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Diana de Lys

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»Du würdest vielleicht es lieber sehen, wettet er Maler wäre?«

»Gewiß! ich gestehe, daß das, was ich gesehen habe, mich mit den Künstlern ausgesöhnt hat. Wenigstens besitzen sie Genie, und ihre Liebe ist bei Weitem derjenigen solcher Menschen, wie der Baron, vorzuziehen. Es giebt Augenblicke, wo ich entschlossen bin, Maximilian zu schreiben, daß ich ihn nicht mehr zu sehen wünsche.«

»Was hält Dich zurück? Es wäre besser. Wer weiß, was das für ein Ende nimmt. Du läufst Gefahr, Dich bloßzustellen und zwar wegen eines Mannes, den Du nicht liebst.«

»Du hast Recht. Aber ich will Dir etwas sagen, was Dich verwundern wird.«

»Was?«

»Wenn ich den Baron noch länger sehe, so geschieht es . . .«

Diana zögerte.

»So geschieht es?« wiederholte Marcelline.

»Du willst Dich über mich lustig machen.«

»Sprich weiter.«

»Nun, so geschieht es, weil es mir Vergnügen macht, zu seinem Freunde zu gehen.«

»Hüte Dich.«

»Wovor?«

»Wenn Du nun Herrn Paul Aubry lieben würdest.«

»Ich?«

»Warum nicht?«

»Ich habe ihn nie gesehen und werde ihn auch nicht sehen. Nein, die Gefahr ist nicht vorhanden. Was mich allein amüsirt, ist, mich in das Leben dieses jungen Menschen einzuweihen, ohne daß er mich kennt, und ihre zu beschützen, ohne daß er mich sieht. Ich bin glücklich, daß die 1000 Franken, welche Du ihrer heute zugestellt hast und welche er mir nicht schlechthin zu danken hat, weil er sie durch seine Arbeit verdienen wird, von mir kommen, weil ich jetzt weiß, wie er sein Geld anwendet. Er verdankt mir vielleicht einst seine Stellung, seinen Ruhm und sein Glück. Es ist eine Zerstreuung gleich jeder andern; nur ist dies eine Zerstreuung, welche dem Herzen Vergnügen macht, und es wird immer etwas Schönes sein, was ich gethan habe.«

Während dies Gespräch zwischen Marcelline und Diana Statt hatte, sagte der Vater Maximilians zu diesem:

»Ich habe heute den Minister der auswärtigen Angelegenheiten gesehen, und er hat mir versprochen, Dich Deinem Wunsche gemäß bei einer Gesandtschaft anzustellen. Von nun an wirst Du alle Tage in dem Kabinet des Ministers arbeiten.«

Der junge Mensch, an einen passiven Gehorsam gewöhnt, antwortete nichts.

»Diesen Abend,« fuhr der Vater fort, »wirst Du die Mutter in das Theater begleiten, da ich es nicht kann.«

Und ohne ein Wort hinzuzufügen, ging der Graf auf sein Zimmer zurück.

Um 8 Uhr fand sich die Marquise zum Rendez-vous ein; denn wie man sich erinnert, hatte ihr Maximilian empfohlen, ja nicht weg zu bleiben. Aber als sie ankam, fand sie bei dem Vater Fremy einen Brief, welchen der Baron dort hatte abgeben lassen, und in welchem er, meldete, daß es ihm unmöglich wäre, heute zu der verabredeten Zusammenkunft sich einzufinden.

»Desto besser!« sagte Diana, und sie trat ein, als wenn Maximilian hätte kommen müssen.

Weil der Graf seinen Sohn mehrere Tage hintereinander in strenger Weise überwachte, so konnte sich Maximilian nicht mehr zu dem Rendez-vous auf die Märtyrerstraße begeben.

Diana kümmerte sich wenig um Maximilians Außenbleiben, und kam fortwährend alle Abende zu Paul.

Sie blieb jedes mal dort länger als eine Stunde. In welcher Absicht? Sie selber hätte es sich schwerlich sagen können.

Die Marquise empfand seit einiger Zeit ein dringendes Bedürfniß, sich zu isoliren, was ihr zu Hause unmöglich war. Die Träume des Geistes bedingen strenge Abgeschiedenheit und werden gestört, sobald nur eine Thür sich öffnet. In jedem Augenblicke aber öffnete man die Thür zur Wohnstube Dianas, sei es um sie etwas zu fragen, sei es um ihr einen Brief zu übergeben oder ihr Jemand anzumelden.

Bei Paul Aubry war dies anders.

