Selbstführung in stürmischen Zeiten

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Selbstführung in stürmischen Zeiten
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Frieder Boller

Selbstführung
in stürmischen Zeiten

Wie wir krisenfester und konfliktfähiger werden


ZU DIESEM BUCH

Manchmal gleicht unser Zusammenleben einer stürmischen See. Heftiger Wind wirbelt die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Interessen durcheinander. Respekt und Unbefangenheit im Miteinander drohen über Bord zu gehen.

Woher kommt das? Wie kann ich diesen Stürmen standhalten? Und wie manövriere ich mich selbst und andere da hindurch?

Dieses Buch hilft Ihnen, die emotionale Dynamik von zwischenmenschlichen Beziehungen besser zu verstehen – und an Krisen und Konflikten zu wachsen.

Wenn Sie dieses Buch selbst als Kursmaterial verwenden möchten, finden Sie im Anhang einen Gesprächsleitfaden für ein erstes Treffen.

Ergänzendes Material für das gesamte Buch sowie kurze Videos zu jedem Kapitel gibt es demnächst online.

PLUS Zusatzmaterial und Videos online!


IMPRESSUM

Edition Bienenberg, Band 8

Die Edition Bienenberg erscheint in Zusammenarbeit mit dem Bildungszentrum Bienenberg, Liestal/Schweiz, www.bienenberg.ch

Das Institut Compax für Konflikttransformation ist eine Fachstelle des Bildungszentrums Bienenberg, www.compax.org

Dieses Buch als E-Book: ISBN 978-3-86256-786-7

Dieses Buch in gedruckter Form:

ISBN 978-3-86256-159-9, Bestell-Nummer 590 159

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.

Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson

Umschlagbilder: Andrey Polivanov;

Aleksandrs Muiznieks/Shutterstock.com

Lektorat: Wilhelm Schneider, Wendtorf

Satz: Neufeld Verlag

Illustrationen im Innenteil: Eric Braun, Bildungszentrum Bienenberg

© 2020 Neufeld Verlag, Sauerbruchstraße 16, 27478 Cuxhaven

Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

www.neufeld-verlag.de

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INHALT

ZU DIESEM BUCH

IMPRESSUM

UNSERE WICHTIGSTE AUFGABE:

Vorwort von Thomas Härry

EINLEITUNG

KAPITEL 1: DEN KOPF – NICHT – VERLIEREN

Kein Leben ohne Angst-Spannung

KAPITEL 2: SCHLUSS MIT LUSTIG

Angst-Spannung in Aktion

KAPITEL 3: BALANCE HALTEN

Mit den Bedürfnissen nach Zugehörigkeit und Eigenständigkeit umgehen

KAPITEL 4: MEHR ALS ZWEI SIND EINE GRUPPE

Wie emotionale Dreiecksverbindungen wirken

KAPITEL 5: ASYMMETRISCHE BEZIEHUNGEN

Unterfunktionieren – Überfunktionieren

KAPITEL 6: SÜNDENBÖCKE UND WAS DAZU GEHÖRT

Konflikte besser bearbeiten

KAPITEL 7: HIER STEHE ICH

Wie Selbstführung das Beziehungssystem verändern kann

NACHWORT

ANMERKUNGEN

VERWENDETE BIBELÜBERSETZUNGEN

ZUM WEITERLESEN

ZUM AUTOR

Hier finden Sie gratis Videos zu jedem Kapitel sowie Material für Kursleitende:

