Mein Lebensglück finden

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Karl Frielingsdorf

Mein Lebensglück finden

Mehr selbst leben

als gelebt werden

Karl Frielingsdorf

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Mehr selbst leben

als gelebt werden

echter

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

1. Auflage 2017

© 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

Umschlag: Peter Hellmund (Foto: shutterstock)

Satz: Crossmediabureau – http://xmediabureau.de

ISBN

978-3-429-04342-1

978-3-429-04912-6 (PDF)

978-3-429-06332-0 (ePub)

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Inhalt

Vorwort

Was ist ein glückliches und erfülltes Leben?

1. Was heißt „Glück“ und „Glücklichsein“

2. Das Schicksal oder ich – wer bestimmt mein Glück?

3. Der Urwunsch des Menschen nach einem „glücklichen Leben“

4. Wie kann ich glücklich werden?

Die Suche nach einem geglückten Leben in unterschiedlichen Lebensphasen

1. Einführung

2. Die Bedeutung der Kindheit für ein geglücktes Leben

2.1. Die pränatale Phase als Vorbereitung auf ein geglücktes Leben

2.2. Der Geburtsvorgang als Kampf ums Überleben

2.3. Die postnatale Phase als Einübung ins Leben

2.3.1. Das Urvertrauen als ein Sich-verlassen-Können im Leben

2.3.2. Die Autonomie als Beginn des selbständigen Lebens

2.3.3. Die Initiative als Eindringen in das Leben

3. Die Suche nach dem Lebensglück im Grundschulalter

4. Die Suche nach dem Lebensglück im Jugendalter

5. Die Suche nach dem Lebensglück im Erwachsenenalter ..

6. Die Suche nach dem Lebensglück im Alter

Jeder ist seines Glückes Schmied.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ist eine Voraussetzung für ein geglücktes Leben

1. Die notwendige Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit

2. Wie man mit Hilfe der „Schlüsselmethode“ das eigene Leben erkennen kann

2.1. Eine kurze Einführung in die Schlüsselmethode

2.2. Das Schlüsselwort

3. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte in fünf Phasen

3.1. Die Phase des Wahrnehmens und des Nicht-wahrhaben-Wollens

3.2. Die Phase von Aggression, Wut und Zorn

3.3. Die Phase des Verhandelns

3.4. Die Phase der Trauer und Depression

3.5. Die Phase der Vergebung und Versöhnung

Die Bedeutung des „Glaubens“ für ein geglücktes Leben ….

1. Der „Glaube“ wird in der Kindheit vermittelt

2. Ein widersprüchlicher Glaube

3. Der wahre Gott und die dämonischen Abergötter

3.1. Einleitung

3.2. Die Entstehung und Entwicklung des kindlichen Gottesbildes

3.3. Die Auseinandersetzung mit dem von den Eltern tradierten Glauben und den entsprechenden Gottesbildern

3.4. Gottesbilder, die glücklich und unglücklich machen können

3.4.1. Der dämonische Richtergott und der barmherzige und liebende Gott

3.4.2. Der dämonische Todesgott und der Gott des Lebens

3.4.3. Der dämonische Buchhaltergott und Gott, der gute Hirt

3.4.4. Der dämonische Leistungsgott und der Gott der Fruchtbarkeit

Überlebensstrategien, die das Lebensglück verhindern oder fördern

1. Der Wille zum Leben

2. Überleben unter bestimmten Bedingungen kann unglücklich machen

2.1. Überleben durch Anpassung und Fremdbestimmung

2.2. Überleben durch Leistung und Erfolg

2.3. Überleben durch Unterdrücken der Gefühle

2.3.1. Überleben mit Angst- und Schuldgefühlen

2.3.2. Überleben mit Aggressions-, Wut- und Hassgefühlen

Beziehungen können glücklich und unglücklich machen

1. Einführung

2. Elternbotschaften über Beziehungen

3. Offene und gewalttätige Beziehungsstörungen bringen Unglück

4. Verdeckte Beziehungsstörungen können unglücklich machen

Einige Grundvoraussetzungen für ein geglücktes Leben aus christlicher Sicht

Glücklich ist, wer will, was er hat

Nachworte zum Lebensglück

Literaturverzeichnis

„Weil es für die Gesundheit förderlich ist,habe ich beschlossen, glücklich zu sein“

(Voltaire)

Vorwort

Wenn wir durch einen Beschluss einfach glücklich werden könnten, wie Voltaire es sagt, dann wären wohl alle Menschen glücklich. Denn das ist der sehnliche Wunsch der Menschen, dass sie ihr Glück finden, dass ihr Leben gelingt.

