Cadwell und die Banditenstadt: Harte Western Edition

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Cadwell und die Banditenstadt: Harte Western Edition
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Heinz Squarra

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Inhaltsverzeichnis

  Cadwell und die Banditenstadt: Harte Western Edition

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Cadwell und die Banditenstadt: Harte Western Edition

Western von Heinz Squarra

Der Umfang dieses Buchs entspricht 131 Taschenbuchseiten.

Mike Cadwell hat zwei Jahre in seiner Goldmine geschuftet und nun ist die Ader erschöpft. Also beschließt er, sein Gold zu nehmen und nach Texas zu ziehen. Mike bittet Russ Okland, ihn auf seinem Weg nach Texas zu begleiten. Als die beiden von Banditen überfallen werden, können sie ihr Lager zwar verteidigen, doch Mike wird schwer verwundet. Okland hilft ihm nicht. Ohne Pferd und Verpflegung lässt er ihn zum sterben zurück, nimmt das Gold und verschwindet. Doch Mike überlebt und nimmt die Verfolgung auf.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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1

Am Rio Penasco, dicht am Fuße der Capitan Mountains in New Mexiko, standen drei jämmerliche, windschiefe Hütten, denen Mister Dayton seinen Namen gegeben hatte. Es war ein Saloon, ein Store und ein Mietstall. Mister Dayton war der einzige ständige Bewohner seines Ortes. Die Männer, die sonst auftauchten, verschwanden immer schnell wieder. Es kamen Goldsucher aus der Umgebung und Banditen, denen es in zivilisierten Gegenden zu heiß geworden war. Die Goldsucher kehrten stets schnell zu ihren Claims in den Bergen zurück, wenn sie ihre Einkäufe getätigt hatten und ihr Durst gestillt war, und auch die Banditen verzogen sich immer schnell, denn in Dayton gab es weder etwas zu rauben, noch andere Abwechslungen, wie sie die gesetzlosen Elemente liebten.

An diesem Tage war in Dayton allerhand los. Aus dem Saloon dröhnte wildes Lachen auf die Straße und am Rande des Stepwalks lag ein Betrunkener, den der resolute Wirt bereits aus seiner Schenke befördert hatte.

Vom Mietstall kam ein Mann, der drei ledige Packpferde hinter sich herzog. Es war Mike Cadwell, ein großer Mann mit blonden Haaren und breiten Schultern. Der Mann ging an dem Betrunkenen vorbei und band die Zügel seiner Pferde an den Holm. Er trat auf den Stepwalk und wollte eben durch die Tür, als ein schmaler Junge herausgeflogen kam und an seiner Brust landete.

Mike Cadwell wurde einen Schritt zurückgeschleudert. Der Bursche krachte auf die Bohlen, stand dann auf und schüttelte die Benommenheit von sich ab.

„Sie!“, fauchte er wütend. „Ich werde Ihnen einheizen!“

Er schien noch nicht richtig klar zu sehen, denn er hielt Mike für seinen Gegner. Gleich holte er auch aus und schlug zu.

Mike erkannte die Absicht des Jungen sehr spät. In letzter Sekunde drehte er sich zur Seite und so ging der Schlag an seinem Kinn vorbei und traf die Schulter.

Das war für Mike zu viel. Er packte den Burschen einfach am Kragen, hob ihn hoch und schleuderte ihn über die Hälse der Pferde hinweg. Der Junge krachte auf die Straße, rollte noch zweimal um sich selbst und blieb dann stöhnend liegen, Mike ging in den Saloon. Der Raum war halbdunkel und wie alle Saloons des Westens roch es auch hier nach kaltem Rauch und billigem Fusel.

An der Theke lümmelten drei Gestalten und im Raum standen zwei weitere Männer.

„Doc“, sagte eben der eine zu seinem Kumpan. „Dieses Nashorn hat Howdy auf die Straße geworfen. Geh und gib es ihm.“

Der mit Doc angesprochene Mann war ein klotziger Kerl mit einem zerhackten Gesicht und Händen, die mit Schaufeln konkurrieren konnten. Der Mann war betrunken und sein Kopf pendelte stark hin und her. Jetzt setzte er sich in Bewegung und kam direkt auf Mike zu.