https://de.bienenberg.ch/sfisz20201

Passwort: sfisz20201

UNSERE WICHTIGSTE AUFGABE
VORWORT VON THOMAS HÄRRY

Bevor die nordamerikanischen Indianer dank den Spaniern zu Pferden und Gewehren kamen, jagten sie ihre Bisons mit einem einfachen, aber effektiven Trick: Mit Geschrei und wilden Gesten versuchten sie einzelne Tiere einer Herde zu erschrecken. Gelang dies, entstand eine sogenannte Büffelpanik: Wenn in einer Gruppe von Fluchttieren auch nur ein Tier panisch wird, geht ein Ruck durch die ganze Herde. Unvermittelt setzt sie zur kollektiven Flucht an, weil sich die Furcht und der Stress eines einzelnen Tieres in Sekundenschnelle auf die anderen übertragen. Die Herde weiß nicht, wo die Gefahr lauert und ob sie real ist. Aber sobald ein Bison wahrnimmt, dass die anderen neben ihm, vor oder hinter ihm zur Flucht ansetzen, beschleunigt auch er sein Tempo. Gelang es den Indianern, eine solche Büffelpanik anzuzetteln, mussten sie nur noch eines tun: die wild nach vorne preschende Büffellawine so lenken, dass sie auf einen Abgrund zuraste. Die kopflos gewordene Herde erkannte die Gefahr nicht. Ungebremst stürmte sie auf die Klippe zu, unfähig, die Richtung zu ändern. Die Tiere stürzten in die Tiefe, wo eine andere Gruppe von Jägern auf die zerschellten Tiere wartete. Abgestürzte Bisons zu erlegen war ein leichtes Spiel …

Wo Menschen miteinander unterwegs sind, lässt sich ähnliches beobachten: In Familien, Teams, Kirchgemeinden, Organisationen, ja, in ganzen Staaten kann es vorkommen, dass sich die Anspannung und Furcht Einzelner auf ihre Mitmenschen überträgt. Verunsicherte Menschen suchen ein Ventil. In der Hoffnung, sich selbst Erleichterung zu verschaffen, suchen sie Verbündete, die ihre Bedenken teilen. Doch wer seine Angst weiterträgt, halbiert sie nicht, er verdoppelt sie. Das gilt besonders dann, wenn sich sein Umfeld davon anstecken lässt. So können innert kurzer Zeit Beziehungssysteme in einen Zustand furchtsamer Erregung geraten – die Bisonherde lässt grüßen. Die Folge sind unüberlegte, von unnötiger Hektik und Angst geprägte Verhaltensmuster. Ganze Organisationen können im daraus resultierenden Gewirr aus Mobbing, Sofortkündigungen, Aufständen, Kungeleien, Verleumdungen, eskalierenden Konflikten, Strafaktionen und Machtgebaren destabilisiert werden und sich selbst schachmatt setzen.

Doch es muss nicht so weit kommen. Das Beste, was wir Menschen angesichts entfesselter Dynamiken tun können, ist, uns selbst zu führen. Was das heißt, begann ich vor rund zwanzig Jahren zu verstehen, als ich Leiter einer größeren Kirche wurde. In den Jahren zuvor hatte diese Gemeinde einige Krisen erlebt. Schon bald war ich als Pfarrer mit mancher Unsicherheit konfrontiert, die ihre Wurzeln in der Vergangenheit hatte, aber in die Gegenwart nachwirkte. Ich suchte nach Wegen, wie ich damit (und mit einigen meiner Führungsfehler darin) besser umgehen konnte. Ich begann zu verstehen, dass der Schlüssel guten Leitens primär in meinem eigenen Verhalten lag. Ich kam immer dort nicht vom Fleck, wo ich von anderen erwartete oder gar forderte, dass sie dieses oder jenes tun oder nicht tun sollten. Und so suchte ich nach der rechten Haltung für mich selbst. Eines Tages begegnete ich dem folgenden Zitat des Managementvordenkers Peter Drucker: „Die meisten Führungskräfte werden sich in ihrem ganzen Leben nicht bewusst, dass sie nur eine Person zu führen haben, nämlich sich selbst.“ Dieser Satz öffnete mir eine Türe. Er gab mir die passende Bezeichnung für das, was ich mehr und mehr als meine Aufgabe verstand: Es geht darum, dass ich mich selbst führe. Gute Führung ist nichts anderes als die Frucht guter Selbstführung. Dieses Thema ließ mich nicht mehr los. Ich entdeckte, wie deutlich auch die Bibel über das damit verbundenen Anliegen spricht, zum Beispiel Paulus in Apostelgeschichte 20,28: Gebt acht auf euch selbst, und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als fürsorgliche Hirten eingesetzt hat … (vgl. auch Galater 6,1–5). Schon für Paulus war klar: Gute Führung beginnt bei der Führungsperson; sie beginnt mit Selbstführung.

