Hand in Hand

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Patty Wipfler & Tosha Schore

Hand in Hand

Patty Wipfler & Tosha Schore

Hand in Hand

Fünf einfache Strategien durch

die Höhen und Tiefen des Elternseins

Aus dem amerikanischen Englisch von Annette Seifert


© 2016 Hand in Hand Parenting, Patty Wipfler und Tosha Schore M.A.

© 2017 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH, Freiburg by arrangement with Hand in Hand Parenting

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel:

Listen: Five Simple Tools to Meet Your Everyday Parenting Challenges

Alle Rechte vorbehalten

E-Book 2018

Lektorat: Richard Reschika

Hergestellt von mediengenossen.de

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

www.arbor-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-86781-234-4

Wichtiger Hinweis

Die Ratschläge zur Selbstbehandlung in diesem Buch sind von den Autorinnen sowie dem Verlag sorgfältig geprüft worden. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Bei ernsthafteren oder länger anhaltenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt, Psychotherapeuten, Psychologen oder Heilpraktiker Ihres Vertrauens zu Rate ziehen. Eine Haftung der Autorinnen oder des Verlages für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Inhalt

Vorwort von Patty

Vorwort von Tosha

Einführung

TEIL I Das Leben mit Kindern aus neuer Perspektive

Kapitel 1 Kinder ins Leben zu begleiten ist eine unverzichtbare, aber schwierige Aufgabe

Kapitel 2 Verbundenheit ist der Schlüssel

TEIL II Wirksame Strategien für das Leben mit Kindern

Einführung

Kapitel 3 Wunschzeit

Kapitel 4 Bleib-Ganz-Ohr

Kapitel 5 Grenzen-Setzen

Kapitel 6 Ganz-Ohr-Spiel

Kapitel 7 Gegenseitiges einfühlsames Zuhören

Kapitel 8 Emotionale Projekte

TEIL III Strategien für tägliche Herausforderungen

Einführung

Kapitel 9 Kooperation aufbauen

Morgenritual

Mahlzeiten

Teilen, Abwarten und Gerechtigkeit

Hausaufgaben

Hausarbeiten

Bildschirme und Geräte

Kapitel 10 Trennungssituationen erleichtern

Abschiede

Schlafengehen

Schule und Tagesbetreuung

Wenn Ihr Kind einen Elternteil ablehnt

Umgang mit schwierigem Wiedersehen

Kapitel 11 Ängste auflösen

Nägelkauen und Daumenlutschen

Ängste vor den Unterschieden zwischen Menschen

Leistungsangst

Angst vor Ärzten und Medizin

Angst nach einem Unfall

Kapitel 12 Aggressionen überwinden

Hauen und Beißen

Wenn Geschwister einander wehtun

Aussagekräftige Entschuldigungen

Schlimme Wörter von guten Kindern

TEIL IV Unsere Zukunft – miteinander verbunden

Kapitel 13 Verbindung schaffen, wenn Sie nicht mehr weiterwissen

Kapitel 14 Unterstützung für Ihre Arbeit als Eltern aufbauen

Kapitel 15 Unsere Zukunft – miteinander verbunden

Danksagungen

Über die Autorinnen

Literaturhinweise

Vorwort von Patty

Wie Kinder ticken, wusste ich schon mit dreizehn Jahren. Als Älteste von sechs hatte ich schon jahrelang jüngere Geschwister sowie die Kinder von Verwandten und Nachbarn betreut. Und wenn in der Schule die Mittagspause bei Regen drinnen stattfand, schickten mich die Nonnen in die Klasse mit den meisten Raufbolden. Ich konnte nämlich alle zweiundfünfzig Schüler zur Räson bringen.

Als Jugendliche und während der Collegezeit arbeitete ich jeden Sommer mit Kindern. Dann heiratete ich im Alter von einundzwanzig, und weil ich mich noch immer zu Kindern hingezogen fühlte, wurde ich Lehrerin. Deshalb zweifelte ich während meiner ersten Schwangerschaft nicht an meinen zukünftigen mütterlichen Fähigkeiten. Ich war ja ein alter Hase. Und motiviert.