Mike tat der Mann fast leid. Er wusste, dass er nicht mehr geradeaus sehen konnte und demzufolge kaum eine Chance hatte.

Die Männer an der Bar blickten angespannt herüber und beleckten ihre Lippen. Banditen, dachte Mike, die etwas sehen wollen. Nun gut, sollen sie ihren Spaß haben.

Inzwischen war der Doc heran, senkte den kantigen Schädel und stieß ein tierhaftes Brummen aus.

„Komm, Stranger“, lallte er. „Ich werde dir eine Lektion erteilen!“ Gleichzeitig schwang er die Fäuste wie Schmiedehämmer.

Mike wich nach der Seite aus und der Klotz taumelte an ihm vorbei. Er krachte gegen einen Tisch, stieß diesen um und drehte sich schwerfällig in die neue Richtung. Sein Brummen wurde noch tiefer.

Die Männer an der Bar lachten schallend.

Mike war plötzlich im Rücken des Doc. Er hätte ihn jetzt leicht überwinden können, aber es lag ihm nicht, einen Mann auszuschalten, der im Moment fast wehrlos war. So wartete er geduldig, bis sich der Doc erneut gedreht hatte.

Und da sah der Doc sein Opfer dicht vor sich und schlug zu. Der Schlag kam hart und erbarmungslos, und er traf Mike in der Hüfte.

Mike krümmte sich leicht zusammen, dadurch entging er dem zweiten Schlag, der auf seinen Kopf gezielt war. Sekundenlang hing der Mann über ihm. Die Wucht des fehlgegangenen Schlages hatte ihn mitgerissen.

 

Mike schüttelte den Burschen ab, zielte dann nach der Kinnspitze seines Gegners und holte einen Schlag tief aus der Schulter.

Ein dumpfes Krachen kam aus dem Munde des Doc. Mike ließ ihm keine Zeit. Er setzte eine Gerade aufs Ohr seines Gegners, eine zweite auf das linke Auge und dann einen mächtigen Kinnhaken in die Bartstoppeln.

Der Doc wankte zurück, flog halb über den Tisch und hing sekundenlang schräg über der schimmernden Platte. Mike packte nach den Beinen, schob kräftig nach und schon flog der Mann über die Platte und krachte auf der anderen Seite zwischen die Stühle.

Holz splitterte, der Doc stöhnte, und dann fluchte der Wirt.

Mike wollte sich umdrehen, aber da waren die restlichen vier Männer über ihm.

Was nun folgte, war selbst für einen Mann von Mike Cadwells Format hart. Aber so schnell gab er nicht auf. Die Fäuste trommelten von allen Seiten auf ihn ein und der üble Atem der Männer nahm ihm fast die Luft.

Mike sah unter halbgesenkten Lidern eine schwache Stelle. Er fegte den Mann vor sich aus dem Wege und hechtete vorwärts.

Er landete unter einem Tisch. Schnell kroch er weiter, kam auf der anderen Seite hoch und blickte sich um.

Die Männer waren schon wieder heran.

Da nahm Mike einen Stuhl auf und wirbelte diesen über seinem Kopf. Zwei der Männer wurden getroffen und gingen ächzend zu Boden.

Nun war Cadwell richtig warm geworden. Er warf den Stuhl achtlos zur Seite und fegte den Tisch aus dem Weg. Dem einen Burschen rammte er die Faust in den Magen, dass er zurücktaumelte, und den anderen packte er am Hemd, hob ihn hoch und feuerte ihn wie einen Ball über die Theke.

Aber da war der Mann von links wieder heran. Er schlug Mike nach der Hüfte, rutschte aber halb ab. In seinem Gesicht explodierte dafür ein Schwinger, der ihn für mindestens eine Stunde außer Gefecht setzte.

,,Du Hund!“, zischte einer der am Boden liegenden Kerle.

Mike hörte den gefährlichen Unterton aus der brutalen Stimme. Er fuhr auf dem Absatz herum, sah, dass der Mann nach dem Colt fingerte und riss mit einer blitzschnellen Bewegung seine eigene Waffe heraus. Mit einem schnellen Schnappen des Handgelenkes warf er den Colt.

