Tampen, Pütz und Wanten

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Tampen, Pütz und Wanten
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DIETMAR BARTZ,

geb. 1957, war mehrere Jahre Chef vom Dienst der Meereszeitschrift »mare«, arbeitete für die »taz«, »Wochenpost«, »Le Monde diplomatique«, »Vanity Fair« und »Interview« und ist Autor von Nachschlagewerken und Atlanten.

ZUM BUCH

»MAN LERNT DAS MATROSENLEBEN NICHT DURCH ÜBUNGEN IN EINER PFÜTZE.«

FRANZ KAFKA

Es ist überraschend, wie sehr die Seemannssprache längst vergangener Zeiten bis heute die deutsche Sprache prägt. Grund genug, ihr ein Wörterbuch zu widmen, das die Herkunft und ursprüngliche Bedeutung maritimer Begriffe erläutert. Vom »Surfen« über den »Smutje« und den »Want« bis zum »Ahoi!« versammelt dieses Buch mehr als 500 nautische Begriffe für alle von der See Faszinierten – und das ist kein »Seemannsgarn«.

Dietmar Bartz setzt sich in diesem etymologischen Wörterbuch mit der Bedeutung und dem Einfluss nautischer Termini auf die deutsche Alltagssprache auseinander und erläutert darüber hinaus Begriffe der modernen Nautik. Zahlreiche historische Abbildungen bereichern Bartz’ detaillierte Ausführungen zu Ausdrücken aus historischer Seefahrt und gegenwärtigem Segelsport.

Die hier vorliegende 3. erweiterte Auflage enthält zusätzlich den Essay »Ahoi!«.

3. ERWEITERTE AUFLAGE

Dietmar Bartz

Tampen, Pütz und Wanten

Dietmar Bartz

TAMPEN, PÜTZ UND WANTEN

Seemannssprache


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014

Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014

Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH

Hamburg Berlin

Bildnachweis: © Black-Crow

eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0444-8

www.marixverlag.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung und Hinweise zur Benutzung

Die Stichwörter nach Sachgruppen

Wörterbuch

Quellennachweis

Literaturnachweis

Abbildungsnachweis

Statt eines Nachwortes: Ahoi! Ein Wort geht um die Welt

Vorwort zur 1. Auflage

»und wie das sonst Nahmen haben mag«

(aus einer Quelle von 1617 zum Stichwort →Havarie)

Obwohl Sprachforscher seit 150 Jahren die Geschichte der Wörter untersuchen und darüber ein enormes Wissen zusammengetragen haben, streiten sie bis heute über die Herkunft vieler Begriffe. Die maritimen Fachausdrücke bilden keine Ausnahme. Wer die etymologischen Standardwerke vergleicht, wird auf erstaunliche viele unterschiedliche Erklärungen stoßen, woher »Brackwasser« und »Reuse« stammen, »Pier« und »Heck«, »Dalbe« und »Pütz«.

Noch bis vor wenigen Jahrzehnten schien dies weiter niemanden zu stören, denn die Sprache der Seeleute galt als aussterbend. Längst war die Zeit der Großsegler mit ihren zahllosen Spezialwörtern vorbei. Technisches Englisch hielt Einzug in die Kommunikation auf See. Und an Bord wie in den Häfen wurden immer weniger Menschen gebraucht, die für ihre Arbeit auf ein Fachvokabular angewiesen waren. Kein Wunder, dass das letzte große einschlägige Wörterbuch mit etymologischen Erklärungen, Friedrich Kluges Seemannssprache, im Jahre 1911 erschien.

Aber diese Fachsprache ist nicht ausgestorben. Gerettet hat sie die seit vierzig Jahren anhaltende Begeisterung für den Wassersport. Vor allem die Freizeitsegler haben viel für den Erhalt seltener Wörter getan. Zudem wächst der Welthandel mit der Globalisierung; damit nimmt auch die Bedeutung der Hafenwirtschaft wieder zu. Schließlich steigt auch das Interesse an den Ozeanen, was vor allem den Umweltschützern und Marinebiologen zu verdanken ist.