Doch kurz nach der Geburt meines zweiten Sohnes änderte sich etwas. Ich reagierte gereizt und verlor zunehmend die Beherrschung. Eines Tages stürzte ich mich auf meinen Zweijährigen, als er dem Baby wehtun wollte. Dabei hätte ich ihn um ein Haar vor rasender Wut gegen die Wand geknallt. Ich sah die Angst in seinen Augen und war entsetzt, wozu ich anscheinend fähig war.

Eine Mutter, zwei Wirklichkeiten. Ich war eine gute Mutter - außer ich war es eben nicht. Zwar fiel mir die Aufgabe von Natur aus leicht, aber manchmal verlor ich die Kontrolle. Bereits in jungen Jahren hatte ich mir geschworen, Kinder niemals grob zu behandeln. Und bis zu meinem zweiten Kind hatte das auch geklappt. Was war mit mir los? Wie konnte ich mir helfen? Und meinen Kindern? Ich sprach mit niemandem darüber.

Auf einem Samstagsspaziergang im Jahre 1973 wollte meine Bekannte Jennie Cushnie etwas über das Muttersein wissen. Da brach ich in Tränen aus und gestand ihr, dass mir meine eigenen Reaktionen Angst eingejagt hätten. Ich erzählte auch von meinem groben und jähzornigen Vater, der während unserer Kindheit ständig unter schrecklichem Druck gestanden hatte. Und ich schlug ihm nun offenbar nach! Völlig enthemmt schluchzte ich vor dieser beinah fremden Person. Sie hörte mir einfach wohlwollend zu. Nachdem ich die Fassung wiedererlangt hatte, entschuldigte ich mich, doch sie reagierte gelassen und versicherte, dass sie mir gern zugehört hatte.

An diesem Nachmittag erlebte ich beim Spielen mit meinen Kindern Geduld und Freude. Ich fühlte mich sogar körperlich befreiter und freute mich wieder an meiner Elternrolle. Noch Wochen später blieben die Wutanfälle aus. Was die Bekannte auch immer getan hatte, das war genau das Richtige für mich!

Jennie erzählte mir von Kursen, in denen die Teilnehmer abwechselnd ihre Hoffnungen und Sorgen erzählten und einander zuhörten. In dem Maß, wie das gegenseitige Vertrauen wuchs, lachten und weinten sie immer öfter miteinander. Gerade das Freisetzen von Gefühlen galt als besonders hilfreich. Das erklärte, weshalb mir die Viertelstunde Weinen so gut getan hatte und weshalb ich gerade vor Jennie geweint hatte. Irgendwie hatte ich wohl gespürt, dass sie im Zuhören geübt war. Dieses Zuhören hatte mir geholfen, wieder geduldiger mit meinen Kindern umzugehen, und genau danach hatte ich mich gesehnt. Ich schloss mich also dem Kurs an.

Mein erster Partner bei diesem einfühlsamen gegenseitigen Zuhören war ein etwas melancholischer Ingenieur gleichen Alters, den gerade seine Frau verlassen hatte. Sie hatte ihn mit der gemeinsamen halbjährigen Tochter, ein Baby mit Down-Syndrom, zurückgelassen. Ihm fehlte Erfahrung mit Säuglingen. Auch hatte er wenige Freunde, eine anstrengende Arbeit und keinerlei Unterstützung. Wir hörten uns pro Woche gegenseitig jeweils eine Stunde zu, und das zwölf Jahre lang. Daraufhin wurde mein Familienleben sehr schnell herzlicher und entspannter. Mein einfühlsamer Zuhörer profitierte erst allmählich davon, aber dann ebenso greifbar.

Dann erlebte ich etwas Atemberaubendes. Meinem zweijährigen Sohn Jakob wurden wegen einer Bindehautentzündung Augentropfen verschrieben. Deren Verabreichung würde ihm natürlich Angst einjagen.

