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Die beiden Dianen

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Viertes bis siebentes Bändchen

I.
Was ist der schlagende Beweis, den eine Frau geben kann, daß ein Mann nicht mehr ihr Geliebter ist?

Herr von Montmorency,« sprach der Dauphin, mit einer zornigen Traurigkeit eintretend, »wenn Ihr mich nicht beinahe mit Gewalt zurückgehalten hättet, so wäre ich minder unzufrieden mit mir und mit Euch, als ich dies bin.«

»Eure Hoheit erlaube mir, zu bemerken, daß es als junger Mensch und nicht als Königssohn sprechen heißt. Eure Tage gehören nicht Euch, sie gehören Eurem Volk, gnädigster Herr, und die gekrönten Häupter haben höhere Pflichten als die andern Menschen.«

»Warum bin ich denn gegen mich aufgebracht, warum schäme ich mich?« sagte der Prinz. »Ah! Ihr seid es, Madame,« sprach er, sich an Diana wendend, die er ohne Zweifel gerade erst bemerkte.

Und da in diesem Augenblick die verletzte Eitelkeit den Sieg über die eifersüchtige Liebe davontrug, so fügte er bei:

»Bei Euch und durch Euch ist mir die erste Beleidigung zu Theil geworden.«

»Ach! ja, bei mir, doch sagt nicht durch mich gnädigster Herr,« erwiderte Diana. »Habe ich nicht eben so sehr, und noch mehr als Ihr gelitten? Bin ich nicht unschuldig an dem Allem. Liebe ich denn diesen Menschen, habe ich ihn denn je geliebt?«

Sie verleugnete ihn, nachdem sie ihn verraten hatte; das war ganz einfach.

»Ich liebe nur Euch, gnädigster Herr,« fuhr sie fort, »meine Seele und mein Leben gehören ganz Euch, und mein Dasein beginnt erst an dem Tag, wo Ihr dieses Herz angenommen habt, das Euch ergeben ist. Früher kann es geschehen sein, und ich erinnere mich auch unbestimmt, daß ich Herrn von Montgommery einige Hoffnung in der Ferne hatte erblicken lassen. Doch jedenfalls war es nichts Bestimmtes, keine gewisse Verbindlichkeit. Als Ihr kamet, war Alles vergessen. Und seit dieser Zeit, ich schwöre es, – glaubt eher meinen Worten, als den eifersüchtigen Verleumdungen von Madame d’Étampes und ihren Anhängern! – seit dieser gesegneten Zeit hat jeder Gedanke meines Geistes, jeder Pulsschlag meines Herzens Euch gehört, gnädigster Herr. Dieser Mensch lügt, dieser Mensch handelt im Einverständniß mit meinen Feinden, dieser Mensch hat kein Recht auf diejenige, welche Euch so ganz gehört, Heinrich. Ich kenne diesen Menschen kaum, und liebe ihn nicht nur nicht, großer Gott! sondern ich hasse und verachte ihn. Seht, ich frage Euch nicht einmal, ob er noch lebt, oder ob er todt ist, ich bekümmere mich nur um Euch. Ihn hasse ich.«

»Ist das wahr, Madame?« fragte der Dauphin mit einem Ueberreste düsteren Mißtrauens.

»Die Beweisführung wird leicht und rasch sein,« versetzte Herr von Montmorency. »Herr von Montgommery lebt, Madame, doch er ist von unseren Leuten mit Banden beladen, und außer Stand, zu schaden. Er hat den Prinzen schwer beleidigt. Ihn vor die Gerichte zu bringen, ist unmöglich: die Verurtheilung wegen eines solchen Verbrechens hätte noch mehr Gefahren, als das Verbrechen selbst. Daß sich seine Hoheit der Dauphin in einen Einzelkampf mit diesem Frechen einlassen soll, ist noch viel unmöglicher. Was ist also Eure Ansicht in dieser Sache, Madame, und was sollen wir mit diesem Menschen thun?«

Es trat ein Augenblick des Stillschweigens voll innerer Bewegung ein. Perrot hemmte seinen Athem, um die Worte, welche lange nicht hervorkommen wollten, besser zu hören. Doch Frau Diana hatte offenbar bange vor sich selbst und vor dem, was sie sagen würde. Sie zögerte vor ihrem eigenen Spruch.

