch Amboise kamt, Vorbereitungen wahrgenommen, Befehle gehört, Geständnisse herausgelockt . . . kurz unser Complott ist entdeckt.«

»Habe ich Euch Anlaß gegeben, dies zu glauben?« sagte Gabriel erschrocken.

»Nein, Herr Graf, nein, denn Ihr habt Euch, wie ich sehe, zur Geheimhaltung verpflichtet. Ich verlange auch keine bestimmte Versicherung, nicht einmal ein Wort von Euch, wenn Ihr wollt. Aber wenn ich mich nicht täusche, können eine Gebärde ein Blinzeln mit den Augen, Euer Stillschweigen sogar genügen, um mir Aufklärung zu geben.«

Doch Gabriel erinnerte sich mit Augst der einzelnen Ausdrücke des Wortes, das er dem Herzog von Guise gegeben hatte.

Bei seiner adeligen Ehre hatte er sich anheischig gemacht, weder durch ein Wort, noch durch eine Anspielung noch durch ein Zeichen etwas von dem, was in Amboise vorging, errathen oder ahnen zu lassen.

Als aber sein Stillschweigen fortdauerte, sagte der Baron von Castelnau der seine Augen fest auf sein Gesicht geheftet hielt:

»Ihr schweigt immer noch? Ihr schweigt, ich verstehe Euch und werde dem gemäß handeln.«

»Und was wollt Ihr thun?« fragte Gabriel lebhaft.

»Wie Ihr es mir von Anfang gerathen habt, la Renaudie und die anderen Führer in Kenntnis setzen, jede Bewegung aufhalten und den unsrigen, wenn sie hierher kommen, erklären, Einer, zu dem wir alles Vertrauen haben müssen, habe mir . . . einen wahrscheinlichen Verrath angezeigt.«

»Aber dem ist nicht so!« unterbrach ihn rasch der Graf von Montgommery. »Ich habe Euch nichts angezeigt, Herr von Castelnau.«

»Graf,« erwiderte Castelnau, Gabriel mit einem stummen Ausdruck die Hand drückend, »kann nicht sogar das Verschweigen ein Rath und unser Heil sein? Sind wir einmal gewarnt, sind wir auf unserer Hut, dann . . .«

»Dann?« wiederholte Gabriel.

»Dann wird Alles gut für uns und schlecht für sie gehen,« sagte Castelnau, »Wir vertagen auf günstigere Zeiten unser Unternehmen, wir entdecken um jeden Preis die Angeber, wenn es solche unter uns gibt, wir verdoppeln die Vorsichtsmaßregeln und die Geheimhaltung, und an einem schönen Tag, wenn Alles wohl vorbereitet ist, wenn wir unseres Schlages sicher sind, erneuern wir unsern Versuch, und wir haben es dann Euch zu verdanken, Graf, daß wir siegen, statt zu scheitern.«

»Und das ist es gerade, was ich vermeiden wollte,« rief Gabriel, der sich voll Schrecken an den Rand eines unwillkührlichen Verraths fortgerissen sah. »Das ist der wahre Grund meiner Warnungen und meines Rathes, ich finde, offen herausgesagt, Euer Unternehmen strafbar und gefährlich. Ihr bringt, indem Ihr die Katholiken angreift, alles Unrecht auf Eure Seite. Ihr rechtfertigt alle ihre Repressalien. Aus Unterdrückten macht Ihr Euch zu Aufrührern. Müßt Ihr Euch, wenn Ihr Euch über die Minister zu beklagen habt, an den jungen König halten? Ah! ich fühle mich zum Sterben traurig, wenn ich an dies Alles denke. Dem allgemeinen Besten zu Liebe müßtet Ihr für immer auf diesen gottlosen Kampf verzichten. Ei! laßt vielmehr Eure Grundsätze für Euch kämpfen; kein Blut werde über die Wahrheit vergossen . . . das ist es nur was ich Euch sagen wollte. Deshalb beschwöre ich Euch, Euch und unsere Brüder, Ihr möget Euch der unseligen Bürgerkriege enthalten, die nur das Emporkommen unserer Ideen verzögern können.«

»Ist das wirklich der einzige Beweggrund aller Eurer Reden?« fragte Castelnau.

»Der einzige,« antwortete Gabriel mit dumpfem Ton.

»Dann danke ich Euch für die Absicht, Herr Graf,« sprach Castelnau mit einer gewissen Kälte, »doch ich muß nicht minder in dem Sinn handeln, der mir von den Häuptern der Reformation vorgeschrieben worden ist. Ich begreife daß es für Euch, da Ihr nicht kämpfen könnt, für Euch, mein Edelmann, schmerzlich ist, Andere ohne Euch kämpfen zu sehen. Dessen ungeachtet seid Ihr nicht im Stand, einem ganzen Heer Fesseln anzulegen und es zu lähmen.«

Bleich und düster entgegnete Gabriel:

»Ihr wollt sie also diesem unseligen Plan Folgen geben lassen und ihm selbst Folge geben?«

»Ja, Herr Graf,« antwortete Castelnau mit einer Heftigkeit, welche keine Erwiederung zuließ, »und auf der Stelle werde ich, wenn Ihr es erlaubt, die nothwendigen Befehle zum Angriff morgen geben.«

Er verbeugte sich vor Gabriel und ging hinaus, ohne seine Antwort abzuwarten.