Eine Kultur des Friedens

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Eine Kultur des Friedens
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Alan Kreider, Eleanor Kreider, Paulus Widjaja

Eine Kultur
des Friedens

Gottes Vision für Gemeinde und Welt


Zu diesem Buch

Die meisten Gemeinden brauchen nicht weniger Streit, sondern mehr – die Fähigkeit, Meinungsverschiedenheiten und Spannungen offen und konstruktiv zu begegnen. Wenn die Kirche als Folge übernatürlicher Versöhnung entstand, warum erleben wir Versöhnung dann so selten konkret, hier und jetzt? Warum ist das Thema Frieden selbst unter Christen sogar ein echtes Reizthema?

In diesem Buch zeigen die Autoren – erfahren in Konfliktlösung und -transformation –, wie zentral die Kultur des Friedens in der guten Nachricht von Jesus Christus verankert ist. Sie schildern, wie Kirchen lernen können, mit Konflikten umzugehen, wie man Verletzlichkeit und Demut entwickeln kann und wie Versöhnung möglich wird. Und sie beschreiben praktische Schritte, die Mut machen und Hoffnung vermitteln. Für hier und jetzt. Und für die Welt.

„Exzellent – eine biblisch solide, äußerst lesenswerte großartige Neuformulierung von Jesu Ruf zum Friedenstiften.“

Ronald J. Sider, Präsident von Evangelicals for Social Action

„Die Autoren widmen sich einer Berufung, die nicht kompliziert ist, sondern zutiefst herausfordernd und unvermeidbar, wenn wir Jesus ernsthaft nachfolgen wollen.“

Lynn Green, Vorsitzender von Jugend mit einer Mission International

„Die Autoren zeigen, dass Friedenstiften kein utopischer Traum ist, sondern eine realistische Möglichkeit.“

Samuel Escobar, Baptist Seminary Madrid/Spanien

„Praktische Beispiele von Christen aus Indonesien über England bis Nicaragua sowie die thematische Bandbreite – vom Gottesdienst bis zum Arbeitsplatz – machen dieses Buch zu einer fruchtbaren Arbeitshilfe.“

Nancy Heisey, Präsidentin der Mennonitischen Weltkonferenz

Über die Autoren

Dr. Alan Kreider ist in Japan aufgewachsen, studierte u. a. in Heidelberg, Princeton und Harvard, verbrachte den Großteil seines Lebens in England und lehrte dann am Associated Mennonite Biblical Seminary in Elkhart, Indiana/USA. Er ist verheiratet mit

Eleanor Kreider, die als Kind einer amerikanischen Missionarsfamilie in Indien aufwuchs und u. a. an der University of Notre Dame und in London studierte.

Dr. Paulus Widjaja promovierte am Fuller Theological Seminary, Pasadena, Kalifornien/USA, und leitet das Center for the Study and Promotion of Peace an der Duta Wacana Christian University in Yogyakarta/Indonesien, dessen Dienste u. a. von Christen, Muslimen und Hindus in Anspruch genommen werden. Außerdem arbeitet er in der Issue Group on Reconciliation des Lausanner Komitees für Weltevangelisation mit.

Impressum

Aus dem Englischen von Dr. William Yoder

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel: A Culture of Peace: God‘s Vision for the Church bei Good Books, Intercourse, Pennsylvania/USA. © 2005 by Good Books

Abdruck des Textes „Einig und uneinig … in Liebe!“ im Anhang mit Genehmigung der Mennonite Church USA. Übersetzung/Adaption: Frieder Boller

Bibelzitate, soweit nicht anders angegeben, sind der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2003 by International Bible Society®.

Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Dieses Buch als E-Book: ISBN 978-3-86256-770-6

Dieses Buch in gedruckter Form:

ISBN 978-3-937896-63-2, Bestell-Nummer 588 663

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar

Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson

Umschlagbilder: ShutterStock.com®

Satz: Neufeld Verlag

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2008

by Neufeld Verlag, Schwarzenfeld

Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung des Verlages

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Inhalt

Zu diesem Buch

Über die Autoren

Impressum

Einleitung

1. Die Kirche als eine „Kultur des Friedens“

2. Friede im Neuen Testament: Ein Juwel mit vielen Facetten

3. Funktioniert Friede?

4. Friede innerhalb der Gemeinde

5. Haltungen und Fähigkeiten zum Frieden

6. Gottesdienst und Frieden

7. Frieden am Arbeitsplatz

8. Die Kultur des Friedens in Zeiten des Krieges:

Etwas verändern, ohne am Ruder zu sein

9. Die Kultur des Friedens und Evangelisation:

Die Hoffnung in Jesus Christus anbieten

Anhang 1: Einig und uneinig … in Liebe!

