NOVA Science-Fiction 29

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Michael K. Iwoleit & Michael Haitel (Hrsg.)





NOVA Science-Fiction 29






Michael K. Iwoleit & Michael Haitel (Hrsg.)



NOVA Science-Fiction



Ausgabe 29




NOVA ist ein Projekt des World Culture Hub:



www.worldculturehub.org




Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek



Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.




© dieser Ausgabe: August 2020



p.

machinery Michael Haitel




Titelbild: Lothar Bauer



Redaktion Storys: Michael K. Iwoleit, mkiwoleit@nova-sf.de



Redaktion Artikel/Essays: Thomas A. Sieber, thomas.a.sieber@gmail.com



Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda, Xlendi



Lektorat: Michael K. Iwoleit, mkiwoleit@nova-sf.de



Korrektorat: Dirk Alt, Michael Haitel



Herstellung: global:epropaganda, Xlendi




Verlag:

p.

machinery Michael Haitel



Norderweg 31, 25887 Winnert



www.

p

machinery.de



www.nova-sf.de



www.facebook.com/novamagazin



www.twitter.com/novamagazin




ISSN: 1864 2829



ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 205 8



ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 885 2














Michael Haitel: Wenn man NOVA macht … | Editorial



… hat man irgendwann die Ehre, das Vorwort zu schreiben. Ehre … Normalerweise fällt es mir nicht schwer, so ein Vorwort zu schreiben. Ad hoc. Aus der Hüfte. Wenn ich mir aber ein Vorwort wie das von Dirk Alt in NOVA 28 anschaue, dann wird mir klar, dass es hier mit einem Schuss ohne Zielfernrohr nicht getan ist. Oder doch? Vielleicht hilft es, wenn ich mir über meine Rolle in diesem Magazin klar werde – ich bin der Verleger. Und mehr: ich korrigiere die Texte – nicht allein, aber es ist jeweils die letzte Korrektur –, ich mache das Layout, ich verlege NOVA. Das sind lauter wichtige Aufgaben, und doch – ohne meine Kollegen Michael, Dirk, Thomas und Christian wäre da nichts.



Insofern ist das Gefühl, das ich seit dem Anruf von Michael Iwoleit hatte, damals, als er mich fragte, ob ich mit ihm NOVA machen wollte, nicht so sehr ein diffuses Gefühl als eine Gewissheit. Ich fühle mich geehrt. Es ist eine Ehre, NOVA machen zu dürfen – gleichgültig, welche Aufgaben dabei auf mich entfallen. NOVA hat eine Historie, mit der ich bis zur Ausgabe 25 (inklusive) nichts zu tun hatte. Und nun bin ich es, der als (Mit-) Herausgeber auf dem Cover und im Impressum steht, dessen Aufgaben – mögen sie noch so wichtig oder noch so gering sein – eine Rolle spielen, NOVA auf den Markt zu bringen, immer wieder. Und immer gerne.



Dabei spielt nicht zuletzt auch eine Rolle, dass NOVA ein ziemlich guter Garant dafür ist, einen der bekannten deutschen SF-Preise zu kassieren – gleich, ob Kurd-Laßwitz-

1

 oder Deutscher Science-Fiction-Preis

2

. NOVA ist mit von der Partei – und das gilt auch für die NOVA-Ausgaben seit der Nummer 26, seit Michael Iwoleit mich eingeladen hat, mit ihm NOVA zu machen. Man kann sich daran gewöhnen.




… ist man einer der Ersten, die den Inhalt der neuen Ausgabe zu Gesicht bekommen. Während ich die Texte korrigiere, lese ich sie auch – und in dieser Ausgabe musste ich mich bei den Kurzgeschichten arg konzentrieren. Eigentlich habe ich nie Probleme, Texte zu lesen und gleichzeitig zu korrigieren. Die Storys in dieser neunundzwanzigsten NOVA-Ausgabe haben mich bisweilen so sehr fasziniert, dass ich absatzweise vergaß, auf Tipp- und Rechtschreibfehler zu achten. Was die angenehme Folge hatte, die eine oder andere Geschichte im Grunde genommen zweimal lesen zu müssen. Zu dürfen. Und wieder hatte ich ständig die SF-Preise im Hinterkopf. Da sind diesmal Geschichten dabei, die mehr als preisverdächtig sind …




