Sieben Tage Leidenschaft

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Sieben Tage Leidenschaft
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Titel

Valerie Parker

Sieben Tage Leidenschaft

Impressum

Texte: © Copyright by Valerie Parker

Umschlag: www.ePub24.com

Bilder: © Copyright by Margarita Borodina, fztommy, www.shutterstock.com

Korrektorat: www.ePub24.com Verlag: Valerie Parker, Valerie.Parker@outlook.de

Ersteller des Ebooks: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin

ISBN 978-3-7450-3387-8

Alle Orte und Personen in diesem Werk sind frei erfunden und entspringen ausschließlich der Fantasie der Autorin. Sollte es reale Ähnlichkeiten geben, sind diese rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte an diesem Werk gehören ausschließlich der Autorin. Nachdruck, auch auszugsweise, oder anderweitige Veröffentlichung nur mit schriftlicher Genehmigung.

Widmung

Für meine Busenfreundin.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Drei Jahre später

Danke

Tag 1
- 1 -

Marco steht vor einem verglasten Hochhaus, in dem sich Büros verschiedener Firmen befinden. Er hat die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben. Heute ist ein großer Tag, denn er macht einen weiteren Schritt in die Selbstständigkeit, zusammen mit seinem besten Kumpel Andreas. Aber das ist nicht das Wichtigste an seinem Besuch hier.

Er schaut zu dem imposanten Gebäude hinauf, hinter ihm die laut umherfahrenden Autos. In seinem neuen teuren Anzug, mit Hemd unter dem Sakko und seinen schwarzen polierten Schuhen. Der Wind pfeift durch seine gestylten kurzen Haare, das Wetter passt in diese laute, dreckige Stadt.

Es ist zwar fast 10:00 Uhr am Morgen, aber es könnte auch früher Abend sein. Der Himmel ist mit dunklen Wolken verhangen, und sie sehen aus, als ob es gleich in Strömen regnen würde.

Marco schaut auf die Säule, auf der steht, welche Firmen sich in welcher Etage in dem Gebäude befinden. Als er bei dem Namen stehen bleibt, zu der er gleich gehen wird, schlägt ihm sein Herz bis zum Hals. Er wird sie wiedersehen, die Frau, die ihm vor sechs Monaten den Rücken zukehrte, ohne sich noch einmal umzudrehen, und ihm damit das Herz aus der Brust gerissen hat.

Zu seinem Glück hat sie nicht das Nummernschild ihres Autos bedacht, mit dem sie bei seiner Hütte war. Zum Glück hat er es sich gemerkt. In seinem Dorf auf dem Land, wo jeder jeden kennt und er sich auch gut mit dem Dorfsheriff versteht, war es kein Problem, ihre Adresse herauszubekommen. Nachdem er zwei Tage gebraucht hat, um sich von den Strapazen mit Janina zu erholen, ist er zu ihm gegangen.

Dass sie aus der Stadt kommt, wusste er ja schon anhand des Kennzeichens, aber dass sie wirklich Janina heißt, hätte Marco nicht gedacht. Janina Huhse ist ihr kompletter Name.

Er hat ihr eine E-Mail geschrieben, aber eine Benachrichtigung bekommen, dass diese nicht zugestellt werden konnte. Da sie auch ihren Account bei dem Sexforum gelöscht hat, nahm er an, dass Janina ein Fakename war, den sie dort verwendete.

Als er ihren Namen in eine Suchmaschine eingab, hat er nichts über sie herausfinden können. Nur dass ihr Name unter dem Namen eines Geschäftsführers stand, wo sie als Assistentin ausgegeben wurde. Sogar mit Foto, das er direkt auf seinen PC und Handy lud.

Immer, wenn ihm danach ist, schaut er sich ihr Bild an. Schaut auf ihre schönen blonden Haare, die sie zu einem Dutt hochgesteckt trägt. Auf ihre anziehenden Gesichtszüge, die auf dem Bild überhaupt nicht richtig zur Geltung kommen, da sie, wie eigentlich immer, keine emotionale Regung zeigt. Genau das Gleiche mit ihren grünen Augen, die ihm kühl entgegenblickten. Sie jagten ihm einen Schauer über den Rücken und weckten den Drang, wieder Gefühle darin zu entfachen.

Wie es der Zufall will, arbeitet sie für eine Firma, die professionelle Sportgeräte vertreibt.

Zwei Monate, nachdem sie einfach gegangen war, wurde ihm angeboten, das Fitnessstudio, in dem er arbeitet, zu übernehmen. Er musste nicht zweimal überlegen und fragte seinen Kumpel, ob er mit einsteigen wolle. Andreas ließ sich ebenfalls nicht lange bitten, weil sie schon immer gern in diesem Studio trainierten und arbeiteten.