Schaue ich auf die vielen Lebensgeschichten, die mir Menschen in therapeutischen Einzelgesprächen, in Gruppen und in Kursen anvertraut haben, dann bin ich nach wie vor überzeugt, dass für alle Menschen das Leben glücken kann. Eine Voraussetzung ist, dass sie sich mit ihrem Leben bewusst auseinandersetzen und vor dem Hintergrund ihrer Möglichkeiten und Grenzen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und immer wieder kreativ neu gestalten können. Wir werden sehen, wie sehr das Leben des Menschen, vor allem in der Kindheit und schon in der pränatalen und perinatalen Zeit geprägt wird. Je nachdem, ob die Eltern und die Umgebung das Leben des Kindes mehr oder weniger bejahen bzw. verneinen, entwickelt das Kind unbewusst positive oder negative Grundgefühle und Einstellungen zum Leben, die ich „Schlüsselpositionen“ nenne. Wenn diese unbewussten Lebensmuster und Überlebensstrategien der Kindheit nicht bewusst gemacht und bearbeitet werden, behindern und stören sie oft unser gegenwärtiges Leben in von uns unbemerkten Wiederholungen und Übertragungen.

Der tiefste Grund zu meiner positiven Sicht des „geglückten Lebens“ ist mein christlicher Glaube an die „Frohbotschaft“, dass Gott die Menschen „gut“ geschaffen hat nach seinem Bild und Gleichnis und dass Gott seinen göttlichen Lebensatem in sie gelegt hat. Dieser gute unzerstörbare Kern ist, bei allen Problemen und Schwierigkeiten, in jedem Menschen vorhanden, allerdings oft verborgen oder verschüttet.

 

Ich möchte mit diesem Buch die Leserinnen und Leser ermutigen, ihr einzigartiges Leben näher und tiefer kennen und schätzen zu lernen. Dabei können meine eigenen und die Erfahrungen aus den Lebens- und Glaubensgeschichten von vielen Menschen sowie die neueren Forschungsergebnisse der Entwicklungspsychologie und Hirnforschung helfen, neue und alte Wege zu einem geglückten Leben zu entdecken. Die eingestreuten Glücks-Aphorismen sollen wie Farbtupfer das Ganze heiter und ernst auflockern und nachdenklich stimmen.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie im Rückblick auf Ihr Leben einmal sagen können: Ich habe mein Lebensglück gefunden, mein Leben ist geglückt!

Karl Frielingsdorf

„Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung“

(Erich Fromm)

Was ist ein glückliches

und erfülltes Leben?

1. Was heißt „Glück“ und „Glücklichsein“

Was verstehen wir unter Glücklich- und Unglücklichsein? Was heißt es, glücklich zu leben?

Das Wort „Glück“ stammt vom mittelhochdeutschen „gelücke“ ab, was in etwa „Geschick, günstiger Ausgang, guter Lebensunterhalt“ (Duden) bedeutet. Wir verstehen hier Glück nicht im Sinne von „Glück haben“ (englisch: luck), sondern in der Bedeutung von „Glücklichsein“ (englisch: happiness). Wenn jemand sagt „Ich habe Glück gehabt“, dann ist damit meist etwas Zufälliges gemeint. Er hat z.B. im Lotto gewonnen oder sie ist einem Autounfall oder einem anderen Unglück entkommen. Menschen, die dieses zufällige Glück haben, können durchaus unglücklich sein. Umgekehrt sind Menschen, die dieses Glück nicht haben, d. h. die Pech haben, nicht notwendig unglücklich in ihrem Leben. „Glück haben – ein Geschenk des Zufalls, glücklich sein – eine Gabe des Herzens“ (Carl P. Fröhling).

Man kann drei glücksstiftende Lebensstile unterscheiden:

1. Hedonistisches Leben: Glück als Genuss angenehmer, lustbetonter Dinge bei gleichzeitiger Vermeidung von lustfeindlichen Faktoren.

2. Aktives Leben: Glück als Vervollkommnung der eigenen Fähigkeiten, Zielerreichung und Erfolg.

3. Sinnerfülltes Leben: Glück als Streben nach einem Lebenssinn; danach streben, seine Fähigkeiten in den Dienst einer höheren Sache zu stellen, sich zu engagieren und in Beziehung leben.