Ich stellte mir den Versuch vor, meinem zappelnden Kind die Medizin ins Auge zu träufeln, während ich ihm irgendwie mit meinen Knien die Arme festhalten würde. So eine Behandlung dreimal täglich über mehrere Tage und das Vertrauen meines Kindes wäre dahin.

Als unser Baby sein Schläfchen hielt, hatte ich die Idee, Jakob dabei zuzuhören, welche Gefühle diese Prozedur bei ihm auslösen würde. Vielleicht half uns das. Zumindest mir hatte es geholfen, dass man mir einfühlsam zuhörte. Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde. Aber was hatte ich schon zu verlieren?

Also zeigte ich ihm das Medizinfläschchen und erklärte, dass ich ihm etwas von der Flüssigkeit in beide Augen einträufeln müsse. Da warf er sich aufs Bett und weinte heftig. Ich hörte dicht neben ihm aufmerksam zu. Ich sagte, die Tropfen würden die Augen heilen. Er weinte weiter.

 

Bei jedem leichten Nachlassen, setzte ich ihn behutsam auf, zeigte ihm das Fläschchen und sagte: „Ich muss dir das in die Augen träufeln. Das wird dir helfen.“ Und jedes Mal weinte er heftig. Nachdem dieses Hin und Her eine halbe Stunde gedauert hatte, fragte ich, ob ich ihm zeigen sollte, wie man die Flüssigkeit herausdrückte. Er wollte. Ich füllte die Pipette, hielt sie hoch und presste einige Tropfen zurück in die Flasche.

Er schaute zu und warf sich erneut weinend aufs Bett. So ging es weiter: vorführen, weinen, vorführen, weinen.

Dann bat Jakob, die Pipette selbst ausdrücken zu dürfen. Nach einigen Versuchen fragte ich, ob ich ihm jetzt die Medizin einträufeln könnte.

Wieder heulte er, und ich blieb nah bei ihm, hielt Augenkontakt und murmelte, wie leid es mir tat, dass das gerade so schwer war.

Kurz darauf hellte sich seine Miene auf. Er setzte sich und fragte: „Kann ich sie mir selbst reintun?“

Bestimmt wäre mir nie im Leben eingefallen, dass sich ein Zweijähriger selbst Augentropfen verabreicht! Ich antwortete: „Klar, versuch’s mal. Wenn es daneben geht, werde ich dir aber helfen müssen.“ Ich bat ihn, sich hinzulegen und füllte die Pipette. Dann führte ich ihm die Hand an die richtige Stelle über dem Auge. Und ich schaute zu, wie er zwei Tropfen in das offene Auge träufelte. Dasselbe tat er beim anderen Auge, setzte sich auf, grinste mich an und huschte zum Spielen davon.

War ich vielleicht überrascht! An den folgenden Tagen war das Einträufeln der Medizin für ihn so selbstverständlich geworden wie das Anziehen von Socken. Die Angst war weg.

An jenem Tag hatte ich einige wichtige Erkenntnisse gewonnen. Mir wurde klar, dass sehr viel Stress im Leben mit Kindern vermeidbar war.

Ich war bei guten Eltern aufgewachsen, die jedoch unter ungeheurem Stress standen. Welch unsägliche Verletzungen gute Eltern unter Stress anrichten konnten, hatte ich am eigenen Leib erfahren. Eltern benötigen dringend selbst ein Gefühlsventil! Und sie müssen ihre Kinder nicht beherrschen. Kinder können störrisches Verhalten zugunsten von Kooperation aufgeben, wenn nur die Eltern ihnen zuhören. Dann gäbe es in den Familien mehr Herzlichkeit und Nähe, wie es inzwischen bei uns der Fall war. Eltern könnten ihren Kindern vertrauen, notwendige Erwartungen an sie herantragen, zuhören und sich mit ihnen verbinden. Dann würden die Kinder gedeihen.