 

Einige Zeit später besuchte ich eine vom Institut Compax für Konflikttransformation angebotene Weiterbildung auf dem Bienenberg im schweizerischen Liestal. Auch hier ging es um diese entscheidende Frage: Wie führt eine Führungskraft sich selbst inmitten des angespannten Beziehungssystems einer Organisation? Was kann sie dazu beitragen, damit sie angesichts einer sich abzeichnenden Büffelpanik nicht mitgerissen wird – und auch selbst keine verursacht? Dabei lernte ich Frieder Boller, den Autor dieses Buches, und die anderen Mitarbeitenden des Instituts Compax kennen und schätzen. Mit ihrer Vermittlung der wegweisenden Studien von Murray Bowen und Edwin Friedman, den Pionieren der Familiensystemtherapie, leisten sie im deutschsprachigen Raum eine enorm wichtige Multiplikationsarbeit. Während in vielen Organisationen und Kirchen der USA seit Jahrzehnten mit diesen Erkenntnissen gearbeitet wird, gibt es im deutschsprachigen Raum viel Nachholbedarf. Denn die in einem Beziehungssystem angewendete Selbstführung trägt wesentlich zu einer gesunden Dynamik in einer Familie, einer Gruppe oder Organisation bei. Dabei ist es besonders hilfreich, wenn die sich selbst führende Person aus den Quellen des christlichen Glaubens schöpft. Denn gute Selbstführung ist nicht so sehr ein Akt des Willens und Könnens. Sie ist Gottes Geschenk an dafür offene Menschen.

Ich freue mich deshalb außerordentlich über das vorliegende Buch von Frieder Boller. Es gehört in die Hand jeder Führungsperson, egal, ob sie ein Team führt, in einer Kirche oder in der Wirtschaft tätig ist. Genauso empfehle ich dieses Buch allen Eltern, Erzieherinnen und Erziehern. Ich hoffe, dass angehende Lehrkräfte und Leitungspersonen sich bereits in ihrer Ausbildung gründlich mit den hier präsentierten Inhalten auseinandersetzen. Besonders freut es mich, dass dieses Buch zur Erarbeitung in Gruppen ermutigt und mit Vertiefungsmöglichkeiten im Internet verknüpft ist. Damit wird das Thema anschaulich und praktisch erschlossen.

Deshalb: Lassen Sie sich von diesem Buch inspirieren! Lernen Sie Wege kennen, inmitten einer Büffelpanik Gott zu vertrauen und besonnen zu bleiben. Lernen Sie, sich selbst zu führen und gerade damit anderen zu geben, was sie am meisten brauchen: Orientierung und gelassene Präsenz.

Aarau, im Frühjahr 2020

Thomas Härry

Autor (Von der Kunst, sich selbst zu führen,

Die Kunst des reifen Handelns u. v. m.), Berater von Führungskräften und Dozent am TDS Aarau, HF Kirche und Soziales.

„Wenn die Wurzeln tief sind, braucht man den Wind nicht zu fürchten.“

Aus China

EINLEITUNG

Im Zusammenleben von Menschen kommt gelegentlich heftiger Wind auf. Er bestürmt die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Interessen, zerzaust die gesitteten Umgangsformen und unbefangenen Verhaltensweisen. Aus Gegenwind wird Wirbelwind. Der hat nicht nur mich selbst erfasst, sondern auch andere. Der wirbelt die Verhältnisse durcheinander.

Wie kommt das? Woher kommt das? Wie kann ich dem standhalten? Was sind Wurzeln, die mich einerseits halten und mir andererseits den unersetzbaren Bewegungsraum geben? Anders gefragt: Wie kann ich im Durcheinander eines Miteinanders besser mit mir und anderen klarkommen? Davon handelt dieses Buch.

