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Die beiden Dianen

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»Ja, gewiß, meine gute Aloyse . . . Mein Vater! mein Vater lebt! . . . sprich geschwinde!«

Doch in diesem Augenblick klopfte Jemand bescheiden an die Thüre und Nostradamus erschien.

»Ah, ah! Herr d’Ermès,« sagte er zu Gabriel, »Wie munter und belebt finde ich Euch! Das gefällt mir, Ihr waret nicht so vor einem Monat. Mir scheint, Ihr seid nun völlig bereit, zu Feld zu ziehen!«

»Wirklich zu Feld zu ziehen!« sprach Gabriel, indem er mit funkelndem Auge Aloyse anschaute.

»Ich sehe also, daß der Arzt nichts mehr hier zu thun hat,« versetzte Nostradamus.

»Nichts mehr, als meinen Dank, Meister, und den Preis für Eure Dienste, wenn ich dies sagen darf, zu empfangen, denn in gewissen Fällen bezahlt man das Leben nicht.«

Und er drückte dem Doctor die Hand und legte in diese Hand eine Rolle Gold.

»Ich danke, Herr Vicomte d’Ermès,« sprach Nostradamus. »Doch erlaubt mir, Euch ebenfalls ein Geschenk zu machen, von dem ich glaube, daß es für Euch von Werth ist.«

»Was ist das, Meister?«

»Ihr wißt, gnädiger Herr, daß ich mich nicht allein damit beschäftigt habe, die Krankheiten der Menschen kennen zu lernen. Ich wollte weiter und höher sehen, ich wollte ihre Geschicke ergründen, eine Aufgabe voll von Zweifeln und Schatten; doch in Ermangelung von Licht habe ich, wie mir scheint, zuweilen den Schimmer gesehen. Gott hat, davon bin ich fest überzeugt, zweimal den breiten, mächtigen Plan des Schicksals von jedem Menschen geschrieben: einmal in die Gestirne des Himmels, in sein Vaterland, zu dem er so oft die Augen erhebt, und dann in die Linien seiner Hand, ein verworrenes Zauberbuch, das er beständig bei sich trägt, welches er jedoch ohne zahllose Studien nicht einmal zu buchstabieren vermag. Viele Tage und viele Nächte; hindurch habe ich in diese zwei Wissenschaften, welche bodenlos sind, wie das Faß der Daumen, in die Chiromantie und die Astrologie einzudringen gesucht. Ich habe alle Jahre der Zukunft vor mich heraufbeschworen, und in tausend Jahren werden die Menschen, die dann leben, vielleicht manchmal über meine Prophezeiungen staunen. Aber ich weiß nichtsdestoweniger, daß die Wahrheit nur durch Blitze leuchtet; denn wenn ich zuweilen sehe, so zweifle ich leider viel öfter. Dessen ungeachtet weiß ich, daß ich in Zwischenräumen Stunden der Hellsichtigkeit habe, die mich sogar erschrecken, gnädiger Herr. In einer von diesen Stunden sah ich vor fünfundzwanzig Jahren das Geschick eines Edelmannes am Hofe von König Franz klar in den Gestirnen, welche bei seiner Geburt herrschten, und in den verwickelten Linien seiner Hand geschrieben. Dieses seltsame gefahrvolle Geschick fiel mir ungemein auf. Beurtheilt mein Erstaunen, als ich in Eurer Hand und in den Gestirnen Eurer Geburt ein Horoskop dem ähnlich, welches mich einst so sehr in Erstaunen gesetzt hatte, herauszufinden glaubte. Doch ich konnte es nicht so klar unterscheiden wie einst, und ein Zwischenraum von fünfundzwanzig Jahren verwirrte meine Erinnerungen. Im vorigen Monat, gnädiger Herr, sprachet Ihr endlich in Eurem Fieber einen Namen aus; ich hörte nur diesen Namen, doch er ergriff mich. Es war der Name des Grafen von Montgommery!«

»Des Grafen von Montgommery?« rief Gabriel erschrocken.