Seemannssprache ist also keine Berufssprache mehr, sondern stellt heute ein Konglomerat dar, aus dem sich Seeleute und Marinesoldaten, Wassersportler und Bootsverkäufer, Hightech-Designer und Regatta-Besucher nach Gutdünken bedienen. Die Wörterbuch-Forscherin Undine Kramer hat darauf hingewiesen, dass es den Seemann als prototypischen Träger der Seemannssprache möglicherweise nicht einmal im Mittelalter, in der Anfangsphase ihres Bestehens, gegeben hat. Heutzutage ist sie eine lebendige Gruppensprache – für die im Übrigen eine weniger berufsorientierte und auch geschlechtsneutrale Bezeichnung angemessen wäre. Aber wie sollte sie lauten?

So erscheint – unter dem eingeführten Titel – nun zum ersten Mal seit fast hundert Jahren wieder ein ausführliches maritimes etymologisches Wörterbuch. Friedrich Kluge konzentrierte sich in seiner monumentalen Seemannssprache auf ein möglichst vollständiges Vokabular aus Seefahrt und Schiffbau seiner Zeit. Für das vorliegende Buch sind daraus die Stichwörter ausgewählt, die in der deutschen Umgangssprache und im Segelsport auch heute noch gebräuchlich sind. Hinzu kommen moderne Bezeichnungen von der »Genua« bis zum »Surfen« und vom »Radar« bis zum »Trimaran«. Zusätzlich sind Begriffe aus Topographie und Klimakunde aufgenommen – und rund 70 Namen bekannter Meeresbewohner vom »Aal« bis zum »Wal«. Viele neue Erkenntnisse der Wortforschung mussten eingearbeitet und irrige Ableitungen korrigiert werden.

Für ihre Hilfe bin ich zwei Experten zu besonderem Dank verpflichtet. Der Meeresbiologe Dr. Frank J. Jochem, Assistant Professor an der Florida International University in Miami (USA), hat die Stichwörter zu Biologie und Klimakunde geprüft. Dr. Anne Breitbarth, Linguistin an der Universität Cambridge, hat die sprachwissenschaftlichen Angaben durchgesehen.

Trotz aller Bemühungen lassen sich in einem Nachschlagewerk Fehler nicht vermeiden. Ebenso mag es Klagen darüber geben, dass Stichwörter fehlen oder unvollständig behandelt sind. Hinweise auf Korrekturbedürftiges und Anregungen nehme ich gern über die E-Mail-Adresse expertensprechen@gmx.net entgegen.

Vorwort zur 2. Auflage

Die erfreulich positive Resonanz unter den maritim Interessierten hat dazu geführt, dass in weniger als einem Jahr eine neue Auflage der Seemannssprache möglich wurde. Den Zuschriften von Leserinnen und Lesern ist zu verdanken, dass Fehler korrigiert und Erklärungen verbessert werden konnten. Für Hinweise ist der Autor auch weiterhin dankbar.

Vorwort zur 3. Auflage

Die neue Auflage der Seemannssprache hat an Umfang deutlich zugenommen. Der Anhang enthält nun einen ausführlichen Beitrag über die bekannte maritime Anrufung ahoi, mit ihren Wurzeln in der Seefahrts-, Technik-, Literatur- und politischen Geschichte. Verbunden ist dies mit der Schilderung, wie eine kleine Unaufmerksamkeit die jahrelange Beschäftigung mit diesem Wörtchen ausgelöst hat. Und dass – entgegen allgemeiner Ansicht – das Internet Fehler auch vergessen kann.

Dietmar Bartz

Einleitung und Hinweise zur Benutzung
Lesbarkeit

Dieses Buch wendet sich an alle sprachinteressierten Seeleute und Landratten, Freizeit-skipper und Meeresfreunde. Es beruht auf wissenschaftlichen Arbeiten. Der Verständlichkeit zuliebe wurde weitgehend auf grammatische Fachbegriffe verzichtet.

In den etymologischen Fachbüchern ist es wegen der Platzersparnis üblich, die Sprachenbezeichnungen abzukürzen, etwa mit ndd., ndl., ndn. oder nwfr. Das hemmt den Lesefluss und erzwingt lästiges Nachschlagen, weil die Kürzel nicht standardisiert sind. Deswegen sind solche Abkürzungen hier weitgehend aufgelöst, etwa als niederdt., niederländ., neudän., neuwestfries. Wo keine Abgrenzung nötig war, ist auch die Bezeichnung »neu-« vor den lebenden Sprachen weggelassen.

