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Buch lesen: «Der Graf von Moret», Seite 9

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XI.
Die graue Eminenz

Pater Joseph war so bekannt als zweites Ich des Kardinals, dass sich bei seinem Erscheinen selbst die vertrautesten Diener des Ministers zurückzogen, und dass die Gegenwart der »grauen Eminenz« im Kabinett Richelieus das Privilegium zu haben schien, alle Übrigen das Feld räumen. zu machen.

Frau von Combalet unterlag, wie die Anderen, diesem Einfluss und entging dem Missbehagen nicht, welches diese Grabesstille Erscheinung überall hervorrief. Als sie den Pater Joseph gewahrte, ging sie daher und bot dem Kardinal ihre Stirne zum Kusse, indem sie sprach:

»Bitte, lieber Oheim, bleibt nicht zu lange wach.«

Dann entfernte sie sich durch jene Tür, welche dem Eingang entgegengesetzt war, um nur nicht dem Mönche nahezukommen, der stumm und regungslos in der Mitte zwischen der Tür und dem Schreibpulte des Kardinals stand.

Zu jener Zeit waren alle geistlichen Orden, ausgenommen den 1611 durch den Kardinal Bérulle gestifteten und 1613 von Paul V. bestätigten »Orden vom Bethause Jesu.« nach langer Opposition sozusagen ganz auf der Seite des Kardinal-Ministers. Er war der offenkundige Beschützer der Benedictiner von Cluny, von Cisaux und St. Maur, der Prämonstratenser, Dominikaner, Carmeliter und endlich jener ganzen capuzentragenden Familie des heiligen Franciscus: der Minoriten. Minimen, Franciscaner, Kapuziner u.s.w. u.s.w. Als Lohn für diesen Schutz aber bildeten alle diese Orden, die unter dem Vorwande, Armut zu predigen, oder Missionen zu erfüllen, in der Welt umherzogen, eine dienstfertige Polizei.

Von dieser ganzen Polizei, welche mit dem begeisterten Eifer der Dankbarkeit ihr Amt tat, war der in diplomatischen Kunststücken ergraute Kapuziner Joseph das Haupt. Wie später ein Sartines, ein Lenoir, ein Fouche, so hatte auch er das Genie des Spionirens. Sein Bruder, der Gerichtsschreiber du Tremblay, war durch seinen Einfluss zum Gouverneur der Bastille ernannt worden, so dass der durch den Kapuziner du Tremblay ausspionierte, denunzierte und arretierte Gefangene auch durch den Gouverneur du Tremblay eingekerkert und bewacht wurde, wozu noch kam, dass, wenn er, wie es oft geschah, hinter den Riegeln starb, er abermals durch den Kapuziner du Tremblay absolviert, mit dem Abendmahl versehen und begraben ward, so dass in dieser Weise, wer einmal gefasst war, auch nicht mehr aus der Familie herauskam.

Pater Joseph hatte ein Unterministerium mit vier Sektionen, deren Chefs vier Kapuziner waren. Er hielt sich einen Sekretär Namens Pater Ange Sabini, welcher wieder sein Pater Joseph war. Wenn er zu funktionieren begann und weite Wege hatte, so pflegte er dies zu Pferde zu tun, gefolgt von dem gleichfalls berittenen Pater Ange. Eines Tages jedoch, da er eine Stute ritt, Pater Sabini hingegen einen Hengst, geschah es, dass die beiden Vierfüßler so aneinander gerieten, dass die Capuzen der beiden Mönche eine viel zu groteske Rolle spielten, als dass Pater Joseph diese Art der Locomotion auch fernerhin hätte beibehalten wollen. Seitdem benützte er Sanfte oder Kutsche.

In der gewöhnlichen Ausübung seines Berufes aber Hing Pater Joseph, weil er das Inkognito wahren musste, zu Fuße und zog die Capuze über die Augen, um nicht erkannt zu werden, was ihm bei der großen Anzahl von Mönchen aller Farben, die damals in den Straßen von Paris wimmelten, ein Leichtes war.

Diesen Abend hatte Pater Joseph zu Fuße operiert.

Der Kardinal blickte mit wachsamem Auge umher, bis die erste Tür sich hinter seinem Gardecapitän, die zweite hinter seiner Nichte geschlossen hatte, nahm dann vor seinem Schreibtische Platz und wandte sich zum Pater Joseph:

»Nun, Ihr habt mir also etwas mitzuteilen, lieber du Tremblay

Der Kardinal hatte die Gewohnheit bewahrt, den Kapuziner bei seinem Familiennamen zu nennen.