Nichts von dem, was sie umgab, erinnerte sie an ihr gewohntes Leben. Keine Bedienten, kein Geräusch, keine Störung. Die Einsamkeit, Thätigkeit, Zurückgezogenheit, selbst eine Art von Melancholie bewohnten diesen großen Saal, wo sich nur Gemälde und Statuen vorfanden.«

Hier lebte Diana ein neues Dasein. Ohne den zu kennen, der sie empfing, machte sie sich mit seinem Leben vertraut, weihte sie sich in seine Gewohnheiten ein. Dieser Mensch, den sie nie gesehen hatte, und welcher außer Marcellinen der einzige Vertraute des erstere Vergehens war. dessen sie sich schuldig machte, war kein Fremder für sie.

Aber auch in dem Geiste der Marquise ging eine Veränderung vor.

Sie, die vorzugsweise sorglose Frau, war mit einem Male in ein tiefes Nachdenken versunken, und hätte wirklich Schmerz empfunden, wenn der Baron eingetreten wäre und sie darin gestört hätte, während sie, müßte auch ihre Sittsamkeit darunter leiden und ihr Ruf dadurch befleckt werden, wenn Paul Aubry eingetreten wäre, ihm unfehlbar die Hand als einem Freunde gereicht und mit ihm die Unterredung fortgesetzt haben würde, welche sie im Geheimen mit sich selbst führte.

Durch die zwei Briefe Bertha’s und durch den, welchen Paul an seine Mutter schrieb, hatte Diana in ihrem Wirthe einen achtbaren Charakter kennen gelernt; alle Arbeiten, welche sie umgaben, bewiesen ein höheres Talent, und sie stellte zwischen diesem thätigen Menschen und dem Baron einen Vergleich an, welcher, wie wir gesehen haben, nicht zum Vortheil dieses Letzteren ausfiel.

Man hätte kaum geglaubt, daß diese Frau, welche, den Kopf auf ihre Hände gestützt, am Fenster sitzend, im Atelier Pauls schwärmte, diese Diana war, deren Leben bisher unter geräuschvollen Festen verflogen war.

Sie ließ ihren Gedanken ungestört freien Lauf, und als es 10 Uhr schlug, erwachte sie, so zu sagen, mit einem gewissen Schrecken.

Einer Abends war Diana noch früher als gewöhnlich, gekommen. Der erste Gegenstand der sie beim Eintritt etwas verwunderte, war das Portrait Marcelline’s, welches an demselben Tage begonnen worden war.

Die Umrisse waren erst gezeichnet und doch erkannte die Marquise das schöne ausdrucksvolle Gesicht ihrer Freundin.

»Die Aehnlichkeit ist nicht zu verkennen,« sagte sie, nachdem sie ihren Stuhl dem Entwurfe gegenüber gerückt hatte, und betrachtete ihn im Geiste, das ergänzend, was der Zeichnung noch fehlte.

Ihre Augen richteten sich unverwandt auf dieselbe, und es schien ihr, daß ihre Freundin ihr zulächelte.

Es schlug neun Uhr.«

Diana stand auf, setzte sich an’s Piano und spielte eine Melodie; dann aber in das Schlafzimmer eingetreten, blätterte sie in einem Buche, welches sie auf der Kommmode fand.

Als sie darin einige Worte gelesen hatte. legte sie es wieder an seinen Ort, und zufällig um sich blickend bemerkte sie einen kleinen Wandschrank welchen sie neugierig öffnete.

Was besonders die Aufmerksamkeit der Marquise fesselte, war ein herrliches Paar Pantoffeln, welche so niedlich gearbeitet waren, daß sie einem Kinde anzugehören schienen.

Die Marquise betrachtete sie einige Zeit und konnte dem Verlangen nicht widerstehen, die Länge eines dieser Pantoffeln mit der eines ihrer Schuhe zu messen.

Alle Beide waren von gleicher Größe.

Das war noch nicht genug; sie zog ihren Schuh aus und versuchte den Pantoffel, welchen sie etwas zu groß fand.

Ohne zu wissen warum, empfand Madame de Lys darüber eine wahrhafte Freude.

»Diese Frau hat einen schönen Fuß,« dachte sie, indem sie den Pantoffel abzog und ihn von Neuem betrachtete.

Hierauf nahm sie ein Paar Handschuhe, zog ihre Handschuhe ab und versuchte die, welche sie eben gefunden hatte, an.

Aber die Marquise hatte einen Ring, welchen sie nie abzog; da jedoch die Handschuhe etwas eng waren, so zog sie den Ring ab und legte ihn auf die Kommode.

Mit vieler Mühe gelang es Diana, die Handschuhe einzuziehen, ein Umstand, der der Geliebten Paul Aubry’s zum Ruhme gereichte, denn Diana war eben so stolz auf ihre Hand als auf ihren Fuß.