Endlich mußte sie sprechen, und sie sagte mit ziemlich fester Stimme:

»Herr von Montgommery hat das Verbrechen der Majestätsbeleidigung begangen. Herr von Montmorency, zu welcher Strafe verurtheilt man diejenigen, welche sich der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht haben?«

»Zum Tode,« antwortete der Connétable.

»Meine Ansicht ist es also, daß dieser Mensch sterbe,« sprach Frau Diana mit kaltem Tone.

Alle schauerten, und erst nach einer zweiten Pause sagte Herr von Montmorency:

»In der That, Madame, Ihr liebt Herrn von Montgommery nicht, und habt ihn nie geliebt.«

»Doch ich,« versetzte der Dauphin, »ich will weniger als je, daß Herr von Montgommery sterbe.«

»Das ist auch meine Ansicht,« versetzte Montmorency, »doch ich denke, nicht aus denselben Beweggründen wie bei Euch, Hoheit: die Meinung, welche ihr aus Großmuth ausgesprochen habt, billige ich aus Klugheit. Herr von Montgommery hat mächtige Freunde und Verwandte in Frankreich und in England; man weiß überdies bei Hofe, daß er diesen Abend hier mit uns zusammentreffen mußte. Verlangt man ihn morgen laut und geräuschvoll von uns zurück, so müssen wir nicht einen Leichnam zu zeigen haben. Der Adel duldet es nicht, daß man ihn behandelt wie gemeine Menschen und ohne Umstände tödtet. Wir müssen nothwendig antworten können: »Herr von Montgommery ist auf, der Flucht . . .« oder: »Herr von Montgommery ist verwundet und krank . . .« Doch in jedem Fall: »Herr von Montgommery lebt . . .« Und wenn man uns auf das Aeußerste treibt, wenn man ihn hartnäckig von uns zurückfordert, nun! so muß es uns am Ende frei stehen, ihn aus seinem Gefängniß oder aus seinem Bett zu ziehen und ihn den Verleumdern zu zeigen. Doch ich hoffe, die Vorsichtsmaßregel wird, wenn auch gut, nichtsdestoweniger unnöthig sein. Man wird morgen und übermorgen nach Herrn von Montgommery fragen. In acht Tagen wird man weniger, und in einem Monat wird man gar nicht mehr davon reden. Nichts vergißt sich so schnell als ein Freund, und man muß wohl den Gegenstand des Gespräches verändern! Ich finde daher, daß der Schuldige weder sterben, noch leben soll: er muß verschwinden.«

»Es sei!« sagte der Dauphin, »er reise ab, er verlasse Frankreich! Er hat Güter und Verwandte in England, er flüchte sich dahin!«

»Nein, gnädigster Herr!« entgegnete Montmorency. »Der Tod ist zu viel, doch die Verbannung ist nicht genug. Wollt Ihr,« fügte er, die Stimme dämpfend, bei, »wollt Ihr, daß dieser Mensch eher in England als in Frankreich sagt, er habe Euch mit einer beschimpfenden Gebärde bedroht?«

»Oh! erinnert mich nicht hieran!« rief der Dauphin mit den Zähnen knirschend.