»Ja, Monseigneur,« erwiderte dieser, »und ich war zweimal da, um das Vergnügen zu haben, Euch zu sehen.«

»Ich weiß es. Das hat mir sogar die Hoffnung gegeben, Ihr würdet vielleicht irgend etwas über den Grafen von Moret, seine Rückkehr nach Paris und die Gründe dieser Rückkehr in Erfahrung gebracht haben.«

»Ich weiß noch nicht Alles, was Euer Eminenz wissen wollen, aber ich glaube auf der Fährte zu sein.«

»Ah, ah! Eure Weißmantel haben das Ihrige getan?«

»Ziemlich schlecht. Sie entdeckten bloß, der Graf von Moret habe im Hotel Montmorency bei dem Herzog Heinrich II. gewohnt und es Nachts verlassen, um eine Geliebte zu besuchen, welche in der Rue de la Cerisaie, gegenüber dem Hotel Lesdiguières, wohnt.«

»In der Rue de la Cerisaie, gegenüber dem Hotel Lesdiguières? Aber da wohnen ja die beiden Schwestern von Marion Delorme

»Jawohl, Monseigneur; Frau von Montagne und Frau von Maugiron; nur weiß man nicht, in welche von Beiden er verliebt ist.«

»Es ist gut, ich werde es erfahren,« sagte der Kardinal und begann, nachdem er den Kapuziner durch einen Wink unterbrochen, auf einem Blatt Papier zu schreiben: »In welche Eurer beiden Schwestern ist der Graf von Moret verliebt? Wer ist der Liebhaber der anderen? Gibt es dabei einen unglücklich Liebenden?«

Dann ging er zu einer Türfüllung, die sich bei dem Druck auf einen Knopf in der ganzen Höhe des Kabinetts öffnete.

Diese Öffnung hätte eine Communication mit dem Nachbarhaus gestattet, wäre nicht auf der anderen Seite des Mauerdurchmessers eine Tür im Wege gestanden.

Zwischen den beiden Türen befanden sich zwei Knöpfe von Klingeln, der eine rechts, der andere links, welche Einrichtung damals so neu und ungewöhnlich war, dass man sie nur bei dem Kardinal und im Louvre finden konnte.

Der Kardinal schob das Papier unter die Tür des Nachbarhauses, zog rechts die Klingel, die Türfüllung schloss sich und er nahm wieder seinen Sitz ein,

»Fahret fort,« sagte er zum Pater Joseph, der ihm zugesehen hatte, ohne sich über irgend etwas erstaunt zu zeigen.

»Ich sagte also, Monseigneur, die Weißmäntel hätten nichts Besonderes ausgerichtet, desto mehr aber die Vorsehung, die sich mit Euer Eminenz ganz vorzugsweise beschäftigt.«

»Wisst Ihr gewiss, du Tremblay, dass die Vorsehung das tut?«

»Was könnte sie Besseres zu tun haben, Monseigneur?«

»Nun,« sagte der Kardinal lächelnd, »hören wir denn den Bericht der Vorsehung über den Grafen von Moret

»Ja, Monseigneur. Ich kam also von den Weißmänteln zurück, wo ich nur erfahren hatte, was ich schon dir Ehre gehabt Euer Eminenz zu sagen, dass nämlich der Herr Graf von Moret seit acht tagen in Paris sei, bei dem Herzog von Montmorency wohne und eine Geliebte in der Rue de la Cerisaie habe, – was Alles zusammen herzlich wenig ist.«

»Ich finde, Ihr seid ungerecht gegen die guten Patres. Wer tut, was er kann, tut, was er soll. Die Vorsehung allein kann Alles; sehen wir also, was die Vorsehung tut.«

»Sie hat mich mit dem Grafen selbst zusammengeführt.«

»Ihr habt ihn gesehen?«

»So wie ich.dir Ehre habe, Monseigneur zu sehen.«

»Und hat er Euch auch gesehen?« fragte Richelieu lebhaft.

»Er hat mich gesehen, jedoch nicht erkannt.«

»Setzt Euch, du Tremblay, und erzählt mir das.«

Richelieu pflegte aus scheinbarer Höflichkeit den Kapuziner zum Sitzen einzuladen, und dieser Pflegte hingegen aus scheinbarer Demut stehen zu bleiben.

