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Rune Deis

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Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Projektleitung: Christel Bröer

www.nord-buch.info

Coverfoto © TTstudio (Fotolia.com)

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

- Die Liebe ist stark -

1 + 1 = 1

1 – 1 = 1

Zwei Gleichungen, die schon von Erstklässlern als unsinnig abgetan werden.

Das Leben gibt ihnen jedoch Sinn. Sie stehen in der Partnerschaft für Liebe und Schmerz.

Einleitung

Wenn die Schmetterlinge den Bauch verlassen, dann kommt die Liebe.

Viele wollen nur die Schmetterlinge – andere noch weniger.

Sie nutzen ein Golfevent in Marokko. Er ist aus dem Westen unserer Republik angereist, sie mit Freundin aus dem Süden.

Nach einer Turnierrunde und einem erfrischenden Getränk auf der Clubterrasse fahren die Akteure ins Hotel zurück. Zwischen Kaffee und Abendessen verschafft sie sich durch zaghaft forderndes Klopfen Einlass in sein Zimmer.

Viele wollen keine feste Bindung, nur ein aufregendes, zufalls- und gelegenheitsbestimmtes Leben. Ihr Sinn steht nach aufregenden Wochenenden, Urlauben mit Wellness; jede Abwechslung ist willkommen.

Für Gleichgesinnte, die zudem keinen Zweifel daran lassen, dass sie keine verpflichtende Partnerschaft anstreben, bringt diese Lebensform, wie es scheint, auch eine Art Erfüllung.

Unsere Geschichte nun erzählt von einer anderen »Liebe«.

Eine Partnerschaft in tief empfundener Liebe entspringt nicht dem Grundsatz von »geben und nehmen– nehmen und geben«. Sie erwächst immer aufs neue aus gemeinsamem, gegenseitigem Beschenken, Freude und Glück empfangendem Leben und Erleben. Wenn beide so empfinden, dann gehen sie ihren Weg wie selbstverständlich, unbeirrt, glücklich und erfüllt.

Wer liebt, hat nicht nur Sex im Kopf.

Aus Achtung und Respekt voreinander sollte immer das ehrliche Wort am Anfang einer jeden Beziehung stehen. Unehrlichkeit verletzt, erzeugt unerfüllbare Erwartungen und nicht heilen wollende Wunden.

Nur die Liebe macht glücklich; sie ist selbstlos und erfüllt sich im erlebten Glück des Partners.

Kapitel 1

Siegt unsere Liebe ein weiteres Mal?

Es ist wieder soweit; wir haben es einmal mehr geschafft – es herrscht erneut Funkstille. Ist es diesmal das endgültige Aus einer tief empfundenen Liebe und hoffnungsvollen Zukunft, das Aus einer Beziehung, die das seltene Glück im letzten Lebensabschnitt verheißt?

Wir sind noch nicht alt, sie 69 Jahre aus Bayern, ich 72 Jahre aus Schleswig-Holstein. Der Kuss ist noch innig und aufwühlend, liebevoll, weil jetzt dankerfüllt. Das unfassbare Glück ist allgegenwärtig, in jedem Blick, jeder Geste, Handreichung, Berührung. Jeder Spaziergang, gemeinsames Einkaufen, die kleinste Aufmerksamkeit hat einen neuen Stellenwert von lebendiger Liebe begleitet.

Nein, es ist nicht aus, das kann und darf nicht sein. Unsere Liebe ist stark; unsere Herzen schlagen im selben Takt.

Dennoch gibt es immer wieder diese Aussetzer. Vernunft im Alter – wo bist du?

Nichtigkeiten, aus Überempfindlichkeit als Kränkung oder Verletzung empfundene Äußerungen führen immer wieder zu wochen- und sogar monatelanger Funkstille. Anrufe werden nicht entgegen genommen, auf sms' nicht reagiert. Diese kontaktfreie Zeit zermürbt, lähmt, quält Seele und Körper: Wie geht es ihr, ist sie gesund, wann werden wir uns endlich wieder in den Armen halten?

Dieses zermürbende Spiel sollte ein Ende haben. Wir wollten uns beweisen, dass wir nicht nur zusammen gehören, sondern auch zusammen leben können.