»Laßt mich Euch dennoch daran erinnern, gnädigster Herr, um Euch vor einem unklugen Entschluß zu bewahren. Ich wiederhole Euch, der Graf muß nichts enthüllen können, weder lebendig, noch todt. Die Leute unserer Escorte sind sicher und wußten überdies nicht, mit wem sie es zu thun hatten. Der Gouverneur des Châtelet ist mein Freund; mehr noch, taub und stumm wie sein Gefängniß, und dem Dienste Seiner Majestät ergeben. Herr von Montgommery werde noch in dieser Nacht in das Châtelet gebracht. Ein guter Kerker wird ihn uns bewahren, oder zurückgeben, wie wir wollen. Morgen ist er verschwunden, und wir verbreiten über dieses Verschwinden die widersprechendsten Gerüchte. Wenn diese Gerüchte nicht von selbst fallen, wenn die Freunde des Grafen ihn mit zu großer Beharrlichkeit zurückfordern, was nicht wahrscheinlich ist, wenn sie eine strenge Untersuchung bis aufs Aeußerste treiben, worüber ich mich wundern würde, so rechtfertigen wir uns mit einem Wort, indem wir die Register des Châtelet vorzeigen, welche beweisen, daß Herr von Montgommery des Verbrechens der Majestätsbeleidigung angeklagt, im Gefängniß den regelmäßigen Spruch des Gerichtes erwartet. Und haben wir diesen Beweis gegeben, fällt es dann uns zur Last, wenn das Gefängniß ungesund ist, wenn der Kummer und die Reue zu viel Gewalt über Herrn von Montgommery gehabt haben, und wenn er gestorben ist, ehe er vor einem Gericht erscheinen konnte?«

»Oh! Herr von Montmorency!« versetzte der Dauphin schauernd.

»Seid unbesorgt, gnädigster Herr,« sprach der Rath des Prinzen, »wir werden nicht nöthig haben, zu diesem Aeußersten zu greifen. Die durch die Abwesenheit des Grafen veranlaßten Gerüchte werden sich von selbst legen. Die Freunde werden sich trösten und rasch vergessen, und Herr von Montgommery wird, wenn er will, von dem Augenblick an, wo er für die Welt todt ist, für das Gefängniß leben.«

»Hat er nicht einen Sohn?«

»Ja, ein Kind von wenigen Jahren, dem man sagt, man wisse nicht, was aus seinem Vater geworden, und das, ist es einmal groß, seine eigenen Interessen seine eigenen Leidenschaften haben, und eine fünfzehn bis zwanzig Jahre alte Geschichte nicht mehr zu ergründen suchen wird.«

»Alles dies ist richtig und gut zusammengefaßt,« sprach Frau von Poitiers, »ich neige mich, ich billige und bewundere.«

»Ihr seid in der That zu gut,« versetzte Montmorency äußerst geschmeichelt, »ich sehe, daß wir ganz geschaffen sind, um uns zu verstehen.«

»Doch ich billige nicht und bewundere nicht!« rief der Dauphin, »ich mißbillige im Gegentheil und widersetze mich.«

»Mißbilligt, gnädigster Herr, und Ihr werdet Recht haben,« sagte Herr von Montmorency, »mißbilligt, aber widersetzt Euch nicht; tadelt, aber laßt gewähren. Alles dies geht Euch nichts an, und ich übernehme die ganze Verantwortlichkeit vor den Menschen und vor Gott.«

»Nur wird fortan ein Verbrechen zwischen uns bestehen, nicht wahr?« versetzte der Dauphin, »und Ihr werdet mehr als mein Freund, Ihr werdet mein Mitschuldiger sein.«

»Oh! solche Gedanken seien fern von mir!« rief der schlaue Minister. »Doch Ihr sollt Euch eben so wenig dadurch gefährden, daß Ihr den Schuldigen bestraft, als dadurch, daß Ihr ihn bekämpft. Wollt Ihr, daß wir dem König, Eurem Vater, Meldung machen?«

»Nein, nein; mein Vater darf von Allem dem nichts erfahren,« sagte der Dauphin rasch.