… hat man mehr als genug Gelegenheit, die Arbeit der Kollegen zu bewundern. Wie bei Christian, unserem Grafikmann, sieht sie manchmal soo schwierig und aufwendig nicht aus. Aber weiß man das wirklich so genau? Auch wenn Christian nur die Grafiken für die Ausgabe sammelt – da steckt ganz sicher eine Menge Kommunikation dahinter: Storys in Empfang nehmen, anschauen, Überlegungen anstellen, welcher Grafiker für welche Story am ehesten infrage kommt, Kommunikation mit den Grafikern, Termine überwachen und einfordern … Vermutlich sind das Fantasien eines Workaholics. In Wirklichkeit macht Christian einfach nur

»snick«

und zwei Stunden später ist seine Mailbox voll mit den geilsten Grafiken und Bestechungsangeboten, damit das eine oder andere Werk doch noch in der NOVA-Ausgabe landet …



Michaels Arbeit kenne ich selbst am besten, bei p.machinery erscheint ja nicht nur NOVA: Storys lesen, lektorieren, auswählen. Und ich weiß, dass Michael ganz sicher mit einem

»snick«

nicht sehr weit käme, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass er sich das manchmal wünscht.



Und Thomas … Schon Franz Rottensteiners

Quarber Merkur

fasziniert mich immer sehr, wenn ich einmal mehr das Korrektorat und die Druckvorlagen mache. Die Arbeit, sekundärliterarische Materialien an Land zu ziehen, auszuwählen und in eine thematisch sinnvolle Kombination zu bringen, ist zugegebenermaßen etwas, das mir überhaupt nicht liegt. Und was Thomas in NOVA so zusammenstellt, das kann nur durch einen wahrlich magischen

»snick«

zustande gekommen sein. Magie. Zauberei. Und keine, die nur so aussieht und in Wirklichkeit nur technologische Fiktion ist.




… hat man auch einmal Gelegenheit, sich Gedanken zu machen, die vielleicht niemanden interessieren. Das ist das Schöne an einer (Mit-) Herausgeberschaft, am Verlegertum. Ganz am Ende ist man der Boss – nicht, dass ich das jemals ausnutzen wollte; ich bin ja nicht blöd – und man kann sicher sein, dass bestenfalls jemand den Kopf schüttelt und sich über die genialen Storys, die fantastischen Bilder und die bildungsfördernden Artikel und Essays hermacht. Schlimmer wär’s, würde ich ein Nachwort schreiben (müssen, dürfen, können) – angeblich bleibt das, was der Mensch als Letztes liest (oder hört) am längsten im Gedächtnis. (Und nein, das ist nicht der Grund, warum mein Name auf dem Cover nach Michael Iwoleit genannt wird …)




Im Bewusstsein, dass dieses Vorwort vermutlich völlig an der Sache NOVA 29 vorbeigeht:




Michael Haitel



Winnert (bei Husum), im Juli 2020





Anmerkungen



1 Im KLP 2020 gab es keinen Preis, aber immerhin drei Nominierungen zur besten Erzählung. Und 2019 gab es nicht nur die Siegererzählung, sondern auch den Sonderpreis für die ganze Mannschaft, die NOVA erfunden und über die Jahre hinweg gemacht hat.



2 Im DSFP 2020 gewann Tom Turtschi den DSFP für die beste Kurzgeschichte. Im DSFP 2019 stammte die Siegerstory von Thorsten Küper aus NOVA 26; dazu gab es zwei Nominierungen aus NOVA 25. Und in den Jahren zuvor war NOVA immer wieder vertreten: die Nummer 25, 24, 23, 21, 20 …







Nicht nur Druckfehlerteufel schlagen zu:





Grafikredakteur verbummelt wunderbare Illustration!



Eine ganz dicke Entschuldigung vor allem bei Si-yü Steuber ist fällig, aber natürlich auch beim Autor der betroffenen Story »Die Befragung«, Marcus Hammerschmitt, und unseren Lesern. Sowohl die Illustration als auch die Geschichte lagen schön ordentlich in einem Dateiordner – allerdings in dem für die vorliegende Ausgabe, nicht in dem für die Nummer 28. So fiel mir das Malheur dann auch erst bei den Schlussarbeiten auf. Natürlich wollen wir diese Grafik hiermit auch veröffentlichen: sie steht, wie ich meine, auch sehr gut für sich alleine, atmet Atmosphäre, darf aber auch zur zugehörigen Geschichte gedacht werden.