Als Gemeinde Jesu konstruktiv mit Konflikten umgehen

Anhang 2: Die Lehre vom gerechten Krieg

Das täuferisch–mennonitische Bücherregal der Mennonitischen Weltkonferenz

Das ComPax Institut für Konflikttransformation

Eine inspirierende Biografie

Mehr aus dem Neufeld Verlag

Mehr über die Täuferbewegung

Mehr aus der Zeit der Reformation

Über den Verlag

Dank

Wir möchten uns bei vielen Freunden bedanken, die durch Anmerkungen und Hinweise zur Verbesserung dieses Buches beigetragen haben. Das sind u. a. Stuart Murray Williams vom Anabaptist Network Großbritanniens, der sich mit dem gesamten Manuskript befasste und dabei half, viele Ideen klarer zu beschreiben; Alastair McKay vom Bridge-Builders-Programm des London Mennonite Centre, dessen Hinweise zur Konflikttransformation Kapitel 5 verbesserten; und Willard M. Swartley vom Associated Mennonite Biblical Seminary, der uns in exegetischen Fragen beriet. Alle verbliebenen Fehler sind ausschließlich den Autoren anzulasten.

Einleitung

Die Idee zu diesem Buch entstand auf einem Flughafen. An einem verregneten indonesischen Abend im Juli 1993 trafen wir Paulus Widjaja auf dem Flughafen von Semarang. An den folgenden Tagen, als meine Frau Eleanor und ich uns ausführlich mit ihm unterhielten, empfanden wir eine besondere Nähe. Ein Satz von Paulus beeindruckte uns zutiefst: „Wenn die christliche Kirche eine Wirkung auf Indonesien haben soll, muss sie sich der größten Friedensfrage überhaupt zuwenden – der Versöhnung mit den Muslimen.“

 

Teile dieses Buches haben allerdings auch einen englischen Ursprung. Als Eleanor und ich auf das Ende unseres 30-jährigen Dienstes in England zugingen, nahm ich an einer Retraite in einem anglikanischen Benediktinerkloster teil. Dabei las ich die ersten beiden Verse in Philipper 1:

Diesen Brief schreiben Paulus und Timotheus, die Jesus Christus dienen, an alle in Philippi, die an Jesus Christus glauben und ganz zu Gott gehören, an die Leiter der Gemeinde und die Diakone. Wir wünschen euch Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus.

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Abschnitt bereits gelesen hatte, doch auf einmal wurde mir klar: Paulus, der einer Gemeinde schrieb, die er schätzen gelernt hatte, segnete sie zweifach mit „Gnade und Frieden“. Gnade und Friede – eine schlagkräftige Kombination. Ich fragte mich: Wie viele apostolische Briefe beginnen auf diese Art und Weise? Also schaute ich nach und stellte fest, dass fast alle so anfangen. Dann hielt ich inne: Wenn Paulus und Petrus beide ihre Briefe in diesem Sinne eröffnen, müssen sowohl Gnade als auch Friede von großer Bedeutung sein.

Eleanor und ich machten uns also daran, unser Verständnis von Gnade und Frieden zu klären und darüber nachzudenken, wie es im Leben ganz normaler Gemeinden angewandt werden könnte. In unseren Gesprächen mit Gemeinden unterschiedlicher Konfessionen gelangten wir immer mehr zu der Überzeugung, dass die „Friedensbotschaft Gottes“ (Apostelgeschichte 10,36) wahr ist – und dass sie eine gute Nachricht ist. Sie lässt sich auf alle Bereiche des Gemeindelebens anwenden, auf das Verhältnis zwischen der Gemeinde und Gott, die Beziehungen untereinander, auf das gottesdienstliche Leben, auf die Haltung, in der Christen ihrer Arbeit nachgehen, wie sie auf Krieg reagieren und ihren Glauben weitergeben.