Ich verstand, dass das Zuhören eine kraftvolle und respektvolle Möglichkeit war, um Liebe auszudrücken. Und am Ende erreichte man damit seine Ziele. Auf diese Art und Weise mit Kindern umzugehen fühlte sich gut an – ein Arbeiten mit den Gefühlen der Kinder, anstatt gegen sie. Jetzt hatte ich meine Lebensaufgabe gefunden.

Seither habe ich die meiste Zeit damit verbracht, meine beiden Söhne ins Leben zu begleiten und mir zu erarbeiten, wie sich Eltern hilfreiche Unterstützung aufbauen können. Ich hatte das Vorrecht, mehr als vier Jahrzehnte mit Tausenden von Eltern und Kindern zu arbeiten und dabei zu erfahren, wie Eltern die unterschiedlichsten Schwierigkeiten ihrer Kinder bewältigen, indem sie sich mit ihnen verbinden und ihren Gefühlen zuhören. Der Erfolg kann sich schnell einstellen, wie damals bei meinem Sohn, oder man muss sich auf einen längeren Prozess einlassen. Jedenfalls bin ich sicher, dass es als Eltern in unserer Macht steht, unsere Kinder bei der Überwindung von allerlei Hürden zu unterstützen. Und indem wir Eltern uns gegenseitig zuhören, können auch wir wachsen.

Nachdem ich wiederholt erlebt hatte, welch große Wohltat das Zuhören für Eltern und Kinder sein kann, wollte ich meine Ideen anderen Eltern verfügbar machen. Also gründete ich 1989 mit Hilfe von Freunden und weiteren Fürsprechern das heutige „Hand in Hand Parenting“ – eine von Eltern geleitete, gemeinnützige Organisation. Solange wir die Arbeit in unseren eigenen praktischen Erfahrungen verankerten, wuchs sie langsam. Heute aber unterstützen wir Eltern in großem Stil.

Tosha Schore stieß 2005 zu einer meiner fortlaufenden Elterngruppen. Mit dem „Hand in Hand Parenting“ hatte sie meisterhaft viele familiären Herausforderungen bewältigt, darunter Krankheit, Trauma und Schulschwierigkeiten. Inzwischen Mutter von drei Söhnen, ist sie Ausbilderin bei „Hand in Hand“ und arbeitet international als Elternberaterin, Fürsprecherin für Jungen und Bloggerin.

Ich mag ihren Sinn fürs Wesentliche, ihren Sachverstand, Mut und die Fähigkeit, in ihrer Arbeit guten Beziehungen weiterhin Priorität zu verleihen. Mir war Toshas Stimme in diesem Projekt wichtig.

„Hand in Hand“ beruht auf all unseren Lernerfahrungen. Wir sind stolz darauf, dass wir Sie an unserer Erfahrung teilhaben lassen können, sowie an den Geschichten von über siebzig Eltern aus fünf Kontinenten. „Hand in Hand“ ist ein auf „Hand in Hand“ basierendes Gemeinschaftswerk, das Ihnen hervorragende Strategien vermittelt, damit Ihre Liebe zu Ihren Kindern auch wirklich durchdringt. Ich hoffe, Sie werden davon profitieren.

Patty Wipfler

Gründerin und Programmleiterin von „Hand in Hand Parenting“

Vorwort von Tosha

Bei meiner Geburt hieß ich Heather Megan Schore – benannt nach dem schönen lila Heidekraut, das die Hügel in meiner Heimat bedeckte. An meine frühe Kindheit habe ich verklärte Erinnerungen: Schaukeln, Beerenpflücken, in einem Beanbag [ein Sitzsack] gemütlich am Feuer sitzen und zum Schutz des paradiesischen Gemüsegartens den gefräßigen Schnecken mit Salz zu Leibe rücken.

Ich war gerade fünf Jahre alt, da ließen sich meine Eltern scheiden und mein geliebtes Zuhause wurde verkauft. Mein Vater verließ den Staat und meine Mutter und ich zogen weit, weit fort von all meinen Freunden.