»Meine Pflicht,« erwiderte Herr von Montmorency, »würde mich jedoch verbinden, ihn davon in Kenntniß zu setzen, gnädigster Herr, wenn Ihr beharrlich glaubtet, die Zeit ritterlicher Handlungen daure noch fort. Doch übereilen wir nichts, wenn Ihr es wünscht, und lassen wir unsern Rath durch die Zeit reisen. Versichern wir uns nur der Person des Grafen, was eine nothwendige Bedingung für unsere weiteren Pläne ist, wie diese auch sein mögen, und verschieben wir auf später jede förmliche Entschließung über diesen Gegenstand.«

 

»Es sei!« sagte der Dauphin, dessen schwacher Wille mit Eifer diesen vorgeblichen Aufschub ergriff. »Herr von Montgommery wird so Zeit haben, von einer ersten unbedachten Aufwallung zurückzukommen, und ich werde mit Muße das überlegen können, was mir mein Gewissen und meine Würde zu thun befehlen.«

»Kehren wir also in den Louvre zurück, gnädigster Herr, und beurkunden wir dort unsere Gegenwart,« sprach Herr von Montmorency. »Ich werde ihn Euch morgen wieder schicken, Madame,« sagte er, sich mit einem Lächeln an Frau von Poitiers wendend, »denn ich konnte sehen, daß Ihr ihm in einer wahren Liebe zugethan seid.«

»Aber ist Seine Hoheit der Dauphin auch davon überzeugt?« versetzte Diana, »und hat er mir das so wenig von mir vorhergesehene Unglück dieses Zusammentreffens verziehen?«

»Ja, Ihr liebt mich . . . furchtbar, in der That, Diana!« erwiderte der Dauphin nachdenkend, »ich bedarf des Glaubens zu sehr, um zu zweifeln, und hätte der Graf auch wahr gesprochen, so sah ich doch zu sehr an dem Schmerz, der sich meiner bemächtigte, als ich Euch verloren zu haben mir einbildete, daß Eure Liebe für mein Dasein fortan nothwendig ist, und daß, wenn man Euch liebt, dies für das ganze Leben geschieht.«

»Ah! möchtet Ihr wahr sprechen,« rief Diana mit einem leidenschaftlichen Ausdrucke, indem sie die Hand küßte, die ihr der Prinz zum Zeichen der Versöhnung reichte.

»Vorwärts, gehen wir ohne Verzug,« sagte Herr von Montmorency.

»Auf Wiedersehen, Diana.«

»Auf Wiedersehen mein Herr,« sprach die Herzogin, indem sie diese beiden Worte mit einem Ausdruck voll unsäglichen Zaubers trennte.

Sie geleitete ihn bis zu der Schwelle des Zimmers zurück. Während der Dauphin die Treppe hinab stieg, öffnete Herr von Montmorency wieder die Thüre des Sprechzimmers, wo Herr von Montgommery immer noch bewacht und gefesselt lag, und sprach sich an den Anführer der Reiter wendend:

»Ich werde Euch sogleich einen von meinen Leuten schicken, der Euch von dem unterrichten soll, was Ihr mit Eurem Gefangenen zu machen habt. Bis dahin überwacht alle seine Bewegungen und verliert ihn nicht eine Minute aus dem Blick. Ihr haftet mir mit Eurem Leben für ihn.«

»Sehr wohl, gnädigster Herr,« antwortete der Reiter.

»Ueberdies werde ich wachen,« sagte von der Thüre aus, wo sie stehen geblieben war, Frau von Poitiers.

