Kidnapping in Altenburg und die Sächsische Fehde

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Kidnapping in Altenburg und die Sächsische Fehde
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Walter Brendel

Kidnapping in Altenburg und die Sächsische Fehde

Der Prinzenraub im Mittelalter und seine Nachwirkungen

Kidnapping in Altenburg und die Sächsische Fehde

Walter Brendel

Der Prinzenraub im Mittelalter und seine Nachwirkungen

Impressum

Texte: © Copyright by Walter Brendel

Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

Verlag: Das historische Buch, 2022

Mail: walterbrendel@mail.de

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Einführung

Die Sage

Die Vorgeschichte

Kunz von Kaufungen

Fehde und Rachegedanken

Die Tat

Der Prozess

Was wurde aus den Prinzen?

Prinz Ernst

Prinz Albrecht

Nachbemerkungen

Sächsische Fehde

Einführung

Eine der spektakulärsten Personenentführungen mitteldeutscher und gar deutscher Geschichte nahm im 15. Jh. im Altenburger Schloss seinen Anfang.

In der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 entführte ein Ritter namens Kunz von Kauffungen die Söhne des sächsischen Kürfürsten Friedrich des Sanftmütigen (1428-1464), Ernst und Albrecht, aus ihren Gemächern im Altenburger Schloss.

Kunz von Kauffungen wollte durch die Kindesentführung eine Entschädigung für seine verloren gegangenen Ländereien erzwingen. Der Konflikt zwischen dem Kurfürst und Kunz geht auf den Sächsischen Bruderkrieg (1446-1449) zurück. Angeblich auf Bitten Friedrichs beteiligte sich Kunz an dem Krieg, er wurde alsbald gefangen genommen und musste ein Lösegeld von 4000 Gulden für seine Freilassung zahlen. Nach Beendigung des Krieges forderte Kunz eine Entschädigung vom Kurfürsten. Diese beinhaltete eine Wiedergutmachung für das Lösegeld sowie für die Zerstörung seiner Güter in Thüringen und die Enteignung seines Rittergutes in Schweikershain.

Auf gerichtlichem Weg war keine Entscheidung im Sinne Kunz' zu erreichen, daher reifte der Plan, sein vermeintliches Recht auf eigene Faust durchzusetzen. Er bediente sich dazu des sogenannten Fehderechts. Zusammen mit den Rittern Wilhelm von Mosen und Wilhelm von Schönfels formierte er einen Trupp aus 30 Reitern. In der Nacht zum 8. Juli marschierte der Tross zur kurfürstlichen Burg in Altenburg. Tags vorher wurden Fehdebriefe verfasst und dem Hofe übersandt. Als ehemaligem Burgvogt in der Altenburger Burg kamen von Kauffungen seine Ortskenntnisse zugute. Der weitere Umstand, dass der Kurfürst gerade mit seinem Hofstaat auf einer Hochzeitsfeier weilte, vollendete die Idee. Nach vollbrachter Tat trennten sich die Entführer.

Der Plan beinhaltete, die Prinzen nach Böhmen zu verschleppen, da Kunz die politische Lage zwischen Sachsen und Böhmen nutzen wollte, um somit den Faustpfand zu verstärken. Wilhelm von Mosen und Wilhelm von Schönfels wollten mit dem Prinzen Ernst über das Vogtland böhmischen Boden erreichen, während von Kauffungen mit Albrecht versuchten, über Stollberg zu seinen im Böhmischen gelegenen Gütern zu gelangen. Albrecht gelang jedoch die Flucht. Die herbeigerufenen Männer überwältigten Kunz. Ernst hingegen wurde in einer Höhle in der Nähe von Hartenstein im Erzgebirge gefangen gehalten. Nach der Nachricht von der Festnahme Kunz von Kauffungens übergaben Mosen und Schönfels den Prinzen an Friedrich von Schönburg mit der Forderung eines freien Abzugs. Die Schmach war zuviel: Alsbald wird Kauffungen auf dem Marktplatz von Freiberg hingerichtet. Weitere Mittäter ereilt das gleiche Schicksal.

Die Sage

Der Bruderkrieg hatte in den sächsisch-thüringischen Landen gar übel gewütet. Eine Folge der ordnungslosen Zustände nach dem Bruderkriege ist der Prinzenraub. Der Prinzenraub ist ein wirkliches Geschehnis, 1455 zu Altenburg vorgegangen, aber das sächsische Volk hat an dem Ereignis so herzlichen Anteil genommen, hat es liebevoll mit sagenhaften Einzelzügen ausgeschmückt, hat die große Haupt- und Staatsaktion so oft auf seinen Puppentheatern gesehen, dass die Geschichte auch hier erzählt werden soll.