»Diese Handschuhe sind kleiner als die meinigen, in. Zukunft aber werden sie mir als Muster dienen,« sagte die Marquise, und warf die ihrigen auf’s Bett.

Es ist sonderbar, was Alles die Zeit und die Einbildung einer Frau in Anspruch zu nehmen vermag! Wir, mit dem originellen Wesen der Marquise bekannt, sind überzeugt, daß, wenn sie einen zu großen Fuß für die Pantoffeln und eine zu starke Hand für die Handschuhe der Geliebten Paul’s gehabt hätte, sie darüber wenigstens bis den folgenden Tag traurig gewesen wäre.«

Es schlug halb, und Diana konnte unmöglich länger bleiben, sie zog eilig ihren Schuh an und ging fort.

Als sie nach Hause gekommen war und die Handschuhe abgezogen hatte. sah sie ihren Ring nicht.

Sie erinnerte sich sogleich, daß sie ihn auf dem Secretair im Schlafzimmer Pauls liegen gelassen hatte.

Anfangs wollte sie umkehren, um ihn zu holen, aber es war schon spät. Paul konnte ja zurückgekehrt sein, vielleicht gar mit einer Dame; ein solcher Besuch in einer solchen Stunde konnte deshalb störend und unangenehm sein.

Diana begnügte sich, an Maximilian zu schreiben, daß er morgen früh zu seinem Freunde gehen und ihn fragen möchte. ob er einen Ring in seinem Zimmer gefunden hätte.

Am folgenden Morgen ging Maximilian, welcher nur Abends überwacht wurde, zu dem Maler.

»Hast Du einen Ring gefunden?« frug der Baron.

»Ja,« sagte Paul, »gehört er Dir?«

»Nein; aber er gehört Jemand, in dessen Auftrage ich ihn abholen soll.«

»Ich will Dir ihn geben; Dein Ring ist Ursache eines herrlichen Auftritts gewesen.«

»Wie so?«

»Stelle Dir vor,« fuhr Paul fort, indem er an einen Kasten seiner Kommode ging und den Ring der Marquise herausnahm, »stelle Dir vor, gestern Mitternacht komme ich auch mit Jemand zurück. Erlaubst Du, daß ich mich an meine Arbeit setze?

»Herzlich gern.

»Ich komme also mit Julien, einem liebenswürdigen Mädchen, einer Brünette, fröhlich und lebenslustig, welche gewöhnlich alle Abende vor Dir mich besuchte.«

»Warum hast Du mir dies nicht vorher gesagt? Ich würde Dich nicht gestört haben.«

 

»Du hast mich nicht allein nicht gestört, sondern mir sogar einen Dienst erwiesen; die Gewohnheiten der Frauen arten endlich in Tyrannei aus. An dem Tage, wo ich Deinen Besuch erhielt, sagte ich Julien, daß ich Abends arbeitete und daß sie anstatt Abends früh kommen möchte. Sie hat sich mit diesem Grunde nur mittelmäßig zufrieden gezeigt. Aber da ich fortwährend mich geweigert habe, ihr einen anderen anzugeben, so hat sie sich endlich darein fügen müssen. Gestern habe ich sie besucht; sie bestand darauf, mit mir in meine Wohnung zu gehen. Um Frieden zu haben und ihr das Vergnügen zu machen, denn es ist ein gutes Mädchen, führe ich sie hierher; nun fängt das Drama an: Wir treten ein. Sie ging mit dem Lichte in mein Schlafzimmer; ich folge ihr. Der erste Gegenstand, den sie beim Eintritte sah, ist ein Ring. Gehört Ihnen dieser Ring? sagte sie zu mir. Nein. – Wem denn? – Ich weiß nicht. – Wie, Sie wissen nicht, wem ein Ring gehört, den ich bei Ihnen finde? Das ist stark. – Es ist ein Frauenring sagte sie, indem sie ihn probierte. Ich verstehe nun, daß dieser Schmuck einer Ihrer Bekanntschaften angehört; ich werde ihn an mich nehmen. Sie werden ihn nicht wieder erhalten, sagte Julie zu mir. – Das wollen wir sehen, antwortete ich ihr. Und ich ergriff ihre schönen Hände, um mich wieder in den Besitz des Ringes zu setzen. Als sie dies sah, strengte sie sich an, befreite die Hand, in welcher sie den Schmuck hielt und will ihn zum Fenster hieraus werfen, der Ring machte jedoch eine Rückbewegung und fällt in’s Zimmer zurück. Ich ergreife ihn und stecke ihn zu mir. – Sie werden mir sogleich sagen, wem dieser Ring gehört, schrie sie, oder ich zerbreche hier Alles. Du mußt nämlich wissen, daß Julie eine schlechte Erziehung genossen hat. – Mein liebes Julchen, sagte ich ihr, wenn Du etwas zerbrichst, so werde ich mich in die Nothwendigkeit versetzt sehen, Dich zur Thür hinaus zu führen. Auf diese Drohung hin wollte sie eine gewisse Würde zeigen und sagte: Mein Herr, wir gehören uns nicht mehr an, leben Sie wohl. – Hätte sie mich ruhig gefragt, woher dieser Ring käme, vielleicht hätte ich ihr, indem ich sorgfältig Deinen Namen vermied, die Wahrheit gesagt und gegen sie die Vermuthung ausgesprochen, welche ich hatte, um so mehr als dieses Mädchen so reizend und liebenswürdig war, wie ich noch nie gesehen habe, so daß sie mir bisweilen als Muster diente; aber sie sprach so aufgeregt zu mir, daß ich zu ihr sagte: Nun, ich will Ihrem Wunsche nicht entgegentreten! – Hierauf öffnete sie einen Schrank, wo sie Wäsche und einige andere Gegenstände hatte, und legte dieselben auf dem Bette zu einem Paket zusammen, welches sie ohne Zweifel nicht vollendet hätte, wenn nicht noch ein Unfall dazu gekommen wäre.