Die meisten antiken Philosophenschulen gehen von der Verbindlichkeit menschlicher Glückssuche aus. Für sie ist Glück „dasjenige, worin alles Handeln und Begehren zum Stillstand kommt; denn niemand könne glücklich sein, wenn er etwas Begehrtes nicht habe“. Das Glück ist notwendigerweise das höchste Ziel menschlichen Handelns. Glück ergibt sich aus dem Besitz von etwas Gutem. „Will man von wirklichem Glück sprechen, muss „das Gute ständig im Besitz dessen sein, den man glücklich nennen kann, und daher muss das Gut, das ein gleichbleibendes Glück sicherstellen soll, ewig und unwandelbar sein“ (Horn, 24ff.). Augustinus versteht in der Tradition des paganen philosophischen Eudaimonismus das Glücksstreben als ein typisches Merkmal des Menschen: „Wir wollen glücklich sein“ (Horn, 24ff.).

Wir sprechen hier vergleichbar vom Glück als „sinnerfülltem Leben“, vom „existentiellen Glück“ (happiness = Glücklichsein“) im Sinne von „Ich bin glücklich“ bzw. „Ich wünsche mir, glücklich zu sein“. Allgemein wird dieses Glück verstanden als eine affektive, positive Erfahrung. „Glück bedeutet in seinem Kern offensichtlich Erfüllt-sein von Freude und Getragen-werden von einer gehobenen Stimmung. Dieses Bestimmtsein von Freude und Hochstimmung gilt sowohl für die erregte Form des Glücklichseins, die sich im Gefühl überschüssiger Energie, in Lachen, Tanzenwollen und Ekstase ausdrückt, als auch für dessen ruhigere Variante, die durch Entspannung, Einssein mit sich selbst und Verbundenheit mit anderen gekennzeichnet ist“ (Hommes, 167).

So spricht man von Glückspilzen, denen alles zu gelingen scheint, denen alles in den Schoß fällt. Sie sind schon immer auf der Sonnenseite des Lebens und große Probleme scheinen ihnen fremd zu sein.

Unglücklichsein wird dementsprechend als Gegensatz verstanden: Der Pechvogel hat eine gedrückte Stimmung und fühlt sich isoliert und verlassen. Er hat das Gefühl, dass ihn seine Umgebung ablehnt und nicht mag. Letztlich ist er ein „Loser-Typ“, dem einfach nichts gelingen will. Er lehnt sich selbst ab, hat Minderwertigkeitsgefühle, kann sich von der depressiven Stimmung nicht befreien, fühlt sich im Ganzen schlecht, ohnmächtig und hilflos. Er kann sich selbst nicht leiden.

Die Skepsis gegenüber einem „glücklichen Leben“ ist grundgelegt in der Annahme, dass der Mensch von Natur aus unfähig für das Glück ist. So meint z.B. Sigmund Freud, dass der Mensch nicht für das Glück geschaffen ist: „Alle Einrichtungen des Alls widerstreben ihm [dem Glück] (…) man möchte sagen, die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten“ (Freud, Bd. XIV, 433f.).

Vielleicht sind die Vorbehalte aber auch darin begründet, dass wir das Glücklichsein zu absolut sehen, es mit der „ewigen Glückseligkeit“ gleichsetzen, wo es kein Leid und keine Trauer mehr gibt. Nach diesem Verständnis wären wir zum „Unglücklichsein im Diesseits“ verdammt und könnten nur auf das Glück im „Jenseits“ hoffen. Doch das „ewige Leben“, wo alles Verlangen nach Glück im Jenseits gestillt wird, ist zu unterscheiden von dem hier gemeinten irdischen Glücklichsein. Beide sind allerdings auch nicht zu trennen. Irdisches Glück und ewiges Glück sind nicht unverträglich und gegensätzlich, sondern aufeinander bezogen. So ist das reale irdische Glück etwas, „das wir zwar nicht machen können, das wir dennoch mit gutem Grund in dieser unserer Welt suchen und empfangen wollen, und nicht erst an ihrem Ende oder im Jenseits“ (Hommes, 234).

