Sea and Fall

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Sea and Fall
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Svea Dunnabey

Sea and Fall

Hoffnung

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Impressum

Kapitel I

Gedankenverloren saß ich am Strand und schaute ins Lagerfeuer, sah den Flammen zu, wie sie sich umeinander wanden, tänzelten und versuchten nach oben zu entfliehen. Bis sie immer dünner wurden, nur noch kleine Funken waren und sich schließlich auflösten. Wie gerne hätte ich es ihnen gleichgetan, immer kleiner werden, mich auflösen und hier gänzlich verschwinden.

Die Leute um mich herum redeten, lachten und waren bester Dinge. Vollkommen sorglos und genossen das Leben. Neben mir saß ein Pärchen, das gar nicht mehr die Finger voneinander lassen konnte und mich somit auch keines Blickes würdigte. Aber das machte auch nichts, somit konnte ich immerhin in Ruhe Trübsal blasen und versuchen den Abend halbwegs friedlich zu überstehen.

Warum tat ich mir das eigentlich an? Ich hatte hier nichts mehr zu suchen. All die Menschen um mich herum gehörten nicht mehr zu meinem Leben. Sie waren der Freundeskreis von Alex mit dem ich ein halbes Jahr zusammen gewesen war. Wir wollten zwar Freunde bleiben, doch das war einfacher gesagt als getan. Auch er war heute da, was das ganze nur noch schwieriger machte.

Jedes mal wenn wir aufeinander trafen, wirkten wir verkrampft, bekamen keine anständige Unterhaltung zustande, aber zum Glück sahen wir uns nicht allzu oft. Er war DJ und seit einer gewissen Zeit sehr erfolgreich, sodass er um die Welt jettete und kaum zu Hause war.

Unsere Trennung lag nun gute drei Monate zurück und ich dachte, ich hätte sie überwunden, wäre darüber hinweg, doch als er heute mit seiner neuen Freundin auftauchte, wurde unser ohnehin schon merkwürdiges Verhältnis noch gezwungener. Natürlich wusste ich, dass er über kurz oder lang wieder eine Frau an seiner Seite haben würde, doch dass es so schnell gehen und er mich nicht einmal vorwarnen würde, überraschte mich.

Nichts desto trotz lächelte ich und überspielte meine Schockstarre, als er sie mir vorstellte. Ihr Name war Lydia, eine etwa 1,80 m große, gutaussehende Frau. Sie konnte glatt als Model durchgehen, mit ihrem makellosem Gesicht, ihren eisblauen Augen, den blonden Haaren, die bis kurz unter die Schultern reichten und ihrem schmalen Körperbau.

Ihre langen atemberaubenden Beine stachen mir sofort ins Auge, die sie durch Wickelsandalen und ein sehr knappes Kleid, welches gerade einmal bis zu den Oberschenkeln reichte, entsprechend betonte. Außerdem hatte sie wenig Oberweite und schmale Hüften, wie es bei Models üblich war.

Sie passte gut an Alex’ Seite. Er überragte sie um ein paar Zentimeter, war schlank, aber nicht sehr muskulös, trug dazu eine Glatze, die ich immer als sehr faszinierend empfunden hatte und die ihm gut stand, weil er den perfekten Kopf dafür hatte. Ebenso wie Lydia hatte er blaue Augen. Die Augenfarbe ihrer Kinder wäre somit schon mal vorprogrammiert, feixte ich im Stillen und schämte mich direkt dafür.

Sie stammte aus New York, wo sich die beiden bei einem Videodreh auch allem Anschein nach kennen und lieben gelernt hatten. Als Paar sahen sie perfekt aus. Der erfolgreiche DJ und seine Modelfreundin, ein Anblick den ich keiner Frau wünschte, da es das eigene Selbstbewusstsein in Rekordzeit schrumpfen ließ. Dabei hatte ich eigentlich keinen Grund mich zu verstecken.

Ich ertrug ihre verliebten Blicke sowie die Tatsache, dass sie ihre Hände nicht voneinander lassen konnten, während sie mit mir redeten. Eigentlich war Lydia diejenige, die die ganze Zeit an ihm herumfummelte, ihn ständig küsste und anschmachtete. Er hielt sich dagegen relativ zurück, wohl auch aus Respekt mir gegenüber.