Eigentlich stand das für uns immer außer Frage. Jetzt wollen wir dieses Wagnis endlich gezielt angehen, ihm einen festen Rahmen geben. Die letzten beiden Monate 2012 sollten uns auf unserem Weg ein überzeugendes Stück voranbringen, den endgültigen Beweis liefern.

Wir wollen nur noch kurzzeitige Trennungen zulassen; das tägliche Miteinander soll uns weiter ermutigen. Wir wollen in unser gemeinsames Leben starten.

Die Gründe für unsere Zerwürfnisse sind schnell aufgezählt. Immer wieder wurden Absprachen nicht eingehalten: da habe ich nicht dran gedacht, für den Tag hatte ich mich schon vor Monaten mit x verabredet, da ist mir letzte Woche etwas dazwischen gekommen, Verabredungen wurden ohne Abgleich mit dem Terminplaner getroffen oder einfach ignoriert. Ein anderer Grund war, dass wir uns nicht aussprachen, wenn Klärungsbedarf bestand, zumindest aus meiner Sicht.

Das führte zuweilen zu unzulässigen, vielleicht auch zu unterstellenden Schlussfolgerungen und Interpretationen.

Das alles dominierende Ereignis aber war für mich und mein daraus resultierendes Verhalten eine wie aus heiterem Himmel erforderliche OP, der ich mich unterziehen musste. Sie warf mich emotional fast aus der Bahn und war überdauernd die Ursache dafür, dass ich nicht immer ausgeglichen und souverän agierte. Ich sah unsere Partnerschaft einer übermächtigen Bedrohung ausgesetzt. Und schließlich hatten wir unsere Beziehung durch längere Trennungen immer wieder unnötigem Stress ausgesetzt.

Alles zusammen führte dann zu zermürbenden Sendepausen, die Sina immer wieder einlegte: Anrufe wurden nicht entgegen genommen, Bitten um Rückruf nicht befolgt. Diese Belastungen sollten ab sofort der Vergangenheit angehören, durch Verlässlichkeit in Absprachen, Reden bei Klärungsbedarf, keine Sendepausen und keine längeren Trennungen, zwei maximal drei Wochen.

Kapitel 2

Sina und Rune

Als ich am Reformationstag nach siebenstündiger Fahrt in Langwasser ankam und meinen Koffer im Flur abstellte, fiel mein Blick auf ein DIN A4-Blatt, das an der Schlafzimmertür klebte:

31. Oktober 2012 – Nürnberger Thesen!

Bis Ende des Jahres keinen Streit, kein Ausflippen!!

Sonst ist es für immer vorbei mit Rune und Sina.

Sina

Die scherzhafte, aber letztlich auf unseren Erfahrungen beruhende Mahnung sollte an unsere Vorgabe erinnern. Am Abend nehmen wir sie in der festen Überzeugung und mit den Worten ab »Wir schaffen es!«

So verlaufen auch die Tage. Wir genießen sie, wir sind wieder zusammen. Brombachsee, Happurger Stausee, Essengehen, auch mit Bekannten, Spaziergänge, Stadtbummel, Einkaufen, Dürerhaus, Museum, Tierpark, Kino, Tischdecken, Aufräumen, Abwaschen, Staubsaugen …

Es fühlte sich alles so selbstverständlich, erfüllt, erfüllend und lebendig an. Wir lebten einmal mehr unseren Traum. Den Traum, der uns fast auf den Tag genau bereits zwei Jahre lang begleitete. »Wir schaffen es!« – Es gab nicht den geringsten Zweifel.

Zwei Tage vor unserem Kurztrip am Samstag nach NRW – Sina wollte eine Freundin zu deren 70-igsten Geburtstag in Gelsenkirchen besuchen und ich Schwager und Schwägerin (Schwester meiner vor fünfeinhalb Jahren verstorbenen Frau Jutta) in Gladbeck – saßen wir in Nürnberg in einem urigen Café, im ersten Stockwerk eines Blumenladens. Es war mehr ein Provisorium, das aus mit klobigen Ledersesseln ausgestatteten Räumen bestand.

Wir fanden an einem kleinen Tisch in der Nähe des Treppenaufganges Platz, wo wir uns dennoch ungestört unterhalten konnten. Der Kaffee war heiß, und die selbst gebackenen Torten ausgesprochen lecker. Beiläufig kam Sina auf meine Heimfahrt zu sprechen und hielt Donnerstag für die richtige Wahl. Das wäre zwei Tage nach unserer Rückkehr aus NRW gewesen.