Wenn mit dem Wort „Glück“ so unterschiedliche Dinge wie die ewige Glückseligkeit und irdische Glückserfahrungen bezeichnet werden, dann sind sie nur in Beziehung zu verstehen. Diese wichtige Erkenntnis hat Thomas von Aquin wie folgt beschrieben: „Wie das geschaffene Gut ein Gleichnis des ungeschaffenen Gutes, so ist auch die Erlangung eines geschaffenen Gutes eine gleichnishafte Glückseligkeit“ (Thomas von Aquin nach Pieper, 1976, 42). So hat jede Erfüllung unserer alltäglichen Glückswünsche, jede Erfüllung unseres Glücksverlangens – und mag es noch so unscheinbar sein – etwas mit der letzten und ewigen Glückseligkeit zu tun. Und wäre es nur der Hinweis darauf, dass diese Erfüllung nicht reicht, um unseren Hunger nach Glück zu stillen.

Es gibt also ein wirkliches irdisches Glück, das nicht so sehr von der Abwesenheit des Negativen („Glück als Fehlen von Unglück“), sondern von der Anwesenheit positiver Erfahrungen und Einstellungen bestimmt wird. Dieses existentielle irdische Glück besteht in einer grundsätzlich bejahenden Einstellung zum eigenen Leben und zur Welt überhaupt mit ihren positiven und negativen Seiten, die letztlich im Glauben verwurzelt ist.

Die himmlische Glückseligkeit ist in den kleinen irdischen Glücksmomenten schon gleichnishaft auf Erden erfahrbar. M. Lütz schreibt in seinem Buch „Unvermeidlich glücklich“, dass die Christen nicht an das unendliche Leben, sondern an das ewige Leben glauben. „Und diese Ewigkeit ereignet sich schon in diesem Leben, zum Beispiel in Momenten des Glücks. Jeder kennt solche dichten Momente, in denen man sich intensiv glücklich fühlt. Unvergänglich sind solche Momente, ewig. Dabei sind diese Momente nicht herstellbar, nicht planbar. Sie ereignen sich, beiläufig manchmal, unerwartet, wenn das Leben ganz leicht wird, fast schwebend“ (Lütz, 180f.). Das Glück verbirgt sich in den kleinen Dingen.

Nach Josef Pieper liegt das höchste Glück des Menschen in der liebevollen Kontemplation, im ruhigen oder überwältigenden Schauen, im sinnlichen und geistigen Ergriffensein von der Schönheit und Wahrheit der Welt (J. Pieper, 2012, 39). Solche Momente können tiefe Sinnerfahrung, ja sogar Gotteserfahrung für uns bereithalten, eine Erfahrung von Ewigkeit. „Und das können ganz alltägliche Anlässe sein, das Lächeln eines Kindes, der Anblick einer entzückenden Landschaft, ein ergreifendes Kunstwerk, aber auch die Erfahrung von Liebe, von Güte, von Zuneigung“. Und solche Glückserfahrung ist kein Lohn für ein moralisches Leben, diese Glückserfahrung ist ein Geschenk. Man kann sich nicht selber glücklich machen (Pieper, 1976, 39ff.). Das hat Mutter Teresa erfahren, wenn sie sagt: „Sei in diesem Augenblick glücklich, das genügt. Wir brauchen nicht mehr als den Augenblick.“

Zum existentiellen, umfassenden irdischen Glück gehören also die kleinen Glückserfahrungen ebenso wie die Annahme der unglücklichen Erfahrungen im persönlichen Leben und im weltweiten Kontext. Wesentlich ist, dass wir die Licht- und Schattenseiten, die Freuden und Leiden, die Höhen und Tiefen in unser Leben integrieren und letztlich unser Leben, so wie es ist, annehmen und uns damit versöhnen.

Ein schwedisches Märchen schildert uns unterschiedliche Lebensanschauungen und Antworten auf die Frage nach einem geglückten Leben:

„An einem schönen Sommertag war um die Mittagszeit eine Stille im Wald eingetreten. Die Vögel steckten die Köpfe unter die Flügel. Alles ruhte.

Da steckte der Buchfink sein Köpfchen hervor und fragte: ‚Was ist das Leben?‘ Alle waren betroffen über diese schwere Frage.

