Buch lesen: «GABALs großer Methodenkoffer»
Walter Simon
GABALs großer Methodenkoffer
Führung und Zusammenarbeit
Walter Simon
GABALs großer Methodenkoffer
Führung und Zusammenarbeit
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Lektorat, Satz: Rommert Medienbüro, Gummersbach. www.rommert.de Umschlaggestaltung: +Malsy Kommunikation und Gestaltung, Willich Umschlagfoto: Photonica, Hamburg Grafiken: Justus Kaiser/Rommert Medienbüro, Gummersbach
© 2015 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Das E-Book basiert auf dem Buch „GABALs großer Methodenkoffer Führung und Zusammenarbeit“ von Walter Simon, © 2006 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.
ISBN Buchausgabe: 978-3-89749-587-6
ISBN epub: 978-3-95623-298-5
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Inhalt
Zu diesem Buch
Führung ist ein allgegenwärtiges Phänomen. Sie begegnet uns als Archetyp in der Gestalt Gottes, des Vaters oder – im Berufsleben verkörpert – durch den Chef. Hierbei handelt es sich zumeist um männliche Vorbilder, die als Beleg dafür dienen, dass Führung eben eine männliche Domäne ist.
Führer, Geführte, Verführte
Man trifft auf „Führer“ im Fußballverein in Person des Spielmachers oder in der Partei repräsentiert durch Funktionäre. Auch der Oberpimpf bei den Pfadfindern nimmt eine Führungsrolle wahr. Wir selbst sind Führer und zugleich Geführte oder gar Verführte.
Viele Fragen
Über das Thema Mitarbeiterführung ist viel gesagt und geschrieben worden. Man blickt in einen Dschungel an Literatur und erkennt vor lauter Wald kaum noch Bäume. Ein Begriffsdickicht erschwert die Übersicht und Zuordnung. Was sind Führungsmodelle? Was unterscheidet diese von Führungsstilen? Welches sind die elementaren Aufgaben eines Vorgesetzten? In welchem Verhältnis stehen Führung und Management zueinander? Werde ich richtig geführt? Verzweifelt fragt sich die neue Führungskraft: „Welches ist das richtige Werkzeug für welches Problem?“ Fragen wie diese bewegen Führer und Geführte gleichermaßen.
Mögliche Sichtweisen
Es gibt viele Antworten, je nach Standort und Standpunkt, Erkenntnisinteresse oder wissenschaftlicher Profession. Mögliche Betrachtungsweisen des Phänomens Führung sind:
Führung zur Gestaltung des Gruppenprozesses
Führung unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeit des Führers
Führung zu dem Zweck, bei anderen Einverständnis zu erreichen
Führung zwecks Ausübung von Einfluss
Führung als Handlung oder Verhalten
Führung als eine Form der Überredung
Führung unter dem Gesichtspunkt der Machtbeziehung
Führung zum Zwecke der Interaktion
Führung zwecks Zielerreichung
Psychologen antworten anders auf die Frage nach dem Zweck von Führung als Betriebswirte oder Techniker. Der eine antwortet auf der Basis seiner Erfahrungen, ein Zweiter aus dem Bauch heraus und ein Dritter zitiert Lehrbuchweisheiten.
Unübersichtliches Gelände
Der Fragende ist aber meist nicht schlauer als vorher. Professor Oswald Neuberger bringt die Situation auf den Punkt: „Will man sich auf dem Gebiet der Führung orientieren, so trifft man auf unübersichtliches Gelände: Es gibt beeindruckende Prachtstraßen, die aber ins Nichts führen, kleine Schleichwege zu faszinierenden Aussichtspunkten, Nebellöcher und sumpfige Stellen. Auf der Landkarte der Führung befinden sich auch eine ganze Reihe Potemkinscher Dörfer, uneinnehmbare Festungen oder wild wuchernde Slums.“ (Neuberger 1995, S. 2)
Kein Patentrezept
Für Probleme der Mitarbeiterführung gibt es keine stromlinienförmigen Musterlösungen. Zu unterschiedlich sind die Situationen und Zusammenhänge. Hier gilt statt eines Entweder-oder ein Sowohl-als-auch. Statt nur eines Rezepts werden verschiedene benötigt, je nach Personen und Sachlage.
