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Aus der Reihe: Der Weg Der Vampire #1
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AUSGEWÄHLTE STIMMEN ZU DEN BÜCHERN VON MORGAN RICE

„Hat mich von Anfang an gefesselt und es hörte nicht auf … Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer, von Anfang an voller Tempo und Action. Nicht ein Moment Langeweile.“

–-Paranormal Romance Guild {über Turned}

„Ein großartiger Plot und genau diese Art Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende ist ein so spektakulärer Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen will, um herauszufinden, was als nächstes passiert.“

–-The Dallas Examiner{über Loved}

„Ein Buch, das Locker mit Bis(s) zum Morgengrauen und den Vampire Readings mithalten kann. Man will einfach bis zur letzten Seite weiterlesen! Wenn Sie Abenteuer, Liebe und Vampire lieben, ist dieses Buch das Richtige für Sie!“

–-vampirebooksite.com {regarding Turned}

„Eine ideale Story für jüngere Leser. Morgan Rice ist gut darin, einem Buch, was ein typisches Vampirmärchen hätte werden können, einen originellen Twist zu verleihen. Der erfrischende und einzigartige Roman hat die klassischen Elemente übernatürlicher Storys für junge Erwachsene.“

–-The Romance Reviews {regarding Turned}

„Rice ist einfach fantastisch darin, Dich von Anfang an in die Geschichte hineinzuziehen. Seine Beschreibungen gehen weit über das bloße Ausmalen von Szenen hinaus … Nett geschrieben und liest sich extrem schnell. Ein guter Anfang für eine neue Vampirserie, die sicher ein Hit bei allen Lesern wird, die leichte und zugleich unterhaltsame Kost mögen.“

–-Black Lagoon Reviews {über Turned}

„Voller Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Das Buch ist eine wundervolle Ergänzung für die Serie. Man will sofort mehr von Morgan Rice lesen.“

–-vampirebooksite.com {über Loved}

„Morgan Rice beweist sich wieder einmal als extrem talentierte Geschichtenerzählerin … Das Buch gefällt sicher vielen Lesern, auch jüngeren Fans des Vampir-/Fantasygenres. Der unerwartete Cliffhanger lässt einen schockiert zurück.“

–-THE ROMANCE REVIEWS{über Loved}

Über Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt.

Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.

Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!

Bücher von Morgan Rice
DER RING DER ZAUBEREI
QUESTE DER HELDEN (Band #1)
MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)
LOS DER DRACHEN (Band #3)
RUF NACH EHRE (Band #4)
SCHWUR DES RUHMS (Band #5)
ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)
demnächst auf Deutsch erhältlich
A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)
A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)
A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)
A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)
A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)
A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)
A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)
DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS
ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)
demnächst auf Deutsch erhältlich
ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)
DER WEG DER VAMPIRE
GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)
VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)
VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)
BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)
BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)
demnächst auf Deutsch erhältlich
BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)
VOWED – GELOBT (Band #7)
FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)
RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)
CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)
FATED  – BERUFEN (Band #11)

Hören im Audiobuch-Format an!

Copyright © 2014 von Morgan Rice


Alle Rechte vorbehalten. Außer entsprechend den Ausnahmen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Veröffentlichung kopiert, vertrieben oder in irgendeiner Form oder durch irgendwelche Mittel übertragen werden, auch nicht in einer Datenbank oder in einem Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne, das seine vorherige Erlaubnis durch den Autor vorliegt.


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Dieses Werk ist fiktional. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle entstammen entweder der Imagination des Autors oder werden fiktional verwendet. Jede eventuelle Ähnlichkeit zu realen Personen, lebendig oder tot, ist rein zufällig.


BAUMHAUS TASCHENBUCH Band 1015 Vollständige Taschenbuchausgabe Baumhaus Taschenbuch in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG Deutsche Erstausgabe Für die Originalausgabe: Copyright © 2011 by Morgan Rice Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Turned – Book #1 in The Vampire Journals“ Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen Für die deutschsprachige Ausgabe: Copyright © [Jahr] by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln Lektorat: Beate Christmann, Pulheim ISBN 978-3-8432-1015-7

 
Ist es heilsam,
So entblößt umherzugehen und einzusaugen den Dunst
Des Morgens? Wie, ist Brutus krank,
Und schleicht er vom gesunden Bett sich weg,
Der schnöden Ansteckung der Nacht zu trotzen?
 