»Noch einer, sagte Maximilian.«

»Noch einer, lieber Freund; womit hat die Eigenthümerin dieses Ringes sich hier die Zeit vertrieben?«

»Ich weiß nicht, ich war nicht mit ihr zusammen.«

»Sie ist allein gekommen?«

»Es scheint so.«

»Hättest Du ihr vorher gesagt, daß Du, nicht kommen würdest?«

»Ja, und ich weiß nicht, warum sie gekommen ist.«

»Ohne Zweifel, weil sie vermuthete, daß Du Deinen Entschluß änderte würdest. So wird mir vollständig das Vorgefallene klar.«

»Was ist denn vorgefallen?«

»Ohne Zweifel hast Du sie zu lange warten lassen, sie hat sich gelangweilt und die Schränke untersucht. Sie scheint sehr neugierig.«

»Ich will es nicht bestreiten.«

»So fand sie ein Paar Frauenhandschuhe, versuchte sie an und nahm sie mit, während sie die ihren auf meinem Bette zurückließ.«

»Du kannst denken, welch« Geschrei Julie ausstieß, als sie die Handschuhe einer Andern hier fand und bemerkte, daß man ihr Eigenthum mitgenommen hatte. Kurz, mein lieber Freund, um die Erzählung zu vollenden, diese gute Julie machte einen solchen Lärm daß ich mich, ungeachtet es spät in der Nacht war, gezwungen sah, sie fortzuweisen, und daß wir nun mit einander gespannt sind.«

»Ein schönes Abenteuer!« sagte Maximilian; »und ich bin Schuld daran.«

»Bekümmere Dich nicht; ich bin froh, daß es so gekommen ist. Ein Glück, daß der Ring nicht verloren ging. Ich werde ihn nie vergessen, diesen Ring,« fügte Paul hinzu.

Und er stellte ihn dem Baron zu, nachdem er ihn noch ein Mal betrachtet hatte.

»Mein lieber Freund, ich bin trostlos wegen des Vorgefallenen,« sagte Maximilian.

»Du thust Unrecht daran, es ist nicht der Mühe werth.«

Ungeachtet dieser Antwort hielt der Baron es doch für angemessen, dem Gespräche eine andere Windung zu geben.

»Was ist das für ein Portrait?« sagte er zu Paul, welcher am Portrait Marcelline’s arbeitete.

»Es ist das Portrait einer Frau, welche gestern zum ersten Male bei mir gewesen ist.«

»Du arbeitest ja aus dem Kopfe?«

»Ja.«

»Kennst Du denn diese Frau?«

»Ich habe sie nur seit zwei Tagen gesehen; aber sie hat ein so reizendes, feines Gesicht, daß ich dies Portrait ohne sie vollenden werde.«

»Wie heißt sie?«

»Ich weiß es nicht, sie ist mit ihrem Manne hierher gekommen. Sie sagte mir, daß man mich ihr empfohlen hätte, und daß sie nur 1000 Franken an ihr Portrait wenden wollte. Du siehst ein, daß ich klug that, das Anerbieten schnell anzunehmen, und sie gab mir hierauf die 1000 Franken. Zum ersten Male war es mir unangenehm, Geld anzunehmen.«