Die Stichwörter

Die Wörterbucheinträge sind einheitlich gestaltet. Jeder Begriff wird zunächst knapp definiert. Dann wird seine sprachliche Herkunft zurück zu den Wurzeln verfolgt. Berücksichtigt sind auch die Wörter in den Nachbarsprachen und der Bedeutungswandel, dem viele Begriffe unterlagen. Generell blieben die unplausibelsten Deutungen zur Wortgeschichte unberücksichtigt. Aber wenn gut nachvollziehbare Differenzen auftraten, sind beide – oder drei, manchmal gar vier – Erklärungen berücksichtigt und vorsichtig bewertet.

 

Den Abschluss machen sorgfältig ausgesuchte historische Zitate, die das Stichwort im Originalton der letzten Jahrhunderte vorstellen. Viele sind der enormen Sammelfreude von Friedrich Kluge zu verdanken und nach dem Erstabdruck in seiner Seemannssprache jetzt wieder greifbar. Aber die Belegstellen sind auch aus dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm sowie aus vielen anderen alten und modernen Nachschlagewerken zusammengetragen. Die Übersetzungen aus dem Englischen, Niederländischen und Niederdeutschen sowie aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen zielen weniger auf hochsprachliche Genauigkeit als auf die Wiedergabe möglichst vieler Begriffe aus dem zitierten Satz.

Aktualität und Quellenlage

Die meisten Angaben beruhen auf den deutschen und internationalen Standardwerken der Etymologie und den europäischen Großwörterbüchern, die restlichen überwiegend auf Beiträgen in Fachzeitschriften. Der Stand der Forschung ist so aktuell wie möglich dargestellt; viele Lieferungen neuer Nachschlagewerke konnten noch bis in dieses Jahr hinein berücksichtigt werden. Andererseits war eine knappe Darstellung geboten, die gelegentlich den »Mut zur Lücke« erforderte.

Gut ist zu erkennen, wie uneins sich manchmal die Fachleute sind. Deswegen ist es für einen einzelnen Autor auch ausgeschlossen, in allen Debatten Partei zu ergreifen. Dies gilt insbesondere für die vielen Differenzen zwischen den (westdeutschen) Bearbeitern des Etymologischen Wörterbuchs der deutschen Sprache, zuerst von Friedrich Kluge herausgegeben und in der 24. Auflage (2002) von Elmar Seebold bearbeitet, sowie den (ostdeutschen) Autoren um Wolfgang Pfeifer, die 1989 das Etymologische Wörterbuch des Deutschen vorgelegt haben; Pfeifer hat die 2. Auflage 1993 durchgesehen und ergänzt. Die Spuren beider Gruppen finden sich auch in der Neubearbeitung von Grimms Deutschem Wörterbuch, je nachdem, ob die Einträge von den Arbeitsstellen in Göttingen oder Berlin stammen. Vielleicht ist die gemeinsame Arbeit am »Grimm« auch der Grund, warum sich »Kluge« und »Pfeifer« kaum kritisch miteinander beschäftigt haben. Bedauerlich ist ferner, dass sich die deutschen Standardwerke so wenig mit ausländischen Erklärungen auseinandersetzen, wie sie etwa im Oxford English Dictionary oder in Alain Reys Dictionnaire historique in seinen Auflagen seit 1992 nachgelesen werden können.

Von einigen Rückgriffen auf die Online-Enzyklopädie Wikipedia abgesehen, wurden Internet-Veröffentlichungen nur benutzt, wenn sie von wissenschaftlichen Stellen stammten. So sind bereits viele Verbesserungen für eine Neuauflage des Oxford English Dictionary eingearbeitet, die von dessen Redaktion alle drei Monate auf einer gebührenpflichtigen Website bekannt gegeben werden.

Wer sich für Etymologie interessiert und weiterlesen will, wird über die genau belegten Quellen weitere Auskünfte finden. Bedauerlicherweise sparen manche Autoren an weiterführenden Hinweisen, einige haben ganz auf Literaturangaben verzichtet. Deswegen musste insbesondere die Herkunft aller Zitate aus Friedrich Kluges Seemannssprache über teilweise sehr spärliche Angaben rekonstruiert und manchmal korrigiert werden.

»Indogermanisch« oder »indoeuropäisch«?

Unter Sprachforschern herrschen auch unterschiedliche Ansichten über die Frage, ob die gemeinsame Ausgangssprache für die meisten Europäer und viele Asiaten »Indogermanisch« oder »Indoeuropäisch« heißen soll. »Indogermanisch« ist der klassische deutsche wissenschaftliche Begriff, der den östlichen und westlichen Rand dieses Sprachraums benennt. Aber vielerorts wird »Indoeuropäisch« bevorzugt, weil der Begriff die Weite des Sprachraums besser darstellt. Der Akzent auf dem Germanischen schiebt außerdem die anderen Sprachfamilien in den Hintergrund, vor allem die romanische und die slawische. Ferner ist das Wort durch den Sprachgebrauch der NS-Zeit verdorben. Aus diesen Gründen wird im vorliegenden Band durchgehend »indoeurop.« verwendet.