Wie dem auch sei. Ich stahl mich schließlich mit einer hoffentlich glaubwürdigen Ausrede davon, da ich die Situation einfach nur als peinlich und anstrengend empfand.

Wie konnte er mich so überrumpeln und mich vorher nicht einmal warnen? Immerhin hatte er mich hierhin eingeladen, mit mir telefoniert, da hätte er doch beiläufig erwähnen können, dass er seine neue Freundin mitbringen würde.

Plötzlich merkte ich, wie sich jemand neben mich setzte und den Arm um mich legte. Erschrocken blickte ich auf und sah in die Augen von Alex. Immerhin war er allein, denn noch einmal hätte ich ihn zusammen mit diesem Model nicht ertragen können.

>> Na, alles gut bei dir?<< fragte er und sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nun wirklich nicht gebrauchen konnte. Es lag Mitleid darin, vielleicht auch ein wenig Sorge.

>> Alles bestens und bei dir?<< sagte ich lässig und lächelte ihn aufmunternd an, damit er aufhörte mich anzusehen, als ob gerade ein naher Verwandter gestorben wäre. So schlimm war die Tatsache nun auch wieder nicht, dass er eine Neue hatte und ich mir hier fehl am Platze vorkam.

>> Hör mal, es tut mir Leid, ich hätte dir sagen sollen, dass ich Lydia mitbringe, aber irgendwie konnte ich das am Telefon nicht. Ich wollte es dir persönlich sagen, nach allem was wir...<<

Ich ließ ihn nicht aussprechen und schüttelte den Kopf.

>> Ist schon in Ordnung, ich war nur ein wenig überrascht, dass ist alles. Ich freue mich für dich. Du hast es verdient glücklich zu sein und es ist ja auch schon eine Weile her.<<

Ich meinte die Worte wirklich so, wie ich sie ihm sagte, immerhin hatte ich mich damals von ihm getrennt. Ich kam einfach nicht mit der Tatsache zurecht, dass er ständig auf Tour war, ich ihn manchmal erst nach sechs Wochen wiedersah und die wenigen Tage die er blieb, dann auch noch mit seiner Familie und seinen Freunden sowie mit seiner Arbeit teilen musste.

Am schlimmsten waren jedoch die Medien, die ihm immer wieder irgendwelche Affären anzuhängen versuchten und Bilder druckten, in die ich während seiner Abwesenheit zu viel hineininterpretierte.

Es machte mich regelrecht fertig jeden Tag neue Fotos von ihm mit irgendwelchen Frauen zu sehen, wie er mit ihnen feierte, während ich zu Hause saß, arbeitete und verzweifelt auf einen Anruf von ihm wartete. Ich litt zu sehr unter der Beziehung, als dass sie mir guttat und daher gab es nur eine logische Entscheidung. Ich trennte mich von ihm.

>> Ich weiß, aber irgendwie fühle ich mich schlecht, weil du hier ganz alleine sitzt und herumgrübelst. Ich vermisse dein Lächeln.<<

Ich lächelte ihn kurz an und versuchte ihn somit zu besänftigen.

>> Nein, ich meine dein richtiges Lächeln. So wie du gelächelt hast, als wir noch zusammen waren. Es fehlt mir.<< sagte er nun sehr leise, als hätte er Angst Lydia könnte ihn hören.

>> Es geht mir wirklich gut Alex, das musst du mir glauben. Es ist nicht, weil du wieder eine Freundin hast. Mir wird nur gerade bewusst, dass ich hier nicht mehr hingehöre. Es waren immer deine Freunde und ich fand es toll, dass ich weiterhin dazugehörte, aber es fühlt sich nicht mehr richtig an. Ich fühle mich nicht mehr wohl hier.<<

Alex war einer der ersten gewesen, die ich hier kennengelernt hatte, als ich nach Australien gekommen war. Vor fast zwei Jahren war ich aus Deutschland ausgewandert, weil es mich immer gereizt hatte und ich einen tollen Job an einer Universität angeboten bekommen hatte. Damals war ich noch verheiratet gewesen und auch mein Mann und meine beiden Kinder waren mitgekommen. Doch inzwischen war ich fast geschieden und zudem auch von Alex getrennt.