Eine Rose entfaltete gerade ihre Knospe und schob behutsam ein Blütenblatt nach dem andern heraus. Sie sprach: ‚Das Leben ist eine Entwicklung.‘

Weniger tief veranlagt war der Schmetterling. Lustig flog er von einer Blume zur anderen, naschte da und dort und sagte: ‚Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.‘

Drunten am Boden schleppte sich eine Ameise mit einem Strohhalm, zehnmal länger als sie selbst, und sagte: ‚Das Leben ist nichts als Mühe und Arbeit.‘

Geschäftig kam eine Biene von einer honighaltigen Blume zurück und meinte: ‚Das Leben ist ein Wechsel von Arbeit und Vergnügen.‘ Sie stellte sich vor, wenn sie den Honig aus der Blume holt, das sei Vergnügen, aber wenn sie Waben baut, das sei Arbeit.

Wo so weise Reden geführt wurden, steckte der Maulwurf seinen Kopf aus der Erde und sagte: ‚Das Leben ist ein Kampf im Dunkel‘. Dann verschwand er.

Die Elster, die selbst nichts weiß und nur vom Spott der anderen lebt, sagte: ‚Was ihr für weise Reden führt. Man sollte wunder meinen, was ihr für gescheite Leute seid‘.

Es hätte nun einen großen Streit gegeben, wenn nicht ein feiner Regen eingesetzt hätte, der sagte: ‚Das Leben besteht aus Tränen, nichts als Tränen‘. Dann zog er weiter zum Meer.

Dort brandeten die Wogen und warfen sich mit aller Gewalt gegen die Felsen, kletterten daran in die Höhe und warfen sich dann wieder mit gebrochener Kraft ins Meer zurück und stöhnten: ‚Das Leben ist ein stets vergebliches Ringen nach Freiheit‘.

Hoch über ihnen zog majestätisch ein Adler seine Kreise, der frohlockte: ‚Das Leben ist ein Streben nach oben‘.

Nicht weit davon stand eine Weide, die hatte der Sturm schon zur Seite geneigt. Sie sprach: ‚Das Leben ist ein Sich-Neigen unter eine höhere Macht‘.

Dann kam die Nacht. – In lautlosem Fluge glitt ein Uhu durch das Geäst des Waldes und krächzte: ‚Das Leben heißt, die Gelegenheit nutzen, wenn die anderen schlafen‘.

Schließlich wurde es still im Walde.

In der Schule löschte der Professor, der über den Büchern gesessen hatte, die Lampe aus und dachte: ‚Das Leben ist ein Schule‘.

Nach einer Weile ging ein junger Mann durch die menschenleeren Straßen nach Hause. Er kam von einer Lustbarkeit und sagte vor sich hin: ‚Das Leben ist eine fortwährende Jagd nach Vergnügen und eine Kette von Enttäuschungen‘.

Morgens wehte ein leichter Wind durch die Straßen, der meinte: ‚Das Leben ist ein Rätsel‘.

Auf einmal flammte die Morgenröte in ihrer vollen Pracht auf und sprach: ‚Wie ich, die Morgenröte, der Beginn des kommenden Tages bin, so ist das Leben der Anbruch der Ewigkeit‘“ (Autor unbekannt).

Wenn das Glück also nicht so sehr im Fehlen des Negativen liegt, worin besteht es dann konkret? Wir glauben meist glücklich zu sein, wenn wir positive, befreiende und gute Lebenserfahrungen machen, die in uns Freude und Lebensbejahung wecken. Sie gipfeln in dem Grundgefühl: Es ist gut zu leben und einfach da zu sein.

Im Alltag findet sich ein solches „kleines Glück“ oft, wenn sich ein bestimmter Wunsch, eine Sehnsucht erfüllt: Wenn Hungrigen das Essen schmeckt, wenn Durstigen ein kühler Trunk gereicht wird, wenn uns ein geplantes Werk gelingt, wenn wir einen Freund treffen, wenn wir beim Spielen gewinnen usw.

 

Das „kleine Glück“ kann uns zufallen wie ein Geschenk, so z.B. in einer Hochstimmung bei einem Sonnenaufgang. So kann ich von meinem Fenster mit dem Blick auf die Skyline von Frankfurt morgens staunen, wie sich die aufgehende Sonne in den Hochhäusern in bunten und wechselnden Farben spiegelt, wie ein „Bankenglühen“. Abends, bei den Sonnenuntergängen, die alle in unterschiedlichen Farben strahlen und leuchten, darf ich es noch einmal erleben. Ähnliche Glücksmomente können wir bei einer Gipfelbesteigung mit dem weiten Blick über Berge und Täler erleben, bei einem Spaziergang am Meer, in einem Konzert, bei der Lösung eines schwierigen Problems, durch ein ermunterndes Wort, durch einen liebevollen Blick oder durch andere positive Erfahrungen, die uns Tag für Tag zufallen, wenn wir sie wahrnehmen.