»Warum denn?i«

»Ich weiß nicht, aber es demüthigte mich, Geld anzunehmen, und besonders im Voraus von dieser Frau. Ich fand sie so reizend, so anmuthig schön, daß ich ihr Portrait umsonst geliefert und sie mir gern zum Dank verpflichtet hätte.«

»Du hast das Geld jedoch angenommen?«

»Ja, aber nur auf Anbringen ihres Mannes, und weil mir gerade jetzt dieses Geld nöthig war. Dennoch bin ich den ganzen Tag verdrießlich gewesen. Ich nehme von Frauen nicht gern Geld, und am Allerwenigsten von solchen Frauen.«

Es gelang Maximilian diesen Abend sich frei zu machen, und er traf mit der Marquise bei Paul zusammen.

Er gab ihr den Ring und erzählte, was seinem Freunde begegnet war.

»So,« sagte Madame de Lys, »er ist gespannt mit seiner Geliebten?«

»Ja, und zwar wegen Ihnen.«

»Hat er wieder eine Geliebte?«

»Nein.«

Die Marquise schwieg hierauf und überließ sich süßen Träumen, so daß der Baron sie endlich nach der Ursache dieses Schweigens frug.«

»Acht« sagte sie und begnügte sich, Maximilian zuzulächeln, ohne sieh weiter in ihren Träumen stören zu lassen.

Während der nächsten Tage ereignete sieh nichts, von Bedeutung; ein Brief des Marquis kündigte an, daß sich seine Abwesenheit noch weiter hieraus ziehen würde; die Arbeiten Maximilians im Kabinet des Ministeriums nahmen ihren Anfang, und die Vollendung des Portraits Marcelline’s ging schnell vorwärts.

Je näher aber das Ende dieser Arbeit heranrückte, arbeitete Paul, welcher im Anfange derselben so großen Eifer zeigte, sie bald vollendet zu sehen, daß er sogar in Abwesenheit Marcelline’s daran arbeitete, so langsam als möglich. Er änderte sogar theilweise das Portrait ab, blos um das Vergnügen zu haben, es länger vor sich zu haben, und weil er, wie er sich gegen Madame Delaunay äußerte, nicht wünschte, daß auf diesem Gemälde sich etwas fände, womit er nicht vollkommen zufrieden wäre.

Das Portrait war auch in der That ein Wunderwerk der Aehnlichkeit, des Geschmackes und der Farbenmischung.

Paul gefiel sich in seinem Werke und sah ohne Zweifel, wie alle wahren Künstler, mit Betrübniß den Augenblick sich nähern, wo er sich davon trennen sollte.

Marcelline, welche anfangs glaubte, daß durch dieses Portrait nur ein neues Verlangen ihrer Freundin befriedigt würde, nahm endlich daran Interesse und war über das Geschenk entzückt, welches ihr Diana verehrte. Sie begab sich alle Tage auf die Märtyrerstraße, wenn es auch nicht verlangt wurde, und ein gewisses vertrauliches Verhältniß hatte sich zwischen ihr und dem Maler gebildet.

Ein solches vertrauliches Verhältnis einzugehen, ist nur bei dem Umgange mit Frauen schwierig, die weder Ideale der Tugend, noch abschreckende Beispiele des Lasters sind. Diese Frauen fürchten stets, daß durch die Nichtbeachtung der ceremoniellen Umgangsregeln, unter welchen sie ihre zweifelhafte Moralität verstecken, die Schattenseiten ihrer Tugend sichtbar werden.

Sie gleichen denen, welche ein seidenes Kleid tragen, dasselbe aber auf der Straße nicht aufzuheben wagen, weil sie fürchten, daß man die Löcher in ihren Strümpfen sieht.

Umgekehrt hingegen, Frauen, welche von den verderblichen Einflüssen des gesellschaftlichen Lebens unberührt geblieben sind, sind stets gutmüthig und übersehen gern die Fehler Anderer, weil sie gegen sich selbst nicht nachsichtig zu sein brauchen.

Diese gehen gern ein vertrauliches Verhältniß mit Männern von Geist und Herz ein, weil sie dadurch, was andere Frauen verwundet, nicht verletzt werden, weil der Aerger, welcher sie sicher macht, unsichtbar und undurchdringlich ist, gleich dem, welchen die Zauberer den Kriegern in den Romanen geben.

Zu dieser Gattung von Frauen gehörte Marcelline.