Wir stellten unsere Überlegungen vielen Gruppen vor, und ihre Reaktionen halfen uns dabei, unsere Gedanken weiterzuentwickeln, und beschenkten uns mit vielen hilfreichen Bildern. Zunächst erschienen Artikel darüber in Anabaptism Today, der Zeitschrift des Anabaptist Network in Großbritannien.1 Später wurden sie gesammelt in einer Broschüre mit dem Titel Becoming a Peace Church herausgegeben.2 Nachdem wir in unsere US-amerikanische Heimat zurückgekehrt waren, konnten wir nicht nur vor Gemeinden in den USA, sondern auch in Kanada, Japan, Korea, Taiwan und Hong Kong über dieses Thema sprechen.

Unterdessen promovierte Paulus am Fuller Theological Seminary in Kalifornien und kehrte nach Indonesien zurück. Dort wurde ihm eine Herausforderung und Ehre zuteil: Er wurde zum Direktor des Center for the Study and Promotion of Peace (Zentrum zur Erforschung und Förderung des Friedens) an der Duta Wacana Christian University in Jogjakarta. Rasch entdeckte Paulus, dass seine Vermutungen sich bestätigten: Christen konnten tatsächlich zum Frieden in Indonesien beitragen.

Paulus unterrichtete angehende Pastoren im Friedenstiften; zugleich gab er seine Kenntnisse im Bereich der Konflikttransformation weiter und war persönlich in spannungsreiche Auseinandersetzungen verwickelt, die neben Geschick Glauben und Hoffnung erforderten.

Seit 1993 ist Paulus Vorsitzender des Rates für Frieden der Mennonitischen Weltkonferenz. 2003 folgte ich einer Einladung der Mennonitischen Weltkonferenz nach Jogjakarta, um gemeinsam mit Paulus und Judy Zimmerman Herr, seiner Stellvertreterin, ein Dokument für die Weltversammlung täuferischmennonitischer Christen vorzubereiten, der in Bulawayo, Simbabwe, stattfand. Gemeinsam lasen wir die Stellungnahmen der vielen nationalen Kirchen über die Rolle des Friedens im Leben ihrer Gemeinden. Diese Texte inspirierten uns und wir gewannen den Eindruck, dass die weltweite täuferisch-mennonitische Glaubensfamilie dabei ist, eine Friedenskirche zu werden. Und dankbar beobachteten wir, wie Paulus gemeinsam mit seinen Kollegen in Jogjakarta in den Freuden und Mühen des Gnaden- und Friedensstiftens aufblühte.

Im Jahr 2004 trafen Paulus, Eleanor und ich uns in Pennsylvania, USA, um an diesem Buch weiterzuarbeiten. Zu Beginn trugen wir einfach unsere Gedanken zusammen; Eleanor und ich machten uns dabei viele Notizen. Als Ergebnis dieser Gespräche überarbeitete ich die erwähnte Broschüre Becoming a Peace Church. Anschließend revidierte Eleanor das Manuskript noch einmal, das wir dann elektronisch auf die Reise zu Paulus nach Indonesien schickten. Paulus war extrem gefordert; er hatte nicht nur neue Kurse zu unterrichten, sondern half auch bei der Lösung von Konflikten. Im Januar 2005 wurde das Zentrum, dessen Direktor er ist, vom Bedarf an Traumatherapie in Folge des gewaltigen Tsunami in der Provinz Aceh geradezu überwältigt. Trotz dieser schwierigen Umstände leistete Paulus hervorragende Arbeit. Er überarbeitete unseren Text und ergänzte nicht nur theologische Aspekte, sondern auch viele Beispiele aus seiner praktischen Erfahrung in Indonesien.