Der Kerl schrie auf. Die eben gezogene Waffe landete auf den schmutzigen Dielen.

Plötzlich krachte ein Schuss.

Mike fuhr erneut herum.

Vor der Bar lag ein Mann, der eben haltlos in sich zusammenrutschte. In seine Stirn war eine Kugel gefahren. Er hielt einen gespannten Colt in der Hand und dieser fiel nun auf den Boden.

Mike blickte hoch.

An der Schwingtür stand ein mittelgroßer Bursche mit wuchtigen Schulterblättern und mattschwarzen Haaren, die unter dem Hutrand hervorquollen. Auch dieser Mann hielt einen Colt in der Hand und diese Waffe hatte den tödlichen Schuss abgegeben.

„Er wollte Ihnen ans Leder, Fremder“, sagte der Mittelgroße lässig. Er schob seinen Revolver ins Halfter und kam näher.

„Danke“, sagte Mike mit belegter Stimme. „Wahrscheinlich haben Sie mir das Leben gerettet.“

„Ja“,brummte der Mann, „das habe ich.“

Der Wirt kam um die Theke herum und betrachtete das Durcheinander.

„Sie werden diesen Schaden bezahlen!“

„Dayton“, erwiderte Mike, „Sie brauchen dringend eine Brille. Nicht ich habe diesen Kampf angefangen, sondern diese Gents.“ Dabei zeigte er auf die am Boden Liegenden.

Da kam der Doc auf die Beine, schüttelte sich und taumelte auf die Theke zu. Lange starrte er Mike an, dann sagte er:

„Dafür werde ich dir die Ohren zerschneiden, Sonny!“

„Schlafe besser deinen Rausch aus“, gab Mike zurück, „und dann verschwinde aus der Gegend.“

„Wer bezahlt nun den Schaden?“, rief der Wirt.

Der Doc schüttelte sich wieder.

„Halt dein Maul, du fetter Hund“, grölte er. „Wenn du noch lange jammerst, dann werden wir den lächerlichen Schuppen in die Luft jagen.“

Mike ging an die Theke und der Fremde stellte sich neben ihn.

„Wir trinken zwei Whisky“, verlangte Mike Cadwell.

Fluchend verschwand der Wirt hinter der Theke und schenkte zwei Gläser ein. Es war nicht das erste Mal, dass Rowdys seinen Saloon in Trümmer schlugen. Er zog es anscheinend vor, nicht mehr darüber zu reden.

Mike trank dem Fremden zu. Der Mann war keineswegs sein Geschmack, denn er hatte irgend etwas Hinterhältiges an sich. Aber in Dayton konnte man nicht wählerisch sein, und außerdem hatte der Fremde ihm mit ziemlicher Sicherheit das Leben gerettet.

„Ich bin Mike Cadwell“, sagte er. ,,Ich bin Ihnen wirklich sehr verbunden. Falls sie einen Job suchen, wüsste ich etwas für Sie.“

Der Fremde hob sein Glas, trank und setzte es dann langsam auf die Theke.

,,Soo — “, dehnte er. „Nun, ich bin Russ Okland — lassen Sie hören, vielleicht gefällt mir die Story.“

„Ich könnte einen Mann brauchen, der mir hilft, eine Goldladung nach Texas zu bringen. Der Weg ist weit und beschwerlich. Ich möchte mit drei Lasttieren nicht allein ziehen, denn die Berge sind gefährlich und in der Prärie gibt es mehr Banditen als Wölfe.“

Okland trank noch einen Schluck. Er gab sich gelassen, als würde die Geschichte ihn wenig interessieren. „Wie ist die Bezahlung?“

„Nun, zweitausend Dollar.“

Russ Okland pfiff durch die Zähne. „Sie haben viel Gold gefunden?“

„Ich habe zwei Jahre in den Capitan Mountains gehaust. Well, ich hatte Glück.“

Okland trank sein Glas aus und schob es über die Theke. Er drehte sich eine Zigarette und schien nachzudenken. Dann sagte er:

„Eigentlich wollte ich nach Arizona, aber ein derartiges Angebot kann ein Mann wohl nicht ausschlagen. Zweitausend Dollar. Teufel, dafür muss ein Boy unter normalen Bedingungen einige Jahre arbeiten, Well, Cadwell, ich bin Ihr Mann!“

2

Genau einen Tagesritt westlich von Dayton hatte Mike Cadwell sein einsames Camp in den Capitan Mountains. Es war nicht mehr als eine kleine Hütte, die roh aus Stämmen zusammengefügt war. Durch die Ritzen pfiff im Sommer der Staub und im Winter der Schnee.