»Ich wiederhole Euch, gnädiger Herr, daß ich nur diesen Namen gehört habe; am Uebrigen war mir wenig gelegen. Denn dieser Name war der des Mannes, dessen Schicksal mir leuchtend wie der helle Mittag erschienen war. Ich lief nach Hause, durchwühlte meine alten Papiere und fand das Horoskop des Grafen von Montgommery wieder. Doch es ist seltsam und mir in den dreißig Jahren, seitdem ich studiere, noch nicht vorgekommen. Ihr müßt mit dem Grafen von Montgommery in geheimnißvollen Beziehungen, in seltsamer Verwandtschaft stehen, und Gott, der nie zwei Menschen zwei gleiche Geschicke gegeben hat, hatte Euch Beide ohne Zweifel zu denselben Ereignissen vorbehalten. Denn ich hatte mich nicht getäuscht: die Linien der Hand und die Gestirne des Himmels waren für Euch Beide dieselben. Ich will übrigens nicht sagen, es finde keine Verschiedenheit in den einzelnen Umständen von Eurer Beider Leben statt, die vorherrschende Thatsache aber, welche es charakterisiert, ist dieselbe. Ich habe den Grafen von Montgommery einst aus dem Auge verloren, dennoch aber weiß ich, daß eine von meinen Weissagungen sich für ihn verwirklicht hat. Er hat den König mit einem Feuerbrand an der Stirne verwundet. Ob sein übriges Geschick in Erfüllung gegangen ist, weiß ich nicht. Ich kann nur behaupten, daß das Unglück und der Tod, wodurch er bedroht war, auch Euch bedrohen!«

»Ist es möglich?« sagte Gabriel.

»Hier, gnädiger Herr,« sprach Nostradamus, indem er dem Vicomte d’Ermès ein zusammengerolltes Papier überreichte, »hier ist das Horoskop, das ich zur Zeit für den Grafen von Montgommery geschrieben hatte. Ich würde es heute nicht anders für Euch schreiben.«

»Gebt, Meister, gebt, dieses Geschenk ist in der That unschätzbar, und Ihr könnt nicht glauben, in welchem Maße es für mich kostbar wird.«

»Ein letztes Wort, damit Ihr auf Eurer Hut seid, obgleich Gott der Gebieter ist und man nicht wohl seinen Rathschlüssen entgehen kann. Die Nativität von Heinrich II. weissagt, er werde in einem Duell oder in einem Einzelkampfe seinen Tod finden.«

»Ja welchem Zusammenhang? . . .«

»Wenn Ihr dieses Pergament gelesen habt, werdet Ihr mich verstehen, gnädiger Herr. Nun habe ich nur noch von Euch Abschied zu nehmen und Euch zu wünschen, daß die Katastrophe, welche Gott in Euer Leben gelegt hat, wenigstens unwillkührlich sein möge.«

Hiernach verbeugte sich Nostradamus vor Gabriel, der ihm die Hand drückte und ihn bis zur Thüre geleitete, und ging hinaus.

Sobald er zu Aloyse zurückkam, entfaltete Gabriel das Pergament, und nachdem er sich versichert hatte, daß ihn Niemand stören oder belauern konnte, las er mit lauter Stimme; wie folgt:

 
»Bei Spiel, bei Liebe wird er berühren
Des Königs Stirne
Mit Wunden schlagen oder Hörner setzen
Des Königs Stirne;
Er wolle oder nicht, er wird verletzen
Des Königs Stirne;
Ihn wird lieben, dann – o weh! – tödten
Des Königs Dame.«
 

»Es ist gut!« rief Gabriel, die Stirne strahlend und den Blick triumphierend. »Nun kannst Du mir erzählen, liebe Aloyse, wie Heinrich II. den Grafen von Montgommery meinen Vater, lebendig begraben hat.«

»Der König Heinrich II.!« rief Aloyse, »woher wißt Ihr, gnädiger Herr.«

»Ich errate es! Doch Du kannst mir das Verbrechen enthüllen, da Gott mir schon die Rache hat verkündigen lassen.«

XVIII.
Der schlimmste Fall einer Coquette

Wir vervollständigen durch die Memoiren und Chroniken der Zeit die Erzählung von Aloyse, welche ihr Gatte Perrot Navrigny, der Stallmeister und Vertraute des Grafen von Montgommery, von allen Lebensumständen seines Gebieters unterrichtet hatte, und geben in Folgendem die düstere Geschichte von Jacques von Montgommery, dem Vater von Gabriel. Sein Sohn kannte die allgemeinen und officiellen Verhältnisse, aber die unselige Entwickelung, welche diese Geschichte schloß, war ihm unbekannt, wie Allen.