Sonderschreibweisen, Sonderzeichen

Einige Sonderzeichen konnten nicht vermieden werden. Das mit Abstand wichtigste, der Asterisk *, kennzeichnet »erschlossene Formen«: Wörter, die nicht belegt sind. Etymologen mussten sie aus dem vorhandenen Sprachmaterial konstruieren, weil eine sprachliche oder schriftliche Überlieferung fehlt. Der gesamte Bereich des Indoeuropäischen gehört dazu, aber auch viele Formen im Übergang vom Lateinischen zu seinen romanischen Nachfolgern.

Auf die in den letzten Jahren häufiger gewordene Schreibweise indoeuropäischer Wörter mit hochgestellten Buchstaben (etwa bh statt bh, wenn es sich um einen Laut, nicht um zwei handelt) wurde hier verzichtet. Auch eine Vereinheitlichung der indoeuropäischen Wörter ist unterblieben, wenn sie in den Quellen unterschiedlich geschrieben wurden (etwa *uer- und *wer-). Maßgeblich war immer die zitierte Vorlage, auch hinsichtlich der gewählten grammatischen Form (Wurzel, Verb, Substantiv usw.).

Als die Gebrüder Grimm ihr Deutsches Wörterbuch verfassten, verwandelten sie alle ß in sz, selbst in Zitaten. Im Interesse der Lesbarkeit wurde dies hier rückgängig gemacht. Auch die zweite Auflage des Deutschen Wörterbuchs hat das ß (in amtlicher Rechtschreibung) wieder aufgenommen. Die durchgehende Kleinschreibung in beiden Auflagen ist in den hier ausgewählten Zitaten beibehalten worden.

Die häufig verwendeten altnordischen Zeichen ð und þ, verwandt mit den deutschen Zeichen d und t, konnten nicht in das einfacher lesbare th aufgelöst werden. Andernfalls wären die Belegstellen nicht mehr eindeutig gewesen: In vielen Fachwörterbüchern werden ð und þ als extra Buchstaben geführt. Folgende Sonderzeichen wurden für Schrift und Laut benutzt:


ā langes a
á in verschiedenen Sprachen ein langes a oder eine betonte Silbe
â französisches langes a vor weggefallenem s
ã portugiesisches nasaliertes a in Doppelvokalen
å nordisches langes o (wie in engl. morning)
æ altenglisches und skandinavisches ä
à italienische endbetonte Silbe, auf a endend
ç französisches c mit Cédille, c als ss gesprochen (wie in façon)
č slawisches tsch
ð germanischer stimmhafter Reibelaut (wie in engl. the)
ē langes e
é in verschiedenen Sprachen ein langes e oder eine betonte Silbe
è französisches ä
ê französisches ä vor weggefallenem s
ě slawisches langes e
ə unbetontes e (wie in Türe)
ë getrennt gesprochenes e nach anderem Vokal
ĝ indoeuropäischer Vordergaumenlaut g
indoeuropäischer Kehlkopflaut
ī langes i
ì litauisches i mit niedriger Tonhöhe
î französisches i vor weggefallenem s
ij niederländisches, fast getrennt gesprochenes ei
ï getrennt gesprochenes i nach anderem Vokal
ñ spanisches nj
ō langes o
ò italienische endbetonte Silbe, auf o endend
ó mit o betonte Silbe
ô französisches o vor weggefallenem s
nordisches offenes o
ø nordisches geschlossenes ö wie in Öre.
œ französisches offenes ö wie in manœvre
š in verschiedenen Sprachen sch
þ germanischer stimmloser Reibelaut (wie in engl. thing)
ū langes u
ú in verschiedenen Sprachen ein langes u oder eine betonte Silbe
ù litauisches u mit niedriger Tonhöhe
ů mittelhochdeutsch uo, wird neuhochdeutsch ū; auch tschechisch uo
ý in verschiedenen Sprachen ein langes i oder eine betonte Silbe
ž stimmhaftes sch wie in Gelee

* erschlossene (rekonstruierte) Form