Zwei volle Jahre hatte Mike Cadwell hier gelebt. Hin und wieder war er nach Dayton geritten und hatte seine Vorräte aufgefrischt, sonst war er immer auf seinem Claim gewesen und hatte das funkelnde Metall aus der harten Erde geholt.

Russ Okland nahm die Goldbrocken mit Kennermiene in die Hand und wog sie abschätzend.

„Eine mächtige Ader“, sagte er anerkennend.

Sie packten die Brocken in Ledersäcke und luden diese auf die Rücken der Packpferde.

„Ich schätze den Wert auf einhunderttausend Dollar“, fuhr Okland fort.

„Yeah, das kann sein“, sagte Mike. „Okland, sehen Sie doch mal nach, ich glaube, das Teewasser kocht.“

Okland ging in die Hütte und Mike schnallte die letzten Säcke fest. Er war kaum fertig, als er Hufschlag hörte.

Okland stand an der Tür.

„Wir bekommen Besuch“, sagte er.

Um eine Felsnase bogen drei Reiter und hielten an. Es waren die Rowdys aus Daytons Saloon — nur einer fehlte, der Doc.

Die Burschen stiegen von ihren Mustangs und kamen langsam heran. Sie hielten die Hände an den Colts und zeigten grimmig entschlossene Gesichter.

„Haben wir euch gerade noch erwischt?“, fragte einer und schob sich etwas aus der Reihe seiner Kumpanen. „Hoh, dieses Gold trailt mit uns — nicht mit euch.“

Und schon hatte er seinen Colt aus dem Halfter und schoss.

Die Kugel jagte heran, zupfte Mike an der Schulter und knallte dann in die Wand der Hütte. Holz splitterte, und dass Moos fiel aus den Fugen.

Mike und Russ warfen sich geistesgegenwärtig zu Boden und zogen ihre Waffen. Die Pferde wieherten und brachen nach den Seiten aus.

Zirpend flogen die Geschosse hin und her. Sie klatschten in die Hüttenwand und prallten gegen die Felsen. Sirrend zischten Querschläger durch den Felskessel.

Der vorderste Bandit wurde in die Brust getroffen und gegen den Felsen geschleudert. Langsam brach er zusammen und lag dann verrenkt zwischen mannshohen Steinen.

Mike wollte sich nach der Seite schieben, als eine Kugel ihn traf. Er fühlte einen heißen Stich in der Brust, presste die Hand auf das Hemd und merkte, wie es warm und klebrig wurde. Blut!, durchzuckte es ihn. Und schon begannen sich seine Sinne zu verwirren.

Der links liegende Bandit sprang vor Freude hoch und stieß einen jubelnden Laut aus.

Mike biss die Zähne zusammen, dass es knackte. Er sah den Mann durch die Nebel, die seinen Blick bereits verdunkelten. Mit übernatürlicher Anstrengung riss er den Colt hoch und drückte ab. Der Bandit schrie wild und brach über einem Stein zusammen.

Russ Okland lag in der Hütte, nahe der Tür und spähte hinaus.

„Noch einer“, murmelte er dumpf. Er stand auf und holte Mikes Winchester aus einer Ecke. Als er wieder an die Tür kam, zog sich der Bandit gerade in den Sattel und suchte sein Heil in der Flucht.

Russ Okland legte kalt an. In seiner Hand zuckte die Waffe im Rückstoß.

Der Bandit war genau zwei Pferdelängen gekommen, als sich die Kugel in seinen Rücken bohrte. Er wollte schreien, aber der Laut erstarb auf seiner Zunge. Langsam kippte er zur Seite. Als er die harte Erde erreichte, war er bereits tot.

3

Russ Okland stellte das Gewehr ab und kam langsam aus der Hütte. Er blickte auf die Toten, dann auf die Packpferde und grinste breit.