William Shakespeare, Julius Cäsar
(Aus der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel, Zweiter Aufzug, Erste Szene)

1. Kapitel

Caitlin Paine fürchtete sich jedes Mal vor dem ersten Tag an einer neuen Schule, denn sie fand es sehr anstrengend, immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Zwangsläufig musste sie sich um wichtige Dinge wie das Kennenlernen neuer Freunde, die neuen Lehrer und das Erkunden der Räume, Gänge und Treppenhäuser kümmern. Außerdem waren da aber auch noch ein paar andere – zugegebenermaßen weniger wichtige – Dinge wie das Organisieren eines neuen Spinds, der Geruch des neuen Gebäudes und die Geräusche, die dort zu hören waren. Aber mehr als vor allem anderen fürchtete sie sich vor den neugierigen Blicken. Sie hatte immer das Gefühl, dass alle sie anstarrten, wenn sie irgendwo neu war. Dabei wollte sie doch nichts weiter, als anonym zu sein. Doch offensichtlich sollte das nicht sein.

Caitlin verstand nicht, was an ihr so auffällig war. Mit ihrer Größe von einem Meter fünfundsechzig war sie nicht sonderlich groß, und sie fand sich mit ihren braunen Haaren, den braunen Augen und ihrem normalen Gewicht absolut durchschnittlich. Sie war ganz bestimmt nicht so hübsch wie manche der anderen Mädchen, und mit ihren achtzehn Jahren war sie zwar ein wenig älter als die anderen, aber auch nicht alt genug, um herauszustechen.

Nein, es war irgendetwas anderes. Sie hatte etwas an sich, was die Leute zweimal hinsehen ließ. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie anders war. Aber woran genau das lag, wusste sie nicht.

Wenn es noch etwas Schlimmeres gab als einen ersten Schultag, dann war es ein erster Schultag mitten im Halbjahr, wenn alle anderen Schüler bereits Zeit gehabt hatten, Kontakte zu knüpfen. Der heutige Tag – dieser erste Schultag Mitte März – würde sicher besonders schlimm werden. Sie hatte da so ein Gefühl.

Trotzdem hätte sie sich in ihren wildesten Fantasien nicht vorstellen können, dass es so schlimm werden würde. Nichts, was sie je erlebt hatte – und sie hatte schon viel erlebt –, hatte sie auf das hier vorbereitet.

An einem eiskalten Märzmorgen stand Caitlin vor ihrer neuen Schule – einer großen staatlichen Schule in New York City – und fragte sich: Warum ausgerechnet ich? In ihrem Sweatshirt und den Leggins war sie viel zu leger gekleidet, außerdem war sie nicht im Entferntesten auf das lautstarke Chaos vorbereitet gewesen, das sie nun begrüßte. Hunderte von Schülern standen dort, tobten, kreischten und drängelten sich aneinander vorbei. Es sah aus wie auf einem Gefängnishof.

 

Caitlin fand alles hier irgendwie übertrieben: Diese Kids lachten zu laut, fluchten zu viel, schubsten sich gegenseitig zu heftig. Man hätte das Ganze für eine große Schlägerei halten können, wäre nicht auch hier und da ein Lächeln zu sehen oder ein spöttisches Lachen zu hören gewesen. Diese Kids hatten einfach zu viel Energie, und Caitlin konnte nicht verstehen, woher sie die nahmen. Sie selbst war erschöpft und litt unter Schlafmangel, außerdem fror sie erbärmlich. Ergeben schloss sie die Augen und wünschte sich, alles würde wie von Zauberhand verschwinden.

Als sie die Hand in die Tasche steckte, fühlte sie plötzlich etwas zwischen ihren Fingern: ihren iPod. Ja! Schnell steckte sie sich die Ohrstöpsel in die Ohren und drehte die Lautstärke auf. Sie hatte das dringende Bedürfnis, alles andere zu übertönen.

Aber es kam nichts. Sie warf einen Blick auf das Gerät und stellte fest, dass die Batterie leer war. Perfekt.