Daraufhin wurde ich ein sehr zorniges Mädchen. Meinen Vater „hasste“ ich, auf meine Mutter war ich wütend, mich selbst nannte ich Tosha, wechselte während der Kindergartenzeit dreimal die Einrichtung und verbrachte mein erstes Schuljahr vornehmlich im Direktorat.

Zum Glück hatte ich eine Mutter, die immer meine guten Seiten im Blick behielt. Sie stand auch dann zu mir, wenn ich um mich trat, brüllte und in der Schule Ärger bekam. Weil Sie sich gut um ihr eigenes Gefühlsleben kümmerte, konnte sie meinen Wutanfällen zuhören, ohne diese persönlich zu nehmen oder die Fassung zu verlieren. Mama war mein starker Fels.

Heute bin ich die Mama. Ich bin verheiratet und habe selbst drei Söhne, von denen mich jeder auf seine Weise herausfordert. Die Entscheidung zur Elternschaft war bisher zweifellos meine beste. Ich bin gern Mama, aber es ist nicht immer leicht.

Als mein zweiter Sohn geboren wurde, reagierte ich auf alltägliche Herausforderungen zunehmend barscher als beabsichtigt, was mich belastete. Ich brauchte wirklich Hilfe. Was konnte ich tun, wenn mein Zweijähriger nachts plötzlich wieder alle zwei Stunden gestillt werden wollte, ich aber in aller Frühe zur Arbeit musste? Wie konnte ich Grenzen setzen, ohne dabei zu brüllen? Ich wollte doch die Zeit mit meinen Kindern so sehr genießen, denn sie würden ja schneller, als mir lieb war, erwachsen sein.

Da schlug meine Mutter vor: „Ruf Patty Wipfler an. Sie kommt hier aus der Gegend und erreicht mit ihrer Familienarbeit Erstaunliches.“ Also tat ich wie geheißen.

Eine Woche später nahm ich das erste Mal an Pattys zweistündiger Elterngruppe teil und merkte, dass ich genau das brauchte. Wir waren eine kleine Gruppe, stahlen uns aus unserem geschäftigen Leben als Mütter, Lebenspartner und Erwerbstätige davon und gönnten uns zwei Stunden verbindenden Austausch. In dieser Gruppe erlebten wir unbedingte Liebe und Annahme. Dort wurde uns ein geschützter Raum angeboten, in dem wir weinen und vor Wut zittern durften. Sei es wegen unserer Kinder oder der Ungerechtigkeiten, denen wir als Eltern gegenüberstanden. Und wir teilten miteinander auch die Freude über Erfolge, da feuerte uns die ganze Gruppe an. Nie wurden wir beurteilt.

Seit diesem ersten Treffen ist ein ganzes Jahrzehnt vergangen. Meine Kinder sind weiterhin Kunstwerke in Arbeit. Inzwischen sind sie neun, elf und dreizehn Jahre alt. Ich stecke noch mittendrin in den täglichen Herausforderungen und verwende täglich die Zuhörstrategien aus diesem Buch. Wenn es hart auf hart kommt – und wie es das tut –, dann weiß sogar mein Teenie, dass ich für ihn da bin. Und wenn nötig, holt er sich bei mir tatsächlich Hilfe.

Mir graut bei der Vorstellung, was aus meiner Familie ohne die regelmäßigen Treffen mit meinen einfühlsamen Zuhörern geworden wäre, die mich dazu ermutigten, dem Weinen und Wutausbrüchen meiner Jungs zuzuhören, mich eng mit ihnen zu verbinden, Grenzen konsequent und liebevoll zu setzen und mit meinen Söhnen herumzutoben.