Alle entfernten sich und Perrot hörte in seinem Verstecke nichts mehr, als den regelmäßigen Tritt der im Innern des Sprechzimmers aufgestellten Wache, welche die Thüre hütete, während ihre Kameraden den Gefangenen bewachten.«

II.
Eine unnütze Aufopferung

Nachdem Aloyse einige Augenblicke ausgeruht hatte, denn sie konnte, kaum athmen bei der Erinnerung an diese traurige Geschichte, faßte sie wieder Muth und beendigte ihre Erzählung mit folgenden Worten:

»Es schlug ein Uhr Morgens in dem Augenblick, wo der Dauphin und sein wenig bedenklicher Mentor sich entfernten. Perrot sah, daß sein Herr rettungslos verloren war, wenn er dem Boten von Herrn von Montmorency Zeit ließ, zu erscheinen. Es war ihm nicht entgangen, daß Herr von Montmorency weder ein Losungswort noch irgend ein Zeichen genannt hatte, woran man seinen Abgesandten zu erkennen vermochte. Nachdem er ungefähr eine halbe Stunde gewartet hatte, um das Zusammentreffen von Herrn von Montmorency mit dem Boten wahrscheinlich zu machen, verließ Perrot sachte sein Versteck, ging mit aufgehobenem, Fuße einige Stufen der Treppe hinab, stieg sodann diese wieder hinauf, indem er seine Tritte im Gegentheil scharf hörbar machte, und klopfte an die Thüre des Sprechzimmers.

Der Plan, den er freiwillig gefaßt hatte, war kühn, hatte aber gerade wegen dieser Kühnheit Chancen des Gelingens.

»Wer da?« fragte die Wache.

»Ein Abgesandter des gnädigsten Herrn von Montmorency.«

»Oeffne,« sprach der Anführer der Truppe zu der Wache.

Man öffnete, Perrot trat keck, den Kopf hoch, ein.

»Ich bin der Stallmeister von Herrn Charles von Manssol, der, wie Ihr wißt, im Dienste von Herrn von Montmorency steht. Wir kamen von der Wache im Louvre ab, mein Herr und ich, als wir auf der Grève Herrn von Montmorency in Begleitung eines großen, tief in seinen Mantel gehüllten jungen Mannes begegneten. Herr von Montmorency erkannte Herrn von Manssol und rief ihn. Nachdem sie einige Augenblicke mit einander gesprochen hatten, befahlen sie mir, hierher in die Rue du Figuier zu Frau Diana von Poitiers zu gehen. Ich werde, sagten sie, hier einen Gefangenen finden, über welchen mir Herr von Montmorency Instructionen gab, die ich zu vollziehen habe. Ich verlangte zu diesem Behuf einige Mann Escorte, doch er sagte mir, es wären hier schon Bewaffnete genug, und ich sehe in der That, daß Ihr zahlreicher seid, als es nöthig ist, um die persönliche Sendung zu unterstützen, mit der man mich betraut hat. Wo ist der Gefangene? Ah! hier ist er! nehmt ihm den Knebel heraus, denn ich muß mit ihm sprechen, und er muß mir antworten können.«

Der gewissenhafte Anführer der Soldaten zögerte noch, trotz des entschiedenen Tones von Perrot.

»Habt Ihr mir keinen geschriebenen Befehl zu übergeben?« fragte er.

»Schreibt man Befehle auf der Grève um zwei Uhr Morgens?« erwiderte Perrot die Achseln zuckend, »Herr von Montmorency sagte mir, Ihr wäret von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzt.«

»Das ist wahr.«

»Nun, was für Chicanen macht Ihr mir denn, mein braver Mann? Entfernt Euch Ihr und Eure Leute, denn was ich diesem Herrn zu sagen habe, muß zwischen ihm und mir geheim bleiben. Ei! versteht Ihr mich denn nicht? Weicht zurück, Ihr Leute.«

Sie wichen in der That zurück, und Perrot näherte sich Herrn von Montgommery, der nun von seinem Knebel befreit war.