Er dankte also dem Kardinal und fuhr fort:

»Die Sache trug sich folgendermaßen zu, Monseigneur. Ich ging von den Weißmänteln weg, nachdem ich dort die Nachrichten erfahren, die ich bereits mitgeteilt habe, und sah plötzlich die Leute gegen die Rue de l'Homme Armé zulaufen.«

»Apropos, Rue de l'Homme Armé,« sagte der Kardinal, »darin gibt es einen Gasthof, auf den Ihr Euer Augenmerk richten sollt, du Tremblay; man nennt ihn den Gasthof »zum gefärbten Bart«.«

»Gerade dahin lief auch die Menschenmenge, Monseigneur.«

»Und Ihr lieft mit der Menge?«

»Euer Eminenz begreifen, dass ich dabei nicht fehlen mochte. Eine Art von Mord war begangen worden und zwar an einem armen Teufel, Namens Stephan Latil, welcher früher dem Herzog von Epernon zugehörte.«

»Epernon? Stephan Latil? Merkt Euch diese Namen wohl, du Tremblay. Dieser Mann wird uns eines Tages nützlich sein können.«

»Ich zweifle daran, Monseigneur.«

»Warum denn?«

»Ich glaube, er schickt sich zu einer Reise an, von der er wahrscheinlich nicht zurückkehren dürfte.«

»Ah, ich verstehe. Er ist es also, den man ermordet, hatte?«

»Ganz richtig, Monseigneur. Im ersten Augenblick wurde er für todt gehalten, kam aber dann wieder zu sich und verlangte sofort nach einem Priester. Da ich nun zufällig in der Nähe war . . .«.'

»Immer die Vorsehung, du Tremblay. Ihr hörtet also seine Beichte? Natürlich!«

»Vollständig.«

»Und sagte er dabei etwas von Wichtigkeit?«

»Monseigneur sollen selbst darüber urteilen,« sagte der Kapuziner lachend, »doch bitte ich, zuvor mich von der Pflicht der Geheimhaltung zu entbinden.«

»Gut, gut,« erwiderte Richelieu, »ich entbinde Euch.«

»Nun denn, Monseigneur, Stephan Latil wurde ermordet, weil er selbst den Grafen Moret nicht ermorden wollte.«

»Und in wessen Interesse kann es liegen, einen jungen Mann zu ermorden, der wenigstens bis heute an keinerlei Cabale Teil genommen hat?«

»Nebenbuhler in der Liebe.«

»Ihr wisst es?«

»Ich vermute so.«

»Und Ihr kennt den Mörder nicht?«

»Nein, Monseigneur, aber auch der Ermordete nicht. Dieser wusste bloß, dass es ein Buckliger war.«

»Wir haben nur zwei bucklige Raufer in Paris: den Marquis von Pisani und den Marquis von Fontrailles. Pisani kann es nicht sein, denn dieser hat gestern um neun Uhr Abends an der Tür des Hotels Rambouillet selbst von seinem Freunde Souscarières einen Degenstich erhalten. Es ist demnach nöthig, dass Ihr Fontrailles überwacht.«

»Ich werde ihn überwachen, Monseigneur, doch möge Ew. Eminenz mich noch weiter hören, denn das Außerordentlichste bleibt mir noch zu erzählen.«

»Erzählt, erzählt, du Tremblay. Eure Erzählung erfüllt mich mit dem größten Interesse.«

»Wohl an, Monseigneur, hier ist das Außerordentlichste. In dem Augenblicke, als ich im Anhören der Beichte begriffen war, trat der Graf von Moret selbst in das Zimmer, wo ich mein Amt übte.«

»Wie? Im Gasthofe »zum gefärbten Bart?«

»Jawohl, Monseigneur, im Gasthofe »zum gefärbten Bart«. Der Graf von Moret selbst trat, als baskischer Landedelmann verkleidet, ein, näherte sich dem Verwundeten und warf auf den Tisch, worauf derselbe lag, eine volle Geldbörse, indem er sagte: »Wirst Du geheilt, so lasse Dich ins Hotel des Herzogs von Montmorency führen, stirbst Du aber, so habe keine Sorge um deine Seele; an Musen soll es ihr nicht fehlen.«

»Die Absicht ist gut,« sagte Richelieu, »indessen aber sagt meinem Arzte Chicot, er möge jenen armen Teufel besuchen. Es ist wichtig, dass er davonkommt. Und Ihr seid ganz sicher, dass der Graf von Moret Euch nicht erkannt hat?«

»Ja, Monseigneur, vollkommen sicher.«

»Was konnte er verkleidet in dem Gasthofe zu tun haben?«

»Es wird uns vielleicht gelingen, es zu erfahren. Euer Eminenz würden nicht erraten, wem ich an der Ecke der Rue Du-Plâtre und der Rue de l'Homme Armé begegnet bin.«

»Wem?«

»Verkleidet als Bäuerin der Pyrenäen.«

»Sagt es gleich, du Tremblay; es wird spät und ich habe keine Zeit zum Raten.«

»Frau von Fargis

»Frau von Fargis?« rief der Kardinal. »Und sie kam aus dem Gasthofe?«

»Das ist wahrscheinlich.«

»Sie war als Catalonierin verkleidet, er als Baske. Das war ein Rendezvous.«

»Auch ich habe mir das gesagt. Es gibt jedoch mehrere Arten von Rendezvous, Monseigneur. Die Dame ist galant und der junge Mann ist ein Sohn Heinrichs IV.«