Die „Hand in Hand“-Strategien waren für mich richtungsweisend und haben meinen Erziehungsstil in einer Weise geprägt, dass ich darauf ziemlich stolz bin. Bin ich die perfekte Mama? Weit gefehlt. Sind meine Kinder Einserschüler, die unaufgefordert das Geschirr abspülen und nie pampige Antworten geben? Ganz bestimmt nicht. Aber sie geben sich Mühe und wissen, dass ich nicht zulassen werde, dass sie sich wegen irgendwelcher Ängste von ihren Träumen abhalten lassen. Sie können natürlich das Geschirr spülen (und Wäsche waschen). Sie merken es, wenn sie Grenzen überschritten haben, und entschuldigen sich, wenn sie so weit sind. Aber am wichtigsten ist, dass sie sich bedingungslos geliebt wissen. Und wenn ich sie abends mit einem Gute-Nacht-Kuss ins Bett schicke, dann weiß ich, dass ich mein Bestes gegeben habe - und sie ebenso.

Ich hoffe, auch Ihnen hilft dieses Buch, Ihren eigenen Wert zu spüren, Ihr Selbstvertrauen zu steigern und die Veränderung zu erreichen, die Sie sich für Ihre Familie ersehnen.

Tosha Schore

Zertifizierte Ausbilderin bei „Hand in Hand Parenting“

Gründerin von „Your Partner In Parenting“

Einführung

Wenn zwischen uns und unseren Kindern die Liebe fließt, dann führen wir ein sinnerfülltes Leben. Und unsere Kinder gedeihen in dieser zufriedenen Atmosphäre. Wir haben dann genügend Energie, um dafür zu sorgen, dass ihr Leben gelingt. Wir schlafen dann (naja, manchmal schlafen wir) sorgenfrei.

Doch auch jedes viel geliebte Kind spielt manchmal verrückt und einige Kinder scheinen bereits von Geburt an unzufrieden. Wenn uns der Alltag schwerfällt, fragen wir unter den Eltern im Bekanntenkreis nach oder experimentieren mit uns vertrauten Erziehungsmethoden. Doch oft überlisten uns die Kinder oder sitzen am längeren Hebel. Sie machen uns weiterhin verrückt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die elterlichen Strategien für Kinder unterschiedlichen Alters und in verschiedensten Situationen anwendbar sein müssen, angefangen von der Panik eines Kleinkinds, das die Mutter in der Dusche verschwinden sieht, bis zur Weigerung eines Zwölfjährigen, um zehn Uhr abends schlafen zu gehen. Dann gibt es Zank unter Geschwistern, Hausaufgabenstress und nächtliche Ängste, oder Tobsuchtsanfälle am Esstisch, wenn sich die Erbsen und Kartoffeln auf dem Teller berühren. Also bedarf es Strategien, mit denen man ein weites Verhaltensspektrum abdecken kann, und das achtzehn Entwicklungsjahre lang!

Wenn unsere Kinder Grenzen übertreten, verwenden die meisten Eltern auf Belohnung und Strafe basierende Strategien. Aber Drohungen, Time-out, eine kleine Belohnung für das rechtzeitige Erledigen einer Aufgabe, führt das denn zu dauerhaften Veränderungen? Unser Stresspegel steigt, und wenn wir unserem Kind heute etwas androhen, dann merken die meisten, dass Time-out heute zu Time-out morgen führt und dass die Belohnungen regelmäßig erhöht werden müssen. Reicht in diesem Jahr noch eine kleine Tüte Gummibärchen, wird sich das bis zur fünften Klasse gehörig steigern. Außerdem lässt sich spätestens Ihr fünfzehnjähriger Teenager von keiner dieser Strategien mehr beeindrucken.

Beim Einsatz von Belohnung und Strafe liegt der Fokus auf einem Tauschgeschäft: So lernt Ihr Kind, sich durch bestimmtes Verhalten Liebe und materielle Belohnungen zu erkaufen. Es lernt auch, dass Ihre Liebe nicht bedingungslos ist. Wenn sich Ihr Kind danebenbenimmt, werden auch Sie sich nicht liebevoll verhalten. Anstatt allmählich besseres Urteilsvermögen zu entwickeln, muss es sich darauf konzentrieren, was Sie ihm für sein Fehlverhalten abverlangen und was es durch Kooperation verdienen kann.