»Mein braver Perrot!« sprach der Graf, welcher seinen Stallmeister sogleich erkannt hatte, »wie kommst Du hierher?«

»Ihr sollt es erfahren, gnädiger Herr, doch wir haben keine Minute zu verlieren, hört mich.«

Er erzählte ihm in wenig Worten, die Scene welche bei Frau Diana vorgefallen war, sowie den Entschluß, den Herr von Montmorency gefaßt zu haben schien, auf immer das furchtbare Geheimnis der Beleidigung mit dem Beleidiger zu begraben. Man müsse sich daher dieser tödtlichen Gefangenschaft durch einen verzweifelten Streich entziehen.

»Und was gedenkst Du zu thun, Perrot?« fragte Herr von Montgommery. »Sieh’! sie sind ihrer Acht gegen uns Zwei, und wir befinden uns nicht in einem befreundeten Haus fügte er voll Bitterkeit bei.

»Gleichviel!« erwiderte Perrot, »laßt mich nur machen und sprechen, und Ihr seid gerettet, Ihr seid frei.«

»Wozu sollte es mich nützen, Perrot?« sagte traurig der Graf, »was sollte ich mit dem Leben und der Freiheit thun? Diana liebt mich mich nicht! Diana haßt mich und verräth mich!«

»Laßt die Erinnerung an diese Frau, und denkt an Euer Kind, gnädiger Herr.«

»Du hast Recht, Perrot, ich habe ihn zu sehr vergessen, meinen armen kleinen Gabriel, und Gott straft mich dafür. Für ihn muß ich, will ich die letzte Möglichkeit der Rettung versuchen, die Du mir bietest, Freund. Doch vor Allem höre mich: entgeht mir diese Möglichkeit, scheitert die durch ihre Vermessenheit wahnsinnige Unternehmung, die Du zu wagen im Begriffe bist, so will ich dem verwaisten Knaben nicht als Erbschaft die Folge meines unseligen Geschickes vermachen, ich will ihm nach meinem Verschwinden aus dem Leben nicht die furchtbaren Feindschaften hinterlassen, denen ich unterlegen bin. Schwöre mir also, daß wenn das Gefängniß oder das Grab sich für mich öffnet, Gabriel nie durch Dich erfahren soll, wie sein Vater aus dieser Welt verschwunden ist. Bekäme er Kenntniß von diesem furchtbaren Geheimniß, so würde er eines Tags mich rächen oder retten wollen, und er würde sich in’s Verderben stürzen. Ich werde, ohne diese Last beizufügen, seiner Mutter immer noch eine schwere Rechenschaft abzulegen haben. Mein Sohn lebe glücklich und ohne Sorge über die Vergangenheit seines Vaters! Schwöre mir dies, Perrot, und halte Dich nur Deines Eides entbunden, wenn die drei handelnden Personen der Scene, die Du mir berichtet hast vor mir sterben, und wenn der Dauphin (der ohne Zweifel dann König sein wird), Frau Diana und Herr von Montmorency in das Grab ihren allmächtigen Haß mitnehmen und nichts mehr gegen mein Kind vermögen. Dann, in dieser sehr zweifelhaften Voraussetzung, versuche er es, wenn er kann, mich aufzufinden und zurückzufordern. Doch bis dahin wisse er eben so wenig als die Andern, weniger als die Andern das Ende seines Vaters. Du versprichst es mir Perrot? Du schwörst es mir? Ich überlasse mich Deiner verwegenen und, ich befürchte es, unnützen Ergebenheit nur unter dieser Bedingung.«

»Ihr wollt es, gnädiger Herr? Ich schwöre also.«

»Auf das Kreuz Deines Schwertes, Perrot, Gabriel wird nichts durch Dich von diesem gefährlichen Geheimniß erfahren?«

»Auf das Kreuz meines Schwertes, gnädiger Herr,« sprach Perrot, die rechte Hand ausstreckend.

»Ich danke, Freund. Nun thue, was Du willst, mein treuer Diener. Ich übergebe mich Deinem Muth und der Gnade Gottes.«

»Kaltblütigkeit und Festigkeit,« versetzte Perrot. »Ihr werdet sehen.«

Dann sich an den Anführer der Soldaten wendend.