»Das ist kein Rendezvous aus Liebe, du Tremblay. Der junge Mann kommt aus Italien, er hat Piemont passiert. Ich möchte meinen Kopf verwetten, dass er Briefe für die Königin hatte, oder gar für die Königinnen. . . Ah! e mag; sich in Acht nehmen,« fügte Richelieu hinzu, indem sein Gesicht den Ausdruck der Drohung annahm, »ich habe bereits zwei Söhne Heinrichs IV. hinter Schloss und Riegel.«

»Dies, Monseigneur, ist in Summa das Resultat dieses Abends und ich hielt es für wichtig genug, Euer Eminenz noch heute unterbreitet zu werden.«

»Ihr habt Recht, du Tremblay; und Ihr sagt also, der junge Mann wohne bei dem Herzog von Montmorency

»Ja, Monseigneur.«

»Der wäre auch Einer davon? Hm! Hat er schon vergessen, dass ich bereits einen Kopf, der diesen Namen trug, fallen machte? Er will Connetable werden wie sein Vater und Großvater. Er wäre es auch schon, ohne Créqui, der sich einbildet, der Titel komme ihm zu, weil er ein Fräulein von Lesdiguières geheiratet hat, als wenn ihn das befähigen könnte, den Degen Duguesclin's zu führen. Nun, er ist wenigstens ein Cavalier, ein treues Herz. Ich werde ihn kommen lassen; sein Connetable-Degen liegt unter den Mauern von basale; er mag ihn dort holen. Ganz wie Ihr gesagt habt, du Tremblay, der Abend ist gut und ich will ihn vervollständigen.«

»Haben Monseigneur mir noch irgend etwas zu empfehlen?«

»Überwacht, wie ich gesagt habe, das Hotel »zum gefärbten Bart«, aber nicht auffällig. Verliert Euren Verwundeten nicht aus den Augen, bis er begraben oder geheilt ist. Ich glaubte den Grafen von Moret mit einer Anderen beschäftigt, als der Fargis, welche ja ohnehin schon Cramail und Marillac zu Anbetern hat – aber, endlich, die Vorsehung existiert und, wie Ihr sagtet, du Tremblay, führt sie selbst diese Angelegenheit. Aber Ihr wisst auch, dass die Vorsehung nicht Alles allein tun kann.«

»Und für solche Gelegenheit wurde das Sprichwort «der vielmehr der Grundsatz gemacht: Hilf Dir selbst und Gott wird Dir helfen.«

»Ihr seid voll Scharfsinn, lieber du Tremblay, und ich wäre sehr unglücklich, wenn ich Euch nicht hätte. Auch lasset mich nur gewähren, bis ich den Papst von den Spaniern befreit habe, die er fürchtet, sowie von den Österreichern, die er verwünscht, und wir werden die Sache so einrichten, dass der erste rote Hut, der von Rom ankommt, das Maß Eures Kopfes hat.«

»Wäre er nicht nach der Größe meines Kopfes gemacht, so würde ich Monseigneur bitten, mir einen seiner alten Hüte zu geben, als Zeichen, dass ich, wie groß auch die Gunst sein möge, mit der mich Gott beglückt, mich doch nie für gleichgestellt mit Euer Eminenz, sondern als deren Diener und Knecht betrachten werde.«

Und die beiden Hände auf der Brust gekreuzt, empfahl sich Pater Joseph auf das Demütigste.

An der Tür stieß er auf Cavois, welcher verschwand, um ihn hinauszulassen, wie er verschwunden war, um ihm Einlass zu gönnen.

Kaum war die graue Eminenz hinaus, als er eintrat.

»Monseigneur,« sagte er, »er ist da.«

»Souscarières

»Ja, Monseigneur.«

»Er war also zu Hause?«

»Nein, aber sein Diener sagte mir, er müsse in einer Kneipe der Straße Villidot sein, wo er zu verweilen pflegt und auch wirklich zur Zeit sich befand.«

»Lasset ihn eintreten.«

Cavois blieb unbeweglich und mit gesenktem Augen stehen.

»Nun?« fragte der Kardinal.

»Monseigneur, ich hätte eine Bitte.«

»Sprecht sie aus, Cavois. Ihr wisst, wie sehr ich Euch schätze und wie gern ich Euch angenehm sein möchte.«

»Ich möchte nur wissen, ob es mir nach der Entfernung, des Herrn Souscarières erlaubt sein wird, für den Rest der Nacht nach Hause zu gehen. Seit unserer Rückkehr nach Paris, Monseigneur, habe ich mich bereits acht Tage, oder vielmehr Nächte, nicht zu Bette gelegt.«

»Und Ihr seid des Wachens müde?«

»Nein, Monseigneur; aber Madame Cavois ist des Schlafens müde.«

»Sie ist also noch immer verliebt?«

»Ja, Monseigneur; aber in ihren Mann.«

»Ein schönes Beispiel, das unsere vornehmen Damen befolgen sollten. Cavois, Ihr werdet diese Nacht bei Eurer Frau zubringen.«

»Ich danke, Monseigneur.«

»Ich ermächtige Euch, sie zu holen.«

»Madame Cavois zu holen?«

»Ja, und sie hierher zubringen.«

»Hierher, Monseigneur?