Wir woll'n ein Liedel heben an,

Was sich hat angespunnen,

Wie's im Pleißnerland gar schlecht bestallt,

Als syn jung'n Först'n g'schach groß Gewalt

Durch den Kunzen von Kaufungen, ja Kaufungen.

Kunz von Kauffungen war ein erprobter und wohlverdienter Kriegsmann im Heere des Kurfürsten Friedrich. Es geschah ihm aber, dass er vor Gera in die Hände der Feinde fiel. Da er die Freiheit über alles liebte, zahlte er ein Lösegeld und wurde frei, dachte, mein Kriegsherr wird mir die Lösesumme wiedergeben. Doch der sagte: "Du hast mir nicht wegen des Lehens oder als Landsasse gedient, sondern wie ein Söldner um Geld. Darum bezahle selber." Da wurde der Ritter Kunz zornig, drohte: "Ich werde mich nicht an deinen Leuten rächen und erholen, sondern an deinem eignen Leib und Blut!" Doch der Kurfürst war ein sanftmütiger Herr, schlug auf die wilde Rede ein Gelächter an und sagte: "Mein Kunz, sieh, dass du mir die Fische in den Teichen nicht verbrennst!" Doch da sich Kunz immer wilder gebärdete, fiel er in Ungnade und wurde des Landes verwiesen. Da wandte er sich nach Böhmen, wie es die meißnischen Edelleute in einem solchen Falle immer zu tun pflegten. Dort sammelte er bald einen Anhang gegen den Kurfürsten um sich und schmiedete in aller Heimlichkeit seine Pläne.

Der kursächsische Hof wurde damals zu Altenburg im Osterlande gehalten. Im Juli 1455 reiste der Kurfürst nach Leipzig. Das gab ein bestochener Koch, Schwalbe mit Namen, dem Kunz zu wissen. Der traf in der Nacht mit 35 Reitern und 10 Fußknechten in Altenburg ein, erkletterte die hohen Mauern mit Hilfe des Kochs auf Garleitern, die er bei Callnberg gefertiget, und drang in das Schlafgemach der jungen Herren. Da wacht von dem Getümmel Herzog Ernst auf, das vierzehnjährige Herrlein ruft in seiner großen Angst das alte Hoffräulein, das er von Jugend an gewöhnt: "O Bule, Bule, Kunz von Kauffung ist da und will uns erwürgen. O saget es der Frau Mutter, daß sie uns helfe!" Doch die konnte nicht kommen und auch die Diener konnten nicht kommen, denn Kunz und seine Gesellen hatten vorerst alle Gemächer von außen verschlossen. Da schrien die jungen Herrlein, zitterten und zageten. Kunz aber tröstete sie, sie sollten nur fein stille schweigen und willig folgen, so wolle er ihnen kein Leid tun. Dann ergriff er den Herzog Ernst als das ältere Herrlein, befahl seinem Gesellen, dem Wilhelm von Mosen, den Herzog Albrecht nachzubringen. Aber der war unter das Bett gekrochen, und Wilhelm von Mosen führte ein falsches Knäblein fort, den Grafen von Barby, der mit den hohen Herren erzogen wurde. Aber Kunz merkte bald den Irrtum, ging wiederum über den Schloßhof in die Kammer und holte den rechten Herzog. Da war die Kurfürstin durch das Lärmen wach geworden, erkannte vom Fenster aus den Ritter und schrie: "Lieber Kunz, tue nicht so übel an mir und meinem Herrn. Es sollen alle deine Sachen noch gut werden!" Aber der hat sich an die sehnliche Bitte der Mutter ganz und gar nicht gekehrt, sondern beide Fürsten davongeführt und den Raub mit seinen Gesellen auf diese Weise geteilet: Er selbst hat den jüngern Herzog Albrecht behalten, dem von Mosen und Schönfels hat er den andern gegeben.

Nun war auf dem Schlosse zu Altenburg ein groß Heulen und Wehklagen. Und unter den Hofleuten ist groß Schrecken und Furcht entstanden, denn mancher unter ihnen hatte seinem Amte nicht treulich nachgelebt. Und ist dem Kurfürsten mit eilender Post gen Leipzig die Tat zu wissen getan worden. Und die Hofleute haben nicht länger gesäumt, sind ausgeritten und haben den Sturmschlag in allen Städten und Dörfern angehen lassen. Da sind die Glockenschläge wie Wind durchs Land gelaufen und haben das ganze Land rege gemacht. Sind auch den tollkühnen Rittern nachgegangen und zu ihren Ohren gekommen.