Wie ein Apothekerschrank
Das ist der Grund, warum der vorliegende Band keiner Schule oder Richtung folgt, sondern sich als Apothekerschrank für verschiedene Wehwehchen des Führungsalltags versteht. Den neuen „Führungskoffer“ können Sie in diesem Sinne als eine Art „Erste-Hilfe-Kästchen“ nutzen. Er ist weder ein theorielastiges Fachbuch noch ein stichwortartiges Lexikon. Inhalt, Themenmenge, Zeitbedarf und individuelle Lernkapazität wurden in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht, die Hauptpunkte eines Themas so sehr verdichtet, dass Sie als Leser auf der Basis des ökonomischen Prinzips mit wenig Aufwand den größtmöglichen Nutzen erzielen.
Die fünf Bände des GABAL-Methodenkoffers
Vorgenanntes gilt für alle fünf Bände der Buchreihe „GABALs großer Methodenkoffer“, von denen zusammen mit diesem Buch nun bereits vier Bände erschienen sind.
Band 1
Band 1 (Methodenkoffer Kommunikation) hat auf der folgen den Gliederung basierend alle relevanten Kommunikations themen zum Inhalt:
A. Umfassende Kommunikationsmodelle
B. Teilaspekte der Kommunikation
C. Besondere Kommunikationsformen und -zwecke
Der Themenbogen spannt sich von den umfassenden Kommunikationsmodellen (z. B. Neuro-Linguistisches Programmieren) über Teilaspekte der Kommunikation (z. B. Fragetechnik) bis hin zu besonderen Kommunikationsformen (z. B. Rhetorik).
Band 2
Im zweiten Band (Methodenkoffer Arbeitsorganisation) werden die wichtigsten persönlichen Arbeitstechniken behandelt:
A. Persönliche Arbeitsmethodik
B. Lern- und Gedächtnistechniken
C. Denktechniken
D. Kreativitätstechniken
E. Stressbewältigungsmethoden
Zeit- und Zielmanagement, Informationsbewältigung, Super-Learning, Logisches und Laterales Denken, Autogenes Training und Meditation sind einige der Themen, die hier behandelt werden.
Band 3
Der dritte Band (Methodenkoffer Management) ist ein reiches Füllhorn an Managementtechniken. In vier Hauptabschnitten werden insgesamt 40 Werkzeuge vorgestellt:
A. Funktionales Management
B. Funktionsintegrierende Managementkonzepte
C. Qualitätsoptimierende Managementtechniken
D. Strategische Managementthemen
Der Bogen spannt sich von Themen wie Szenariotechnik, Nutzwertanalyse, Entscheidungsbaumtechnik, Kennzahlen, Kepner-Tregoe-Methode und Wertanalyse bis hin zu strategischen Themen wie Change-Management und Lernende Organisation.
Band 4
Den vierten Band halten Sie in der Hand. Er wird im nächsten Abschnitt beschrieben.
Band 5
Im fünften Band dieses Kompendiums (Methodenkoffer Persönlichkeit) geht es um die Persönlichkeit beziehungsweise um Wege und Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung. Erfolg im Studium, Beruf und Alltag hängen zu einem großen Teil von der Persönlichkeit des jeweiligen Menschen ab, von seinem Denken und Fühlen, seinen Werten und Normen, seinem Wollen und Tun. In diesem Band werden darum Konzepte und Methoden vorgestellt, mit denen Sie störendes Verhalten erkennen oder falsche Strategien korrigieren können.