In der Hoffnung auf Ablenkung kontrollierte sie ihr Handy. Keine neuen Nachrichten.

Wenn sie so dieses Meer an neuen Gesichtern betrachtete, fühlte sie sich einsam. Nicht, weil sie das einzige weiße Mädchen war – das war ihr sogar ganz recht. Einige ihrer engsten Freundinnen an anderen Schulen hatten dunklere Haut gehabt – Schwarze, Südamerikanerinnen, Asiatinnen, Inderinnen –, und einige ihrer niederträchtigsten Neiderinnen waren Weiße gewesen. Nein, daran lag es nicht. Sie fühlte sich einsam, weil es hier so städtisch war. Unter ihren Füßen war Beton, und mit einem lauten Summton war sie in den »Erholungsbereich« eingelassen worden, vorher hatte sie allerdings noch mehrere hohe Metalltore passieren müssen. Jetzt war sie eingesperrt, gefangen hinter einem robusten Metallzaun, der von Stacheldraht gekrönt war. Sie hatte das Gefühl, im Gefängnis gelandet zu sein.

Als sie an dem großen Schulgebäude aufblickte, dessen Fenster mit Gitterstäben versehen waren, verbesserte das ihre Stimmung auch nicht gerade. Sie hatte sich immer problemlos an neue Schulen gewöhnt – egal, ob sie groß oder klein gewesen waren –, aber die hatten sich alle in Vororten befunden. Dort hatte es Gras und Bäume gegeben, und der Himmel war zu sehen gewesen. Doch hier war nichts außer Stadt. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Und das jagte ihr Angst ein.

Ein lauter Klingelton ertönte, und sie bewegte sich zusammen mit Hunderten von Schülern auf den Eingang zu. Ein großes Mädchen rempelte sie grob an, sodass ihr das Tagebuch aus der Hand fiel. Sie hob es auf und wartete, ob sich das Mädchen entschuldigen würde. Aber sie war nirgendwo mehr zu sehen – wahrscheinlich war sie schon in dem Gewühl verschwunden. Irgendwo hörte sie Gelächter, aber sie konnte nicht feststellen, ob es ihr galt.

Angespannt umklammerte sie ihr Tagebuch; es war das Einzige, was ihr Halt gab. Bis jetzt hatte es sie überallhin begleitet. Sie machte sich ständig Notizen und fertigte Zeichnungen an, wohin sie auch ging. Das Buch war eine Landkarte ihrer Kindheit.

Schließlich erreichte sie die Eingangstür und musste sich mit den anderen zusammen hineinquetschen. Es war, als würde man zur Hauptverkehrszeit in einen Zug steigen. Sie hatte gehofft, dass es im Gebäude warm sein würde, aber durch die offenen Türen wehte ein kalter Luftzug, der sie noch mehr frieren ließ.

Am Eingang standen zwei große Männer vom Sicherheitsdienst, flankiert von zwei Polizisten der Stadt New York. Sie trugen Uniform, und ihre Schusswaffen waren deutlich zu sehen.

»WEITERGEHEN!«, befahl einer von ihnen.

Sie konnte den Grund nicht erkennen, warum zwei bewaffnete Polizisten den Eingang einer Highschool bewachen mussten. Ihre Furcht wuchs und wurde noch stärker, als sie den Metalldetektor erblickte, der wie eins dieser Geräte beim Sicherheitscheck am Flughafen aussah.

Vier weitere bewaffnete Polizisten standen links und rechts neben dem Detektor, außerdem waren dort noch zwei weitere Sicherheitsbedienstete.

»TASCHEN LEEREN!«, blaffte ein Wachmann.

Caitlin beobachtete, wie die anderen Jugendlichen die Gegenstände aus ihren Taschen in kleine Plastikkörbe legten. Rasch folgte sie ihrem Beispiel und holte ihren iPod, ihre Geldbörse und ihre Schlüssel raus.

Dann schob sie sich durch den Detektor, doch der Alarm wurde ausgelöst.

»DU!«, fuhr ein Wachmann sie an. »Zur Seite treten!«

Natürlich.

Alle starrten sie an, als sie die Arme heben musste und der Wachmann mit einem Handscanner ihren Körper absuchte.