Durch ihn lernte ich viele Menschen hier kennen, auch weil ich nach der Trennung von meinem Mann bei ihm gewohnt hatte. Ich brauchte über Nacht eine neue Bleibe und da wir sehr schnell zusammengekommen waren, war ich einfach bei ihm geblieben. Als ich dann unsere Beziehung beendete, sorgte er dafür, dass ich weiterhin mit seinen Freunden Zeit verbrachte, da er nicht wollte, dass ich vollkommen allein war. Inzwischen hatte ich mir jedoch meinen eigenen Freundeskreis aufgebaut, vor allem durch meine Arbeit an der Universität, aber auch durch meinen Mitbewohner Jacob.

>> Du gehörst aber dazu!<< sagt er in einem bissigen Ton, der mich zusammenfahren ließ.

 

>> Alex bitte. Du merkst doch selber, wie verkrampft wir beide sind, wenn wir miteinander reden. Das ist doch nur noch Smalltalk, mehr nicht. Und deine Freunde sind lieb und nett, aber sie sind halt deine Freunde. Sie halten zu dir. Als wir noch zusammen waren, war es etwas anderes, aber nun merken auch sie, wie wir miteinander umgehen und nun ist da Lydia. Wie sollen sie sich mir gegenüber verhalten? Lass es doch einfach gut sein.<<

Er sah mich mit funkelnden Augen an und ich wusste sofort, dass er sauer war.

>> Wenn du vorhast, jetzt vollkommen aus meinem Leben zu verschwinden, kann ich dir jetzt schon versichern, dass ich das nicht zulassen werde! Du hast dich von mir getrennt, ja. Das musste ich hinnehmen, auch wenn es mir nicht gefiel. Aber ich habe deine Ansichten respektiert, konnte deine Gründe in gewisser Weise nachvollziehen, aber das hier geht zu weit!<<

>> Aber ich...<< versuchte ich ihn zu unterbrechen, doch er schnitt mir direkt wieder das Wort ab.

>> Nein, Sarah. Ich meine das ernst. Ich habe dich geliebt und Liebe vergeht nicht so schnell. Ich möchte weiterhin ein Teil deines Lebens sein und wenn ich das nur als Freund sein kann, dann akzeptiere ich das, aber du wirst mich nicht von dir wegstoßen, das lasse ich nicht zu.<<

Er klang wirklich entschlossen. Ich sah in seine blauen Augen, die zu brennen schienen, weil das Feuer sich darin spiegelte. Sah wie sein Blick zu meinem Mund wanderte und tat es ihm gleich. Als ich auf seine vollen, wunderschön geschwungenen Lippen blickte, musste ich unwillkürlich daran denken, wie gut er küssen konnte. Wie weich seine Lippen immer gewesen waren, wenn sie meinen Körper liebkost hatten und wie gekonnt er mit seiner Zunge umgehen konnte, was sie mir für Lust bereitet hatte, wenn er mich geküsst hatte.

Verdammt, daran durfte ich nicht denken. Ich riss mich von seinen Lippen los und räusperte mich, um wieder klar denken zu können und um auch ihn wieder in die Realität zurückzuholen. Schließlich hob auch er wieder seinen Blick.

>> Ich sage ja nicht, dass ich dich vollkommen aus meinem Leben streichen möchte, aber ich werde mich nicht mehr mit deinen Freunden treffen. Außer mit John und Katy, falls sie irgendwann zurückkommen, aber du weißt ja, dass sie mir sehr wichtig sind.<<

John und Katy waren seine besten Freunde, weswegen wir auch viel mit ihnen unternommen hatten. Sie hatten vor vier Monaten geheiratet, wobei ich Katys Brautjungfer gewesen war. Nach der Hochzeit waren sie auf eine Weltreise gegangen und bisher hatten sie noch nicht die Absicht gehabt wieder zurückzukommen.

>> Sie haben dich alle gern, nicht nur John und Katy. Du gehörst einfach dazu, aber wenn das deine Ansichten sind...<<

Er seufzte und fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht, bevor er mich schließlich wieder durchdringend ansah.

>> Ich finde es zwar schade, weil ich denke, dass du einen Fehler machst, aber nun gut. Ich kenne dich zu gut, um zu wissen, dass ich dir da nicht reinreden brauche. Dein Entschluss steht fest. Aber...<< sagt er sehr zaghaft und vorsichtig, >> wir sehen und reden weiterhin miteinander!<<

Ich merkte, dass er ein wenig Angst vor meiner Antwort hatte und leicht zitterte.