»Ich muss sie sprechen.«

»Euer Eminenz wollten meine Frau sprechen?« rief Cavois auf's Höchste erstaunt.

»Ich will ihr ein Geschenk machen, um sie für die vergangenen Nächte zu entschädigen.

»Ein Geschenk?« sagte Cavois immer mehr erstaunt.

»Lasset Herrn Souscarières eintreten, Cavois, und während ich mit ihm plaudere, holt Eure Frau.«

»Aber, Monseigneur« sagte Cavois, »sie wird zu Bette sein.«

»Lasst sie aufstehen.«

»Sie wird nicht kommen wollen.«

»Nehmt zwei Garden mit,«

Cavois lachte.

»Wohl an, es sei, Monseigneur, ich will sie herbringen aber ich benachrichtige Euch im Voraus, dass ihre Zunge ganz merkwürdig frei ist.«

»Um so besser. Ich liebe diese Art von Zungen; sie sind sehr rar am Hofe, Cavois. Sie sagen Alles, was sie denken.«

»Ist aber auch der Befehl, den mir Monseigneur gegeben, im Ernst gemeint?«

»Im tiefsten Ernst.«

»Monseigneur, ich gehorche.«

Cavois war noch immer nicht überzeugt, aber er grüßte und ging hinaus.

De« Kardinal benützte den Augenblick seiner Einsamkeit, um rasch die Tapete vor der Türfüllung bei Seite zu schieben.

Auf demselben Platze, wohin er den Zettel mit der Frage gelegt, fand er die Antwort.

Sie war mit gleichem Lakonismus verfasst, wie die Frage, und lautete:

»Der Graf von Moret ist der Geliebte der Frau von Montagne und Souscarières der von Frau von Mougiron. – Der unglücklich Liebende – der Marquis von Pisani

»Das ist erstaunlich,« murmelte der Kardinal, indem er die Tür schloss. »Wie sich die Kettenringe schließen. Wahrhaftig,, diesen Abend fange ich beinahe an, zu glauben wie dieser einfältige du Tremblay, es gebe eine Vorsehung.«

In diesem Augenblicke öffnete der Kammerdiener Charpentier die Tür und meldete:

»Messire Peter von Bellegarde, Graf von Montbrun, Herr von Souscarières.«

XII.
Worin Madame Cavois die Verbündete des Herrn Michel wird

Der, welcher sich mit einem so pomphaften Aufwand von Titeln anmelden ließ, war – wie unsere Leser wissen, kein Anderer als unser Freund Souscarières, dessen Porträt wir am Anfange dieses Bandes bereits gezeichnet haben.

Souscarières trat auf sehr zuversichtliche Weise ein und grüßte Se. Eminenz mit einer Zwanglosigkeit, die man recht wohl Unverschämtheit nennen durfte.

Der Kardinal schien mit den Augen nach einem Gefolge zu suchen, das Souscarières mit sich gebracht haben sollte.

»Entschuldigt mich, Monseigneur,« sagte Souscarières und streckte das eine Bein in eine galante Positur vor, indem er gleichzeitig den Arm, der seinen Hut trug, graziös bog, »aber Euer Eminenz Meinen etwas zu suchen?«

»Ich suche die Person, die man zu gleicher Zeit mit Euch gemeldet hat, Herr Michel

»Michel,« wiederholte Souscarières, den Erstaunten spielend. »Wer heißt denn Michel, Monseigneur?«

»Ei, Ihr selbst, mein lieber Herr, so glaub' ich!«

»O, Monseigneur begehen einen schweren Irrtum, in dem ich Euch nicht gerne lassen möchte. Ich bin der anerkannte Sohn des Herrn Roger de St. Lary, Herzogs von Bellegarde, Oberststallmeisters von Frankreich. Mein erlauchter Vater lebt noch und man kann sich bei ihm erkundigen. Herr von Souscarières bin ich in Folge eines Gutes, das ich erworben habe, und zum Marquis wurde ich durch die Frau Herzogin Nicole von Lothringen gemacht, bei Gelegenheit meiner Heirat mit dem edlen Fräulein Anna von Rogers

»Mein lieber Herr Michel,« begann abermals der Kardinal Richelieu, »erlaubt mir, Euch Eure Geschichte zu erzählen. Ich weiß sie besser als Ihr; lernt daraus.«

»Ich weiß,« sagte Souscarières, »dass große Männer, wie Ew. Eminenz, nach den Tagen der mühseligen Arbeit eine Stunde der Unterhaltung bedürfen. Glücklich Derjenige, welcher, wenngleich auf seine eigenen Kosten, einem so großen Genie diese Stunde der Zerstreuung verschaffen kann.«

Und entzückt über das Kompliment, das er gefunden, verbeugte sich Souscarières vor dem Kardinal.