»Die Zusagen, die mir der Gefangene geleistet hat, sind befriedigend, Ihr könnt ihn nun losbinden und gehen lassen.«

»Ihn losbinden? ihn gehen lassen?« versetzte der erstaunte Sbirre.

»Ei, allerdings! das ist der Befehl des durchlauchtigen Herrn von Montmorency.«

»Des Herrn von Montmorency?« versetzte der Führer den Kopf schüttelnd, »er hat uns befohlen, diesen Gefangenen auf’s Schärfste zu bewachen, und uns gesagt, als er wegging, wir müßten mit unserem Kopf für ihn haften. Wie kann der gnädigste Herr von Montmorency nun diesen Edelmann in Freiheit setzen wollen?«

»Wie ihr weigert Euch, mir zu gehorchen, während ich in seinem Namen spreche?« sagte Perrot, ohne im Geringsten von seiner Sicherheit zu verlieren.

»Ich zögere. Hört, würdet Ihr mir befehlen, diesen Herrn zu erdrosseln, oder ihn in das Wasser zu werfen, oder ihn in die Bastille zu führen, so würden wir gehorchen, aber ihn loslassen, das ist nicht unseres Amtes.«

»Es sei,« sprach Perrot, ohne aus der Fassung zu gerathen. »Ich habe Euch die Befehle, die ich erhalten, eröffnet und wasche im Uebrigen meine Hände, Ihr seid Herrn von Montmorency für die Folgen Eures Ungehorsams verantwortlich. Doch ich habe nichts, mehr hier zu thun, guten Abend.«

Und er öffnete die Thüre, als ob er gehen wollte.

»He! einen Augenblick,« sagte der Sbirre, »habt Ihr denn so große Eile? Ihr versichert mich also, es sei der Wille von Herrn von Montmorency, den Gefangenen gehen zu lassen, Ihr seid auch dessen gewiß, daß Herr von Montmorency Euch schickt?«

»Dummkopf,« versetzte Perrot, »wie hätte ich sonst erfahren, daß ein Gefangener hier bewacht wird? Ist Jemand weggegangen, um es zu sagen, wenn nicht Herr von Montmorency selbst?«

»Wohl! man wird Euch Euren Gefangenen losbinden,« sagte der Scherge, unzufrieden wie ein Tiger, dem man den Knochen entzieht, welchen er eben zerreißen will. »Beim Leibe Christi! wie veränderlich sind doch diese vornehmen Herren.«

»Es ist gut. Ich erwarte Euch,« sagte Perrot.

Er blieb nichtsdestoweniger außen auf der ersten Stufe der Treppe, das Gesicht den Staffeln zugekehrt und seinen gezogenen Dolch in der Hand. Sollte er den wahren Boten von Montmorency heraufkommen sehen, würde er ihn keinen Schritt mehr thun lassen.

Doch er sah nicht und hörte nicht hinter sich Frau von Poitiers, durch den Lärmen herbeigezogen, aus ihrem Schlafzimmer herauskommen und auf die offen gebliebene Thüre des Sprechzimmers zugehen. Sie gewahrte, daß man Herrn von Montgommery losband, der bei ihrem Anblick vor Schrecken stumm blieb.

»Elende! was macht Ihr da?« rief sie.

»Wir gehorchen den Befehlen von Herrn von Montmorency, Madame,« antwortete der Anführer der Sbirren, »wir binden den Gefangenen los.«

»Unmöglich!« versetzte Frau von Poitiers. »Herr von Montmorency konnte keinen solchen Befehl geben. Wer hat Euch diesen Befehl überbracht?«

Die Sbirren deuteten auf Perrot, der sich, als er Frau Diana hörte, von Staunen und Schrecken erfaßt, umgedreht hatte. Ein Strahl der Lampe fiel auf das bleiche Gesicht des armen Perrot; Frau Diana erkannte ihn.