Während wir in negativen Stimmungen vor allem das Bedrohliche und Schwierige sehen, öffnen uns die Glücksmomente die Augen für das Schöne, das Positive und Kostbare in unserem Leben. Die beglückenden Erfahrungen schenken uns Freude und Spaß an der Arbeit, an den Menschen und am Leben überhaupt. Hier kann die tägliche Übung des Dankens eine Hilfe sein. Ich mache mir am Abend im Rückblick auf den Tag die Glücksmomente bewusst, die ich erlebt habe, schreibe sie auf und danke Gott für sie und für den ganzen Tag. Dann vertraue ich mich ihm auch in der Nacht an. Ich lege mich ins Bett, symbolisch gesprochen: Ich lege mich bewusst in die Hand Gottes.

Zwei Menschen empfinden ein tiefes Glück, wenn sie sich nach einer langen Zeit des Streitens, des gegenseitigen Verletzens mit vielen Kränkungen die Hand zum Vergeben und Versöhnen reichen. Dieses Glück gleicht der Freude des Vaters, der den verlorenen Sohn in die Arme schließt, oder der des guten Hirten, der das verlorene Schaf wiederfindet. Tiefes Glück können zwei liebende Menschen erfahren. Dieses Glück besteht einmal in der Sehnsucht und im Verlangen nach dem oder der Geliebten und drückt sich dann im Genießen und in der Freude und dem Entzücken aus, wenn die Liebenden das Geliebtsein erleben.

Neben der Philosophie und Psychologie hat in den letzten Jahrzehnten vor allem die Psycho-Neurobiologie mit ihren präzisen Messmethoden wichtige Erkenntnisse zum Thema „Glück“ eingebracht. Der Neurobiologe M. Spitzer fasst die Ergebnisse der neurobiologischen Forschung gut und verständlich zusammen: „Sehr tief im Gehirn im sogenannten Mittelhirn, sitzt eine kleine Ansammlung von Neuronen, die den Neurotransmitter Dopamin produzieren und über zwei Faserverbindungen weiterleiten: zum einen in den Nucleus Accumbens und zum anderen direkt ins Frontalhirn. Was genau machen diese Neuronen? Wie man heute weiß, ‚feuern‘ sie dann, wenn ein Ereignis eintritt, das besser ist als erwartet. Dadurch werden wir aufmerksam und wenden uns dem guten Erlebnis zu. Dies hat zwei Konsequenzen: Neuronen im Nucleus accumbens, die opiumähnliche Eiweißkörper herstellen und als Neurotransmitter im Frontalhirn ausschütten, werden aktiviert. Unser Gehirn produziert also selbst Opium, die Endorphine. Und wenn diese im Frontalhirn ausgeschüttet werden, dann gibt uns das ein freudvolles Erleben und wir haben Spaß!

Ähnliches geschieht beim Schokolade essen, Musik hören, schnelle Autos fahren, beim Videospiel gewinnen bis hin zu einem netten Blick oder einem aufbauenden Wort. All dies aktiviert die Dopamin-Neuronen, die wiederum bewirken, dass das Frontalhirn und der Arbeitsspeicher besser funktionieren. Wir können also besser denken und verarbeiten die gerade vorliegenden Informationen besser. So lernen wir auch besser. Das beschriebene System löst damit eine ganz wesentliche und zugleich schwierige Aufgabe unseres Gehirns: In jeder Sekunde strömen unglaublich viele Informationen auf uns ein, die wir nicht alle verarbeiten können. Unser Gehirn hat also das Problem der Auswahl: Was von dem vielen soll weiter beachtet und verarbeitet werden und was kann es getrost übergehen? Es braucht daher ein Modul, das bewertet und vergleicht. Solange alles nach Plan läuft… tut das Modul nichts. Geschieht jedoch etwas, das besser ist als erwartet, dann feuert das Modul, so dass wir uns dem Erlebnis zuwenden und die Informationen besser verarbeiten. Das Wichtigste: Wir lernen besser. Auf diese Weise lernen wir langfristig alles, was für uns gut ist …

Auf andauerndes Glücklich-sein ist das Modul gar nicht angelegt. Vielmehr darauf, dass wir dauernd nach dem streben, was für uns gut ist! Beim Modul unseres Gehirns, das für Glückserlebnisse zuständig ist, geht es also nicht um andauerndes Glück, es geht vielmehr um dauerndes Streben. Dabei kann man eine Menge für sein Glück tun. Man muss nur wissen, was und was nicht. Glück hängt also durchaus mit Wissen zusammen, dem Wissen, was man tun kann, um glücklich zu sein“ (Spitzer, 23ff.).