»Ihr irrt Euch bedeutend, Herr Michel,« fuhr der Kardinal fort, ihn beharrlich mit diesem Namen anredend. »Ich bin nicht müde, ich bedarf keiner Erholungsstunde und will auch diese Stunde nicht auf Eure Unkosten benützen. Da ich Euch jedoch einen Vorschlag zu machen habe, will ich Euch zuvor beweisen, dass ich nicht wie alle Welt durch Euere Titel und Namen gefoppt werde, sondern dass ich Euch denselben wegen Eurer persönlichen Vorzüge allein mache.

Und der Kardinal begleitete die letzten Worte mit jenem frischen Lächeln, das in Momenten guter Laune ihm eigen war.

»Ich höre, was Eure Eminenz mir zu sagen haben,« sagte Souscarières, ein wenig unbehaglich wegen der Wendung, die das Gespräch nahm.

»Ich fange also an, nicht wahr, lieber Herr Michel?«

Souscarières verbeugte sich, wie Einer, der nicht den mindesten Widerstand leisten kann.

»Ihr kennt die Rue des Bourdonnais, nicht wahr, Herr Michel?« fragte der Kardinal.

»Man müsste aus dem Cathay sein, Monseigneur, um sie nicht zu kennen.«

»Nun denn! Ihr kanntet aber auch in Eurer Jugend einen braven Pastetenbäcker, der ein Gasthaus hielt und Leute in Kost nahm. Dieser würdige Mann, welcher seine ausgezeichnete Küche hatte und bei dem ich sehr häufig speiste, als ich noch Bischof von Lucon war, hieß Michel und hatte die Ehre, Euer Herr Vater zu sein,«

»Ich glaube Eurer Eminenz bereits bemerkt zu haben, dass ich der anerkannte Sohn des Herrn Herzogs von Bellegarde bin,« wiederholte mit etwas weniger Selbstbewusstsein Souscarières.

»Nichts ist wahrer,« erwiderte der Kardinal, »ich will Euch sogar sagen, auf welche Art diese Anerkennung zu Stande gekommen ist. Dieser würdige Kuchenbäcker hatte eine sehr hübsche Frau, welcher alle Herren, die ins Gasthaus kamen, den Hof machten, Eines schönen Tages fand sie sich in gesegneten Umständen und kam später mit einem Sohne nieder. Dieser Sohn wäret Ihr, lieber Herr Michel; denn da Ihr in der Ehe und zu Lebzeiten Eures Herrn Vaters geboren wurdet, oder, wenn Ihr wollt, zu Lebzeiten des Gatten Eurer Frau Mutter, könnt Ihr auch keinen andern Namen führen, als den Eures Vaters und Eurer Frau Mutter. Nur die Könige, merkt Euch das wohl, Herr Michel, haben das Recht, uneheliche Kinder zu legitimieren.«

»Teufel! Teufel!« murmelte Souscarières.

»Doch kommen wir auf Eure Anerkennung. Nachdem Ihr ein hübsches Kind gewesen, wurdet Ihr auch ein hübscher junger Mann, geschickt in allen Leibesübungen, im Ballspiel ein zweiter d'Alichon, mit dem Degen vertraut wie Fontenay, und eine Karte verschwinden zu machen gewandt wie kein Anderer. Auf diesem Grade der Vollkommenheit angelangt, beschlosst Ihr, Eure Talente zum Begründen Eures Glückes zu verwenden, und um besagtes Glück zu beginnen, ginget Ihr nach England, wo Ihr in allen Arten von Spiel so glücklich ward, dass Ihr mit fünfmal hunderttausend Fraces von dort zurückkamt. Ist es nicht so?«

»Bis auf einige hundert Pistolen, ja, Monseigneur.«

»Damals erhieltet Ihr eines schönen Morgens den Besuch eines gewissen Lalande, welcher Ballspielmeister Sr. Majestät, unseres Herrn und Königs, gewesen war. Dieser sagte Euch Folgendes oder ungefähr Folgendes. Ich will natürlich nur den Sinn seiner Rede sagen, nicht aber die Worte selbst:

»Bei Gott, Herr von Souscarières, ah Pardon! ich vergaß schon wieder. Ich weiß nicht warum, aber Ihr habt stets einen solchen Widerwillen gegen den Namen Michel gehabt, welcher doch zu den wohlklingendsten gehört, dass Ihr mit dem ersten Gelde, welches Ihr hattet, für eintausend Pistolen eine Art altes Mauerwerk ankauftet, das halb in Ruinen lag, und in der Gegend Souscarières hieß, was dann zur Folge hatte, dass Ihr Euch nicht Michel nanntet, sondern Souscarières, dann Herr von Souscarières. . . . Verzeiht, dass ich all dies in Parenthese anführte, aber ich halte es für notwendig zum besseren Verständnis meiner Erzählung.«

Souscarières verneigte sich.