>> Ja werden wir.<< seufzte ich, wobei ich insgeheim dachte, dass es mit der Zeit weniger werden würde, aber das musste er jetzt nicht wissen. So war nun einmal der Lauf der Dinge. Man versprach sich in Kontakt zu bleiben, aber die Leben gingen in zwei verschiedene Richtungen. Die Weichen wurden gestellt und unsere Züge fuhren nun zu unterschiedlichen Zielen, bewegten sich immer weiter voneinander fort, ohne jemals wieder aufeinander zuzufahren. Aus einem Anruf die Woche, wurde auf einmal einer im Monat, dann noch einmal ein Weihnachts- und Neujahrsgruß bis es schließlich ganz aufhörte.

>> Gut. Wie sieht es denn bei dir mit einem neuen Mann aus?<<

Was war das denn für ein schneller Themenwechsel? Ich schnaubte verächtlich und malte mit meinem Fuß ein Muster in den Sand, um Alex nicht ansehen zu müssen.

>> Ich glaube, ich muss erst mal das Leben als Single genießen. Ich war so lange verheiratet gewesen und danach direkt mit dir zusammen. Ich genieße es im Moment einfach unabhängig zu sein.<<

>> Sieht dir aber nicht ähnlich.<<

>> Vielleicht kommt irgendwann der Richtige, aber ich suche nicht krampfhaft nach ihm. Ich konzentriere mich auf die Arbeit, auf meine Kinder und damit bin ich glücklich.<<

>> Und Chase?<<

Ich sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an, damit er gezielter nachfragte, da ich nichts ausplaudern wollte.

>> Ich war letzte Woche bei ihm in New York und da erzählte er mir von eurer Nacht.<<

>> Wie charmant.<< sagte ich schnippisch und richtete meinen Blick wieder auf das Feuer, da mir das Thema unangenehm war. Wenn wir über Chase und mich sprachen, konnte ich Alex einfach nicht ansehen.

>> Er wollte nur, dass ich es weiß, damit nichts zwischen unserer Freundschaft steht. Ist es denn etwas Ernstes?<<

>> Nein.<<

Chase war ein Schauspieler mit dem Alex sich angefreundet hatte und den er mir vor einigen Wochen vorgestellt hatte, als ich meine letzten Sachen bei ihm abgeholt hatte. Ich war Single und fand Chase äußerst attraktiv. Hoch gewachsen, ein einziger Muskelberg, weswegen er meist in Actionfilmen mitspielte und der zudem mit einem äußerst attraktiven Gesicht ausgestattet war. Er half mir mit den Kartons und brachte mich zurück nach Brisbane, wo wir schließlich im Bett landeten. Allerdings wussten wir beide von vorneherein, dass es nur etwas einmaliges zwischen uns wäre, was aber nicht weniger reizvoll gewesen war.

>> Sieht er es auch so?<<

>> Alex...<< seufzte ich, riss mich vom Anblick des Feuers los und sah ihm direkt in seine Augen.

>> Müssen wir darüber reden? Chase und ich hatten unseren Spaß, wir wussten beide, dass es etwas Einmaliges ist und dass war’s auch schon. Ich möchte mit dir nicht über solche Dinge sprechen.<<

>> Warum nicht, wir sind doch befreundet?<<

>> Aber du bist mein Ex-Freund. Wir können über Lydia sprechen, weil sie deine Freundin ist, aber nicht über irgendwelche One-Night-Stands von mir.<<

>> Sonst warst du auch nie so schüchtern.<<

Ich sah ihn genervt an, bis er nachgab und schließlich nickte.

>> Wann gehst du wieder auf Tour?<< fragte ich und hoffte so das Thema wechseln zu können.

>> Ich nehme erst mal ein paar neue Songs auf. Also bleibe ich fürs erste hier.<<

>> Mit welchen Künstlern?<<

>> Ein paar neue aus den USA. Ich muss noch alle anrufen. Erst mal wollte ich ein wenig Urlaub hier machen und entspannen. In zwei Wochen mache ich mir dann Gedanken.<<

>> Auch mit Nick?<< fragte ich vorsichtig und verkrampfte mich allein beim Aussprechen seines Namens.