Auch Paul hatte sich so sehr an ihre Besuche gewöhnt, daß er den Schmerz im Voraus fühlte, welchen er in dem Augenblicke, wo er sie zum letzten Male sehen sollte, empfinden würde. Alle Arbeiten, die er nach diesem Portrait vornahm schienen ihm langweilig und unbedeutend. Er bereute es, das Geld angenommen zu haben, welchen ihn zu Marcellinen als Abkäuferin in das Verhältniß eines Kunsthändlers brachte. Von einem langweiligen Bürger oder einer lächerlichen Frau, die ihr Portrait wünschen, kann jeder Künstler eine vier Mal den Werth der Arbeit übersteigende Summe ruhig und getrost annehmen, denn dass Ungemach, ein häßliches, gemeines und anmaßendes Gesicht vor Augen zu haben, ist durch den einfachen Werth bei Weitem nicht entschädigt. Aber ein reizendes und liebliches Antlitz zu malen und sich sagen zu müssen, daß diese Frau bezahlt hat und daß sie auf gleicher Linie in dieser Hinsicht mit eitlen Gecken steht, das ist es, was den Künstler unglücklich macht.

Gesetzt, dachte Aubry während der Arbeit, daß der Gedanke in mir aufstiege, dieser Frau den Hof zu machen, ich würde es nicht können. In ihren Augen bin ich blos ein Maler und nur die Maschine, welche ihre Gesichtszüge darstellen soll. In die linke Hand giebt man mir das Geld, und mit der rechten arbeite ich, und habe nur die Verpflichtung, das Gemälde so ähnlich als möglich zu schaffen und nur mein Salair zu verdienen. Schlägt mein Herz dem Modell entgegen, so muß ich ihm Schweigen auferlegen. Zittert meine Hand, so muß ich sie zur Ruhe bringen. Steigt ein Nebel vor meinen Augen empor, so muß ich ihn zu vertreiben suchen. Gefällt es dieser jungen und schönen Frau, mir ihre Arme und ihre Brust zu zeigen, so muß ich Alles zeichnen, ohne Verlangen darnach zu empfinden; denn bei der geringsten Aeußerung dieses Verlangens könnte sie mir antworten: »Ich habe bezahlt; was verlangen Sie mehr?« Kurz, ich bin ihr verpflichtet, während sie selber mir fremd bleibt.

Es gab Momente« in denen Paul« wenn diese Gedanken seinen Kopf durchkreuztem noch die 1000 Franken, welche er empfangen hatte, zu besitzen wünschte, um sie Marcellinen zurückgeben und sie um die Erlaubniß, ihr Portrait umsonst oder überhaupt gar nicht zu malen, bitten zu können.

Unglücklicher Weise aber hatte einen großen Theil des Scheines das Gericht erhalten, Fräulein Julie hatte sich auch bedacht und wenigstens den Vierten Theil hatte Paul seiner Mutter geschickt.

Sei es aus Sympathie, sei es daß sie die Gedanken des jungen Mannes errathen hatte, Marcelline suchte sich ihre Besuche so süß und angenehm als möglich zu machen. Während Paul immerwährend von dem Bewußtsein bedrückt wurde, daß er bezahlt sei, schien sie diesen Umstand vollständig vergessen zu haben.

Alle Augenblicke stand sie auf, betrachtete das Gemälde und bewunderte laut die Schönheit des Portraits, indem sie versicherte, noch nie etwas so Vollkommenes gesehen zu haben, und sich mit Anmuth für eine Schuldnerin des Malers erklärte.«

Aber alles Dies war für Paul nicht genügend.

In manchen Augenblicken hoffte er, daß ihn Marcelline zu einem Besuche einladen würde, jedoch nicht wie jede andere Mannsperson,« sondern in seinem Berufe als Maler; aber Marcelline sagte nichts, und Paul wußte weder ihren Namen noch ihre Wohnung; nicht weil Marcelline absichtlich Beides verschwiegen hatte, sondern weil sie diese Mittheilungen für unnöthig hielt und daneben fürchtete, daß der Maler durch dieselben früher oder später erfahren möchte, daß sie die Freundin Dianas und letztere die Geliebte Maximilians wäre, und kurz, welchen Umständen er diese Arbeit zu verdanken habe.

Wie matt sieht, war dieses Verhalten Marcelline’s weniger ihrer Verschwiegenheit, als vielmehr ihrem Zartgefühl zuzuschreiben.

 

Eines Tags jedoch frug Paul, welchem es höchst peinlich war, in solcher Unkenntniß länger zu bleiben, Marcellinen:

»Wer soll ich dies Portrait, wenn es fertig ist, hinschicken?«

»Der Rahmenverfertiger wird es holen,« antwortete ruhig Marcelline, »und dann zu mir bringen.«

An demselben Tage änderte Paul eine Falte des Kleides und einen Theil des Corsets ab, und antwortete,

als ihn Marcelline nach der Ursache frug, trocken:

»Es war mißlungen.«

Marcelline und ihr Mann, welche diese Aengstlichkeit nicht begreifen konnten, sahen sich verwundert an, und Marcelline mußte noch eine Weile als Modell ruhig sitzen bleiben.