»Trägst du Schmuck?«

Sie fasste sich ans Handgelenk, dann an den Hals, und plötzlich fiel es ihr ein: ihr Kreuz.

»Nimm es ab«, forderte der Wachmann unfreundlich.

Es war die Halskette, die ihre Großmutter ihr kurz vor ihrem Tod geschenkt hatte. Daran hing ein kleines Silberkreuz mit einer Gravur in einer fremden Sprache, deren Bedeutung sie nie herausgefunden hatte. Ihre Großmutter hatte ihr erzählt, dass sie das Kreuz wiederum von ihrer Großmutter erhalten hatte. Caitlin war nicht religiös, und sie verstand auch die Bedeutung nicht, aber sie wusste, dass das Schmuckstück Hunderte von Jahren alt war. Es war bei Weitem das Wertvollste, was sie besaß.

Caitlin hob das Kreuz an, nahm es jedoch nicht ab.

»Lieber nicht«, antwortete sie.

Der Mann starrte sie mit kaltem Blick an.

Plötzlich brach ein Tumult aus. Es gab ein Riesengeschrei, als ein Polizist einen großen, dünnen Jungen packte und gegen die Wand stieß. Dabei zog er ihm ein kleines Messer aus der Tasche.

Der Wachmann kam ihm zu Hilfe, und Caitlin nutzte die Gelegenheit, um in der Menge unterzutauchen.

Willkommen in der staatlichen Schule von New York City, dachte Caitlin. Großartig.

Schon jetzt zählte sie die Tage bis zu ihrem Schulabschluss.

* * *

Noch nie hatte sie so breite Flure gesehen. Es war unvorstellbar, dass sie sich je füllen könnten, aber sie waren übervoll. Die Schüler drängten sich Schulter an Schulter. Auf diesen Gängen mussten sich Tausende von Jugendlichen befinden, der Anblick der vielen Gesichter erstreckte sie maßlos. Der Lärm hier drin war sogar noch schlimmer, weil er von den Wänden zurückgeworfen und so verstärkt wurde. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten. Aber sie hatte nicht einmal genug Platz, um die Arme zu heben. Allmählich bekam sie Platzangst.

Es klingelte, und das Treiben nahm zu.

Schon spät dran.

Schnell warf sie einen Blick auf den Raumplan und entdeckte schließlich in der Ferne das Klassenzimmer. Vergeblich versuchte sie, sich zwischen den Körpern hindurchzuschieben. Nach mehreren gescheiterten Versuchen begriff sie schließlich, dass sie offensiver vorgehen musste. Also fuhr sie die Ellbogen aus und schubste zurück, schob einen Körper nach dem anderen zur Seite. Auf diese Weise überquerte sie den Flur und öffnete die schwere Tür zu ihrem Klassenzimmer.

Sie wappnete sich gegen die ganzen Blicke, die sich auf sie richten würden, wenn sie – die neue Schülerin – gleich am ersten Tag zu spät kam. Eigentlich hätte sie erwartet, dass der Lehrer sie schelten würde, weil sie den Unterricht unterbrach. Doch verblüfft stellte sie fest, dass nichts davon geschah. Der Raum, der für dreißig Schüler gedacht war, war mit rund fünfzig Jugendlichen vollgestopft. Einige saßen auf ihren Plätzen, andere spazierten durch die Gänge, alle schrien und brüllten sich gegenseitig etwas zu. Es herrschte das absolute Chaos.

Bereits vor fünf Minuten hatte es zum Unterrichtsbeginn geklingelt, aber der Lehrer, der ungepflegt wirkte und einen zerknitterten Anzug trug, hatte noch nicht einmal mit dem Unterricht begonnen. Stattdessen hatte er die Füße auf den Tisch gelegt, las die Zeitung und ignorierte die Klasse völlig.

Caitlin ging zu ihm hin und legte ihren neuen Ausweis auf seinen Tisch. Dann blieb sie dort stehen und wartete darauf, dass er Notiz von ihr nahm, aber nichts dergleichen geschah.

Schließlich räusperte sie sich.

»Entschuldigen Sie bitte.«

Widerstrebend ließ er die Zeitung sinken.