Jacques von Montgommery, Herr von Lorges, war wie alle seine Ahnen muthig und tapfer, und unter der kriegerischen Regierung von Franz l. sah man ihn stets in der ersten Reihe da, wo man sich schlug. Er wurde auch bald zum Obersten des französischen Fußvolks ernannt.

Unter seinen hundert Heldenthaten war jedoch ein ärgerliches Ereigniß das, auf welches Nostradamus anspielte.

Es fiel im Jahr 1521 vor; der Graf von Montgommery war ungefähr zwanzig Jahre alt und erst Kapitän; der Winter war streng und die jungen Leute machten, den jungen König Franz l. an der Spitze, eine Schneeballpartie: ein Spiel nicht ohne Gefahr und zu jener Zeit sehr in der Mode. Man theilte sich in zwei Lager, die Einen vertheidigten ein Haus und die Andern griffen es mit Schneeballen an. Der Graf von Enghien, Herr von Cérisoles, wurde in einem solchen Spiel getödtet. Es fehlte nicht viel, so hätte Jacques von Montgommery den König auch getödtet. Als die Schlacht beendigt war, wollte man sich wieder erwärmen; man hatte das Feuer erlöschen lassen, und alle diese stürmischen jungen Thoren wollten es wieder anzünden. Jacques brachte in aller Eile zuerst einen Brand in einer Feuerzange, doch er traf unter Weges auf Franz I., der nicht mehr Zeit hatte sich zu schützen, und mit dem feurigen Scheit heftig auf die Stirne gestoßen wurde. Es entstand hiedurch zum Glück nur eine Wunde, doch eine ziemlich bedeutende, und die häßliche Narbe, die sie zurückließ, gab Anlaß zu der Mode des langen Bartes und der kurzen Haare, nach der Verordnung von Franz I.

Da der Graf von Montgommery dieses unglückliche Ereigniß durch tausend schöne Waffenthaten vergessen machte, so bewahrte der König keinen Groll gegen ihn und erhob ihn zu den höchsten Stellen bei Hof und im Heere. Im Jahre 1530 heirathete Jacques Claudine de la Boissière. Es war eine einfache Convenienzheirath, dennoch beweinte er lange seine Frau, welche im Jahre 1533 nach der Geburt von Gabriel starb. Der Grund seines Charakters war, wie bei allen denjenigen, welche zu etwas Unseligem vorherbestimmt sind, die Traurigkeit. Als er Witwer und allein war, bestanden seine Zerstreuungen in Degenstichen; er stürzte sich aus Langerweile in die Gefahr. Doch im Jahre 1538, nach dem Waffenstillstand von Nizza, als dieser Mann des Krieges und der Thätigkeit sich in die Hofordnung fügen und mit einem Paradedegen an der Seite in den Gallerien der Tournelles und des Louvre spazieren gehen mußte, da wäre er vor Ueberdruß beinahe gestorben.

Eine Leidenschaft rettete ihn und brachte ihn ins Verderben.

Die königliche Circe zog in ihren Zaubergarten dieses naive, kräftige alte Kind. Er verliebte sich in Diana von Poitiers.

Düster und verdrießlich ging er drei Monate um sie her, ohne ein einziges Mal das Wort an sie zu richten, doch er schaute sie mit einem Blick an, der Alles sagte. Es brauchte nicht so viel für die Großseneschallin, um zu begreifen, daß diese Seele ihr gehörte. Sie schrieb seine Leidenschaft in einen Winkel ihres Gedächtnisses, um sich bei Gelegenheit derselben u bedienen.

 

Die Gelegenheit kam. Franz I. fing an seine schöne Geliebte zu vernachlässigen, und er wandte sich Madame d’Étampes zu, welche minder schön war, aber den großen Vortheil, auf eine andere Art schön zu sein, für sich hatte.