In meinem Gesicht las Sina Entsetzen und wollte sofort reagieren. Enttäuscht, leicht verunsichert und auch bockig kam ich ihr aber zuvor:

»Nein, am Donnerstag fahre ich nicht, dann am Mittwoch.«

Sina war erschrocken und versuchte zu beruhigen: »Ich will Dich doch nicht loswerden; nein, dann fahr bitte erst am Samstag.«

Wir gaben uns einen Kuss und hatten gleich neuen Gesprächsstoff.

Etwas später stiegen wir die alte Holztreppe hinunter. Ich bezahlte und Sina kaufte im vorweihnachtlich gestalteten Verkaufs- und Ausstellungsraum eine große rote, dicke Kerze und wusste auch, wo ich sie zu Hause bei mir hinstellen sollte. Advent stand vor der Tür.

Am Samstag, Abfahrt 9.00 Uhr, lenkte Sina unseren Wagen in Richtung NRW. Bei der Freundin hatte sie sich für ca. 16 Uhr angemeldet. Im Kofferraum lag ein Gesteck, das wir in der Goldschläger-Stadt Schwabach für die Grabstätte ihrer Eltern in Düsseldorf gekauft hatten.

Nach dem Friedhofsbesuch steckten wir in der Stadt sofort im Stau; wir kamen kaum einen Schritt voran. Das warf den Zeitplan über den Haufen; erst gegen 17.45 Uhr erreichte Sina ihr Ziel.

 

Am Abend erhielt ich noch eine sms mit Gute-Nacht-Wünschen und, wie ich erst am nächsten Morgen über Mailbox erfuhr, hatte Sina mir noch in der Nacht mitgeteilt, dass ihre Verspätung nicht gut aufgenommen worden war. Sie hatte sich offensichtlich einiges anhören müssen; ihre Stimme drückte Niedergeschlagenheit aus.

Es war die richtige Entscheidung, Schwägerin und Schwager zu besuchen. So konnten wir die fernmündlichen Bilder durch persönliche Eindrücke aktualisieren.

Wir erlebten gegenseitig die ungeschminkte Gegenwart mit ihren Einschränkungen und dem Alter gezollten Arrangements. Unser derzeitiges Befinden und die jüngste Vergangenheit nahmen den größten Raum unserer Unterhaltungen ein. Wir brachten uns auf den neuesten Stand, erinnerten uns aber auch an gemeinsame Erlebnisse, in denen Jutta immer dabei war.

Es sind schöne, liebevolle Erinnerungen, die mir den Rückblick heute mit nicht mehr zu großer Wehmut erlauben. Ich kann jetzt mit Freude und Dankbarkeit auf diesen mit nichts vergleichbar schönen, erfüllten Abschnitt meines Lebens zurückschauen.

Der Besuch eröffnete mir aber zugleich einen noch realistischeren Blick auf die Gegenwart. Und auch meine vergleichbar größeren Erwartungen an die Zukunft, an einen ersehnten, erfüllenden neuen Lebensabschnitt waren unübersehbar. Sie bestärkten mich umso mehr, das Wagnis entschlossen anzugehen. Dafür hatte das Schicksal mich zu Sina geführt.

Für Renate und Klaus war der Blick in die Zukunft überschaubar. Ich dagegen darf jetzt wieder auf einen neuen, vielleicht sogar noch einmal aufregenden Lebensabschnitt hoffen. Deshalb war meine optimistische Perspektive für die beiden von Interesse.

Sie wussten, dass es Sina gibt und erfuhren jetzt, dass ich mir ein Leben mit ihr nicht nur vorstellen könnte, sondern sehnlichst wünschte. Dieser Wunsch beherrscht mein Denken und Fühlen, lähmt alle anderen Aktivitäten. Andere Dinge nehme ich erst wahr und kann mich ihnen intensiver widmen, wenn wir nicht für länger getrennt sind.

Am Dienstag stand ich wie abgesprochen um 10.30 h bei einer anderen Freundin vor der Tür; hier hatte Sina übernachtet. Bei einem Kaffee machten wir uns bekannt, bevor wir nach Düsseldorf aufbrachen.