>> Niemals. Dieser Dreckskerl braucht nie wieder zu mir zu kommen. Was er damals mit dir gemacht hat...<<

Er stockte, knetete seine Hände, die sich automatisch zu Fäusten ballten, bevor er tief durchatmete und sich langsam wieder beruhigte.

>> Du hast ihn ja gestoppt.<<

>> Zum Glück.<<

Ich grinste und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, als ich mich schließlich erhob.

>> Dann werde ich jetzt mal fahren.<<

Ich wollte wirklich nur noch weg hier und mich zu Hause auf mein gemütliches Sofa legen, wo mich niemand beobachtete und mich in eine dicke, kuschelige Decke einwickeln. Dann konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen und ein wenig in Selbstmitleid schwelgen. Wenigstens heute Abend.

>> Bleib doch noch hier. Wir haben uns so lange nicht gesehen und ich merke, dass es dir nicht gut geht. Lass uns spazieren gehen und reden.<<

Alex stand auf und reichte mir seine Hand, als Aufforderung mit ihm zu kommen.

>> Heute nicht mehr.<<

Ich trat einen Schritt auf ihn zu.

>> Geh lieber wieder zu deinen Freunden und Lydia, sie warten bestimmt schon. Ich brauche einfach ein wenig Ruhe. Es war eine stressige Woche und heute habe ich die Wohnung für mich allein, dann kann ich mal richtig entspannen.<<

Mein Mitbewohner, Jacob, war mit seinem Freund bei dessen Mutter zu Besuch und weil sie weiter weg wohnte, blieben sie über Nacht.

>> Bitte! Bleib Sarah. Mir zuliebe.<<

Ich schüttelte den Kopf und umarmte ihn. Sein vertrauter, angenehmer Duft stieg mir in die Nase, der wiederum Erinnerungen hervorrief. Immer wenn er lange unterwegs gewesen war, hatte er mir ein Shirt von sich da gelassen, sodass ich nachts mit seinem Duft einschlafen konnte. Nach unserer Trennung hatte es lange gedauert, bis ich mich davon trennen konnte, doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, riss mich Alex aus meinen Gedanken.

>> Ich vermisse dich Sarah. Ich wünschte, wir könnten das mit uns wieder irgendwie hinbekommen. Ich kann dich einfach nicht vergessen. Kriege dich nicht aus meinem Kopf.<< flüsterte er mir ins Ohr, woraufhin ich mich aus der Umarmung löste und ihn ansah.

>> Alex<< seufzte ich. >> Das mit uns ist vorbei und das wird es auch bleiben. Sieh nach vorn! Lydia scheint nett zu sein. Also gib ihr eine Chance.<<

Zwar konnte ich eigentlich noch nicht beurteilen, ob sie nett war, aber wenn er mit ihr zusammen und glücklich war, musste sie es ja sein.

Aufmunternd drückte ich ihm noch einmal die Schulter und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich umdrehte und ging. Er erwiderte nichts mehr auf meine Worte und als ich mich noch einmal umdrehte, sah ich, wie er wieder zu den anderen ging.

Schnell holte ich tief Luft, denn endlich konnte ich wieder atmen.

Ich liebte ihn nicht mehr, darum ging es nicht. Natürlich hing man Erinnerungen nach und blickte gern zurück, aber ich wusste, dass eine Beziehung zwischen uns beiden niemals gut enden würde. Es war einfach eine sehr schöne Zeit mit ihm gewesen, auf die ich gern zurückblickte. Das war der Vorteil, wenn man sich im Guten getrennt hatte und es keinen großen Streit gegeben hatte, man blickte positiv zurück. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, erblickte ich vor mir eine ziemlich wütend aussehende Lydia.

>> Hi Lydia, falls du Alex suchst, der ist beim Lagerfeuer.<< versuchte ich sie zu besänftigen, aber das schien nach hinten loszugehen.

>> Ich weiß, da habe ich ihn ja grade mit dir gesehen. Hör auf dich an ihn ran zu machen, du hattest deine Chance und hast sie nicht ergriffen. Ist er jetzt wieder interessanter, weil er auf einmal nicht mehr zu haben ist? Ist es das?<<

Ich sah sie verblüfft an und war ehrlich gesagt sprachlos. Ich glaube mein Mund stand wirklich ein wenig offen und es brauchte eine Weile, bis ich wieder meine Sprache fand.