Glücksgefühle gehen also nach den Forschungen der Neurobiologie auf biochemische und elektrische Impulse zurück. Dopamin wird als das Glückshormon bezeichnet, das in Verbindung mit Noradrenalin und β-Endorphin uns dazu bringt, die Dinge zu tun, die uns glücklich machen (Belohnungssystem). „Dabei wirkt Dopamin wie ein Scheinwerfer, der unsere Aufmerksamkeit auf alles denkbar Angenehme, Erfreuliche und Vergnügliche lenkt, bündelt und uns vorwärts, voran, hin zur Erreichung unserer Ziele treibt.“ Der Mangel an Dopamin verursacht Antriebs-, Interessen- und Lustlosigkeit und in der Folge kommt es zu depressiven Verstimmungen. So ist Dopamin „der maßgebliche Botenstoff zur Beschaffung aller Arten von Belohnungs- und ‚Glückshappen‘. Ein erhöhter Dopaminspiegel in den Synapsen ist deshalb mit allem Angenehmen, Erfreulichen und Vergnüglichen und ein zu niedriger Dopaminspiegel mit chronisch schlechter Stimmung, mittelschwerer und schwerer Depression untrennbar eng miteinander verbunden“ (Hornung, 45f.).

Serotonin ist eine Gewebshormon und Neurotransmitter, das für unsere innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit verantwortlich ist. Es hellt unsere Grundstimmung, unser Lebensgefühl auf und sorgt dafür, dass unser Nervensystem auf alles gelassener reagieren kann. Vor allem vermindert Serotonin unsere Angstgefühle und wird von Neurobiologen als „Well-Being“ oder als Botenstoff des Wohlbefindens bezeichnet.

Noradrenalin wird als Hormon in den Nebennieren produziert und ins Blut abgegeben. Es ist der Neurotransmitter im Zentral- und im sympathischen Nervensystem. Noradrenalin wirkt über alpha- und beta-Rezeptoren auf die Zielzellen ein. Es ist z.B. verantwortlich für die Aktivierung unseres Organismus und motiviert uns, das Erfreuliche und Angenehme in unserem Leben zu sehen und zu besorgen. Noradrenalin ist weiter für die Gedächtnisbildung, die Schlaf-Wach-Regulation und die körpereigene Schmerzhemmung wichtig und wird als Arzneistoff verwandt. „Ein chronisch zu niedriger Noradrenalinspiegel in den Synapsen des Noradrenalinsystems ist dagegen die zweite neurobiologische Ursache der Depression“ (Hornung, 60f.).

Endorphine sind Botenstoffe des Gehirns, können aber auch Hormone sein, die im Hypothalamus produziert und in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden. Sie sind eine Sammelbezeichnung für „eine Gruppe selbstproduzierter Neuropeptide, die im Gehirn aufgebaut werden und Rezeptoren für Morphin und andere Opioide kontaktieren und aktivieren (…) Ihre stark schmerzlindernde Wirkung gleicht der des Opiums der Mohnpflanze. Aber auch wenn wir Stress empfinden und leiden, werden Endorphine ausgeschüttet. Schließlich ist eine erhöhte Endorphinausschüttung mit Trance, Dämmerzustand und genießender Glückseligkeit, aber auch mit schmerzfreier Geburt und dem ‚Runner high‘ (dem angeblichen ‚Hoch‘-Gefühl der Jogger) verbunden“ (Hornung, 62f.).