Christian Steinbacher















NOVA Storys






















Tino Falke: Im Bärental



Wir sind sicher, wenn es einen neuen Appell gibt, werden wir es auch von unserem Revier aus bemerken. Trotzdem erhebt sich Pippi jeden Morgen und macht sich auf den Weg zur Anhöhe. Täglich trottet sie los, selbst in Regen- und Trockenzeiten. Selbst wenn es zu dunkel ist, um etwas zu sehen. Wenn wir eins nicht tun, dann aufgeben.



Ich könnte ihr sagen, dass es nichts bringt. Dass die Reiter nicht zurückkommen und sie umsonst Ausschau hält. Aber wer weiß schon, ob das wirklich stimmt?



Also folge ich ihr und sehe vom Fuß der Anhöhe mit an, wie sie sich in alle Richtungen umschaut. Im Nebel erkenne ich fast nur ihre Silhouette. Pippi gehört zu den größten Bären im Tal. Auf ihrem Rücken ragen die Reste eines Gefechtsturms in die Höhe. Fetzen alter Flaggen und Bänder wehen im Wind.



Das Signal war nicht mehr zu hören, seitdem die Menschen den Dschungel verlassen haben. Seitdem der Krieg beendet ist. Dennoch kommt Pippi noch immer jeden Morgen hierher. Insgesamt hoffen wir alle, dass sie etwas sieht. Truppen, die zu einem der Stützpunkte zurückkehren. Rauchsäulen, wo bereits neue Kämpfe begonnen haben. Wir alle warten auf die nächste Schlacht, in der die Menschen uns brauchen.



Ein Reiter ohne Bär ist immer noch ein Mensch. Ein Bär ohne Reiter ist nur ein Bär.



Momo sagt, es könnte schlimmer sein. Sie sagt, vor dem letzten Frost hat sie am Fluss einen der Bären gesehen, die nicht mitkämpfen durften. Sein Fell hatte die Farbe von Sand und keine andere. Niemand hatte ihm Schriftzeichen eingebrannt oder mit Farben markiert, zu welcher Kompanie er gehört. Während meine Schwester ihn beobachtete, fing er einen Fisch. Dann legte er sich in die Sonne. Er hatte keinen Namen.

 



An den Bewegungen der Baumkronen erkennt man, dass sich Pippi wieder unserem Revier nähert. Nach all den Jahren weiß sie, wie man durch den Wald manövriert, ohne mit dem Turm an Ästen hängen zu bleiben. Wo damals ein ganzer Trupp Schützen Platz hatte, findet man heute nur noch ein verlassenes Nest. In der Brutzeit wird sich die nächste Generation Vögel dort einnisten, wie jedes Jahr. Bis dahin wird sie weiter jeden Morgen zur selben Zeit auf die Anhöhe gehen.



Selbst die Ankunft der neuen Menschen kann daran nichts ändern.



Wir bemerken es sofort, als sie das Tal betreten. Die von uns, die noch riechen können, wittern das Metall ihrer Rüstungen. Das Feuer zum Schmieden primitiver Waffen. Alle Bären, ob in der Höhle oder davor, blicken in dieselbe Richtung. Zora sagt, wir sollten darauf warten, dass sie zu uns kommen, wie die ersten Menschen, die ins Tal kamen und uns mitgenommen haben. Lars sagt, wir sollten keine Zeit verlieren und uns so bald wie möglich auf den Weg machen, um sie zu uns zu holen. Wir müssen uns entscheiden, wem wir folgen wollen.



Lars führt uns am Wasserfall und dem Denkmal vorbei. Er macht einen weiten Bogen um den Felsen, an dem die anderen Alphas gefallen sind und er den Pfeil abbekommen hat, der noch immer aus seinem Nacken ragt. Es gibt ein Lied über den Tag, an dem der Pfeilhagel den Himmel verdunkelte und wir glorreich den Hügeln gefallener Kameraden entstiegen, um ein letztes Mal dem Feind entgegen zu rauschen, doch niemand von uns gibt einen Ton von sich. Wir erreichen das Menschenlager vor der Dämmerung.



Alle sehen, aber keiner sagt, dass das Zelt, das wir umzingeln, viel zu klein für eine ernst zu nehmende Armee ist. An der Feuerstelle wurden keine Waffen gefertigt. Der Metallgeruch scheint von dem Fahrzeug daneben zu stammen. Es gibt keine Banner. Aus dem Zelt hören wir Gelächter und Gesang.