>> Lydia ich will ihn nicht zurück. Der Schlussstrich damals war endgültig. Wir sind nur gute Freunde und ich freue mich für ihn, dass er wieder jemanden gefunden hat und hoffe, dass ihr glücklich werdet.<<

>> Er IST glücklich. ICH mache ihn glücklich, was du ja anscheinend nicht konntest!<<

So langsam wurde ich wütend, denn ihr Ton gefiel mir überhaupt nicht. Ich brauchte mich nicht so behandeln zu lassen. Ich war freundlich zu ihr gewesen, hatte nur gut über sie gesprochen und das war der Dank dafür? Wieso war sie so aggressiv zu mir?

>> Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen!<< antwortete ich schnippisch, wahrscheinlich weil mir das hier langsam alles zu viel wurde. Ich wollte gerade weitergehen, als sie mich am Arm zurückhielt.

>> Ich mache mir auch keine Sorgen, ich wollte es nur klar stellen. Er hat mir alles über euch erzählt und damit meine ich wirklich ALLES. Über deine Kindheit, deine Brüder, deinen Mann. Kein Wunder, dass dein Mann dich verlassen hat und wenn du noch ein wenig länger gewartet hättest, dann wäre dir das auch mit Alex passiert. Denn weißt du, die Bilder aus den Magazinen erzählen auch manchmal die Wahrheit.<<

Wie bitte? Hatte ich das richtig gehört? Ich stand kurz unter Schock, bevor mich wieder die Wut packte und zurück auf die Füße holte. So langsam ging mir diese Schlange gehörig auf den Geist und ich wollte ihr am liebsten ordentlich die Meinung geigen, doch ich riss mich zusammen, denn ich wollte bei den anderen und vor allem nicht bei Alex eine Szene machen und den Eindruck erwecken, dass ich wohlmöglich eifersüchtig auf sie war. Ich begab mich nicht auf ihr Niveau herab, das hatte ich nicht nötig.

 

>> Lass es gut sein Lydia.<< zischte ich.

>> Oh, sind wir etwa schon eingeschnappt?<<

Ihr Blick triefte vor Verachtung, Abscheu und Überheblichkeit, dass mir beinahe mein Mageninhalt hochkam.

>> Es reicht. Mein Leben geht dich nichts an, also halte dich gefälligst da heraus, denn du weißt gar nichts über mich. Tu uns einen Gefallen und geh zu Alex. Ich denke er wird deine Anwesenheit deutlich mehr genießen, als ich es gerade tue.<<

Ich drehte mich von ihr ab, um zu gehen, wollte ihr Gesicht nicht mehr sehen, ihre Worte nicht mehr hören und ihre Gegenwart nicht mehr spüren. Doch leider ging meine Rechnung nicht auf.

>> Meine Anwesenheit genießt er sehr, da hast du Recht, aber das ist ja auch nicht weiter schwer, denn immerhin bin ich noch knackige 24, zu allem bereit und fähig und nicht so eine alte Schabracke wie du, bei der er aufpassen muss, ob sie den Anforderungen im Bett noch gewachsen bist.<<

ALTE SCHABRACKE? Wie bitte? Das hörte sich an, als ob ich schon 80 und Scheintod wäre. Ich war 30 Jahre alt, gehörte man damit zum alten Eisen?

Ich war froh, dass sie mein Gesicht nicht sehen konnte, dann hätte sie bemerkt, dass sie einen Treffer versenkt hätte und das gönnte ich ihr nicht. Das war es nämlich, was sie erreichen wollte und was ich ihr unter keinen Umständen gewähren würde. Ich überlegte noch kurz, ob ich darauf antworten sollte. Mir lag ein Spruch auf der Zunge, doch ich verkniff ihn mir, dachte, dass die Taktik sie zu ignorieren, die bessere Wahl wäre, denn ansonsten würden hier gleich die Fäuste fliegen.

Diesmal drehte ich mich nicht mehr um und ging geradewegs zum Auto. Erst als ich drinnen saß, atmete ich die angehaltene Luft aus und beruhigte mich. Was genau hatte er ihr verraten? Wirklich alles? Ich hatte Alex nie alles erzählt, trotzdem gefiel es mir nicht, dass er sie eingeweiht hatte. Ich würde ihn mir Wohl oder Übel vorknöpfen müssen und das würde kein angenehmes Gespräch werden. Das waren Sachen, die ich ihm im Vertrauen erzählt hatte. Niemand sollte davon erfahren, das hatte er mir versprochen und dann erzählte er es der nächst Besten?