Warum haben wir uns dafür entschieden, von einer „Kultur des Friedens“ zu schreiben anstatt von „Friedenskirchen“? Aus drei Gründen: Erstens, weil Denker aus verschiedenen christlichen Traditionen das Leben der Kirche seit einiger Zeit mit dem Begriff „Kultur“ beschreiben. Einflussreiche Christen, angefangen mit dem inzwischen verstorbenen Papst Johannes Paul II., haben die Kirche dazu aufgerufen, eine „Kultur des Lebens“ zu sein. Andere Autoren haben den Begriff „Kulturen des Friedens“ eingeführt.3

Zweitens, weil das Wort „Kultur“ ein ungemein reicher Begriff ist. Anthropologen verstehen Kultur als ein „Bedeutungsgewebe“, worin wir leben und das wir selbst „gesponnen“ haben. Das Gewebe von Sprache, Überzeugungen, Institutionen und Praktiken gestattet uns, so zu leben, dass wir gedeihen und uns zuhause fühlen können.4 Deshalb fragen wir die dynamischen, sich verwandelnden Kulturen, in denen wir leben: Sind sie gastfreundlich? Können wir und andere uns ganzheitlich heimisch in ihnen fühlen? In diesem Buch stellen wir eine Vision der Kirche als eine Kultur des Friedens dar. Wir glauben, dass dies eine Kultur ist, die Gott schafft – eine wohnliche Kultur.

Drittens, weil Kultur aus unseren Geschichten heraus entsteht. Der britische baptistische Theologe Paul S. Fiddes ist überzeugt, dass Kulturen aus Erzählungen entstehen; sie seien verwurzelt „in den Geschichten, die Menschen über sich selbst erzählen“.5 In diesem Buch beschreiben wir die Überzeugungen und Handlungen, die zur Entwicklung von Kulturen des Friedens erforderlich sind.

In den verschiedenen Familien und erst recht Ländern werden nicht die gleichen Geschichten erzählt. Doch für Christen entwickeln sich Überzeugungen und Verhaltensweisen aus einer ergreifenden universellen Geschichte – der Geschichte von Gottes Gnade und Liebe. Sie zieht sich quer durch die hebräischen Schriften und das Neue Testament und findet ihren Höhepunkt in der Menschwerdung, in Leben und Lehre, Tod und Auferstehung von Jesus Christus. Das ist die Geschichte, die Petrus (inzwischen Mitglied der jüdischen Bewegung, die in Jesus den Messias sah) dem heidnischen Soldaten Kornelius erzählte. Dabei nannte er sie die „Friedensbotschaft Gottes“ (Apostelgeschichte 10,36). Die Kultur des Friedens, die unser Buch beschreibt, erwächst aus zahlreichen Geschichten aus vielen Teilen des Globus. Aber diese Geschichten sind alle derselben übergreifenden Erzählung untergeordnet.

Letztlich haben wir über „Kulturen des Friedens“ geschrieben, weil der Begriff „Friedenskirche“ einen begrenzten und privaten Beigeschmack hat – als ob er sich auf Menschen aus historischen pazifistischen Gruppierungen beschränkte. Wir schreiben aus der weltweiten mennonitischen Glaubensfamilie, einer der historischen Friedenskirchen, und viele unserer Geschichten erzählen von mennonitischen Erfahrungen und Bemühungen. Doch die „gute Nachricht“ des Friedens, die in Jesaja 52,7 erstmals erwähnt wird, war eine gute Nachricht für das gesamte Volk Gottes. Das Evangelium und die Praxis von Friedensstiften, Gottesdienst, Arbeit, Zeugnis und Leben in einer Welt, die sich im Kriegszustand befindet – gehören den Christen aller Traditionen.

Von den Überlegungen und Aktionen von Christen aus den verschiedensten Traditionen haben wir viel gelernt. Wir freuen uns darüber, ein Teil der weltweiten Kirche zu sein! Wir bekennen zugleich, dass wir noch viel von anderen Christen zu lernen haben. Wir haben versucht, dieses Buch in der biblischen Überlieferung zu verwurzeln, die uns alle vereint, und im Evangelium, das uns alle mit Leben erfüllt. In diesem Sinn ist dieses Buch ein Angebot an die weltweite Kirche Jesu Christi.

Wir beten, dass das, was Sie hier lesen – das Ergebnis der Zusammenarbeit eines Indonesiers mit zwei Amerikanern, eines Ehepaares mit seinem Freund – für Sie hilfreich ist. Wir drei haben schon oft gehört, dass das Thema Frieden Probleme in die Gemeinden trägt. Das ist zweifellos wahr. Wir haben aber auch das Empfinden, dass das Evangelium des Friedens, wenn es in alle Bereiche von Leben und Praxis der Gemeinde aufgenommen wird, lebensverändernden Nutzen mit sich bringen kann – eine Friedensdividende! Es erfordert Einfallsreichtum und harte Arbeit, sich das Friedenstiften anzugewöhnen. Und es hat seinen Preis – Jesus wirklich nachzufolgen, hat stets seinen Preis. Aber es lohnt sich. Kein Wunder, dass in beiden Testamenten der Bibel ständig von der „guten Nachricht des Friedens“ die Rede ist!