Plötzlich stöhnte Mike Cadwell.

Russ Okland ging zu ihm und drehte ihn auf den Rücken. Mike war ohne Bewusstsein.

„Du wirst hier sterben, Sonny“, sagte Okland hämisch. Er riss das Hemd des Verletzten auf und betrachtete die Wunde.

„Vielleicht könnte ein guter Arzt die Kugel herausholen — aber warum? Zweitausend Dollar, haha. Ich nehme die ganze Ladung, Freundchen, die ganze Ladung! Verrecke du hier — was kümmert es mich! Ich bin nicht dein Mörder — nein, der bin ich nicht. Wenn ich dir kein Pferd hier lasse, dann nur, dass der Gaul nicht neben dir verendet, denn selbst wird er kaum einen Weg aus dieser Wildnis finden.“

Russ Okland stand auf und fing die Pferde der Banditen ein. Er sattelte sein eigenes Pferd, zog Mikes Mustang aus dem angebauten Stall und halfterte alle Pferde mit langen Lassos aneinander. Die Packpferde hatte er ganz vorn.

„So long, Amigo!“, rief er, und sein gemeines Lachen hallte von den Felsen wider.

Dann ließ er die Zügel locker und trabte an. Er verließ den Felsenkessel durch einen schmalen Canyon, der sich weiter unterhalb, wie ihm Mike berichtet hatte, wieder mit der Hauptschlucht vereinigte.

4

Mike erwachte spät am Abend. Bleich und verwirrt blickte er um sich. Er fühlte den höllischen Schmerz in der Brust und sank stöhnend zurück. Die Wunde hatte sich verkrustet, aber nun brach sie erneut auf.

Ich muss in die Hütte, dachte Mike mit einem letzten Rest Klarheit. Ich muss in die Hütte, sonst gibt mir die raue Nachtkälte den Rest.

Und so versuchte er es wieder und wieder und schließlich kam er zitternd und ächzend auf die Beine und schleppte sich an der Wand entlang bis in die Hütte. Hinter der Schwelle brach er in die Knie und die fallenden Nebelschleier griffen erneut nach ihm. Er riss allen Lebenswillen zusammen und tatsächlich schaffte er es bis zu einem Felllager. Mike rollte sich darauf und war sofort wieder bewusstlos.

Als er wieder erwachte, war es heller Tag. Er war noch bleicher geworden und seine Wangen noch mehr eingefallen, aber davon wusste er nichts. Müde suchten seine Augen den Raum ab.

Saß nicht ein Mann am Tisch?

Mike hob die Hand und wollte über die Augen wischen, aber der Arm sank kraftlos zurück.

„Bleib ruhig liegen, Sonny“, sagte der Mann am Tisch und stand langsam auf. Nun erkannte Mike, dass es der Doc war.

„Ich habe dir die Kugel herausgeholt, Stranger“, sagte der Doc. Eigentlich war ich gekommen, um die Sache von Daytons Saloon zu wiederholen. Ich war damals nicht besonders in Form, verstehst du. Nun, diesmal hattest du einen schlechten Tag. Übrigens scheint dein Partner durchgegangen zu sein. Howdy hat auf dich geschossen, ich erkannte es am Kaliber. Nur Howdy trägt einen 48er Colt, sonst schleppt sich keiner mehr mit solchen Mordinstrumenten ab. Ihr habt die Burschen sauber abgeputzt. Vielleicht war es mein Glück, dass mein Pferd sich kurz hinter Dayton ein Bein brach und ich noch einmal zurück musste. Mag es sein wie es will, ich werde dich wieder auf die Beine bringen, denn um den Kampf mit mir kommst du nicht herum.“

 

„Sehr nett von dir, Doc. Wahrscheinlich hätte ich die Sonne nie wieder gesehen.“

„Kaum.“

„Okland ist also fort?“

„Ja, er hat alle Pferde mitgenommen. Ich ersehe daraus, dass er dir unter Umständen zutraute, bis in die Stadt zu kommen. Das ist natürlich Blödsinn, denn du wärst niemals mehr aufgewacht. Auch jetzt könntest du nicht reiten — vielleicht in zwei Wochen.“

Mike schloss die Augen wieder. Er war noch zu erschöpft, als dass er alles verstanden hätte. Nur eines war ihm klar: Russ Okland hatte alle Pferde genommen und war fortgezogen, ohne sich um ihn zu kümmern.