»Ich bin Caitlin Paine. Ich bin neu hier. Ich glaube, ich soll Ihnen das hier geben.«

»Ich bin bloß eine Vertretung«, erklärte er und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.

Caitlin war verwirrt.

»Sie überprüfen nicht die Anwesenheit?«, fragte sie.

»Der Lehrer ist am Montag wieder da«, antwortete er kurz angebunden. »Er wird sich darum kümmern.«

Als Caitlin begriff, dass das Gespräch beendet war, nahm sie ihren Ausweis wieder an sich.

Dann drehte sie sich zur Klasse um. Das Chaos hatte nicht eine Sekunde lang aufgehört. Das einzig Gute daran war, dass sie nicht auffiel. Niemand hier schien Notiz von ihr zu nehmen.

Sie ließ den Blick über den überfüllten Raum schweifen und stellte genervt fest, dass es offensichtlich keinen einzigen freien Sitzplatz mehr gab.

Also fasste sie sich ein Herz, umklammerte ihr Tagebuch und ging zögernd einen Gang entlang. Dabei zuckte sie einige Male zusammen, als die Kids sich ankreischten. Vom hinteren Ende des Klassenzimmers aus konnte sie den ganzen Raum überblicken.

Es gab wirklich keinen freien Platz.

Sie blieb stehen und kam sich vor wie ein Idiot. Allmählich nahmen ein paar Schüler Notiz von ihr, doch sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte nicht vor, die ganze Zeit hier stehen zu bleiben, und dem Vertretungslehrer war es offensichtlich völlig gleichgültig, was sie tat. Hilflos sah sie sich um.

Ein paar Gänge weiter ertönte Gelächter – sie war sich sicher, dass sie ausgelacht wurde. Schließlich war sie nicht wie diese Kids angezogen, und sie sah auch nicht so aus wie sie. Ihre Wangen wurden heiß.

Doch als sie sich gerade darauf vorbereitete, die Klasse und vielleicht sogar die ganze Schule zu verlassen, hörte sie plötzlich eine Stimme.

»Hier.«

Sie drehte sich um.

In der letzten Reihe neben dem Fenster erhob sich ein großer Junge von seinem Platz.

»Setz dich«, sagte er. »Bitte.«

Im Klassenzimmer wurde es ein wenig ruhiger, während die anderen auf ihre Reaktion warteten.

Sie ging zu ihm hinüber und versuchte, ihm dabei nicht in die Augen zu sehen – große, strahlende grüne Augen –, aber sie konnte es sich nicht verkneifen.

Er sah einfach fantastisch aus und hatte glatte, olivfarbene Haut – sie konnte nicht erkennen, ob er schwarz, Südamerikaner, weiß oder irgendeine Mischung war, aber sie hatte auf jeden Fall noch nie so glatte, weiche Haut gesehen. Sie betonte seine markanten Gesichtszüge. Seine braunen Haare trug er kurz, und er war sehr dünn. Irgendwie wirkte er hier fehl am Platz. Er war so zerbrechlich. Vielleicht war er ein Künstler.

Obwohl es untypisch für sie war, sich auf den ersten Blick in einen Typen zu vergucken, war sie sofort hin und weg. Zwar hatte sie bereits miterlebt, wie sich ihre Freundinnen verknallt hatten, aber sie hatte es nie wirklich verstanden – bis jetzt!

»Und wo wirst du dich hinsetzen?«, fragte sie.

Sie versuchte, ruhig und gelassen zu klingen, aber das wirkte nicht sehr überzeugend. Sie hoffte nur, dass er nicht hörte, wie nervös sie war.

Doch er grinste nur breit und enthüllte dabei seine perfekten Zähne.

»Gleich hier drüben«, antwortete er und ging zu der breiten Fensterbank, die nur ein paar Schritte entfernt war.

Sie sah ihn an, und er hielt ihren Blick fest. Eigentlich wollte sie wegsehen, aber irgendwie gelang ihr das nicht.

»Danke«, sagte sie und war sofort sauer auf sich selbst.

Danke? Mehr nicht? Danke!?