Daß Herr Delaunay seine Frau täglich begleitete, tröstete Aubry einigermaßen.«

Denn daraus folgerte er, daß Herr Delaunay ihn wie jede andere Mannsperson betrachtete und seine Frau nicht allein mit ihm zusammen lassen wollte. Es konnte dies auch anzeigen, daß Herr Delaunay Vergnügen darin fand, Aubry arbeiteten zu sehen, und nichts Besseres vorzunehmen wußte; der Maler hielt sich aber lieber an die erstere Vermuthung, die seiner Eigenliebe schmeichelte.

Eines Tages, in der Stunde, wo Marcelline und ihr Mann gewöhnlich kamen, klingelte es, und als Paul öffnete, stand Marcelline allein vor der Thür.

»Sie kommen ja allein, Madame?« frug Aubry.

»Ja, antwortete Marcelline, »mein Mann konnte heute nicht mit gehen.«

»So hätte ich mich doch getäuscht,« dachte Paul und setzte sich schnell an die Arbeit.

Während der Betrachtung des reizenden Gesichts Marcelline’s aber, entschloß er sich allmählig, ein Gespräch anzuknüpfen, welches bei der Abwesenheit ihres Ehemannes den Schein der Vertraulichkeit erhielt, wie jede Unterhaltung, welche zwischen zwei jungen Leuten, die noch ein jugendliches Herz haben, stattfindet.

Dieser Besuch verging so schnell wie eine Minute, und als es sechs Uhr schlug, dachte Madame Delaunay noch nicht an’s Fortgehen, obschon sie alle Tage vor dieser Stunde fortging.

Als sie fort war, setzte sich Aubry wieder auf seinen Sessel, dem Portrait gegenüber und betrachtete es lange Zeit.

»Hier ist die Kunst ohnmächtig,« sagte er, »ich werde dieses schöne Gesicht niemals so zeichnen können, als es in der Wirklichkeit ist.«

Und er betrachtete eine Zeitlang fortwährend dieses Gemälde, welches ihm zulächelte, und kleidete sich hierauf an, um auszugehen; aber er war zerstreut, und ohne zu wissen warum, überließ er sich süßen Träumereien, während er die Pantalons und seine Stiefeln in der Hand hielt.

Es war fast acht Uhr, als er ausging. Und es war auch die rechte Zeit, denn 10 Minuten später stieg die Marquise vor seiner Thür aus dem Wagen. Seit einigen Tagen hatte Maximilian nur zwei Mal sich losmachen können, und dabei mehr diplomatische Kunst anwenden müssen, als ihm als Gesandtschaftssecretair nothwendig war.

Diana hatte so zu sagen das Außenbleiben des Barons weniger beachtet.

Wir haben oben von der Umänderung gesprochen, welche in ihrem Innern vorgegangen war, und von dem Vergnügen, welches sie empfand, wenn sie zwei Stunden lang in diesem Atelier träumen konnte, wo Niemand, selbst nicht der eigentliche Bewohner desselben, sie beobachten und vermuthen konnte, was sie that.

Diesen Abend betrachtete Madame de Lys lange Zeit das Portrait ihrer Freundin, und sie konnte folgende Bemerkung nicht unterdrücken:

»Es ist sonderbar! niemals hätte ich geglaubt, daß Marcelline so schön sei; und doch ist dies Portrait sehr ähnlich; aber ich bin doch schöner, fügte die eitle, junge Frau hinzu, indem sie sich in einem Spiegel betrachtete und lächelte.

Und in Wahrheit, Diana war reizender und selbst schöner als Marcelline, in ihren Zügen war aber der Stolz der auf sich eingebildeten, sich bewußten Schönheit zu lesen, während ihre Freundin die Anmuth und Bescheidenheit der Reize besaß, welche sich im Stillen geltend machen.«

Ein Dichter des 18. Jahrhunderts hätte die Eine mit der stolzen Rose« und die Andere mit dem bescheidenen Veilchen verglichen.

Der Leser wird sich ohne Zweifel über diese neuen Zerstreuungen der Marquise wundern, denen sich dieselbe bereits so weit hingegeben hatte, daß sie sich ihrer Gefühle nicht mehr klar werden konnte, sie, welche sich bisher darüber mit der Klarheit müßiger Seelen Rechenschaft gegeben hatte, die dem Schauspiele ihres eigenen Lebens als gleichgültige Zuschauer beiwohnen.