Wir sind überzeugt, dass die Neuentdeckung des Friedens zur Lebendigkeit der Kirche beiträgt. Doch was ist dazu erforderlich? Die folgenden Kapitel vermitteln beides, eine Vision sowie eine Vielzahl praktischer Vorschläge. Jedes Kapitel ließe sich beliebig ausweiten – wir haben gerade erst begonnen, uns der Herausforderung zu stellen, heute Kulturen des Friedens zu sein. Wir laden Sie ein, Beispiele und Ergänzungen hinzuzufügen, während Ihre Gemeinde das Abenteuer entdeckt, sowohl Gnade als auch Frieden zu lehren und zu leben.

Ich wünsche euch nun von Herzen, dass Gott selbst euch hilft, das Gute zu tun und seinen Willen zu erfüllen. Er ist es ja, der uns seinen Frieden schenkt. … Jesus Christus wird euch die Kraft geben, das zu tun, was Gott gefällt (Hebräer 13,20–21).

Alan Kreider Elkhart, Indiana/USA Pfingsten 2005

Anmerkungen

1Alan Kreider, „Is a Peace Church Possible?“; „Is a Peace Church Possible? The Church’s ‚Domestic‘ Life“; „Is a Peace Church Possible? The Church’s ‚Foreign Policy‘ – Worship“; „Is a Peace Church Possible? The Church’s ‚Foreign Policy‘ – Work, War, Witness“, in: Anabaptism Today, Ausgaben 19–22 (1998–1999).

2London, New Ground, 2000.

3Johannes Paul II., Enzyklika „Evangelium vitae“ [Evangelium des Lebens] (1995), http://www.vatican.va/edocs/DEU0073/_INDEX.HTM; Elise Boulding, Cultures of PeaceThe Hidden Side of History (Syracuse, NY, Syracuse University Press, 2000); Fernando Enns, Scott Holland, und Ann Riggs (Hrsg.), Seeking Cultures of Peace – A Peace Church Conversation (Telford, PA, Cascadia Publishing House, 2004).

4Clifford Geertz, The Interpretation of CulturesSelected Essays (New York, Basic Books, 1973), 5.

5Paul S. Fiddes, „The Story and the Stories, Revelation and the Challenge of Postmodern Culture“, in Paul S. Fiddes (Hrsg.), Faith in the CentreChristianity and Culture (Oxford, Regent’s Park College, with Macon, GA, Smyth & Helwys, 2001), 77.

1. Die Kirche als eine „Kultur des Friedens“

Kann „Friede“ die Kultur der Kirche beschreiben?

Wenn jemand Sie nach Ihrer Gemeinde fragt, was antworten Sie dann? „Die ist in der Nähe vom Supermarkt.“ „Die Gottesdienste bringen einem wirklich was, Woche für Woche.“ „Die Mitglieder haben mir geholfen, als ich meinen Job verlor.“ „In meiner Gemeinde darf ich ich selber sein, weil auch andere sich offen und verletzlich zeigen.“

 

Vielleicht fallen unsere Erfahrungen mit Gemeinde auch weniger ermutigend aus. „Unsere Gemeinde ist gerade ziemlich angespannt.“ „Bei uns gibt es Gruppen, die nicht miteinander reden.“ „Mit der realen Welt haben unsere Gottesdienste nicht viel zu tun …“

Ganz gleich, ob unsere Erfahrungen positiv oder negativ sind, ist es doch eher unwahrscheinlich, dass wir unsere Gemeinde mit dem Wort „Frieden“ beschreiben. Vielleicht überkommt uns ein Gefühl des Friedens, wenn wir zur Kirche gehen. Aber den meisten von uns würde es wahrscheinlich nicht einfallen, unsere Kirche als eine „Kultur des Friedens“ zu bezeichnen.