Den Anstoß, mich mit dieser Thematik näher zu befassen verdanke ich zunächst einmal einem massiven Konflikt zwischen zwei Gruppen innerhalb einer Gemeinde, in der ich vor 30 Jahren Pastor war. Kommunikations- und Mediationsmethodik zu kennen war das eine. Aber die im Hintergrund wirkende Beziehungsdynamik zwischen Menschen besser verstehen zu lernen das andere. Eine hilfreiche Sicht eröffnete mir vor zwanzig Jahren das Kennenlernen der systemischen Ansätze von Murray Bowen (Psychiater und Psychotherapeut) und Edwin Friedman (Rabbi und Familientherapeut).

Dass ich selbst der einzige Mensch bin, den ich ändern kann, ist eine Binsenwahrheit. Und dass wir Menschen in unseren Beziehungen wie in einem Mobile miteinander verbunden sind und uns daher gegenseitig beeinflussen – zum Guten wie zum Schlechten – ist ebenso bekannt. Der im Rahmen meiner damaligen Fortbildung am Lombard Mennonite Peace Center (Chicago, USA) entstandene systemische Blick hilft mir, besser zu begreifen, was es heißt und wie das funktionieren kann, mit Spannungen umzugehen, konfliktfester zu werden und Veränderungen bewirken zu wollen – egal ob in der Partnerschaft, der Familie, einem Team, einer Organisation oder einer Gemeinde. Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Mein Beitrag für konstruktive(re) und konfliktfeste(re) Beziehungen besteht am besten darin, wenn ich

mich auf mein Denken, Fühlen und Handeln konzentriere anstatt auf das, was andere (nicht) tun oder tun sollten oder wie sie nach meiner Meinung sein sollten;

intensiv und ehrlich versuche, mir darüber klar zu werden, was ich will, was mir wichtig ist, was ich kann, woran ich glaube, wofür ich stehe – und nicht so sehr darüber, wie ich die Beziehung angenehm und störungsfrei halten kann;

von mir rede anstatt von anderen: „Ich meine …, ich glaube …, ich möchte …“ anstatt: „du bist …, du solltest …, andere sagen auch …“. Und ebenso andere ermutige, auch von sich selbst zu sprechen;

aus meinen Überzeugungen heraus entscheide und handle, weil besonnenes Handeln, welches in eigenen durchdachten Überzeugungen wurzelt, effektiver ist als jede besorgte Bemühung, andere zu etwas zu bewegen (was sie vielleicht gar nicht wollen);

Angst-Anspannungen aushalte und anhalte. Ich finde und übe Möglichkeiten ein, Angst-Spannungen nicht weiterzugeben, sondern ihren Kreislauf zu unterbrechen (Sie kennen das Wort Angst-Spannung nicht? Im ersten Kapitel erzähle ich Ihnen, was ich mit dieser Wortschöpfung genau meine);

im Kontakt bleibe mit dem/der/den anderen und meinen Impuls beherrsche, mich zurückzuziehen, wenn jemand ärgerlich oder wütend auf mich ist oder mit mir nicht übereinstimmt;

bete, und zwar regelmäßig, weil es mir hilft, mit meiner eigenen Emotionalität besser umzugehen, gelassener zu werden, klare Gedanken zu fassen, und es mich unabhängiger von anderen Menschen werden lässt. Es lässt mich wachsen in einer in Gott verwurzelten Eigenständigkeit, sodass ich ich selbst sein kann.

Diese Aufzählung1 umreißt den Inhalt dieses Buches. Sie macht gleichzeitig deutlich: Dieses Buch will dazu beitragen, dass Sie persönlich darin wachsen, eigenständig und verbunden zugleich zu leben und Beziehungen konstruktiv und konfliktfest zu gestalten.