Als die Symptome der Vernachlässigung offenkundig wurden, sprach Diana zum ersten Male in ihrem Leben mit Jacques von Montgommery. Dies geschah in den Tournelles, bei einem Feste, das der König seiner neuen Favoritin gab.

»Herr von Montgommery?« sagte Diana dem Grafen rufend.

Er näherte sich ihr mit pochender Brust und verbeugte sich linkisch.

»Wie traurig seid Ihr, Herr von Montgommery!« sagte sie.

»Zum Sterben, Madame.«

»Und warum dies, großer Gott?«

»Madame, ich möchte mich gern tödten lassen.«

»Für irgend Jemand ohne Zweifel.«

»Für irgend Jemand wäre es sehr süß; doch meiner Treue! für nichts wäre es auch süß.«

»Das ist eine furchtbare Schwermuth,« versetzte Diana, »doch woher kommt diese schwarze Krankheit?«

»Weiß ich es, Madame?«

»Ich weiß es, Herr von Montgommery, Ihr liebt mich.«

Jacques wurde ganz bleich, dann aber bewaffnete er sich mit einer Entschlossenheit, die er sicherlich nicht gebraucht hätte, um sich mitten in ein feindliches Bataillon zu werfen, und antwortete mit einer rauhen, zitternden Stimme:

»Nun wohl! ja; Madame, ich liebe Euch und das ist schlimm.«

»Das ist gut!« versetzte Diana lachend.

»Was habt Ihr gesagt?« rief Montgommery, zitternd. »Ah! nehmt Euch in Acht, Madame? dies ist kein Spiel, es ist eine aufrichtige, tiefe Liebe, obgleich sie unmöglich ist, oder gerade weil sie unmöglich ist.«

»Und warum ist sie unmöglich?« fragte Diana.

»Madame,« antwortete Jacques, »verzeiht meine Offenherzigkeit; ich habe nicht die Dinge durch Worte schminken gelenkt. Liebt Euch der König nicht, Madame?«

»Es ist wahr,« versetzte Diana seufzend, »er liebt mich.«

»Ihr seht also, daß es mir verboten ist, wenn nicht Euch zu lieben, doch wenigstens Euch diese unwürdige Liebe zu erklären.«

»Eurer unwürdig, das ist richtig,« sprach die Herzogin.

»Oh! nein, nicht meiner!« rief der Graf, »und könnte es eines Tages geschehen . . .«

Doch Diana unterbrach ihn mit einer ernsten Traurigkeit und mit einer gut gespielten Würde und sagte:

»Genug Herr von Montgommery, ich bitte Euch, laßt uns dieses Gespräch abbrechen.«

Sie grüßte ihn kalt, entfernte, sich und ließ den armen Grafen von tausend entgegengesetzten Gefühlen, von Eifersucht, Liebe, Haß, Schmerz und Freude hin- und hergeworfen. Diana kannte also die Anbetung, die er für sie hegte, doch er, er hatte sie vielleicht verwundet? Er hatte ihr ungerecht, undankbar, grausam scheinen müssen! Er wiederholte sich alle die erhabenen Albernheiten der Liebe.

Am andern Tag sagte Diana von Poitiers zu Franz I.:

»Wißt Ihr auch, Sire, daß Herr von Montgommery in mich verliebt ist?«

»Ei! ei!« versetzte Franz lachend, »die Montgommery sind von altem Geschlecht und beinahe eben so edel als ich; mehr noch, beinahe eben so brav, und wie ich sehe beinahe eben so galant.«

»Ist das Alles, was Eure Majestät mir zu erwidern findet?« sagte Diana.

»Was soll ich Euch antworten, mein Herz?« versetzte der König. »Muß ich durchaus dem Grafen von Montgommery grollen, weil er wie ich guten Geschmack und gute Augen hat?«

»Handelte es sich um Madame d’Étampes, so würdet Ihr das nicht sagen,« murmelte Diana verletzt.