Doch genau so haben viele Christen der ersten Jahrhunderte über ihre Gemeinden gedacht. Der Lehrer Justinus, der im Rom des zweiten Jahrhunderts aufgrund seines Glaubens umgebracht wurde, formulierte ein frühchristliches Verständnis, indem er festhielt, dass Jesaja 2,2–4, die Stelle, wo der Prophet das Verwandeln von Schwertern zu Pflugscharen voraussieht, bereits in der Gemeinde ihre Erfüllung gefunden habe. Die Christen sind zu Jesus gekommen, um zu lernen, wie man leben soll. Justinus hat über ihre Erfahrungen berichtet:

„Obwohl wir uns so gut auf Krieg, Mord und alles Böse verstanden hatten, haben wir alle auf der weiten Erde unsere Kriegswaffen umgetauscht, die Schwerter in Pflugscharen, die Lanzen in andere Ackergeräte, und züchten Gottesfurcht, Gerechtigkeit, Menschenfreundlichkeit, Glaube und Hoffnung, welche vom Vater selbst durch den Gekreuzigten gegeben ist.“1

Züchten, kultivieren bedeutete für Justinus das Erschaffen einer Kultur. Justinus wusste, dass Gott durch die Sendung des gekreuzigten Erlösers Jesus etwas Neuartiges für die Menschheit getan hatte. Gott hatte es veranlasst, dass sich Menschen aus vielen Nationen zu Jesus hingezogen fühlten. Er war das neue Jerusalem und aus ihm entstand eine neue Lebensvision. Das Ergebnis war ein Volk des Friedens, das aus ehemaligen Feinden bestand. Menschen aus den verschiedensten Stämmen und Nationen, die einander einst gehasst hatten, teilten nun ihr Leben. Sie zerstörten, was sie getrennt hatte, und schufen eine Kultur der Gerechtigkeit, des Glaubens und der Hoffnung.

Justinus wusste, dass das Leben der grenzüberschreitenden Kirche bewies, dass Jesus der Messias tatsächlich Frieden gebracht hatte, der schon jetzt erfahren wurde. Justinus wiederholte ständig, Jesaja 2,2–4 ist in der Gemeinde erfüllt worden. Menschen sind verändert worden. Sie haben ihre Werkzeuge der Feindschaft umgeschmiedet, um eine Kultur des Friedens schaffen zu können. Für Justinus, ebenso wie für Irenäus von Lyon, Tertullian, Origenes und andere frühkirchliche Denker, ist der göttliche Friede, den Jesaja voraussagte, durch Christus verwirklicht worden. Der Beweis dafür ist die Kirche selbst.2

Apostelgeschichte 10 und der Ursprung der Kirche als „Kultur des Friedens“

Woher hatte Justinus diese Vorstellung? Aus den Anfängen der Kirche in der Apostelgeschichte. Der Apostelgeschichte zufolge war die Entstehung der Kirche das Ergebnis der friedensschaffenden Tätigkeit Gottes.

Pfingsten brachte Juden aus vielen Teilen der antiken Welt mit zahlreichen Muttersprachen zusammen (Apostelgeschichte 2,9–11). Pfingsten verwandelte das sprachliche Chaos von Babel (1. Mose 11,1–9) in Frieden und Eintracht. In Babel hatte Gott die Menschen auf chaotische Art und Weise über den ganzen Erdboden verteilt; zu Pfingsten vereinte Gott Menschen von überall auf der Erde in Frieden und Harmonie. In Babel hatte Gott die Menschen in viele voneinander getrennte Gruppen aufgeteilt; zu Pfingsten vereinte Gott Menschen, die bisher getrennt waren, in einen Leib. In Babel konnten sich die Menschen nicht verständigen, weil sie plötzlich unterschiedliche Sprachen sprachen; zu Pfingsten konnten die Menschen aus den verschiedensten Sprachgruppen einander nicht verstehen.

Das soll nicht heißen, dass es in der frühen Jerusalemer Gemeinde keine Spannungen gegeben hätte. Trotz des Pfingstereignisses blieben zwei deutlich erkennbare jüdische Kulturgruppen erhalten: die Hellenisten und die Hebräer (Apostelgeschichte 6,1–6). Sie erlebten sowohl Streit als auch Einheit in Jesus dem Messias.