»Gut so, Barack!«, schrie eine Stimme. »Gib diesem netten weißen Mädchen deinen Sitzplatz!«

Gelächter folgte, und der Lärmpegel im Raum stieg wieder an. Die anderen ignorierten sie wieder.

Caitlin sah, wie er verlegen den Kopf senkte.

»Barack?«, fragte sie. »Heißt du so?«

»Nein«, antwortete er und wurde rot. »Sie nennen mich bloß so. Wie Barack Obama. Sie finden, ich sehe im ähnlich.«

Sie betrachtete ihn genauer und stellte fest, dass da tatsächlich etwas dran war.

»Es liegt daran, dass ich halb schwarz, teilweise weiß und teilweise puerto-ricanisch bin.«

»Nun, ich finde, es ist ein Kompliment«, erwiderte sie.

»Nicht so, wie sie es sagen«, widersprach er.

Als sie ihn dabei beobachtete, wie er sich auf die Fensterbank setzte, merkte sie, dass sein Selbstvertrauen angekratzt war. Und sie erkannte, dass er sensibel war. Sogar verletzlich. Er passte nicht zu diesen Kids. Es war verrückt, aber auf einmal hatte sie das Bedürfnis, ihn zu beschützen.

 

»Ich bin Caitlin«, stellte sie sich vor, streckte die Hand aus und sah ihm in die Augen.

Überrascht blickte er auf, und sein Lächeln kehrte zurück.

»Jonah«, entgegnete er.

Mit festem Griff nahm er ihre Hand und schüttelte sie. Als sie seine glatte Haut spürte, begann ihr Arm zu prickeln. Sie hatte das Gefühl, dass sie miteinander verschmolzen. Er hielt ihre Hand eine Sekunde zu lange fest, und unwillkürlich erwiderte sie sein Lächeln.

* * *

Der Rest des Vormittags lag irgendwie im Nebel, und als Caitlin schließlich die Cafeteria erreichte, war sie hungrig. Sie öffnete die große Tür und wurde völlig erschlagen von dem riesigen Raum und dem unglaublichen Lärmpegel der gefühlt tausend Kids, die alle durcheinanderschrien. Es war, als würde man eine Sporthalle betreten – wenn man einmal davon absah, dass alle fünf Meter Sicherheitsleute in den Gängen standen und das Geschehen aufmerksam beobachteten.

Wie üblich wusste sie nicht, wohin sie gehen sollte. Suchend sah sie sich in dem großen Raum um und entdeckte schließlich einen Stapel Tabletts. Sie nahm sich eins davon und stellte sich an das Ende der Warteschlange – oder an das, was sie dafür hielt.

»Nicht vordrängeln, du Schlampe!«

Caitlin drehte sich um und sah sich einem übergewichtigen Mädchen gegenüber, das sie um fünfzehn Zentimeter überragte. Finster blickte es auf Caitlin herunter.

»Es tut mir leid, ich wusste nicht …«

»Das Ende der Warteschlange ist da hinten!«, fauchte ein anderes Mädchen und deutete mit dem Daumen hinter sich.

Caitlin sah, dass die Schlange noch mindestens hundert Schüler weit zurückreichte. Es sah aus, als müsse man bestimmt zwanzig Minuten warten.

Gerade machte sie sich auf den Weg zum Ende der Reihe, als ein Schüler in der Schlange einen anderen so stark schubste, dass er vor ihr auf den Boden knallte.

Dann sprang der erste Junge auf den am Boden Liegenden und boxte ihn ins Gesicht.

Die ganze Cafeteria brach in begeistertes Grölen aus, und Dutzende von Kids umringten die Kämpfer.

»KÄMPFEN! KÄMPFEN!«

Caitlin trat einige Schritte zurück und beobachtete entsetzt die gewalttätige Szene zu ihren Füßen.

Schließlich kamen vier Wachleute herüber und beendeten das Ganze. Sie trennten die beiden blutenden Jungs voneinander und brachten sie weg. Dabei schienen sie es jedoch nicht besonders eilig zu haben.

Nachdem Caitlin endlich ihr Essen bekommen hatte, sah sie sich suchend um. Sie hoffte, irgendwo Jonah zu entdecken, aber er war nirgendwo zu sehen.