Zu erwähnen ist noch das Hormon Oxytocin, das aus dem Griechischen übersetzt „Schnelle oder leichte Geburt“ heißt und eine wichtige Bedeutung beim Geburtsprozess hat. Als ein Neuropeptid wird es in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) zwischengespeichert und in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Es stärkt das zwischenmenschliche Vertrauen und Zusammenleben sowie die partnerschaftliche Risiko- und Kooperationsbereitschaft. „Liebe, Sex und Treue sind eng miteinander verbunden und Oxytocin ist an der Regulierung der mit ihnen deckungsgleich einhergehenden Gefühle beteiligt. Ohne Oxytocin im Gehirn gibt es kein Verliebtsein, keine Zärtlichkeiten und keine Partnertreue. Vor allem aber würde eine der wichtigsten Voraussetzungen für alles menschliche Miteinander fehlen: zwischenmenschliches Vertrauen. Wegen seiner komplexen Auswirkungen auf menschliche Beziehungen wird Oxytocin deshalb manchmal auch das ‚Vertrauens-, Kuschel-, Liebes-, Treue- und Sexhormon‘ genannt“ (Hornung 64f.).

Mehr Informationen über die jüngsten Ergebnisse der Psycho-Neurobiologie finden Sie im 2. Kapitel über „Die Bedeutung der Kindheit für ein geglücktes Leben“.

2. Das Schicksal oder ich – wer bestimmt mein Glück?

Bevor wir die Frage nach dem Glück stellen, wie man glücklich wird und was ein geglücktes Leben ausmacht, müssen wir klären, ob wir überhaupt unser Glück bestimmen können oder ob wir dem Glück bzw. dem Unglück nicht ausgeliefert sind. Kann ich tatsächlich mein Leben selbst bestimmen und in Freiheit Entscheidungen treffen? Bin ich nicht wie alle Menschen den globalen Schicksalsschlägen wie Erdbeben, Tsunamis, Unfällen in Atomkraftwerken, Sturmfluten, Terroranschlägen oder Kriegen mit ihren Folgen ohnmächtig ausgeliefert? Oder muss ich nicht auch im privaten Leben Krankheiten, Unglück, Missbrauch, Hass, Krisen und anderes über mich ergehen lassen? Schlägt das Schicksal nicht einfach willkürlich zu, ohne dass ich etwas dagegen oder dafür tun kann?

Zunächst stellt sich die Frage, was wir unter „Schicksal“ und „Freiheit“ verstehen.

„Schicksal wird in der Regel als etwas verstanden, das sich einfach ereignet, das uns zugemutet wird, das über uns herfällt. Wir sind ihm ausgesetzt, können nichts dagegen tun. Für den einen ereignet es sich ohne einen bestimmten Grund. Für einen anderen geht es auf den Einfluss einer höheren Macht oder von höheren Mächten zurück, die geheimnisvoll, undurchschaubar auf unser Leben einwirken. Die menschliche Freiheit scheint (…) angesichts des Schicksals wie ausgelöscht, hat keine oder kaum eine Chance, zum Einsatz zu kommen oder muss vor dem Schicksal kapitulieren“ (Müller, 10f.).

Im Altertum wird dieses Schicksal „fatum“ genannt, ein anonymes Etwas, das willkürlich ohne Gründe auf jedes Leben einwirkt. Dieses Verständnis von „Schicksalsschlägen“ ist meist mit tragischen Ereignissen verbunden, die unausweichlich und unwiderruflich über uns kommen, Gegebenheiten, in die wir hineingeboren oder -geworfen werden, ohne dass wir eine Möglichkeit der Abwehr oder des Eingreifens hätten. Diese Auffassung vom blinden Schicksal kommt im englischen „Fate“ zum Ausdruck.

In unserer Zeit begegnen wir dieser Weltanschauung u. a. im Determinismus von Sigmund Freud oder bei dem Begründer der existentiellen Psychotherapie Irvin Yalom und seinen Schülern. Für sie sind wir Menschen ein Zufallsprodukt: „Das Leben im Allgemeinen und unser menschliches Leben im Besonderen ist aus Zufallsereignissen entstanden. (…) Wir sind auf uns allein angewiesen, und so hängt es ausschließlich von uns ab, was wir aus unserem Leben machen und wie wir es gestalten“ (Yalom, 2010, 193f.). „Aus deterministischer Sicht sind die Bewegungen des menschlichen Willens nicht frei im Sinn der Wahlfreiheit, sondern im Voraus zu dieser Freiheit durch von außen einwirkende Motive oder von inneren Ursachen (psychischen Zuständen) eindeutig festgelegt“ (Vorgrimler, Neues theologisches Wörterbuch, 2000, 127).