Inhalt und Aufbau dieses Bandes
Hauptabschnitte von Band 4
Der hier vorliegende Band 4 ist in folgende Hauptabschnitte gegliedert:
A. Hinführung
B. Interaktionelle Führung
C. Strukturelle Führung
D. Zusammenarbeit, Kooperation
E. Führungsmodelle und -konzepte
Interaktionelle Führung
Die Untergliederung des ersten Hauptabschnitts „Interaktionelle Führung“ (B) orientiert sich an den elementaren Führungsaufgaben: Ziele vereinbaren, Aufgaben delegieren, Mitarbeiter informieren usw. Hier erfahren Sie, was Ihre elementaren Aufgaben als Führungskraft sind beziehungsweise die Ihres Vorgesetzten.
Strukturelle Führung
Im zweiten Teil „Strukturelle Führung“ (C) werden Ihnen Elemente der strukturellen Führung vorgestellt, so beispielsweise Leitbilder, Führungsgrundsätze und die Gestaltung der Unternehmenskultur. Hier wird Ihnen gesagt, wie Sie indirekt, etwa über die Gestaltung der Organisation, eine Abteilung oder ein Unternehmen führen.
Teamarbeit
Ein weiterer Abschnitt (D) behandelt die wichtigsten Fragen der Zusammenarbeit im Team.
Modelle und Konzepte
Im letzten Abschnitt (E) lernen Sie wichtige führungstheoretische Modelle und Konzepte kennen. Hier wird die ganze Bandbreite an Sichtweisen und Erklärungsversuchen zum Phänomen der Mitarbeiterführung deutlich.
Alle fünf Bände sind von Struktur und Inhalt aufeinander abgestimmt. Die meisten Kapitel nehmen Bezug auf andere oder geben Querverweise. So, wie Hammer, Nagel und Zange zusammengehören, so stehen auch die Inhalte der fünf Bände in Beziehung zueinander.
Vertiefende Informationen
Sollten Sie weitere und vertiefende Informationen zu Führungskonzepten und -tools wünschen, so verweise ich auf mein Buch „Managementkonzepte von A bis Z“, das ebenfalls im GABAL Verlag erschienen ist. Es kann den vorliegenden Band sinnvoll ergänzen.
Literatur
Neuberger, Oswald: Führen und geführt werden. Stuttgart: Enke 1995.
Simon, Walter: Managementkonzepte von A bis Z. Offenbach: GABAL Verlag 2002.
TEIL A
Hinführung
1. Führungslehre im Wandel der Zeit
Weg vom alten Paradigma
Führung im heutigen Sinne entstand als Reaktion auf das Management, wie es vor allem im Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert praktiziert wurde. Man kann auch sagen, dass das wissenschaftlich fundierte Human-Resources-Management als Reaktion auf das Scientific-Management des Frederick W. Taylor entstand. Taylor sah im Mitarbeiter ein zweckrational denkendes Wesen, dem es vor allem um die Maximierung seiner wirtschaftlichen Vorteile gehe, der der Maschine angepasst werden müsse. Dieses Denken prägte viele Managergenerationen und war über Jahrzehnte hinweg das herrschende Paradigma.
1.1 Human-Relations-Schule
Die Hawthorne-Experimente
Mitte der 1920er-Jahre versuchten viele US-Firmen den Taylorismus zu perfektionieren. Eine der Untersuchungen aus dieser Zeit wurde weltberühmt und zum Ausgangspunkt eines neuen managementtheoretischen Ansatzes. Gemeint sind die Hawthorne-Experimente, die ab 1924 stattfanden. Wegen der unerwarteten Ergebnisse, die im Widerspruch zum tayloristischen Glaubensbekenntnis dieser Zeit standen, beauftragte man den Nationalökonom und Psychologen Elton Mayo von der Harvard-Universität, umfassende Studien über den Einfluss physischer Bedingungen auf den Arbeitsprozess anzustellen.