Doch die wirklich große Herausforderung für die Urgemeinde lag in der Beziehung zwischen Juden und Heiden. Die ersten Christen waren der Ansicht, in Jesus Christus habe Gott seine Verheißung an Abraham erfüllt, alle Völker zu segnen (1. Mose 12,3). Das hatte zur Folge, dass die Juden und ihre Feinde – die Heiden – in einem „Friedensbündnis“ (Epheser 4,3) versöhnt werden konnten. Ein göttlicher Eingriff war erforderlich gewesen, um diesen Prozess auf den Weg zu bringen. Die Geschichte dieses Eingreifens zeigt auf, wie zentral der Friede für die Urchristen war.

In Apostelgeschichte 10 werden die Schlüsselereignisse aufgezählt. Sie sind uns heute dermaßen vertraut, dass sie uns nicht mehr überraschen. Doch Petrus muss damals sehr überrascht gewesen sein. Er befand sich gerade in Cäsarea (10,24ff). Und wer war Petrus eigentlich? Ein Jude aus Galiläa, dessen Freund Jesus nur kurz zuvor von der römischen Besatzungsmacht als Verbrecher gekreuzigt worden war. Wo befand sich Petrus? Er befand sich an einem für einen Juden gefährlichen Ort. Als Hauptquartier der römischen Besatzung in Palästina war Cäsarea voller Soldaten und Gewalt. Als heidnische Stadt quoll sie über vor Heiden, Götzenbildern und unkoscherem Essen. Petrus und seine Freunde waren Juden, die Freunde eines gekreuzigten Mannes, die sich inmitten ihrer Feinde befanden. Sie waren umgeben von Heiden, die ihr Land unterdrückten, ausbeuteten und sich in den Gottesdienst im Tempel einmischten. Petrus und seine Freunde hätten niemals erwartet, sich eines Tages im Haus eines römischen Offiziers wie Kornelius wiederzufinden.

Doch Gott war im Haus des Feindes in Cäsarea am Werk. Plötzlich machte es bei Petrus klick. Er hörte Kornelius zu und erinnerte sich an die Vision vom reinen und unreinen Essen, die Gott ihm gegeben hatte.

Aus dieser Vision zog Petrus die Lehre, dass traditionelle religiöse Gesetze Gott nicht davon abhalten können, sein versöhnendes Werk zu vollbringen. Petrus war sehr wohl bekannt, dass es Juden nach dem jüdischen Gesetz untersagt war, mit Heiden zu verkehren oder sich auch nur auf ein Gespräch mit ihnen einzulassen. Doch Gott hatte ihm gezeigt, dass solche Gesetze nicht länger ihren Sinn hatten und das Hindernis irrelevant geworden war (10,28). Seit dem Kommen Jesu Christi, des Friedefürsten, war das herkömmliche Versöhnungsmuster auf den Kopf gestellt worden. Nach der alten Tradition erfolgte zuerst die Versöhnung und anschließend die Akzeptanz. Deshalb mussten die Menschen Gott zuerst ein Opfer bringen, noch vor der Versöhnung. Erst danach konnte Gott sie in seine Arme schließen. Aber Jesus machte immer wieder klar, dass die Annahme der Versöhnung vorausgeht. Dass Gott Kornelius bereits angenommen hatte, öffnete Petrus die Augen und machte ihn versöhnungsbereit. Wie Gott selbst Kornelius angenommen hatte, sollte nun auch Petrus ihn annehmen.

Dann hatte Petrus ein Aha-Erlebnis. Er sagte: Jetzt erst habe ich richtig verstanden, dass Gott niemanden wegen seiner Herkunft bevorzugt oder benachteiligt (10,34). Das sagt ein Jude! Fortan wird es nicht Mitglieder und Außenstehende geben, nicht reine Juden und unreine Heiden, getrennt durch eine unüberwindbare Mauer. Gott hat einen großen Plan. Aufgrund des Werkes von Jesus, das der Heilige Geist bestätigt hat, wird sich Gottes Volk nicht länger auf Juden beschränken. Es wird aus Menschen aller Nationen bestehen – Juden und Heiden.