Sina war bei mir – die Welt wieder in Ordnung. Und dennoch waren wir vor Störungen auch diesmal nicht gefeit. Als ich die Handy-Info ansprach, versuchte Sina sie mit einer wenig überzeugenden Bemerkung herunterzuspielen. Die Nachricht war ihr im Nachhinein offensichtlich peinlich; sie versuchte sie auszublenden.

Ich erfuhr also nichts Näheres. Und als ich in einer anderen für uns beide belanglosen Sache einmal nachfragte, reagierte Sina gereizt:

»Das habe ich doch gesagt.«

Einen nachhaltigeren Eindruck hinterließ dagegen ihre Bemerkung:

»Du bist so verändert; sind eure gemeinsamen Erinnerungen an früher der Grund dafür?« Ich war irritiert, stellte richtig, dass das keineswegs der Fall wäre und fügte bekräftigend hinzu, dass ich im Gegenteil nicht verschwiegen hätte, dass ich mir nichts mehr wünschte, als ein Leben mir ihr. Das blieb ohne Erwiderung.

In Düsseldorf, wo Sina auch einige Jahre gelebt hatte, legten wir einen Stopp ein. Wir bummelten über die Kö, schauten in einige Geschäfte und aßen in einem Sina gut bekannten Restaurant zu Mittag. Danach spazierten wir in dem geschäftigen Treiben bis an den Rhein.

In der kurzen Zeit sammelte ich viele neue Eindrücke. Sinas Verhalten und ihre Äußerung bezüglich meines Besuchs in Gladbeck ließen mich aber nicht los.

Hatte dieses Wochenende, aus welchen Gründen auch immer, vielleicht Verunsicherung ausgelöst? Befürchtet Sina wohlmöglich, dass ich mir meiner Liebe zu ihr nicht absolut sicher bin? Sie konnte schon aufgrund meines gelebten Verständnisses von partnerschaftlicher Liebe jeden Zweifel ausschließen.

Zogen also doch wieder dunkle Wolken auf? Wollten wir trotz aller liebevollen Beteuerungen und des unzweifelhaft gleichen Herzenswunsches unseren zielsicheren Weg wieder einmal verlassen? Er lag doch nicht im Dunklen, sondern im strahlenden Sonnenlicht. Waren wir geblendet oder ein weiteres Mal blind? Reagierten wir wieder überempfindlich, ließen wir völlig unbegründete Zweifel zu?

Das durfte uns nicht noch einmal passieren. Unser Traum sollte uns bestärken und beflügeln: zusammen bleiben und in absehbarer Zeit auch zusammen leben. Diesen Wunsch wollten wir behutsam, nichts überstürzend, verwirklichen.

Unserem Zielbild fehlten aber noch die scharfen Konturen. Schuld daran waren sicher die vielen Trennungen. Wir lebten immer noch zu sehr nur den beglückenden Augenblick. Vor allem Sina hielt sich immer sehr bedeckt. Mein Leben kennt sie bis ins Detail. Kenne ich ihres noch zu wenig, um ihre Zurückhaltung zu verstehen? Was muss ich noch wissen?

Sina darf es nicht zulassen, dass ich mir Unverständliches und noch nicht Bekanntes durch Vermutungen ersetze. Das führt zielsicher zu weiteren Irritationen, möglicherweise zu unzulässigen, zerstörerischen Schlüssen.

Das bewährte Unheil blieb ein weiteres Mal nicht aus. Wir beschworen es in den verbleibenden Tagen und in einem späteren Telefonat geradezu herauf.

Zunächst fragte Sina mich, wann ich am Donnerstag fahren wollte. Ich war sprachlos. Dieses Thema hatten wir doch vor Nordrhein-Westfalen (NRW) abschließend geklärt. Und die erneute Einigung auf Samstag beschwichtigte mich nicht wirklich. Zum anderen stand meine Abreise bevor und bis zu unserer gemeinsamen Silvesterfeier waren es noch sechs Wochen. Dazwischen lag mein Geburtstag Anfang Dezember.

