Ein Stern wird geboren

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Ein Stern wird geboren
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Winfried Rochner

Ein Stern wird geboren

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Eine Informationsreise in die Türkelei

Kultursch(w)und

Der Tropf

Die Biographie

Das Genie

Der Alte Fritz

Der Fußball - ein Spiel?

Der soziale Staat oder das Altenproblem

Ein Stern wird geboren

Der Autokauf (eine Groteske)

Impressum neobooks

Eine Informationsreise in die Türkelei

Meine frühere Geliebte und jetzt geliebte Frau überzeugte mich, nach jahrelangen Vorarbeiten ihrerseits an meiner Psyche, zu einer Reise in die Türkelei. Einem Land mit Wasser, Gebirge, historischen Steinen aus der Antike, warmem Wetter und einem sodbrennenfreien Essen. Nicht etwa nur eine Reise so ohne Stress, nein mit allen langen und kurzen Informationsfahrten in einem Bus. Es ist das Heimatland unserer fleißigen, in den 60er Jahren befristet Eingereisten – die meist des Lesens und Schreibens unkundig und heute in deutschen Altenheimen untergebrachter Mitbürger und fleißiger in weiteren Generationen lebender, meistens der deutschen Sprache kundiger Türken.

Jedenfalls setzte ich mich mit undefinierbaren Gefühlen in den Flieger. Diese Flugmaschine kommt auch flott vom Boden ab und ich hoffte, dass der Abstieg mit einer Landung auf den schönen Autorädern erfolgt und nicht mit der Nase zuerst. Schaukelnd suchte sich das Fluggerät seine Straße. Ich schaute mit Spaß aus dem kleinen Bullauge. Nach einer Stunde entdeckte ich da unten eine langgezogene Linie. Ich fragte meine Frau, ob das wohl die Chinesische Mauer wäre. Entsetzt schaute sie durch das Bullauge und dann mich an. Ihr Gesicht hatte einen überlegenen, mitleidigen Ausdruck. „Wir fliegen in die Türkelei und China liegt etwas östlicher.“ Na ja, die Mauer werden die vielen kleinen Chinesen wohl nicht in die Türkelei verlegt haben, überlegte ich. So blieb die langgezogene Linie eben eine Linie und nicht mehr. Das Brummen im Flieger wurde lauter und er schüttelte sich rumpelnd. Sicher war die Straße etwas uneben und es war wiedermal kein Geld für das Füllen der Schlaglöcher da. Jetzt gab es ein leckeres Mahl, das in schwieriger Konstellation auf den Knien einzunehmen war, und das meine Nachbarin in der Nebenreihe mit dem Rückwärtsessen der vorher eingenommenen Speisen freundlicher gestaltete. Das beste am Flieger war die Dekoration – die schönen Mädels, die leider komplett gekleidet waren. Für den Preis hätte ich mehr erwartet. Langsam näherte sich der Flieger dem Boden und kam schnell fahrend und polternd auf die Piste. Die Fahrkarte in meiner Tasche war am Ausgang das Vorzeigen nicht Wert, da die Gültigkeit noch vorhanden war, der Schaffner hatte keine Lochzange dabei.

Ein fahrender Container brauste mit uns zum Ausgang und ein beschilderter, ausländisch aussehender Mensch zeigte vornehm auf den nächsten Bus. Danach knöpfte uns ein Seelenverkäufer Geld ab und machte damit aus einer Normalreise eine Luxusreise. Ein paar Raki erhöhten die Stimmung. Gott sei Dank, das dann angesteuerte Hotel war ein einziger Rummelplatz – alles lief, schubste und lautete durcheinander, bis wir dann alles an Ort und Stelle hatten. Wir fielen dann ins Bett und die schöne Decke erinnerte uns – wir waren in einem warmen Land, das uns prompt schwitzen ließ. Der nächste Tag bescherte uns die erste Busfahrt. Den besten Platz im Bus hatte ein einheimischer Mufti, in normaler Freizeitkleidung, der auf dem ersten Sitz im Bus ein Mikrofon hielt, hineinrief und nach jedem Satz, das letzte Wort immer zweimal sprach. Ich sprach im Laufe der Zeit ebenfalls das letzte Wort doppelt, was meine einzige Frau zunehmend nervös machte und sie meinen Geisteszustand überprüfte, indem sie ihr schwaches Gehör noch schwächer stellte.