»Der kleine Lalande sprach also folgendermaßen:

»Bei Gott, Herr Souscarières, Ihr habt eine hübsche Gestalt, Ihr besitzt Geist, Ihr seid geschickt und glücklich im Spiele und in der Liebe. Es fehlt Euch bloß an – Geburt. Zwar weiß ich ganz gut, dass man sich nicht nach Belieben seinen Vater und seine Mutter wählen kann, denn sonst hätte Jedermann einen Pair von Frankreich zum Urheber seiner Tage und eine Herzogin zur Mutter; ist man jedoch reich, so gibt es immerhin Mittel, diese kleinen Unregelmäßigkeiten des Zufalls zu verbessern. – »Ich war nicht dabei, Herr Michel, aber ich denke mir, welche Augen Ihr bei dieser Kunde machtet. Lalande fuhr fort: »Versteht, Ihr braucht nur unter allen den großen Herren zu wählen, die Eurer Mutter den Hof gemacht haben, natürlich Einen, der wenig skrupulös ist, z. B. Herrn von Bellegarde. Die Zeit des großen Jubiläums rückt heran; Eure Mutter wird entzückt sein, aus Euch einen Edelmann zu machen, sie wird zum Herrn Herzog gehen, ihm sagen, Ihr gehörtet eigentlich ihm, und nicht dem Pastetenbäcker; ihr Gewissen könne es nicht über sich bringen, in Euren Händen das Gut eines Mannes zu sehen, der nicht Euer Vater ist. Da er kein starkes Gedächtnis; hat, wird er sich nicht einmal mehr erinnern, ob er ihr Liebhaber gewesen war oder nicht, und da die Anerkennung mit dreißigtausend Francs in Verbindung stehen muss, wird er Euch anerkennen. – Hat sich die Sache nicht so begeben?«

»Ungefähr so, Monseigneur, ich muss es gestehen. Nur eine Sache haben Euer Eminenz vergessen.«

»Welche? Sollte mein Gedächtnis; mich getäuscht haben, obgleich es besser ist, als das des Herrn von Bellegarde, so bin ich bereit, meinen Fehler zu verbessern.«

»Die Sache ist, dass ich außer den von Euer Eminenz erwähnten fünfmal hunderttausend Francs auch noch etwas Anderes aus England mitgebracht habe, nämlich die Erfindung von Tragsesseln, für die ich schon seit Jahren um das Privilegium in Frankreich sollicitire.«

»Ihr irrt, lieber Herr Michel. Ich habe weder die Erfindung, noch die Bitte um ein Privilegium vergessen und ich habe Euch im Gegenteil holen lassen, um mit Euch hierüber zu sprechen. Aber jedes Ding, wenn seine Reihe kommt. Die Ordnung, sagt ein Philosoph, ist die Hälfte des Genies. Und wir halten ja erst bei Eurer Heirat.«

»Könnten wir uns nicht das Besprechen dieses Stoffes erlassen, Monseigneur?«

»Unmöglich, denn was würde in diesem Falle ans Eurem Marquistitel, da er Euch doch von der Herzogin Nicole von Lothringen bei Gelegenheit Eurer Heirat erteilt wurde. Über Euch und jene ehrenwerte Herzogin waren zu der Zeit eine Menge Gerüchte in Umlauf, die zu dementieren Ihr Euch wohl hütet, und als sie vor sechs Monaten starb, ließt Ihr ein gewisses Kind, das Ihr habt, Trauer anlegen. Da indessen Jedermann das Recht hat, seine Kinder nach seinem eigenen Geschmack zu kleiden, will ich Euch in Bezug hierauf durchaus keine Vorwürfe machen.«

»Monseigneur sind überaus gnädig,« sagte Souscarières.