Sie trieb dieses Gespräch nicht weiter. Doch sie beschloß die Prüfung weiter zu treiben. Als sie Jacques von Montgommery einige Tage darauf wieder sah, rief sie ihn abermals:

»Wie! Herr von Montgommery, noch trauriger, als gewöhnlich?«

»Allerdings, Madame,« antwortete der Graf demuthsvoll, »denn ich zittere, Euch beleidigt zu haben.«

»Nicht beleidigt, mein Herr, sondern nur betrübt,« sprach die Herzogin.

»Oh! Madame,« rief Montgommery »ich, der ich all mein Leben geben würde, um Euch eine Thräne zu ersparen, wie kann ich Euch den geringsten Schmerz verursachen!«

»Ließet Ihr mich nicht hören, da ich die Geliebte des Königs sei, so habe ich nicht das Recht, auf die Liebe eines Edelmanns Anspruch zu machen.«

»Ah! das war nicht mein Gedanke, Madame, es konnte nicht mein Gedanke sein, da ich, ein Edelmann, Euch mit einer eben so aufrichtigem als tiefen Liebe zugethan bin. Ich wollte nur sagen, Ihr könntet mich nicht lieben, da der König Euch liebte und Ihr den König liebtet.«

»Der König liebt mich nicht, und ich liebe den König nicht,« entgegnete Diana.

»Gott des Himmels! dann könntet Ihr also mich lieben?« rief Montgommery.

»Ich kann Euch lieben,« erwiderte Diana ruhig, »doch ich werde Euch nie sagen können, daß ich Euch liebe.«

»Warum dies, Madame?«

»Um meinem Vater das Leben zu retten, konnte ich die Geliebte des Königs von Frankreich werden; doch um meine Ehre wieder zu erhalten, darf ich nicht die des Grafen von Montgommery sein.«

Sie begleitete diese Halbweigerung mit einem so leidenschaftlichen und so schmachtenden Blick, daß der Graf nicht mehr an sich halten konnte.

»Ah! Madame,« sagte er zu der coquetten Herzogin, »wenn Ihr mich liebtet, wie ich Euch liebe? . . .«

»Nun?«

»Was ist mir an der Welt, an den Vorurtheilen der Familie und der Ehre gelegen! für mich seid Ihr das Weltall. Seit drei Monaten lebe ich nur von Eurem Anblick. ich liebe Euch mit der ganzen Gluth und der ganzen Blindheit der ersten Liebe. Eure erhabene Schönheit berauscht, verwirrt mich. Wenn Ihr mich liebt, wie ich Euch liebe, seid die Gräfin von Montgommery, seid meine Frau.«

»Ich danke, Graf,« sprach Diana triumphierend, »ich werde mich dieser edlen, hochherzigen Worte erinnern. Mittlerweile wißt Ihr, daß Grün und Weiß meine Farben sind.«

Ganz entzückt küßte Jacques die weiße Hand von Diana: er war stolzer und glücklicher, als wenn die Krone der Welt ihm gehört hätte.

Und als am andern Tag Franz I. gegen Diana von Poitiers bemerkte, ihr neuer Anbeter fange an öffentlich ihre Farben zu tragen, da sagte sie, indem sie den König mit der ganzen Schärfe ihres Blickes anschaute:

»Ist es nicht sein Recht, Sire, kann ich ihm nicht gestatten, meine Farben zu tragen, da er mir seinen Namen zu tragen anbietet?«

»Ist es möglich?« fragte der König.

»Es ist gewiß Sire,« antwortete mit einem bestimmten Nachdruck die Herzogin, welche einen Augenblick glaubte, es sei ihr gelungen, und die Eifersucht erwecke bei dem Ungetreuen die Liebe wieder.

Doch nachdem er nur kurz geschwiegen, stand der König auf um das Gespräch abzubrechen, und sagte heiter zu Diana:

»Wenn es sich so verhält, Madame, so werden wir die Stelle des Großseneschalls, welche seit dem Tod von Herrn von Brézé, Eurem ersten Gemahl, erledigt geblieben ist, Herrn von Montgommery zum Hochzeitsgeschenk geben.«

»Und Herr von Montgommery, Sire, wird sie annehmen können,« versetzte Diana mit stolzem Tone, »denn ich werde eine treue und rechtschaffene Gattin für ihn sein und ihn nicht für alle Könige des Weltalls verraten.«

Der König verbeugte sich lächelnd ohne zu antworten und entfernte sich.