Am Weg und zwischen den Busfahrten bewunderten wir alte Steine, Ruinen und warme Wässerchen, und immer wieder Raki, der langsam den Magen ansengte. Einmal, als einige Busfahrer verspätet einstiegen, brüllte einer vom letzten Busplatz unseren Reisemufti ungebührlich an. Mir tat der Mann leid, ich klopfte ihm auf den Rücken und tröstete ihn mit den Worten: „Sind sie froh, dass er nicht seine Pistole mit hat!“ Dreimal wurden wir, alle Buseinsitzer, echten Seelenverkäufern zugeführt. Das erste Mal durchschritten wir die Schranke eines Teppichknüpfbetriebes. Sofort stürzten sich mehrere Menschen auf uns und führten uns zu ihrem Teppichguru. Der redete sich in Hitze und ließ von seinen Kulis den ganzen Teppichladen auf den Fußboden schmeißen, der zu einem ansehnlichen Berg anstieg, auf dem er dann umhersprang und dabei immer wieder lauthals rief: „Armut ist kein Schicksal!“ Ich nahm ihm das sofort ab, wenn ich mir seinen teuren Maßanzug ansah. Der nächste Busstopp, zu Gold und Glitzersteinchen. Donnerwetter, wie das flimmerte und gleißte. Jeder von uns hatte jetzt eine Begleiterin, die versuchte, den Einzelnen in ihr Boudoir zu ziehen. Mir schwante dabei Böses, denn ich hatte meine einzige Geliebte dabei, die aber dann doch mit in das Kabüffchen kam. Ich atmete auf, aber wohl doch zu früh, denn im Nu steckten vier Ringe an der Hand meiner einzigen Geliebten. Sie sah damit umwerfend aus, wie eine Witwe, die auf Brautschau geht. Sie schmiss sich ordentlich in die Brust und sah mich herausfordernd an. Der Preis, der für die Ringe genannt wurde, trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Mein Herzblatt blieb aber standhaft und kaufte nur eine Kleinigkeit für eintausend Euro, die in zwei Raten zu bezahlen waren – von zu Hause aus. Die nächsten zwei Mieten musste ich nun stunden lassen – wenn ich da an meinen Vermieter dachte. Mir fiel ein, dass erst nach drei Mietrückständen der Rauswurf aus der Wohnung anstand. Das beruhigte mich sofort. Der herrliche Apfeltee, der von der nicht sehr schönen Dame angefahren wurde, schmeckte mir dann plötzlich nicht mehr.

Der dritte Busstopp war der absolute Knaller – der Halt bei den gehäuteten Tierresten.

Eine Modenschau der besten Häute, ausgeführt von sehr hübschen Damen, und einige dazu passenden lockeren Herren, stimmten auf das ein, was noch kommen sollte. Ich vermisste bei den Mädels die Vorführung lederner Unterwäsche, wie ich sie aus der Literatur und von Bildchen unserer antiken Vorfahren kannte. Meine Hausfrau meinte, die Zeit dazu wäre wohl zu kurz und ich sollte mich mir ihr begnügen. Wir hatten diese schöne Vorführung verlassen, dann, vorgewarnt, wie ich war, setzte ich mich sofort von meinem einzigen Eheweib ab. Das war mein Glück. Einer netten Mitwandlerin schloss ich mich rasch an und schaute immer wieder auf unseren gemeinsamen Verfolger. Nur nicht stehenbleiben, war da angesagt. Er konnte es aber nicht lassen, uns zu begrüßen, was wiederum einige Ängste in uns auslöste. Aufatmend, ohne großen psychischen und finanziellen Schaden, konnten wir diese Herrlichkeiten verlassen.

Noch sollte uns ein besonderes Erlebnis bevorstehen – ein angekündigter Bauchtanz in einer Karawanserei. Erwartungsvoll eilten wir dieser Kamelschau, mit Bauchtanz, wie ich meinte, zu. Ein wunderbar ausgebautes Gebäude, diese alte Karawanserei – ich sah weit und breit keine Kamele, außer uns und viele andere. Ein Marktschreier bot sofort himmlisch aussehende Getränke an, zu den gleichen himmlischen Preisen. Ich war beeindruckt. Dann setzte ein ohrenbetäubender Lärm aus mehreren Lautsprechern ein. Gleichzeitig hüpften verschieden kostümierte Mädels und Jungens mit harten Stiefeln ein. Grauslich schön – und der Lärm. Endlich die schöne einmalige Bauchtänzerin. Sie bekam durch die laute Musik gleich Schüttelfrost und zitterte am ganzen Körper. Durch die Temperatur konnte es nicht sein, es war warm genug. Nun folgten eindeutige Hüftbewegungen, die den ganzen Körper erfassten. Verschämt schaute ich zur Seite, so etwas hatte ich mit meinem einzigen Liebling noch nie gemacht – noch dazu in der Öffentlichkeit. Ich schaute mich in der Karawanserei um und sah nur verzückte Gesichter, die aus diesen Schwüngen noch was zu lernen schienen. Zu allem Überfluss holte sich die Tänzerin eine ältere Frau auf die Bühne, um ihr den Bauchtanz beizubringen. Temperamentvoll kann ich da nur sagen, was sich da abspielte, der arme Ehemann, mit diesem steifen Holzklotz. Vielleicht war er dafür beweglicher in den Hüften und konnte das ausgleichen. Mein Schüttelfrost kam etwas später, denn bevor ich fluchtartig die gastliche Karawanserei verließ, präsentierte mir der Marktschreier die Rechnung der Getränke, die meine Gemahlin vor Aufregung hinuntergeschüttet hatte.

Am nächsten und letzten Tage meiner Orientierungsreise schaute ich mir die Reklame längs der Straßen und an den Geschäften an. Mir fiel dabei des Öfteren der Name Mehmet auf. Ich assoziierte das sofort mit zwei gleichen Namen aus meiner Heimat. Beide waren scharf auf das Erzielen größerer Geldmengen. Der eine war ein hochdotierter Fußballer, der andere ein jugendlicher Schwerverbrecher. Sieh an, wie sich alles gleicht, dachte ich und sagte das meiner Angetrauten, die sich an den Kopf fasste und dabei nickte. Die ganze Reise bestand nur aus Höhepunkten. Das erinnerte mich an unsere Hochzeitsreise in Plau am See – nur die Höhepunkte waren moderater, wenn auch genau so anstrengend. Dann, nach den Strapazen wieder zu Hause angekommen, als ich meine üblichen Stullen aß, bekam ich dann prompt mein lang vermisstes Sodbrennen.

 
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