Um die Menschen herauszulocken, stimmen wir die Hymne unserer alten Kompanie an. Die erste Strophe ist noch nicht beendet, da treten vier Gestalten ins Freie. Zwei Ausgewachsene, zwei Junge, je eins männlich, eins weiblich. Sie schreien in einer Sprache, die wir nicht verstehen, und bewerfen uns mit Steinen. Michel ist der Einzige, der die Flucht ergreift. Wir Übrigen überzeugen uns davon, dass sich nicht noch weitere Menschen in der Nähe befinden, dann treiben wir die vier in Richtung Höhle. Nach ein paar erfolglosen Versuchen, durch unsere Reihen zu brechen und zu fliehen, geben sie sich geschlagen und kommen mit uns. Auf dem Weg finden wir auch Michel wieder, das Gesicht an einen Baum gepresst, die Krallen wund vom Zerfurchen der Rinde. Er spricht den Rest des Tages kein Wort mehr.



Nach der Rückkehr werden die neuen Reiter sofort von unseren Jungen beschnuppert. Der Krieg war vorbei, bevor sie geboren wurden. Die meisten von ihnen kennen Menschen nur aus Erzählungen. Und von dem Denkmal am Wasserfall.



Auf einer Plattform drehen sich vier rostige Säulen, angetrieben von der nahen Strömung, im Innern elektrisches Licht. In das Metall sind kleine Öffnungen gestanzt worden, geformt wie die Kämpfer und ihre Waffen. Auf einer sind Pfeile und Speere zu sehen, auf einer anderen die Wolkenwürmer und ihre brennenden Lichtbälle, die so oft die Nacht erhellten. Eine Säule zeigt die Umrisse von kolossalen Mechapanzern, in denen die Soldaten durch den Wald stampften. Die Letzte zeigt die mächtigen Bärenreiter. Sobald es dunkel genug ist, scheint es durch die Öffnungen auf die Fläche zwischen den rotierenden Säulen. Nacht für Nacht erzählen die kleinen Lichtgestalten die Geschichte des Krieges, laufen durcheinander, werden von kleinen Geschossen getroffen oder verfehlt, attackieren ihre Feinde oder laufen vor ihnen davon.



Als unsere Jungen das Denkmal zum ersten Mal sahen, schnappten manche nach den leuchtenden Bildern, doch da war kein echter Krieg mehr, den sie beißen konnten. Es herrscht Frieden im Bärental. Trotzdem laufen manche von ihnen noch immer gern den Lichtgestalten nach.



Wir bereiten den Menschen einen Schlafplatz im alten Gefechtsturm meiner Schwester, der am Rand des Reviers liegt. Seitdem sie einst im Frost gestürzt ist und die Halterungen sich gelöst haben, liegt er zwischen den Bäumen und verrottet. Momo sagt, es macht ihr nichts aus, doch manchmal verbringt sie den ganzen Tag damit, den alten Turm anzustarren, regungslos, stumm, so oft man sie auch anstößt.



Auch die Menschen bewegen sich kaum. Mit Ehrfurcht bewundern sie unsere Bemalungen und Bänder. Als Pippi am Morgen verschwindet, blicken sie ihr nach und flüstern sich Laute des Erstaunens zu. Wir untersuchen die Tornister, die sie von ihrem Lager mitbringen durften, doch wir finden nichts von Wert. Ein kleiner Metallkasten, der kurz blitzt, wenn man einen Knopf drückt. Eine Flasche mit einer kleinen Sonne darauf und einer weißen Substanz darin. Eine Karte des Waldes, die wir nicht lesen können.



Wir sprechen ihre Sprache nicht, also müssen wir sie auf anderen Wegen davon überzeugen, unsere neuen Reiter zu werden. Immer wieder legen wir uns vor ihnen hin, in der Hoffnung, dass sie auf unsere Rücken klettern. Wir kratzen Symbole in den Staub, doch sie verstehen nicht, was wir damit sagen wollen. Wir singen die Hymne, bis unsere Stimmen versagen.



Zora sagt, wir sollten darauf warten, dass sie von selbst aufsteigen, und ein paar von uns stimmen ihr zu. Lars sagt, je eher die Menschen erkennen, dass sie Bärenreiter sind, umso eher können wir neue Siege erkämpfen. Er sagt, warten macht uns schlaff und stumpf, und auch ihm wird zugestimmt. Manche der Bären schauen rastlos von einem zum anderen.