Stellen Sie sich vor, wie schnell Petrus’ Gedanken wohl ratterten, wie inständig er gebetet haben muss, während er versuchte, sich das Ganze zusammenzureimen. Instinktiv wollte er Kornelius von Jesus erzählen (10,36ff). Er sagte ihm, Gott habe eine Botschaft geschickt, die Jesus der Messias überbracht habe, die Friedensbotschaft Gottes, die er dem Volk Israel durch Jesus Christus mitgeteilt hat. (Im Griechischen steht, dass Jesus „mit dem Frieden evangelisierte“.) Hier sprach Petrus zu einem Besatzungssoldaten über den Frieden. Das römische Reich verkündete: „Cäsar ist Gott.“ Doch Petrus behauptete, mitten auf einem römischen Stützpunkt, dass Jesus und nicht Cäsar „Herr über allem“ sei. Er fuhr fort und erzählte Kornelius vom Leben Jesu, von seinem Tod und der Auferstehung. Dass die Folge davon sei, dass es nun Vergebung und Zugehörigkeit für alle – ob Mitglieder oder Außenstehende – gibt, wenn sie nur Ehrfurcht vor ihm [Gott] haben und so leben, wie es ihm gefällt (10,35).

Was könnte Jesus gemeint haben, als er die „Friedensbotschaft Gottes“ verkündete? Das wird sich Petrus wohl überlegt haben. Petrus wird an die alttestamentlichen Prophezeiungen gedacht haben, vor allem an Jesaja 52,7, wo der friedensbringende „Bote, der über die Berge kommt“ angekündigt wurde. Er wird sich daran erinnert haben, dass diese Stelle Jesus besonders am Herzen lag.3 Petrus hat sicher auch über das Leben Jesu nachgedacht. Jesus hatte vom großartigen Plan Gottes erzählt – einem Plan nicht nur für die Juden, sondern für Menschen aller Nationen. Jesus hatte mit Sündern und Außenseitern Gemeinschaft gepflegt, mit Kindern und Frauen und sogar mit feindlichen Soldaten. Er hatte die ungewöhnlichsten Leute zusammengeführt. Damit hatte er Privilegien gefährdet. Er sei nicht gekommen, sagte er, um den Frieden zu bringen, sondern Entzweiung (Lukas 12,51; Matthäus 10,34). Da er die Voreingenommenheit der Menschen ins Wanken brachte und mit souveräner Wahrhaftigkeit handelte, schaffte sich Jesus Feinde. Sie intrigierten gegen ihn und kreuzigten ihn schließlich.

Doch Jesus hatte den Menschen stets einen anderen Weg angeboten. Es war ein radikalerer Weg, der politischen Krise Palästinas beizukommen, als sich irgend jemand vorstellen konnte: indem er nun auch Römer neben Juden der Familie Gottes von Vergebung und Versöhnung hinzufügte. Matthäus und Lukas halten fest, dass Jesus der Lehre über die Feinde einen herausragenden Platz einräumte. In Matthäus 5,43ff stellt diese Lehre den Gipfel der Antithesen der Bergpredigt dar; in Lukas 6,27ff tritt sie als die erste ethische Lehre Jesu auf. In beiden Fällen ist die Botschaft die gleiche. „Liebt eure Feinde, betet für sie“, sagte er.

Jesus selbst hatte einen Volksfeind, einen römischen Hauptmann, empfangen und dessen Glauben bewundert. Jesus sehnte sich nach der Zeit, in der sich Menschen aus Ost und West mit den direkten Nachkommen Abrahams um einen Tisch im Reich Gottes versammeln würden (Matthäus 8,11).

Der Weg Jesu war umstritten. Manchen war er völlig unverständlich; andere empfanden ihn als bedrohlich. Als Jesus auf die Stadt Jerusalem schaute (Lukas 19,41ff), weinte er, weil die Menschen nicht erkannt hatten, „was dir Frieden bringt“. Die Leute lehnten seine Ankündigung der guten Nachricht des Friedens ab. Also sagte Jesus voraus, dass „ihre Feinde“ (die Römer) einfallen, Belagerungsmaschinen um Jerusalem herum aufstellen, die Stadt zerstören und ihre Kinder töten würden. Einige Jahre später, im jüdischen Krieg von 66 bis 70 nach Christus, ist es tatsächlich so gekommen. Mit großer Brutalität zerstörten die Römer Jerusalem und seinen Tempel, töteten Unzählige und lösten eine Identitätskrise der Juden aus.