»Wie dem auch sei, Ihr kehrtet aus Lothringen mit einem jungen Mädchen, Fräulein, Anna von Rogers, zurück, welche Ihr entführt hattet. Ihr gabt sie für die Tochter eines großen Herrn aus, sie war jedoch ganz einfach die Tochter der Herzogin. Bei Gelegenheit Eurer Heirat mit derselben, sagt Ihr, gab man Euch den Titel eines Marquis von Montbrun. Damit aber diese Promotion gültig sei, müsste es Herr Michel sein, der zum Marquis gemacht wurde, und nicht Herr von Bellegarde, denn als uneheliches Kind konntet Ihr nicht anerkannt werden und in Ermanglung des Rechtes, Euch Bellegarde zu nennen, konnte man Euch auch nicht unter diesem Namen zum Marquis machen, welcher weder der Eure ist, noch es jemals sein kann.«

»Monseigneur sind sehr hart gegen mich.«

»Ganz im Gegenteil, lieber Herr Michel; ich bin mild, wie Honig, und Ihr werdet es allsogleich sehen.

»Madame Michel, die nicht wusste, welches Glück ihr zu Teil geworden war, als Ihr sie heiraten durftet, Madame Michel ließ sich von Villaudry schön tun; Ihr wisst ja, Villaudry, der jüngere Bruder desjenigen, welchen Miossens getödtet hat. Ihr bekamt Wind von etwas und wolltet sie in den Canal von Souscarières stürzen, aber Ihr hattet nicht genug Sicherheit und da Ihr im Grunde kein böser Mensch seid, wartetet Ihr, bis Ihr Eurer Sache ganz sicher sein würdet. Dies geschah durch ein Armband von Haaren, das sie Herrn von Villandry gab. Da Ihr nun dieses mal den vollen Beweis hattet, indem auch noch ein ganz von Eurer Frau geschriebener Brief in Euren Händen war, der Euch an Eurem Unglück nicht mehr zweifeln ließ, führtet Ihr sie in den Park und fordertet sie auf, zu Gott zu beten, indem Ihr zugleich Euren Dolch zoget. Diesmal war es nicht wie damals, als Ihr ihr gedroht hattet, sie in den Canal zu werfen, und sie sah, dass es jetzt durchaus nicht zum Lachen war, denn Ihr führtet einen Stoß gegen sie, der aber glücklicherweise mit der Hand pariert wurde, was ihr nur zwei Finger kostete. Als Ihr jedoch ihr Blut saht, hattet. Ihr Mitleid und schenktet ihr das Leben, schicktet sie jedoch nach Lothringen zurück. Was Villaudry betrifft, beschlosst Ihr, eben weil Ihr gegen Eure Frau gnädig gewesen wart, gegen ihn unerbittlich zu sein und tratet, als er in der Messe war, von der Place Royale aus in die Kirche ein, gabt ihm eine Ohrfeige und zogt den Degen. Er aber wollte keine Kirchenschändung begehen und behielt den seinigen in der Scheide. In Wahrheit muss man freilich sagen, dass es ihm nicht sonderlich darum zu tun war, sich mit Euch zu schlagen und dass er sogar sagte: Ich würde ihn erdolchen, wenn ich einen begründeten Ruf des Mutes hätte, aber unglücklicherweise habe ich den nicht und das macht, dass ich mich schlagen muss. Und in der Tat forderte er Euch und als wäret Ihr wirklich der Sohn des Herrn von Bellegarde und hättet nicht mehr Gedächtnis, als er, schlugt Ihr Euch auf der Place Royale, eben dort, wo Bouteville und der Marquis von Beveron sich geschlagen hatten. Ich weiß, Ihr benahmt Euch wundervoll, Ihr acceptirtet alle Forderungen Eures Gegners und er kam mit sechs Degenstößen davon, die Ihr ihm mit der Spitze, und ebenso vielen Schlägen, die Ihr ihm mit der flachen Klinge gabt. Auch Bouteville hatte sich wundervoll benommen, was mich indessen keineswegs hinderte, ihm den Kopf abschlagen;u lassen, und das hätte ich sicherlich auch bei Auch getan, wäret Ihr, anstatt ganz einfach Herr Michel zu sein, tatsächlich Peter von Bellegarde, Marquis von Montbrun, Herr von Souscarières gewesen, denn Ihr hattet noch Ärgeres getan, als Bouteville, – Ihr hattet in einer Kirche den Degen gezogen, wovon die Folge gewesen wäre, dass man Euch erst die Hand und hernach den Kopf abgehauen hätte. Ihr versteht, lieber Herr Michel?«

»Ja, bei Gott, Monseigneur, ich verstehe,« erwiderte Souscarières, »und ich muss sagen, dass ich in meinem Leben schon Gespräche hörte, die mir angenehmer waren, als das gegenwärtige.«

»Und das um so mehr, weil Ihr noch nicht zu Ende seid. Ihr wurdet heute Abend wieder recitiv mit diesem armen Marquis von Pisani! Wahrhaftig, man muss ein eingefleischter Teufel sein, um sich mit einem solchen Polichinell zu schlagen.«