Ein neuer Faktor
Am Ende seiner Untersuchungen stand die Entdeckung des bis dahin unbekannten „Faktors der menschlichen Beziehungen“. Damit sind die psychischen und sozialen Begleitphänomene der industriellen Arbeit gemeint.
Die Ergebnisse dieser Studien stellten die Gültigkeit der Aussagen des Scientific-Managements in Frage. Im Gegensatz zur tayloristischen Konzeption des „homo oeconomicus“, der nach individueller Nutzenmaximierung strebt, kamen Mayo und seine Mitarbeiter zu folgenden Schlussfolgerungen:
1 Das Produktionsergebnis wird durch soziale Normen und nicht durch physiologische Leistungsgrenzen bestimmt.
2 Nichtfinanzielle Anreize motivieren stärker als finanzielle.
3 Industriearbeit ist nicht nur formelle, sondern auch informelle Gruppenarbeit.
Nicht nur das Individuum sehen
Dementsprechend handeln die Arbeiter nicht nur als Individuen, sondern meist im Kontext der Gruppenbeziehungen. Das soziale Leben der Beschäftigten bezieht seine Bedeutung aus der Berufssphäre. Insofern stellt Arbeit nichts Fremdes im Leben der Menschen dar. Sozialer Status, Verbrauchsgewohnheiten, gesellschaftliche Beziehungen u. a. m. stehen mit der beruflichen Tätigkeit und dem Betrieb in engster Beziehung.
Verhalten hängt von den Normen der Gruppe ab
Jene Experimente führten zu der Erkenntnis, dass die tatsächliche Produktionsmenge industrieller Arbeit nur im losen Zusammenhang mit der möglichen physischen Tagesleistung der Arbeiter steht. Diese ist in erster Linie eine Funktion sozialer Normen, die sich in den verschiedenen Arbeitsgruppen herausbildeten. Dadurch wurde deutlich, dass Arbeit eine Gruppentätigkeit, das heißt ein sozialer Prozess, ist und das Verhalten des Arbeiters wesentlich von den Normen jener Gruppe abhängt, der er angehört.
Faktoren für die Arbeitsleistung
Der materielle Lohn und die physischen Arbeitsbedingungen sind deshalb nicht die einzigen entscheidenden Faktoren für die Arbeitsleistung. Der Wunsch nach Anerkennung, Sicherheit und echter Zugehörigkeit, nach Prestige und Status sind für den Mitarbeiter ebenso wichtig. Allein die Tatsache, im Blickpunkt der Wissenschaftler zu stehen, hatte dazu geführt, dass im Arbeitsteam ein elitäres Gruppenbewusstsein entstand, aus dem Motivation und Identifikation resultierten. Diese Folgewirkungen gingen als so genannter Hawthorne-Effekt in die industriesoziologische Diskussion ein.
Im Gegensatz zu Taylor, der sich für die Leistung des einzelnen Arbeiters interessierte, betont die Human-Relations-Schule, dass es die Organisation nicht nur mit Individuen, sondern zugleich mit Arbeitsgruppen zu tun hat, die sich nicht unbedingt mit den formellen Arbeitseinheiten decken. Die Mitglieder solcher Gruppen gehen Wechselbeziehungen ein, die nicht dem Fluss der Arbeit folgen, sondern kreuz und quer durch den ganzen Betrieb verlaufen.
Ergänzende und vertiefende Informationen zur Gruppenarbeit finden Sie im Kapitel D 2 dieses Buches.
Einfluss informeller Gruppen
Diese informellen Gruppen sind für die Human-Relations-Schule von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur – wie schon erwähnt – den Arbeitsrhythmus ihrer Mitglieder bestimmen, sondern auch das Sicherheitsgefühl, die sozialen Verhaltensformen sowie die Bewertung der eigenen Arbeit und des Betriebes.