Der Doc nahm einen Ledereimer aus einer Ecke und ging aus der Hütte. Nach wenigen Minuten kam er zurück, der Eimer war voll Wasser. Er stellte ihn ab, fachte das Herdfeuer an und machte es sich in der Hütte gemütlich. Einmal lachte er unterdrückt und sagte leise:

„Schön an der Nase hat er dich herumgeführt, dein sauberer Partner.“ Mike erwachte erst spät am Abend wieder. Der Doc gab ihm zu essen und zu trinken, dann schlief Mike sofort wieder ein.

Am nächsten Tag sah er frischer aus.

„Bringst du mich wirklich nur auf die Beine, um mich dann wenn möglich halbtot schlagen zu können?“, fragte Mike und blickte den Doc sinnend an.

„Natürlich — was sollte ich sonst für einen Grund haben? Halte mich ja nicht für einen Menschenfreund. Ich bin ein verkommenes Subjekt, und in besseren Städten als Dayton eine ist, hält man mich für so schlecht, dass ein Schuss Pulver für mich zu schade sein soll. Ich war mal ein bekannter Arzt — ist schon lange her. Der Whiskyteufel führte mir einmal das Messer bei einer Operation. Ich schnitt einem armen Schlucker ein Stück vom Herz ab. Sei froh, dass ich gestern nüchtern war — bei dir saß die Kugel kaum einen Zentimeter unter der Herzspitze.“ Mike durchrieselte ein eisiger Schauer, obwohl er verdammt genau wusste, dass er ohne den Doc erledigt gewesen wäre.

„Seither sank ich immer tiefer“, fuhr der Doc fort. „Nicht von Stufe zu Stufe, sondern glatt hinunter, wie von einem Turm gesprungen.“

Eine Weile blieb es ruhig zwischen den Männern, die so verschieden waren. Mikes Atem ging rasselnd, und der Doc drehte sich eine Zigarette. Seine klobigen Hände ließen niemals vermuten, dass er ein Mediziner war, zumindest gewesen war.

„Und du willst keinen Versuch machen “

„Höre“, unterbrach der Doc Mike rau und kratzig. „Ich habe dir das Blei aus der Brust gelangt und du kannst mir dafür einen Gefallen tun.“

„Welchen?“

„Stelle keine Fragen.“

„Okay“, sagte Mike knapp. Dann drehte er sich auf die Seite und schlief auf der Stelle wieder ein. Am nächsten Tag war der Doc verschwunden. Auf dem Tisch lag ein Zettel.

,,Wenn du wieder fit bist, dann melde dich bei mir. Ich werde in Dayton auf dich warten.“

Mike lächelte verzerrt. Dieser Mann war ihm schleierhaft.

Nach einer Woche ging es Mike bedeutend besser. Er lief wieder im Freien herum und einmal erlegte er einen Hasen, den er über dem Herdfeuer briet. Die Wunde schmerzte und stach noch immer, aber von Tag zu Tag wurde es besser.

Nach der zweiten Woche stieg er in seinen Claim, hackte ein Loch in das harte Erdreich und legte eine Sprengpatrone an.

Die Ausbeute war mager, aber das hatte er gewusst. Die Ader war schon zu Ende gewesen, als er beschlossen hatte, das Tal zu verlassen.

Mike sammelte die kleinen Körner zusammen und füllte sie in ein Säckchen. Er blieb noch drei Tage und suchte an der erschöpften Ader. Er fand Gold, das noch zirka dreihundert Dollar wert sein mochte. Nun wusste er, dass kein Stäubchen übriggeblieben war.

„Ich werde aufbrechen“, sagte er und blickte die Wände seiner Hütte an, die keine Antwort gaben.

„Ich werde aufbrechen und den Schuft suchen, der mich um den Ertrag von zwei Jahren harter Arbeit gebracht hat. Irgendwo werde ich ihn bestimmt finden, irgendwo —.“