Madame d’Étampes trug entschieden den Sieg davon.

Groll im Herzen, sagte an demselben Tag die ehrgeizige Diana zu dem entzückten Jacques:

»Mein muthiger Graf, mein edler Montgommery, ich liebe Dich.«

XIX.
Wie Heinrich II. zu Lebzeiten seines Vaters seine Erbschaft einzuziehen anfing

Die Heirath von Diana und vom Grafen von Montgommery wurde auf drei Monate nach dieser Zeit festgestellt, und bei dem so verleumderischen, so ausschweifenden Hofe ging das Gerücht, in ihrem Drang nach Rache gebe Diana von Poitiers ihrem zukünftigen Gemahl Handgelder.

Und dennoch vergingen drei Monate, und der Graf von Montgommery war verliebter als je, doch Diana verschob von Tag zu Tag die Vollziehung ihres Versprechens.

Dies kam davon her, daß sie kurze Zeit, nachdem sie es eingegangen, bemerkt hatte, mit welchen Blicken sie verstohlen der junge Dauphin anschaute. Hierdurch wurde ein neuer Ehrgeiz in dem Herzen der gebieterischen Diana erweckt. Der Titel der Gräfin von Montgommery konnte nur eine Niederlage verdecken. Der Titel einer Geliebten des Dauphin war beinahe ein Sieg. Wie! Madame d’Étampes, welche stets auf eine verächtliche Weise von dem Alter von Diana sprach, war nur vom Vater geliebt, und sie, Diana, wurde vom Sohn geliebt, ihr die Jugend, ihr die Hoffnung, ihr die Zukunft. Madame d’Étampes war ihr nachgefolgt doch sie war die Nachfolgerin von Madame d’Étampes. Sie würde wartend, geduldig, ruhig, wie eine lebendige Drohung vor ihr stehen . . . Denn Heinrich würde eines Tags König sein, und Diana immer noch schön, und abermals Königin. Das war in der That ein wahrer Sieg.

Der Charakter von Heinrich machte ihn noch gewisser. Er war damals erst neunzehn Jahre alt; doch er hatte an mehr als einem Krieg Theil genommen; seit vier Jahren war er mit Catharina von Medicis verheirathet, und dennoch war er ein wildes, scheues Kind geblieben. So kühn und vollendet er sich in der Reitkunst, im Fechten, bei den Ritterspielen und bei allen Uebungen zeigte, welche Geschmeidigkeit und Gewandtheit erfordern, ebenso linkisch und verlegen war er bei den Festen des Louvre und in Gegenwart der Frauen. Schwerfälligen Geistes und Urtheils gab er sich dem hin, welcher ihn nehmen wollte. Anne von Montmorency, der kalt mit dem König stand, hatte sich dem Dauphin zugewendet, und ertheilte ihm wohl alle seine Rathschläge und brachte ihm den ganzen Geschmack des schon reifen Mannes bei. Er leitete ihn nach seinem Gefallen und machte ihn gegen alle seine Launen fügsam. Er warf in diese schwache, zarte Seele tiefe Wurzeln einer unzerstörbaren Gewalt und bemächtigte sich Heinrichs dergestalt, daß nur das Ansehen einer Frau das seinige gefährden konnte.

Doch er bemerkte bald zu seinem Schrecken, daß sein Zögling verliebt wurde. Heinrich vernachlässigte die Freundschaften, mit denen er ihn weise umgeben hatte. Sonst scheu, wurde Heinrich traurig und beinahe träumerisch. Montmorency schaute umher und glaubte wahrzunehmen, daß Diana von Poitiers die Königin seiner Gedanken war. Der rohe Kriegsknecht liebte Diana mehr als eine Andere! In seinen plumpen Gedanken schätzte er die königliche Courtisane richtiger zu ihrem wahren Werthe, als der ritterliche Montgommery. Er ordnete seinen Plan nach den gemeinen Instinkten, die er bei dieser Frau, den seinigen gemäß, errieth, und fortan ruhig, ließ er den Dauphin im Verborgenen für die Großseneschallin seufzen.