Er wusste, dass es mir schwer gefallen war, mich ihm anzuvertrauen, dass es mich viel Überwindung gekostet hatte, nach allem was vorgefallen war. Es tat weh, denn eigentlich dachte ich, dass ich ihm vertrauen konnte, dass meine Geheimnisse sicher waren bei ihm, aber wieder einmal hatte ich mich in einem Menschen getäuscht. Tränen gruben sich ihren Weg hoch zu meinen Augen, doch ich konnte sie noch wegblinzeln. Bloß nicht weinen! Das würde ich, wenn es sein musste, erst zu Hause tun, wo mich niemand sehen konnte.

Männer waren doch alle gleich, dachte ich mir, als ich mich wieder ein wenig beruhigt hatte und froh war, dass ich zur Zeit mit keinem näher liiert war. Natürlich hatte eine Beziehung auch gewisse Vorteile und es war schön jemanden an seiner Seite zu haben, aber nachdem ich gute dreizehn Jahre mit meinem Mann verbracht hatte, und direkt im Anschluss mit Alex zusammen gekommen war, war es einfach ein gutes Gefühl endlich mal wieder Herr seiner selbst zu sein. Vor allem, wenn sie einen nur hintergingen, das Blaue vom Himmel versprachen und sich an nichts hielten. Hauptsache sie hatten ihren Spaß.

Aber ich war frei von alledem, liebte meine Arbeit, hatte eine schöne Wohnung, die ich mir mit meinem mittlerweile besten Freund teilte, genoss es mit ihnen abends zusammenzusitzen oder auch mal das Nachtleben unsicher zu machen und das alles ging nur mich etwas an.

Ich atmete noch einmal tief durch und beschloss diese Lydia zu vergessen, was wusste sie denn schon, als mich ein Klopfen an der Scheibe zusammenfahren ließ. Es war Dan, der Bruder von Alex, der kurz darauf die Beifahrertür öffnete und sich neben mich setzte.

>> Hey Sarah.<<

>> Hi, was gibt’s?<<

>> Ich habe dich grade noch mit Lydia gesehen und dachte ich schaue mal nach dir.<<

>> Es ist alles in Ordnung Dan, also mach dir keinen Kopf. Ich freu mich für Alex.<<

>> Ich mich aber nicht. Sie ist ein Biest und passt nicht zu ihm.<<

>> Du kennst sie doch noch gar nicht.<<

Wieso nahm ich sie eigentlich immer noch in Schutz? So wie sie eben zu mir gewesen war, hatte sie das überhaupt nicht verdient. Mit Dan konnte ich über alles sprechen, warum machte ich ihm also etwas vor?

>> Brauche ich auch nicht, dass merkt man sofort und du hast es auch gerade zu spüren bekommen. Ich stand hinter dir, mit dem Rücken zu euch und habe alles gehört.<<

>> Vielleicht sieht sie mich nur als Bedrohung an. Ex Freundinnen hat man nie gerne in der Nähe des aktuellen Freundes.<<

>> Aber lass dir das nicht gefallen.<<

Ich nickte und starrte auf das Lenkrad, als sich für ein paar Sekunden ein betretendes Schweigen einstellte.

>> Ich weiß, dass die Trennung für dich endgültig war, aber Dad und ich und eigentlich auch alle anderen die euch kannten, dachten, dass es für ewig halten würde. Immerhin hatte es lang genug gedauert, bis ihr endlich ein Paar wurdet. Ihr saht immer so perfekt aus, so harmonisch...<<

>> Ich weiß und es tut mir Leid, aber es hat nicht gepasst. Über kurz oder lang wäre es in die Brüche gegangen, wahrscheinlich nur mit viel mehr Tränen. Es kann nicht jeder so ein Glück haben wie du und Laura.<<

Dan war seit 11 Jahren mit seiner Jugendliebe Laura verheiratet und hatte bereits drei Kinder mit ihr. Sie waren das Vorzeigepaar schlechthin, weswegen ich sie ein wenig beneidete.