Das Praxisbuch mit Extras
Vertiefungsfragen

Das Buch zu lesen ist gut. Wesentlich wird sein, den Vertiefungsfragen in den einzelnen Kapiteln nachzugehen und entsprechende Erkenntnisse für sich einzuüben.

Gesprächsstoff

„Einzeln sind wir Worte, zusammen ein Gedicht!“ (Georg Bydlinski). Nutzen Sie die Anregungen der Kapitel fürs Gespräch und einen Erfahrungsaustausch mit ein paar Weggefährten.

Die Weisheit der Gruppe bietet allen Beteiligten eine wertvolle Horizonterweiterung. Und mit gemeinschaftlicher Motivation geht das Einüben von Einsichten leichter und effektiver. Dazu bieten sich verschiedene Möglichkeiten an:

Suchen Sie sich eine oder mehrere Personen und treffen Sie sich in Abständen privat zum Austausch. Bilden Sie eine Lerngruppe oder bieten Sie in Ihrer Kirchengemeinde oder Organisation einen Kurs an, in dem Sie das Buch als Kursmaterial verwenden. Bearbeiten Sie die Kapitel in einem der Teams, zu denen Sie gehören. (Einen Gesprächsleitfaden für ein erstes Treffen finden Sie im Anhang.)

Für Kursleitende stellen wir zusätzliches Material bereit: Unseren Kurs-Leitfaden für alle Kapitel finden Sie kostenlos auf unserer Website (siehe unten). Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Erfahrungen mit dem Kurs mit uns teilen! Loggen Sie sich dazu auf der Webseite in den Bereich für Kursleitende ein.

Videos

Mit diesem Buch erhalten Sie einen Online-Zugang zu kurzen Videos, die wir zu jedem Kapitel anbieten. Diese fassen die wichtigsten Inhalte eines Kapitels zusammen und ergänzen sie mit weiteren Beispielen. Auf unserer Website mit Zusatzmaterial und Videos finden Sie auch Tipps, wie Sie diese Videos einsetzen können. Darüber hinaus gibt es dort weitere Infos und Anregungen zum Thema.

Hier finden Sie gratis Videos zu jedem Kapitel sowie Material für Kursleitende:

https://de.bienenberg.ch/sfisz20201

Passwort: sfisz20201

Dieses Buch ist aus dem Seminar- und Coachingangebot des Instituts Compax für Konflikttransformation am Bildungszentrum Bienenberg in Liestal, Schweiz, erwachsen. Dort habe ich gemeinsam mit Madeleine Bähler und Marcus Weiand die Thematik in Seminaren mit Titeln wie „Mit kühlem Kopf durch heiße Themen“, „Konflikte haben System“, „Wirkungsvolle Selbstführung“ entfaltet. Als Modul wurde dieser Ansatz auch aufgenommen in die vom Bildungszentrum Bienenberg und der Universität Freiburg/Schweiz gemeinsam angebotene berufsbegleitende CAS-Weiterbildung zum Konfliktberater.

Gute Erfahrungen und Gottes Segen wünschen wir Ihnen auf Ihrem Weg, im Durcheinander eines Miteinanders besser mit sich und anderen klarzukommen.

Dank

An dieser Stelle geht ein erster Dank an Richard Blackburn, Leiter des Lombard Mennonite Peace Centers, der herausfordernd, ermutigend und freundschaftlich wesentlich zu meiner Horizonterweiterung beigetragen hat. Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die Freundschaft und Zusammenarbeit mit wunderbaren Menschen: Madeleine Bähler und Marcus Weiand. Ihr Engagement, ihre Weisheit und Kompetenz sowie gute Laune und kritische Fragen sind nicht nur in den Text dieses Buches eingeflossen, sondern auch in den gemeinsam geleisteteten Aufbau des Instituts Compax für Konflikttransformation. Ein Dank für treffsichere, kritische, kluge Anmerkungen beim Durchlesen des Manuskriptes gilt auch Kirsten Weber-Obst und Anne Boller sowie Eric Braun, der mich zudem in den Video-Aufnahmen zu den Kapiteln mit heiterer Gelassenheit angespornt hat.