Sie war in der That die Schönheit, welche das erstarrte Herz von Heinrich erwecken mußte! Sie war witzig, herausfordernd, lebhaft; ihr feiner Kopf hatte hübsche, rasche Bewegungen, ihr Blick glänzte von Versprechungen und ihre ganze Person besaß eine magnetische (damals sagte man magische) Anziehungskraft, welche den armen Heinrich verführen mußte. Es kam ihm vor, als müßte ihm diese Frau die unbekannte Wissenschaft eines neuen Lebens enthüllen. Die Sirene war für ihn, den Scheuen, den Neugierigen, den Naiven, anziehend und gefährlich wie ein Geheimniß oder wie ein Abgrund.

Diana fühlte dies Alles; doch sie zögerte noch aus Furcht vor Franz I. in der Vergangenheit und vor dem Grafen von Montgommery in der Gegenwart, sich in diese neue Zukunft einzulassen.

Als aber eines Tags der König, stets galant und eifrig, selbst gegen die Frauen, die er nicht liebte, und sogar gegen die, welche er nicht mehr liebte, mit Diana von Poitiers in einer Fenstervertiefung plauderte, erblickte er den Dauphin, der mit verstohlenem, eifersüchtigem Auge diese Unterredung von Diana und seinem Vater belauerte.

Franz rief Heinrich mit lauter Stimme.

»Ah! mein Herr Sohn, was macht Ihr da?« sagte er zu ihm, »nähert Euch doch!«

Ganz bleich und beschämt, beschloß Heinrich, nachdem er eine Minute zwischen seiner Pflicht und seiner Angst geschwankt hatte, statt die Einladung seines Vaters zu erwidern, die Flucht zu ergreifen, als ob er ihn gar nicht gehört hätte.

»Oh! was für ein scheuer, linkischer Bursche ist das!« sagte der König; »könnt Ihr eine solche Schüchternheit begreifen, Frau Diana? Ihr, die Göttin der Wälder, habt Ihr je einen scheueren Damhirsch gesehen? Ah! welch abscheulicher Fehler.«

»Beliebt es Eurer Majestät, daß ich Monseigneur den Dauphin bessere?« versetzte Diana lächelnd.

 

»Es dürfte schwerlich in der Welt einen artigeren Lehrmeister und eine süßere Lehre geben,« sagte der König.

»So haltet ihn für gebessert, Sire, ich übernehme es,« sprach Diana.

Sie hatte in der That bald den Flüchtling eingeholt.

Der Graf von Montgommery, der an diesem Tag Dienst hatte, war nicht im Louvre.

»Ich verursache Euch also einen gewaltigen Schrecken, Hoheit? . . .«

So begann Diana das Gespräch und die Belehrung. Wie sie diese beschloß, wie sie keinen von den Mißgriffen des Prinzen bemerkte und seine geringsten Worte bewunderte, wie sie ihn mit der Ueberzeugung verließ, er sei geistreich und reizend geworden, wie er in der That nach und nach bei ihr reizend und geistreich wurde, wie sie allmälig in jeder Hinsicht die Gebieterin seines Herzens wurde und ihm zu gleicher Zeit Befehle, Lectionen und Glück gab, dies ist die ewige und unübersetzbare Komödie, welche sich stets spielen, aber nie schreiben lässt.

Und Montgommery? Oh! Montgommery liebte Diana zu sehr, um sie zu beurtheilen, er hatte sich ihr zu blindlings hingegeben, um klar zu sehen. Jedermann machte längst bei Hofe seine Bemerkungen über die neue Liebschaft von Frau von Poitiers, als sich der edle Graf immer noch in seinen sorgfältig von Diana unterhaltenen Illusionen wiegte. Das Gebäude an dessen Errichtung sie arbeitete, war noch zu gebrechlich, als daß sie nicht hätte eine gewaltige Erschütterung und den ganzen Einsturz befürchten sollen. Sie behielt also den Dauphin aus Ehrgeiz und den Grafen aus Klugheit.