Zora war Alpha unseres Clans, lange bevor aus drei Clans eine Kompanie wurde und aus einer Kompanie das, was wir heute sind. Als die Menschen uns fingen und für die Schlacht trainierten, war es jedoch Lars, der auserwählt wurde, den obersten General zu tragen und die Truppen anzuführen. In seiner Flanke wurde das Fell geschoren und Farbe unter seine Haut gespritzt, sodass er für immer die Flagge unserer Seite zeigt. Mit Stolz trägt er seinen Helm und den Pfeil, der für seinen damaligen Reiter bestimmt gewesen war.



Die neuen Menschen scheinen keinen der beiden zu bevorzugen. Auch nach Wochen halten sie sich fern. Wenn sich einer von uns ihrem Schlafplatz nähert, pressen sie sich aneinander, die Ausgewachsenen vorn, die Jungen dahinter. Wir bringen ihnen Fleisch und Wasser, doch sie werden immer dünner und blasser. Wir beruhigen uns damit, dass man es unter den Farben und Bändern nicht mehr erkennen wird.



Schließlich erklärt sich einer der Menschen dazu bereit, wieder in die Schlacht zu reiten. Kurz nach Sonnenaufgang nähert sich eines der Jungen – das jüngere, männliche – meiner Schwester. Die anderen Menschen schlafen noch. Momo zögert nicht und legt sich flach auf den Boden, damit der Reiter aufsteigen kann. Erst berührt er nur ihr Fell und betrachtet die Reste alter Flaggen aus der Nähe, dann krabbelt er auf ihren Rücken. Sofort setzt sich Momo in Bewegung. Ich laufe mit. Kriegsbären marschieren niemals allein.



Momo rauscht durch den Dschungel, als wäre der Frieden nie ins Tal gekommen. Sie springt über Felsen und Bäche, weicht Ästen aus und lässt den Waldboden erzittern. Sie brüllt die Triumphgesänge unserer Kompanie. Schnell stimmt der Reiter auf ihrem Rücken mit ein, schreit und johlt aus vollem Hals, dann verstummt er, um Energie für den Kampf zu sparen. Wir treffen keine Feinde, doch ich habe meine Schwester lange nicht so lebendig gesehen. Sie läuft bis zum alten Stützpunkt, erklimmt die ausgebrannten Wracks der abgestürzten Sterngondeln, dann laufen wir auf dem gleichen Weg zurück.



Nur dass wir bei der Rückkehr ins Revier nur noch zu zweit sind.



Lars und Zora sind sich einig, dass wir zurückgehen und den verlorenen Reiter finden sollen. Vielleicht kann er die anderen Menschen davon überzeugen, auch wieder auf unsere Rücken zu steigen. Also schreiten wir den Weg noch mal entlang, unnatürlich langsam, obwohl Kriegsbären selbst im Lauf nichts entgeht. Auch nach mehreren Tagen taucht das Menschenjunge nicht wieder auf. Die Ausgewachsenen können uns nicht helfen, sie dürfen das Revier nicht verlassen. Stattdessen rufen sie, was vermutlich der Name des Jungen ist.



Wir selbst haben erst Namen, seitdem die Menschen uns welche gegeben haben. Die meisten tragen die fremden Schriftzeichen auf ihrer Haut, eingebrannt oder aufgemalt, ohne zu wissen, was die Worte bedeuten. Meine Geschwister, vorher nur einfache Bären, wurden Momo und Bilbo. Während Momo noch immer eines der stärksten Mitglieder des Clans ist, wurde Bilbo eines Tages am Fuß des Wasserfalls entdeckt. Seine Bemalung hatte den Fluss verfärbt, rot und blau, und wir mussten nur der Farbe folgen, um seinen Körper zwischen den Felsen zu finden. Wir sind sicher, dass es nur ein Unfall war.



Die Menschen werden noch ruhiger nach dem Verlust ihres Jungen. Alle weiteren Versuche, sie zu Reitern zu machen, enden mit Niederlagen. Wir hoffen jeden Morgen, dass Pippi bessere Menschen erspäht. Sie entdeckt nur eine Neuigkeit, nämlich dass sich eine der Säulen des Denkmals nicht mehr dreht. Wir fragen, ob es