 

Frieder Boller

„Ich fürchte mich nicht, ich hab bloß Angst.“

Graffito

KAPITEL 1
DEN KOPF – NICHT – VERLIEREN
Kein Leben ohne Angst-Spannung

Darum geht es in diesem Kapitel:

Ängste und Spannungen (Angst-Spannungen) sind ein Grundelement von Beziehungen

Wie Angst-Spannungen funktionieren

Wie Menschen der Bibel Angst-Spannungen erlebten

Wie Sie selbst Angst-Spannungen erleben

Es klingelt im ICE!

Am frühen Abend im voll besetzten ICE-Großraumwagen. Da sitzt eine Frau, die es gewohnt ist, von ihrer Chefin zu jeder Tages–und Nachtzeit mit irgendwelchen „dringenden“ Rückfragen oder Aufträgen angeklingelt und angemailt zu werden. Anfangs hatte ihr das nichts ausgemacht, aber mittlerweile befindet sie sich in einem kontinuierlichen Habachtmodus, schläft schlecht und ist dankbar für jeden Moment ungestörter Ruhe, den sie finden kann. Auf ihrer Reise zu einer Weiterbildung hat sie endlich Zeit, sich in die vorbereitenden Unterlagen zu vertiefen.

Der Mann zwei Reihen vor ihr hatte vormittags gearbeitet und sich dann einen halben Tag Urlaub für seine ehrenamtliche Tätigkeit genommen. Er war Mitglied einer überregionalen Arbeitsgruppe. Dort stand eine Diskussion um die Ausrichtung der zukünftigen Tätigkeit des sozialdiakonisch tätigen Vereines an. Dazu hatte er ein paar mögliche Szenarien und Wege entwickelt. Die Sitzung war dann aber wider Erwarten höchst spannungsgeladen verlaufen. Die Probleme lagen nicht nur in den kompromisslos vertretenen unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen, sondern auch in frustrierten Ansprüchen und verletzenden Vorwürfen. Am Ende war die Situation ziemlich verfahren. Man hatte sich ergebnislos und kühl voneinander verabschiedet. Es war völlig unklar, um nicht zu sagen aussichtslos, wie aus dem Ganzen jetzt noch etwas Vernünftiges werden sollte.

Ihm gegenüber sitzt jemand beglückt und ermutigt auf der Heimfahrt von einem Treffen mit alten Freunden. Ein wunderschöner Ausflug. Wie verabredet hatten sie sich endlich nach langer Zeit getroffen. Spannend war es gewesen, wie es ihnen wohl heute miteinander gehen würde. Wie in alten Zeiten war es! Zwei großartige Tage, gefüllt mit Erinnerungen, erfüllt mit neuen Eindrücken und aufgefrischter Freundschaft.

Plötzlich klingelt irgendwo ein Handy. Laut! Eine grässliche Melodie. Sehr laut. Es klingelt wieder. Und wieder. Köpfe gehen hoch. Suchende Blicke wandern durchs Abteil. Warum nimmt niemand ab? Wo ist dieser Ruhestörer? Hartnäckig klingelt es weiter. Das nervt! Schlagartig liegt eine gereizte Spannung in der Luft. Drüben verdreht jemand die Augen. Mensch, nimm doch endlich ab! Das Klingeln zieht alle Aufmerksamkeit im Wagen auf sich. Schräg gegenüber steht einem der Ärger im Gesicht geschrieben. Woanders stöhnt jemand vernehmlich. Die dicke Luft ist greifbar.

Zum Kuckuck noch mal, hört das denn nie auf? Da ruft jemand laut in den Wagen hinein: „…“

„Telefon!“, ruft die Person ganz freundlich-fröhlich entspannt. Ein paar Umsitzende lachen. Und augenblicklich ist zu spüren, wie die gereizte Spannung abflaut.

(Ach ja, noch zweimal klingelte es. Dann war Ruhe im ICE!)