Kein Störfaktor
Während die tayloristische Organisationstheorie solche informellen Gruppen als Störfaktor betrachtet, sieht sie die Human-Relations-Schule als wichtig und notwendig für das betriebliche Funktionieren: „Informelle Beziehungen sind nicht zufällig und nebensächlich für den Ablauf des Betriebes, im Gegenteil: Keine Organisation vermag wirksam zu funktionieren, wenn sie nicht ein parallel laufendes, spontanes Netz zwischenmenschlicher Beziehungen enthält.“ (Roethlisberger und Dickson, in: Oetterli 1971, S. 552)
Für Zufriedenheit sorgen
Eines der Hauptziele der Human-Relations-Schule bestand nun darin, für die Zufriedenheit der Arbeitnehmer zu sorgen. Sie empfahl, die informellen Gruppenbeziehungen zu beachten. Statt starrer Organisationsstrukturen und formaler Abläufe, fordert die Human-Relations-Schule, die informellen Aspekte des Organisationsgeschehens zu erkennen.
Informelle Führer
Ein weiteres, wichtiges Resultat der Human-Relations-Experimente modifizierte auch jene Annahmen des Scientific-Managements, wonach allein Vorarbeiter, Meister oder Abteilungsleiter die Mitarbeiter führen. Bei verschiedenen Untersuchungen wurden so genannte „informelle Führer“ festgestellt, die dadurch, dass sie die Gruppennormen am besten erfüllten, aus der Gruppe herausragten und diese beeinflussten.
Platz in der sozialen Pyramide
Solche informellen Führer bilden sich heraus als Folge von informellen Wechselbeziehungen, aus denen soziale Wert- und Einschätzungen hervorgehen. Während der Arbeiter einerseits einen bestimmten räumlichen Platz einnimmt, bekommt er andererseits aufgrund solcher sozialen Bewertungsprozesse seinen sozialen Platz innerhalb der sozialen Statuspyramide zugewiesen, der nicht unbedingt mit dem Status des formell zugewiesenen Platzes übereinstimmen muss.
Drei Empfehlungen
Als Folge der Experimente ergingen diese Empfehlungen an das Management:
1 Die Mitarbeiter und insbesondere jene, die mit Führungsaufgaben betraut sind, sollen lernen, auf andere zu hören und Fragen zu stellen, die einen Überblick über gegebene Situationen ermöglichen, die eigenen Gefühle und die der anderen erkennen sowie die soziale Realität des Betriebes beobachten.
2 Untere Ränge sollten an den Entscheidungen der oberen beteiligt werden, besonders in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen. Delegierung wird in diesem Zusammenhang auch als Mittel zur Freisetzung des schöpferischen Potenzials der Beschäftigten auf allen Ebenen des Betriebes empfohlen.
3 Auch das Führungsverhalten muss einer gründlichen Revision unterzogen werden. An die Stelle des bis dahin vorherrschenden autoritären Führungsstils sollte das Konzept „demokratischer Führung“ treten. Man war der Meinung, dass die möglichen Führungsstile anhand der Begriffe „demokratisch“, „autoritär“ und „laisser-faire“ operationalisierbar seien. Nach entsprechenden Untersuchungen – unter anderem mit Kindergruppen – gelang man zu der Erkenntnis, dass die „personenbezogene Führung“ bessere Auswirkungen auf die Produktivität hat als die „produktionsbezogene“.
Plötzliches Ende
Der Schwarze Freitag 1929 und die nachfolgende Weltwirtschaftskrise bereiteten den Experimenten ein plötzliches Ende. Dann kam der Zweite Weltkrieg. Noch bevor die breite Diskussion über die Erkenntnisse aus den Chicagoer Fabrikhallen begann, griffen die amerikanischen Manager wieder zu den ihnen vertrauten Mitteln der Kommandowirtschaft mit Befehl, Gratifikation, Sanktion und Kontrolle im Zentrum des Führungsverhaltens.