Also ging sie die Gänge entlang, aber fast alle Tische waren komplett besetzt. Zwar gab es noch ein paar wenige freie Plätze, aber die wirkten nicht gerade einladend, weil man dort hätte neben großen Cliquen sitzen müssen.

Zu guter Letzt fand sie einen freien Tisch ganz hinten. An seinem Ende saß nur ein kleiner, zierlicher Chinese mit Zahnspange, der ziemlich ärmlich gekleidet war. Doch er hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte sich ausschließlich auf sein Essen.

Sie fühlte sich einsam. Prüfend kontrollierte sie ihr Handy. Auf Facebook hatte sie einige Mitteilungen von Freunden aus ihrem letzten Wohnort bekommen. Sie wollten wissen, wie es ihr in New York City gefiel. Aber ihr war nicht danach, ihnen zu antworten, sie waren so weit weg.

Caitlin bekam kaum etwas hinunter, offensichtlich war die Übelkeit des ersten Tages noch nicht ganz verschwunden. Also versuchte sie, an etwas anderes zu denken. Sie schloss die Augen und dachte an ihre neue Wohnung im fünften Stock eines schmutzigen Gebäudes ohne Fahrstuhl in der 132. Straße. Sofort wurde ihr noch übler. Sie atmete tief durch und zwang sich, an etwas Schönes in ihrem Leben zu denken.

An ihren kleinen Bruder. An Sam. Er war vierzehn und ging scharf auf die zwanzig zu. Sam schien immer zu vergessen, dass er der Jüngere war – er benahm sich, als wäre er ihr älterer Bruder. Inzwischen war er tough und abgebrüht, weil sie ständig umzogen, ihr Dad sie verlassen hatte und wegen der Art und Weise, wie ihre Mutter ihre beiden Kinder behandelte. Caitlin sah, wie sehr ihm das alles zu schaffen machte, und sie registrierte, dass er anfing, sich abzukapseln. Seine häufigen Streitereien in der Schule überraschten sie nicht. Vielmehr fürchtete sie, dass das alles noch schlimmer werden würde.

Aber was Caitlin anging, so liebte Sam sie aus ganzem Herzen. Und sie ihn. Er war die einzige Konstante in ihrem Leben, der einzige Mensch, auf den sie sich verlassen konnte. Offensichtlich war sie das Einzige auf der Welt, wofür er noch eine Schwäche hatte. Deshalb war sie fest entschlossen, sich alle Mühe zu geben, um ihn zu beschützen.

»Caitlin?«

Sie zuckte zusammen.

Neben ihr stand Jonah. Mit der einen Hand balancierte er ein Tablett, und in der anderen trug er einen Geigenkasten.

»Darf ich mich zu dir setzen?«

»Ja, ja natürlich«, stammelte sie verwirrt.

Idiotin, dachte sie. Hör auf, nervös zu sein.

In Jonahs Gesicht blitzte sein Lächeln auf, dann nahm er gegenüber Platz. Er saß sehr gerade, nahm eine perfekte Körperhaltung ein und legte seine Geige vorsichtig neben sich. Dann erst stellte er behutsam sein Tablett mit dem Essen ab. Er hatte etwas an sich, was sie nicht richtig einordnen konnte. Er war anders als alle Menschen, die sie bisher kennengelernt hatte. Es war, als stammte er aus einer anderen Epoche. Und er gehörte definitiv nicht an diesen Ort.

»Wie war dein erster Tag?«, fragte er.

»Nicht so, wie ich es erwartet hatte.«

»Ich weiß, was du meinst«, erwiderte er.

»Ist das eine Geige?«

Sie deutete mit dem Kinn auf sein Instrument. Er behielt es nahe bei sich und hatte eine Hand darauf gelegt, als hätte er Angst, es könnte gestohlen werden.

»Genau genommen ist es eine Bratsche. Sie ist nur ein bisschen größer als eine Geige, hat aber einen ganz anderen Klang. Viel weicher.«

Sie hatte noch nie eine Bratsche gesehen und hoffte, er würde sie auf den Tisch legen, um sie ihr zu zeigen. Aber er machte keine Anstalten, sie aus dem Kasten zu nehmen, und Caitlin wollte nicht zu neugierig wirken. Seine Hand ruhte immer noch auf dem Instrument, es sah aus, als würde er es beschützen, als wäre es etwas Persönliches, etwas Privates.