Kunz von Kauffungen hatte das junge Herrlein auf ein Handroß gesetzt, führte ihn durch Nacht und Nebel stracks nach dem Lande Böhmen zu. Als sie in die Gegend von Elterlein gekommen, ist es Mittag gewesen, und das Herrlein hat gar großen Hunger und Durst verspüret. Hat gesagt: "Wenn ich nicht Essen und Trinken habe, so muß ich krank werden und kann nicht weiter." Solches besorgte sich Kunz auch, weil er ihn von Mitternacht bis Mittag auf einem ziemlich harttrabenden Rosse geführt hatte. Deswegen behält er nur einen Reiter bei sich, schickt die andern voraus, und will dem jungen Herrn in Mangel andrer Speise Erdbeeren brechen. Indem nun Kunz und das Herrlein also Beeren pflücken, kommt ein Köhler zu ihnen. Der sieht, dass Kunz ein Panzerhemd an hat und ein Ross an der Hand führt, auch dass der Knabe schön, zart und adeliger Gebärde ist. Deswegen dünkte es ihm, es müsse nicht recht zugehen, und fraget trotzig, wie es der Wäldler Brauch ist, von wannen er mit dem Knaben komme und wohin er mit ihm hinaus wolle. Darauf antwortet ihm Kunz, es sei ein böser Bube, der seinem Herrn entlaufen, den müsse er wieder heimbringen. Wie sie aber ein wenig miteinander fortgehen, fällt Kunz in dem Gestrüpp von Beerensträuchern, darinnen er mit seinen langen Sporen hängen blieb, und konnte wegen der schweren Rüstung und weil er das Ross nicht wollte fahren lassen, nicht bald wieder aufkommen. Da er nun also liegt, spricht das Herrlein heimlich zum Köhler: "Ich bin ein Fürst von Sachsen, mache mich los, mein Vater soll dir's wohl vergelten." Sobald der Köhler solches vernommen, hat er auf Kunzen mit seinem Schürbaum losgeschlagen und hätte ihn wohl abgedroschen, wenn nicht das Herrlein für ihn gebeten hätte. Da ist Kunzens Geselle geflohen, aber des Köhlers Hund ist so laut geworden, dass des Köhlers Weib aus dem Kohlkram herbeigelaufen ist, um zu sehen, was da wäre. Und da sie denkt, es sei ein Räuber, gibt sie alsbald ein Zeichen wie es bei den Wäldlern üblich ist: sie schlägt mit einem Zschörper oder großem Messer auf eine Holzaxt. Hierauf laufen alle Köhler zusammen, kommen mit ihren Äxten und Schürbäumen, nehmen Kunzen gefangen und führen ihn mit sich in einen Kohlkram. Dort geben sie dem Herrlein klares Wasser und schwarzes Brot, bringen den Kunz und das Herrlein zum Abte von Grünhain.

 

Da ist es durch das ganze Land froh erschollen, dass man den jungen Fürsten wiederhabe. Und auch Kunzens Spießgesellen, der von Mosen und der von Schönfels, haben die Nachricht in ihrem Verstecke gehört. Sie hielten sich im Walde bei Schloss Stein an der Mulde unterm Schneeberg verborgen. Da haben sie in ihrer Angst an den Hauptmann von Zwickau geschrieben. Wenn er ihnen bei dem Kurfürsten Gnade erlangen wolle, dass sie Leibes und Gutes könnten gesichert werden, so wollten sie den andern Herrn auch freiwillig wiederbringen. Der hat ihnen beides zugesagt. Da sind sie zum Herrn Veit von Schönburg auf Hartenstein gegangen und haben den Prinzen eingeliefert. Da ist ein Frohlocken im ganzen Lande gewesen, als die Herrlein wieder gen Altenburg gebracht wurden. Da wurde ein großes Freudenfest gehalten und in allen Kirchen öffentliche Danksagung getan. Und der sächsische Hof machte eine Wallfahrt nach der Ebersdorfer Kirche bei Chemnitz, und der Kurfürst ließ daselbst die Kleider der beiden jungen Herrlein, so sie bei ihrer Entführung angehabt, wie auch des Köhlers Kittel und Kappe, aufhängen. Aber während der jubelnde Festlärm durch das Land ging, verlor zu Freiberg ein erprobter und wohlverdienter Kriegsmann, Herr Kunz von Kauffungen, durch den Scharfrichter auf öffentlichem Markte sein Leben.

So geht's, wer wider die Oeberkeit

Sich unbesonnen empöret;

Wer es nicht meynt, der schau an Kunz'n:

Seyn Kop thut zu Freyberg noch 'runter schmunz'n

Und jedermann davon lehret, ja lehret!

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