Uns selber dürfte es fast unmöglich sein, das, was in der Seele Dianas vorging, zu analysieren.«

Was allein mit Bestimmtheit zu sagen war, ist, daß sie eine Umänderung ihres ganzen Wesens erfahren hatte, und daß, wie ihr schon Marcelline gesagt hatte, sie ihre Gefühle eben so oft wechselte, wie ein Kranker die Lage in seinem Bette, um einen Platz endlich zu finden, der ihm behagt.

Der Leser hat gewiß Kinder ohne Ursache weinen sehen, ihre Mutter bietet ihnen Spielzeug an, sie weisen es von sich; sie schlägt ihnen einen Spaziergang vor, sie wollen nichts davon wissen; sie umarmt sie, um sie zu besänftigen, sie weinen noch heftiger; endlich fragt sie, was sie wünschen, und sie antworten, indem sie noch stärker schreien, daß sie es selbst nicht wissen. Die Marquise machte es gerade so.

Kam sie nicht alle Abende zu Paul? Zu welchem Zwecke! Sie hätte es leicht angeben können. Erwartete sie etwa Maximilian? Nein. Wünschte sie Aubry zu sehen? Wäre er eingetreten, sie hätte sich vielleicht geflüchtet; vielleicht auch hätte sie ihm, wie wir schon gesagt haben, die Hand gereicht. Wollte sie fortgehen oder bleiben?«

Ihre einzige Antwort konnte nur sein, daß sie allem dem, was ihr zu thun frei stand, ihr wirkliches Verhalten noch vorzog.

Hätte Jemand Dianen die Frage vorgelegt, welche sie sich selbst noch nicht gestellt hatte, sei es aus Furcht, daß sie dieselbe nicht zu beantworten wußte, sei es, daß sie das Geheimniß unwillkürlich durchschaute, die Frage nämlich: Lieben Sie Aubry, so würde sie geantwortet haben: Das dürfte leicht möglich sein; ich habe niemals geliebt, aber ich habe niemals heftiger das empfunden, was ich jetzt empfinde.

»Aber Sie haben diesen jungen Mann niemals gesehen,« würde matt ihr entgegnen.

»Wohl« wahr. Aber warum fühle ich mich so glücklich, wenn ich bei ihm bin; und wenn ich nicht mehr dort bin, warum bin ich mit dem beschäftigt, was er thut? Warum erklingt, wenn ich schlafe, sein Name in meinen Ohren? Warum, würde es mir den größten Kummer verursachen, wenn er Schmerz empfände? Und warum endlich würde ich Trost darin finden, diesen Schmerz mit ihm zu theilen?«

»Das kommt ganz einfach, Frau Marquise, würde ich Diana antworten, wenn sie an mich diese Frage gerichtet hätte, »daher, daß einem Manne in den Augen einer Frau nichts größere Geltung verschafft, als die Gewißheit, daß dieser Mann von einer jungen und schönen Dame sehr geliebt worden ist, und daß Sie den Beweis haben, daß Bertha schön war und Aubry heftig liebte.

»Das kommt ferner daher, daß die Frauen nichts lieber thun, als zu beschirmen, und daß es in Ihrer Macht gestanden hat, Paul zu beschirmen, als Niemand daran dachte, sich seiner anzunehmen.

»Dies kommt daher, daß, während Sie einen Brief, den der Maler seiner Mutter schrieb, lasen, Sie, Skeptiker der Theorie nach und gleichgültig aus Gewohnheit, eine Thräne auf diesen. Brief haben fallen lassen, eine Thräne, welche nicht allein aus Ihren Augen, sondern aus Ihrem Herzen strömte, und daß Nichts in der Welt, diese Blume, welche Liebe heißt, geschwinder aufblühen läßt, als der Thau, den man Thränen nennt.

»Dies kommt daher, daß Ihre Zusammenkünfte mit Maximilian Ihrem Geiste nur einen unbedeutenden Genuß gewährt haben, und daß Sie fühlen, wie früher oder später die Frau anders als zur Zerstreuung lieben muß.

»Und jetzt, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, Frau Marquise, würde ich hinzugefügt haben, »würde ich zu erfahren suchen, was ich von diesen neuen Eindrücken zu halten hätte, und würde ein Mittel ausfindig zu machen suchen, um Aubry zu sehen, ohne daß er wüßte, wer ich bin, dritte es könnte sehr wohl sein, daß Sie ein Gefühl für Liebe hielten, was sich nur in bloße Neugierde auflöst.« —