»Übst du viel?«

Jonah zuckte mit den Schultern. »Einige Stunden täglich«, antwortete er lapidar.

»Einige Stunden!? Du musst großartig spielen!«

Wieder zuckte er mit den Schultern. »Ich spiele vermutlich ganz passabel. Es gibt viele Musiker, die viel besser sind als ich. Aber ich hoffe, es ist meine Fahrkarte, um von dieser Schule wegzukommen.«

»Ich wollte immer gerne Klavier spielen«, gestand Caitlin.

»Warum tust du es dann nicht?«

Sie wollte gerade sagen: Weil ich nie ein Klavier hatte, verkniff es sich dann aber. Stattdessen zuckte sie mit den Schultern und richtete den Blick auf ihren Teller.

»Dazu musst du kein eigenes Klavier besitzen«, erklärte Jonah.

Sie sah ihn an, verblüfft, dass er ihre Gedanken gelesen hatte.

»Hier in der Schule haben sie einen Proberaum. Neben all den ganzen schlechten Dingen hier gibt es also auch etwas Gutes. Du kannst kostenlosen Unterricht bekommen, du musst dich nur anmelden.«

Erstaunt riss Caitlin die Augen auf.

»Wirklich?«

»Vor dem Musikraum hängt eine Anmeldeliste. Frag nach Mrs. Lennox und sag ihr, dass du eine Freundin von mir bist.«

Freundin. Das gefiel Caitlin. Sie spürte, wie sich langsam ein Glücksgefühl in ihr ausbreitete.

Sie lächelte, und ihre Blicke trafen sich.

Als sie in seine leuchtend grünen Augen starrte, brannte sie darauf, ihm eine Million Fragen zu stellen: Hast du eine Freundin? Warum bist du so nett zu mir? Magst du mich wirklich?

Doch stattdessen biss sie sich lieber auf die Zunge und schwieg.

Sie fürchtete, dass ihr gemeinsames Essen bald vorbei sein würde, und zerbrach sich den Kopf, wie sie ihre Unterhaltung verlängern könnte. Angestrengt suchte sie nach einer Frage, die ihr ein Wiedersehen mit ihm sichern würde. Aber sie wurde nur noch nervöser und erstarrte in Schweigen.

Schließlich öffnete sie doch noch den Mund, um etwas zu sagen, aber genau in dem Augenblick klingelte es.

Im Raum brachen Lärm und Unruhe aus. Jonah stand auf und griff nach seiner Bratsche.

»Ich bin spät dran«, erklärte er und nahm sein Tablett.

Dann warf er einen Blick auf ihr Tablett. »Soll ich deins auch mitnehmen?«

Sie stellte fest, dass sie es völlig vergessen hatte, und schüttelte den Kopf.

»Okay«, meinte er.

Auf einmal wirkte er schüchtern. Anscheinend wusste er nicht, was er sagen sollte.

»Naja … dann bis bald.«

»Bis bald«, echote sie lahm; doch ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern.

Als ihr erster Schultag zu Ende war, trat Caitlin hinaus in den sonnigen Märznachmittag. Obwohl es sehr windig war, fror sie nun nicht mehr. Die Kids um sie herum schrien und kreischten, aber der Lärm machte ihr nichts mehr aus. Sie fühlte sich lebendig und frei. Den Rest des Tages hatte sie in einer Art Nebel verbracht, und sie konnte sich nicht einmal an den Namen eines einzigen neuen Lehrers erinnern.

Die ganze Zeit kreisten ihre Gedanken um Jonah.

Ständig fragte sie sich, ob sie sich in der Cafeteria nicht wie eine Idiotin benommen hatte. Schließlich war sie über ihre eigenen Worte gestolpert und hatte ihm kaum eine Frage gestellt. Ihr war tatsächlich nichts Besseres eingefallen, als sich nach dieser dämlichen Bratsche zu erkundigen. Stattdessen hätte sie lieber in Erfahrung bringen sollen, wo er wohnte, woher er kam und an welchem College er sich bewerben wollte.