»Dieser Mensch?« sagte sie, »dieser Mensch ist der Stallmeister des Gefangenen! Seht, was Ihr thun wolltet!«

»Eine Lüge!« entgegnete Perrot, der noch zu leugnen suchte. »Ich bin bei Herrn von Manssol und Herr von Montmorency hat mich hierher geschickt.«

 

»Wer sagt, er sei von Herrn von Montmorency geschickt?« sprach die Stimme eines Hinzukommenden, der kein Anderer war, als der ächte Abgesandte. »Meine braven Leute, dieser Mensch lügt. Hier ist der Ring und das Siegel der Montmorency, und Ihr müßt mich überdies erkennen, ich bin der Graf von Montansier.3 Wie, Ihr habt es gewagt, diesem Menschen den Knebel auszuziehen und ihn loszubinden? Unglückliche, man kneble ihn und binde ihn noch fester.«

»Das lasse ich mir gefallen!« sagte der Anführer der Sbirren, »das sind wahrscheinliche und verständliche Befehle!«

»Armer Perrot!« sprach nun der Graf.

Er ließ sich nicht einmal herab, ein Wort des Vorwurfs gegen Frau Diana beizufügen, obgleich er Zeit hatte, bis ihm das Sacktuch im Mund befestigt war. Vielleicht befürchtete er auch, seinen braven Stallmeister noch mehr zu gefährden. Doch Perrot ahmte leider seine Klugheit nicht nach und sprach, sich voll Entrüstung an Frau Diana wendend:

»Gut, Madame, Ihr bleibt wenigstens im Treubruch nicht auf halbem Wege stehen! Der heilige Peter verleugnete seinen Gott dreimal; doch Judas verrieth ihn nur ein einziges Mal. Ihr habt Euren Geliebten seit einer Stunde dreimal verraten. Judas war allerdings nur ein Mensch, und Ihr seid eine Frau und eine Herzogin!«

»Packt diesen Menschen!« rief Frau Diana wüthend.

»Packt diesen Menschen!« wiederholte der Graf von Montansier.

»Ah! ich bin noch nicht gefangen!« rief Perrot.

Und er nahm einen verzweifelten Anlauf, sprang bis zu Herrn von Montgommery, fing an dessen Bande mit einem Dolch zu durchschneiden und rief ihm zu:

»Helft Euch, gnädiger Herr, und laßt uns unser Leben theuer verkaufen.«

»Doch er hatte kaum Zeit, ihm den linken Arm frei zu machen, denn er konnte sich nur unvollständig vertheidigen, während er die Stricke des Grafen zu durchschneiden suchte. Von allen Seiten umringt und bedrängt, warf ihn ein gewaltiger Streich, den er zwischen die Schultern erhielt, zu den Füßen seines Herrn, und er fiel bewußtlos und wie todt nieder.«

3Der junge Graf von Montansier präludirte auf diese Art durch die Verhaftung von Montgommery zu der Ermordung von Lignerolles. Als nämlich Herr von Lignerolles Karl IX. mittheilte, der Herzog von Anjou, sein Herr, habe ihm den geheimen Plan anvertraut, sich der hugenottischen Häupter zu entledigen, bestimmte der König bekanntermaßen seinen Bruder, Lignerolles tödten zu lassen, um jeder Indiscretion zuvorzukommen. Der Graf von Montansier übernahm die Vollziehung mit vier oder fünf andern adeligen Henkern, welche in der Folge sämmtlich elend umkamen. »Man muß sich daher,« sagt Brantôme, »sehr in Acht nehmen, daß man keinen Menschen ungeigneter Weise tödtet, denn man hat kaum solche Morde gesehen, welche nicht gerächt worden sind mit der Erlaubniß Gottes, der uns ein Schwert an die Seite gegeben hat, um es zu gebrauchen, nicht um es zu mißbrauchen.«