Sina löste das Problem auf ihre bewährte Weise:

»Dann kommst Du eben vom 4. bis 11. Dezember zu mir.«

Als wir uns am Samstag verabschiedeten küsste Sina mich liebevoll und lange und sah mich eindringlich mit den Worten an:

»Wir schaffen es!«

Während der Fahrt telefonierten wir zweimal. Die Unstimmigkeiten waren durch Sinas zärtliche Verabschiedung weggewischt und ich fuhr zuversichtlich gen Norden. Ich sagte mir: ›Du bist zu empfindlich, sieh nicht immer alles so ernst, leg schon gar nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Sina ist so, sie meint es nur gut, sie ist ein Schatz, ich liebe sie, und wir werden es schaffen. Wir werden zusammen glücklich alt werden. Nürnberger Thesen – wir sind trotz allem auf dem richtigen Weg!‹

In den darauf folgenden Tagen telefonierten wir regelmäßig, erzählten was wir erlebt, was uns berührt und bewegt hatte und freuten uns auf das Wiedersehen – bis ein Telefonat alles wieder zunichte machte.

Sina begründete nachvollziehbar weshalb mein Besuch zu dem abgesprochenen Termin geplatzt war. Sie nannte einen neuen. Zur festen Absprache kam es aber nicht, weil weitere Unstimmigkeiten das Gespräch ergänzten. Die Fortsetzung war nicht neu.

Anrufe nahm Sina nicht entgegen, und Bitten um Rückruf kam sie nicht nach. Was sie wieder einmal verärgert hatte, konnte ich nicht nachvollziehen. Es gab aus meiner Sicht keinen triftigen Grund. Ich konnte nur mit einer Bemerkung in ein mir unbekanntes Wespennest gestochen haben.

Maßlos enttäuscht war ich dann darüber, dass sie mir nicht persönlich zum Geburtstag gratulierte. Mit einer sms am frühen Morgen: ›Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Sina‹ und einer ebenso dürftigen Karte am nächsten Tag ließ sie es bewenden.

Wir schaukelten das Unheil erneut hoch Es kam wieder alles zusammen: Terminabsprache, lange Trennung, Funkstille und welche Äußerung in dem Telefonat auch immer, führten zu zwei E-Mails, eine von mir und eine von Sina.

Ich versuchte die Wogen zu glätten; Sina hatte wieder das vorschnelle Aus zur Hand. Ich maß Sinas trotziger Reaktion dennoch keine zu große Bedeutung bei, weil es nicht ihre erste Bekundung dieser Art war. Immer hatten wir wieder zueinander gefunden nach Wochen oder auch erst nach Monaten. Dennoch musste ich meiner Verärgerung mit wenigen Zeilen Luft machen.

Ich schrieb eine Briefkarte. Sie war mit Wünschen für das Weihnachtsfest und Gesundheit in 2013 ebenfalls auf Endgültigkeit abgefasst, aber in dem festen Vertrauen, dass diese Endgültigkeit nie eintreten wird.

Die Karte hatte verheerende Wirkung. Wir sprachen weiterhin kein Wort miteinander, unternahmen keine neuen Versuche.

Weihnachten überstand ich wieder einmal in einem Stimmungstief und Silvester saß ich allein zu Hause. Meine Gedanken waren seit unserem letzten Telefonat nur bei Sina. Ich wachte mit ihr auf und schlief nach immer wieder längeren Wachphasen dann endlich mit ihr ein.

Vor zwei Jahren hatte ich eine Urlaubskasse für uns beide angelegt. Weil ich sie ohne Sina nicht eingerichtet hätte, stand ihr, sollten wir uns trennen, aus meiner Sicht ein Anteil zu. Diese meine Einstellung war ihr bekannt.

Ich wünschte Sina am Neujahrstag per sms Gesundheit und alles Glück dieser Welt. Und eine Überweisung sollte dann mein (nicht wirklich) letztes Lebenszeichen sein.

Ich hoffte auf eine Reaktion, einen Anruf, ein simples Danke per Handy oder eine Rücküberweisung. Das Handy öffnete ich täglich mehrmals, zog häufiger als gewöhnlich einen Kontoauszug und einen Anruf erhielt ich auch nicht. Vielleicht wollte Sina abwarten wie ich mich zu ihrem Geburtstag Ende Januar verhielt und dann reagieren.

Ich meldete mich nicht, sie sich auch nicht.

Es hatte immer ein Weiter gegeben. Unsere Liebe lässt nicht los. Das haben wir beide jetzt über zwei Jahre mehrmals erfahren. Die Gedanken kennen nur eine Adresse, das Herz schlägt nur für diese Person. Es ist überglücklich oder es schmerzt und wartet sehnsüchtig darauf, endlich wieder gehört zu werden.