>> Das stimmt, aber ich wünsche mir dieses Glück für Alex und auch für dich, auch wenn ihr es nicht miteinander haben werdet.<<

>> Danke.<<

Er nickte und küsste mich liebevoll auf die Wange. In den zwei Jahren war er wie ein Bruder für mich geworden, der immer auf mich aufpasste.

>> Dann werde ich mal zurückgehen und mir noch den ganzen Abend diese Lydia antun.<<

>> Gib ihr eine Chance.<<

>> Ich versuch’s. Also bis bald Sarah.<<

>> Bis bald.<<

Als er ausgestiegen war, lenkte ich meinen Audi von Southport fort und fuhr in Richtung Brisbane. Es war mittlerweile schon recht dunkel geworden, die Straßenlaternen waren an und in den Wohnungen der einzelnen Häuser brannte Licht.

Vor einer Ampel die gerade auf rot gesprungen war, hielt ich an und beobachtete die Leute um mich herum.

Die Menschen, die man jetzt noch auf der Straße sah, konnte man in zwei Gruppen einsortieren. Die einen waren gerade auf dem Weg nach Hause, sahen geschafft und müde aus, während die anderen auf dem Weg waren, um noch einmal auszugehen oder Freunde zu treffen. Sie sahen glücklich aus, waren besonders fein herausgemacht und sprühten nur so vor Lebensenergie.

Vor etwa einem Jahr gehörte ich noch der Sorte an, die abends um acht nach Hause gingen und vollkommen geschafft aussahen. Wenn ich mir meine alten Mitstreiter ansah, war das ziemlich deprimierend. Aber so war das Leben eben, wenn einen der Alltag in einer unglücklichen Ehe packte und man irgendwann jeden Tag das gleiche Schema fuhr.

Doch nun gehörte ich zu der Gruppe, die nur so vor Energie strotzten und das Leben genossen und so sollte es auch sein, immerhin konnte es schneller vorbei sein, als es einem lieb war. Leider musste ich das in meinem Leben nur all zu oft schon selbst miterleben.

Als ich schon fast wieder in Brisbane war, wurde es heller, da ich nun von den endlosen dunklen Landschaften in die Stadt wechselte. Überall hingen Reklametafeln, die zusammen mit dem Licht der Hochhäuser und der Straßenlaternen die Straßen erleuchteten.

Eine Ampel sprang gerade auf grün und ich fuhr los, saugte die Energie der Stadt in mich auf. Ich liebte Australien, ich liebte die Goldküste und mich konnte nichts mehr von hier fortbewegen. Es war immer mein Traum gewesen hierher zu kommen. Hier zu wohnen und zu arbeiten und dieser war nun in Erfüllung gegangen.

Die Menschen hier waren freundlich, herzlich und vollkommen locker, was mir den Start sehr einfach gemacht hatte. Sicherlich hatte es auch Momente gegeben in denen ich verzweifelt gewesen war, eventuell auch aufgeben wollte, jedenfalls am Anfang, aber das war nur selten der Fall gewesen und die positiven Erlebnisse hatten überwogen.

Eine weitere rote Ampel schaltete gerade auf grün, sodass ich mein Tempo beibehalten und schnell über die Kreuzung fahren konnte. Doch plötzlich sah ich rechts neben mir zwei Scheinwerfer aufblenden, die immer näher kamen. Hektisch überlegte ich, wie ich einem Aufprall entfliehen könne, sollte ich bremsen? Gas geben? Lenken?

Erschrocken blickte ich auf. In der nächsten Sekunde merkte ich auch schon den Aufprall an meiner rechten Seite. Mein Kopf schlug gegen die Scheibe und ich riss instinktiv die Hände vom Lenkrad, als ob es in Flammen stehen würde und ich mich daran verbrennen könnte.

Der Wagen schleuderte über die Kreuzung und raste auf eine Häuserecke zu. Mit der linken Hand griff ich aus Reflex zur Handbremse, damit der Wagen anhalten würde. Ich betete zu Gott, dass ich dort nicht aufprallen würde, mein Wagen noch vorher zum Stillstand käme, doch meine Gebete wurden nicht erhört. War ja klar, ich hatte immer so ein Glück und somit knallte ich mit voller Wucht auch noch in die Häuserfront. Immerhin stand der Wagen nun still, doch ich konnte mich nicht bewegen, schaffte es zunächst nicht einmal einen klaren Gedanken zu fassen.