1.2 Max Webers Führungstypologie
Verschiedene Führungsstile
Ein Managementmodell deutscher Provenienz entstand in der Heidelberger Denkschmiede des Soziologen Max Weber (1864– 1920). Sein Bürokratiemodell wurde zum Organisationsgerüst aller deutschsprachigen Amtsstuben und Industriekontore vom Baltikum bis hin zum Balkan. Er war der Erste, der verschiedene Führungsstile zu erkennen meinte, begrifflich differenzierte und wie folgt beschrieb (vgl. Weber 1956):
Patriarchalischer Führungsstil
Wie ein Familienvater
Der Patriarch führt seine Mitarbeiter fast wie ein Familienvater, ohne sie an der Führung zu beteiligen. Er sieht seinen „Herrschaftsanspruch“ im bloßen Generations-, Reife-, Wissens- und Erfahrungsunterschied begründet. In der Rolle der Vaterfigur befriedigt er gleichzeitig den „Treue- und Versorgungsanspruch“ seiner „Belegschaftskinder“.
Der Koordinationsaufwand der patriarchalischen Führung ist aufgrund der einfachen Überschaubarkeit gering, doch die Effizienz in dem Sinne beschränkt, dass sie das geistige Potenzial der Mitarbeiter nur wenig beziehungsweise gar nicht fördert. Der Patriarch betrachtet seine Worte als Gesetz und duldet keinen Widerspruch.
Charismatischer Führungsstil
Der einzigartige Alleinherrscher
Der Charismatiker begründet seinen Führungsanspruch mit seinem Charisma. Er ist einzigartig und hat weder Vorgänger noch Nachfolger noch Stellvertreter neben sich. Allein die Begeisterung der Mitarbeiter sorgt dafür, dass er ihnen vieles abverlangen kann. Wie auch der Patriarch ist der Charismatiker ein „Soloherrscher“, wobei sein Herrschaftsanspruch weniger auf Gehorsam, als viel mehr auf seiner hohen Anerkennung bei den Mitarbeitern fußt.
Autokratischer Führungsstil
Führung mittels eines Apparates
Auch der autokratische Führer ist wie der Patriarch oder der Charismatiker mit viel Macht ausgestattet, bedient sich jedoch eines Führungsapparates und herrscht nicht unmittelbar. Der autokratische Führungsstil fand seine Entstehung in Kirchen, absolutistischen Staaten und Großunternehmen, da die Bedienung eines Führungsapparates den Aufbau solch großer sozialer Gebilde erst möglich machte. Dabei ist zu bemerken, dass autokratische Führung durch einen besonderen Typ von „Geführten“ erst ermöglicht wird, und zwar solchen, die sich zu unbedingtem und präzisem Gehorsam verpflichten.
Bürokratischer Führungsstil
Alles ist klar geregelt
Bürokratische Führung ist gekennzeichnet durch fachliche Kompetenz von „bürokratischen Instanzen“, von einem „Reglement mit Gewaltenteilung, mit präzisen Beschreibungen der Stellenbefugnisse und der Verwaltungsabläufe“ (Weber). An die Stelle der obersten alleinigen Führungspersönlichkeit tritt ein hierarchischer Apparat, in dem sämtliche Ränge von ganz unten bis ganz oben integriert werden. In der bürokratischen Führung existiert ein „System der ständigen Kontrolle und Gegenkontrolle“, welches „Sicherheit vor Willkür“ bietet und den „Anspruch des Fachwissens“ sichert.
Im Gegensatz zur autokratischen mit ihrem Disziplinierungsmechanismus wird bei der bürokratischen Führung vielmehr dem Führenden Disziplin abverlangt. Die bürokratische Führungsweise löste um die Jahrhundertwende die von Willkür geprägte „konstitutionelle Monarchie“ ab und hat im Laufe der Entwicklung heute eine eher negative Bedeutung erlangt.