Das kann dem Leben mit Kindern jegliche Wärme rauben und zu einem endlosen Machtkampf auf niedrigstem Niveau führen. Das können wir besser!

Mit Hilfe der „Hand in Hand-Parenting“-Strategien können Sie das Verhalten Ihres Kindes umkrempeln. Sie lernen, wie Sie es dabei unterstützen, sein eifriges, hilfsbereites und liebevolles Wesen zurückzuerlangen. Die Ideen eignen sich für jede Altersstufe. Ihre Anwendung werden Sie beim Lesen der Erfahrungsberichte von Eltern aus fünf Kontinenten und vielen verschiedenen Kulturen lernen. Darunter sind Eltern mit einem oder bis zu acht Kindern. Sie sind Singles und Paare, Väter und Mütter, Homo- und Heterosexuelle. Afrikanische, Latino- und asiatische Eltern lassen uns an ihren Erfahrungen teilhaben, ebenso Adoptiveltern und Eltern, deren Kinder besondere Bedürfnisse haben. Sie lesen Berichte von Immigranten, Eltern, die unter materiell sehr ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen, Eltern, die aus dem Teufelskreis von häuslichen Misshandlungen ausbrechen und viele andere mehr. Sie werden von ihren Erkenntnissen, ihrer Fürsorge und ihrem Humor inspiriert werden.

 

Der auf diesen Seiten beschriebene Ansatz basiert auf vierzig Jahren Arbeit mit Kindern und Familien aus der ganzen Welt und ist durch den neuesten Stand der Wissenschaft bestätigt. „Hand in Hand-Parenting“ fußt auf der Hauptbeobachtung, dass Eltern und Kinder dann in Bestform sind, wenn sie sich einander nah und verbunden erleben. Die Schwierigkeiten, die Sie auslaugen und das Leben Ihres Kindes erschweren, können gelöst werden, indem Sie sich auf die Verbindung zwischen Ihnen beiden konzentrieren! Und weil es im Leben unglückliche Momente gibt, brauchen sowohl Sie als auch Ihr Kind unbedingt ein Ventil für schwierige Gefühle. Wenn zwischen Ihnen ein starkes Gefühl der Verbundenheit besteht, dann wird Ihr Kind in guten Zeiten aufblühen und sogar in schwierigen Phasen Fortschritte machen.

In diesem Buch lernen Sie konkrete, praktische Strategien kennen, mit deren Hilfe Sie sowohl das Stressniveau Ihres Kindes als auch Ihr eigenes senken. Das Leben mit Kindern ist harte Arbeit. Nun halten Sie ein Hilfsmittel in den Händen, das Ihnen diese Arbeit erleichtert. Endlich!

Zum Gebrauch dieses Buches

Wir haben dieses Buch in dem Wissen verfasst, dass Sie es aus Zeitgründen wahrscheinlich kaum in einem Zug durchlesen können. Wahrscheinlich haben Sie fast nie mehrere aufeinanderfolgende Stunden Zeit. Sollte es zufällig doch möglich sein, dann lesen Sie das Buch zu Ende. Das wird Ihnen ein gründliches Verständnis des „Hand in Hand Parenting“-Ansatzes und seiner Strategien vermitteln, mit denen Sie mehr Humor und Harmonie in Ihr Familienleben bringen. Bei chronischem Zeitmangel erreichen Sie jedoch das gleiche Verständnis und Wissen, indem Sie das Buch in Zehn-Minuten-Häppchen durcharbeiten.

„Hand in Hand“ besteht aus vier Teilen:

1. Das Leben mit Kindern aus neuer Perspektive

2. Wirksame Strategien für das Leben mit Kindern

3. Strategien für tägliche Herausforderungen

4. Unsere Zukunft – Miteinander verbunden

Wir empfehlen, mit Teil I, Das Leben mit Kindern aus neuer Perspektive, zu beginnen. Dieser Abschnitt vermittelt Erkenntnisse darüber, wieso uns Eltern Energie und Geduld fehlen. Sie lernen unsere wirksamen neuen Strategien für ein harmonisches Leben mit Kindern kennen, erfahren, weshalb sie funktionieren, und erhalten einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Veränderungen.