Kapitel 3

Ein verzweifelter Rückblick erhält die Hoffnung.

Schon bei früheren Zerwürfnissen hatten wir das Aus erklärt, den Schlussstrich gezogen, Funkstille walten lassen. Dieses geschah immer unvermittelt, nie gab es ein Gespräch.

Ich erklärte Sina, dass für mich ein Abschied ohne Aussprache undenkbar sei. Wer wirklich liebt, der trennt sich nicht, und wenn doch, dann geht er ehrlich. Sina aber lehnte das ab, sie bräuchte kein Gespräch.

Heute geben mir ihre sms' die Erklärung. Auch Sina wollte unsere Beziehung nie beenden. Die Unterbrechungen sollten mich wachrütteln, zur Besinnung und Vernunft bringen. Die wiederholten Versöhnungen allein zeigen, dass auch Sina immer fest an uns geglaubt hat.

Es geschah aber nichts! Wie sollte ich damit leben? Deshalb fasste ich den Entschluss, die Geschichte von »Sina und Rune« aufzuarbeiten. Das sollte mir helfen endlich zu verstehen, vielleicht auch meine Sehnsucht zu mildern, gewiss aber, mir neue Hoffnung geben.

Ich begann damit, Sinas sms' zu lesen – immer wieder – und schrieb sie schließlich ab:

Sinas sms’:

– Ich wünsche dir eine gute heimfahrt ich glaube der tag hat uns beiden gut getan g lb gr– Schlaf ruhig mach dir keinen kopf war kurz bei meiner tochter calzium bringen es schüttet draußen wir hatten glück mit dem schönen wetter g lb gr– Gruß (u. Bild: Sina mit Rolator)– Wenn du möchtest komm bald– Ich sitze schon im zug ankunft 15.56 ich freue mich.– Es waren sehr sehr schöne stunden mit dir denk an den stern wenn du ihn heute abend am himmel siehst der bin ich der ganz helle strahl!!!– Guten morgen, die sonne strahlt das bergpanorama von ritas wohnung ist toll einen schönen sonntag 1 küsschen– Mir geht es wie dir ich habe sehnsucht deine küsse dein streicheln deine nähe und noch viel mehr!!!– Du kannst mich abends ab 19 uhr sommerzeit anrufen – 0027125855428 bis 21.00 sind wir auf g lb k i lb d– Was ist mit uns beiden geschehen?– 6 min haben alles geändert ein tolles gefühl einen menschen so zu vermissen u zu lieben schöne reise u viel spaß beim golfen– Habe doch ein bisschen geduld ungeduld u eifersucht ist nicht so gut vor 6 wochen war noch alles anders bei uns i lb d mein Igel– Die zeit vergeht so schnell bis wir uns in den armen liegen u uns spüren deinen herzschlag höre deine lippen spüre– Sitze auf der terrasse 28 g wie ist deine vollständige tel ich versuche dich dann zu erreichen genieße alles ich denk an dich i lb d– Guten morgen mein lieber schatz meine tage sind leider bald vorbei bist du gesund? Mache mir sorgen ich liebe dich– 00271258555428 ab 17.00 machen wir happy hour auf der terrasse lange durchklingeln mein schatz i lb d s s– Ich war glücklich deine stimme zu hören unsere liebe soll dich nicht leiden lassen glücklich sein auch in unserem alter!! Ich liebe dich ist es nicht schön?– Ich wünsche dir einen schönen 1. advent lass dich umarmen i lb d– Sitze in amsterdam habe noch 3 std bis zum abflug via heimat danke für die liebe sms flug 12 std war ok i lb d– Schatz was ist los mit dir warum zweifelst du plötzlich an mir ich liebe dich so was ist über dich gekommen– Mache dir keine sorgen WIR schaffen es gemeinsam vertraue mir und unserer liebe es ist ein guter prüfstein nicht der sex ist wichtig sondern unsere hautnähe– Was machst du mein schatz rufe erika an wenn ich morgen vormittag arbeite könnt ihr euch doch treffen evt auf dem golfplatz i lb d– Mein schatz denke daran i lb DICH sei nicht traurig denke an gestern nacht es war so herrlich bussy– Rune es ist ein schönes gefühl zu wissen da ist ein lieber mann der einen über alles liebt– Frohe weihnacht mein schatz (mit Bild: Kerze auf Tannengrün)– Alles liebe mein schatz (mit Weihn.-baumbild)– Guten morgen mein schatz geht es dir etwas besser? Ich freue mich dich nachher in die arme zu nehmen– Mein lieber schatz ich liebe dich wahnsinnig nichts kann uns trennen denke an unsere letzten tage wir beide waren wie zwei ertrinkende dein kleines mädchen ich klammerte mich an dich es war so herrlich ein spatz unter den flügeln des adlers– Rune unsere liebe ist so unendlich rein und schön bitte was muß ich dir noch sagen daß du es endlich glaubst i lb d mein schatz– Denke immer ich liebe dich du bist nicht allein dein spatz– Ich denke nur noch an dich ich liebe dich die blumen sollen dich anlachen dein kleiner spatz Guten morgen mein schatz ich umarme dich 1000 heiße küsse i lb d– Danke für das blumenbild ich habe sehnsucht nach dir ich möchte in deinen armen liegen– Gott sei dank es geht aufwärts für uns man muß nur vertrauen haben i lb d– Du bist mein erster und letzter gedanke mein schatz– Fahre langsam ich brauche dich mein schatz mache dir nicht so große sorgen schone deine nerven das hilft auch zur genesung ich liebe dich habe vertrauen mein großer adler ich brauche deine flügel– Ich habe sehnsucht endlich in deinen armen zu liegen– Bin mit 15 min verspätung in kassel mein schatz es war ein wunder – schönes wochenende– Wir sollten nicht immer nur probleme besprechen man dreht sich nur im kreis bitte laß doch die tel so sein wie früher ich liebe dich doch auch und weiß es wie du mich brauchst danke für die 2 sms mein schatz– Bitte komm nächste …– Mein körper schmerzt meine seele weint so habe ich nicht mir die liebe vorgestellt die leere die qual ich bin wie tot sogar die augen sind ohne tränen!!!– Kaufe die maxi cd von der gruppe unheilig ich bin geboren um zu leben das war mein motto aber aber!!!– Bin auf dem weg nach tönning willst du überhaupt noch kommen reißt es nicht nur wieder wunden auf?– Bin auf dem weg nach münchen komme auf den marienplatz dort sitze ich mit meinem neuen liebhaber– Ich war abends nie daheim immer auf der flucht ich weiß nicht welchen rat du benötigst ergreife die frau die dich da anhimmelt ich werde meinen weg u ruhe irgendwann wieder finden oder alleine bleiben vielleicht soll das mein Weg sein unter deiner flagge!!!– Ich habe deinen lieben brief gelesen u frage mich warum kommt jetzt die einsicht nach dem so viele scherben liegen?– Bitte begreife es ich brauche keine aussprache bleibe in mildstedt u werde dort glücklich lebe wohl– Die briefe werde ich als eine schöne erinnerung von okt bis jan 2011 behalten sie sind für mich sehr wertvoll Sina– Ich antworte jetzt zum letzten mal laß mich in ruhe ich will dich nicht mehr sehen du bist ein …!!!– Danke für die maxi cd ich hatte damals die cd große freiheit gekauft meinst du ich habe die lieder nie gehört sie machen mich jedesmal sehr nachdenklich nach deinem langen brief war ich so fertig und hatte danach einen kleinen unfall ich hoffe dir geht es gut– Meine tränen tropfen immer wieder in den kaffee wer bin ich was habe ich gemacht bin ich es wert deine liebe zu bekommen dich so allein zu lassen? die letzte kaum geschlafene nacht hat mich schmerzen spüren lassen mein herz hat so schnell geschlagen daß ich kaum noch luft bekam was wollte meine seele mir sagen??– Einer großen enttäuschung!!– Fahr bereits am donnerstag von sylt nach HH zur konfirmation– Ich habe besuch ich rufe morgen früh an– Es ist so traurig daß zwei menschen die sich so geliebt haben so miteinander umgehen u einen so verletzen nicht kinder machen so etwas schöne feiertage– Rufe mich morgen an ansonsten genieße deinen urlaub– Es bleibt bei donnerstag kann vorher nicht du kannst dich ja um ein hotel in bad kissingen kümmern– Die reise hat sich erledigt habe das wochenende mit meinem früheren freund verlebt rufe mich nicht mehr an es hat keinen sinn!– Verzeihung ich habe den größten fehler meines lebens gemacht und dir sehr weh getan– Ja mein herz schlägt noch als du mir die sms schicktest fuhr ich zum frühstück zu erika da sie erst in 4 wochen wieder hier ist rufe morgen abend an– Meine 2 golfdamen kommen gleich sonst morgen– Habe dich überall zu erreichen versucht melde mich im laufe des tages laß doch deinhandy offen damit ich dich erreichen kann bussy– Den wird es nicht mehr geben ich will nicht mehr die telefonate sind zeigen wir sind zu verschieden ich bin anschließend krank es ist ein endgültiger schlußstrich begreife es endlich viel glück mit einer neuen partnerin– Es war kein schönes gespräch verzeih ich freue mich auf dich bussy– Ich hoffe du hast dein auto wieder i lb d bussy hier ist man völlig abgeschieden– Es ist ein traumhaftes wetter bussy danke für die sms– Ich denke an dich bussy– Ich denke nicht an deine letzten häßlichen worte wir drehen keinen film also keine regie schöne golftage ich denke an dich bussy– Ich wünsche eine staufreie fahrt ich freue mich– Geht das theater schon wieder los warum bist du so dann fahre in den golfurlaub bist du da nicht allein??– Nein dein benehmen ist wiederlich– Bleibe bitte da es gibt kein zurück übe keinen druck aus deinen charakter kannst du nicht ändern keine sms mehr ich will meine ruhe wiederfinden– Wie oft soll ich verzeihen es wird sich nichts bei dir ändern laß uns freunde bleiben damit du frei bist für eine partnerin du hast chancen mache nicht die fehler wie bei mir– Fahre in den urlaub mit der person die schon in deinem blickfeld ist damit du mich vergißt aber nicht unsere stunden bin am strand– Ja mein schatz einen ganz dicken sei nicht immer grantig i lb d– Ich wollte dir nur gute nacht sagen das wetter macht einen happy laß dich drücken bussy– Ich komme erst ca 13.30 techniker da haben einen neuen server bekommen– Ich hoffe du bist gut angekommen gute nacht bussy– Holst du mich morgen gegen 10.30 bitte ab bussy– Herzlichen glückwunsch zum geburtstag sina