Teil II, Wirksame Strategien für das Leben mit Kindern, ist das Herzstück des „Hand in Hand“-Ansatzes. Die fünf Strategien des Zuhörens werden Ihr Leben und das Ihres Kindes verändern. Diese Strategien helfen Ihnen, im Einklang mit dem Instinkt des Kindes zu arbeiten, damit es störende Spannungen loslassen kann. Und eine der Strategien wurde nur für Sie entwickelt. Dies wird Ihnen bei der Abwehr von Sorgen, Schuldgefühlen, Ärger und der Erschöpfung helfen, die daraus entsteht, dass Sie so schwer arbeiten und sich so intensiv kümmern. Ihre gesamte Familie wird von den Strategien profitieren. Lesen Sie also Teil II möglichst komplett. Und dann experimentieren Sie! Machen Sie sich auf positive Veränderungen gefasst.

Wenn Sie jedoch das Gefühl haben, keine weitere schlaflose Nacht durchstehen zu können, oder Sie ein schwieriges Verhalten, das sich Ihr Kind angewöhnt hat, einfach nicht ertragen, dann schlagen Sie gleich Teil III auf, Strategien für tägliche Herausforderungen. Dort finden Sie unter den Überschriften Kooperation aufbauen, Trennungssituationen erleichtern, Ängste auflösen und Aggressionen überwinden konkret anwendbare Ideen. Wir bieten Ihnen eine einzigartige Perspektive für die Bewältigung jeder dieser Herausforderungen und zeigen anhand der Geschichten anderer Eltern, wie Sie die Zuhörstrategien anwenden können, um sich mit Ihrem Kind zu verbinden und Fortschritte zu machen. Danach können Sie in Teil II, Wirksame Strategien für das Leben mit Kindern, die Besonderheiten der jeweiligen Strategie kennen lernen.

Zu den Kennzeichen des „Hand in Hand“-Ansatzes gehört, dass wir Ihr Leben und Wohlbefinden mindestens ebenso wichtig nehmen wie das Ihres Kindes. In Teil IV schlagen wir Ihnen daher neue Strategien für Ihre schwierigsten Situationen als Eltern vor. Auch skizzieren wir, wie Sie für Ihre wichtige Arbeit als Eltern ein unterstützendes Netzwerk aufbauen. Und Sie bekommen einen kleinen Einblick, wie es heute den jungen Menschen geht, die mit „Hand in Hand-Parenting“ aufgewachsen sind. Wir werfen auch einen Blick in eine Zukunft in Verbundenheit für engagierte Eltern, worauf wir hinarbeiten. Lassen Sie sich von diesen Kapiteln dazu ermutigen, auf andere zuzugehen und sich die Unterstützung zu holen, die Sie verdienen.

Sie haben bereits die richtigen Zutaten: Liebe, Zuwendung und Hingabe, damit Ihr Kind bekommt, was es braucht. Der „Hand in Hand“-Ansatz zeigt Ihnen, wie Sie diese auf neue Weise einsetzen können. Wir wünschen uns, dass Sie als Mutter aufblühen, dass Sie gern Ihre Vaterrolle leben! Ihre Familie soll freudvoll miteinander verbunden leben. Und wir glauben, Ihnen dabei helfen zu können.

Der leserfreundlichen Gestaltung des Buches wegen haben wir es aus der Ich-Perspektive geschrieben. Die Erfahrungsberichte beziehen sich natürlich nur immer auf eine von uns, aber jede Geschichte veranschaulicht den uns beiden wohlvertrauten Ansatz. Wir fühlen uns geehrt, dass Sie uns Ihre Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Wir hoffen, unsere Ideen werden Ihnen zugutekommen und schließlich das Leben mit Kindern verändern.