 

Diese Worte rufen jedes Detail unserer unglaublich schönen Zeit wieder wach und sagen unmissverständlich: Unsere Liebe ist so stark, sie wird uns immer wieder zusammenführen.

Ich war einmal mehr so aufgewühlt, dass ich diesen Brief Ende Januar schreiben musste. Das war das mindeste was Sina erfahren sollte:

Liebe Sina,

ich habe alle Deine sms` noch einmal gelesen und bin entsetzt und beschämt darüber, dass mein Herz so blind war. Du hast ein Anrecht darauf, dieses von mir zu erfahren, und: es tut mir unendlich leid. Ich werde mir nie verzeihen, was ich Dir zugemutet habe; vielleicht kannst Du es irgendwann?

Danke für die Liebe, die Du mir trotz allem immer geschenkt hast und für den hellen Stern. Ich werde Dich immer lieben!

Bleib gesund!

Dein Rune

Sina war es, die ihre Liebe immer aufs Neue unter Beweis stellte. Ich dagegen war nur blind, sogar mit dem Herzen. Die sms' haben mich gerüttelt, haben mich fest bei den Schultern gepackt und unaufhörlich geschüttelt und aufgewühlt.

Sina hat für unsere Liebe alles getan, unbeirrt für mich mitgekämpft. Sie machte die schwere Phase, die ich durchstehen musste, auch zu ihrer, zu unserer gemeinsamen. Sie schaute positiv voraus auf unser gemeinsames Ziel. Sie lebte die Überzeugung, dass es sich lohnt, für unseren Traum zu kämpfen.

Ich hoffe und bete dafür, dass es nicht zu spät ist.

Ich bin wie gelähmt, antriebsarm und habe nur einen Gedanken. Ich kann keiner Ablenkung wie Golfen, Einladungen, Besuche bei Freunden etwas abgewinnen, geschweige sie genießen.