Sie benötigen ein paar neue Sportgeräte, und Marco wandte sich an diese Firma. Diese ist zwar ein bisschen teurer als andere, bietet aber hervorragende Qualität.

Er hat schon ein paar Mal mit Janina Kontakt gehabt, ohne dass sie davon wusste, weil sie seinen Nachnamen nicht kennt. Als sie jedoch seine Adresse zwecks der Vertragsunterlagen vorliegen hatte, muss sie stutzig geworden sein, denn sie bot ihm an, ihm die Unterlagen zuzuschicken, er könne diese ja unterschreiben und zurückschicken. Darauf verzichtete er mit der Ausrede, dass er noch etwas anderes Geschäftliches in der Stadt zu tun habe.

Marco könnte sich diesen ganzen Aufwand auch sparen und sie zu Hause besuchen, einfach vor ihrer Haustür auftauchen, aber wo bliebe da der Spaß? Er hofft natürlich, dass sie sich nicht freigenommen hat und sie sich gleich über den Weg laufen.

Er holt noch einmal tief Luft und geht auf den gläsernen Bunker zu, um seiner Traumfrau, von der er sich einfach nicht fernhalten kann, auf den Zahn zu fühlen.

- 2 -

Janina sitzt in ihrem grauen Kostüm mit weißer Bluse und einem Rock, der ihr bis zu den Knien reicht, hinter ihrem Schreibtisch. Ihre Beine, die sie in hautfarbene glänzende Halterlose gesteckt hat, zappeln unruhig unter dem Schreibtisch herum. Ihre Füße, die in schwarzen Pumps stecken, wollen nicht stillstehen. Ihre Haare hat sie in einem ordentlichen Knoten zusammengesteckt, und wie immer im Büro hat sie sich leicht geschminkt. Grauer heller Lidschatten, passend zu ihrem Kostüm. Wimperntusche und glänzenden Lipgloss.

Seit Janina heute aufgestanden ist, verspürt sie eine innere Unruhe.

Mit zitternden Händen legt sie den Vertrag, den ihr Chef gleich für das Meeting benötigt, in die Unterschriftenmappe. Sie schaut auf den Vertrag, sieht wieder diesen Namen. Marco Heller. Er stammt auch noch aus dem gleichen Ort, aus dem sie vor sechs Monaten geflüchtet ist, und von dem sie eigentlich dachte, diese Episode in ihrem Leben hinter sich gelassen zu haben.

Es kann kein Zufall sein. Sie weiß, dass sich der Marco aus der Hütte für Fitness interessiert. Warum kommt er ausgerechnet in die Firma, in der sie arbeitet? Warum ist er nicht woanders hingegangen?

Aber vielleicht macht sie sich ja umsonst so viele Gedanken und er ist es gar nicht, sondern es ist wirklich nur ein dummer Zufall.

 

Blöderweise beruhigt sie das überhaupt nicht, und sie ist total genervt. Seit sie aus dem Wald abgehauen ist, hat sie es nicht geschafft, ihre Gefühle wieder komplett hinter ihrer Eisschicht zu vergraben. Janina tut nur so nach außen, da ist sie wie immer, aber innerlich ist sie ein emotionales Wrack.

Seufzend lehnt sie sich in ihrem Stuhl zurück und klappt die Unterschriftenmappe zu. Ihre Hände sind schon wieder ganz schwitzig, und sie reibt sie an ihrem Rock trocken. Sie schaut auf die Uhr über der Tür. 09:50 Uhr. Gleich kommt er.

Stocksteif setzt sie sich auf. Ihr kleines Vorzimmer erdrückt sie.

Ihr Schreibtisch steht gegenüber der Eingangstür. In den Ecken neben der Tür hat sie zwei Pflanzen aufgestellt. Rechts und links an der Wand stehen Aktenschränke, wobei der Linke etwas niedriger ist, weil dort ein Fenster zu finden ist. Rechts neben ihrem Schreibtisch führt eine Tür in das Büro ihres Chefs. Hinter ihrem Schreibtisch steht noch ein Regal mit Ordnern. Der Boden ist mit grauem Teppichboden ausgelegt, und die Wände sind weiß gestrichen. Die Möbel sind in hellem Holz gehalten.

Janinas Telefon klingelt, und sie fährt erschrocken zusammen. Auf dem Display steht die Nummer vom Empfang. Sie hebt den Hörer ab.

Janinas Herz schlägt hart hinter ihrem Brustbein, ihr Mund ist ganz trocken. „Ja, Melinda, was gibt es?“, fragt sie die freundliche Empfangsdame mit reservierter Stimme.

„Ein Herr Marco Heller ist hier und sagt, dass er um 10:00 Uhr einen Termin bei Michael hat. Soll ich ihn hochschicken?“

Ein Schauder fährt Janinas Rücken hinab, sie hat Schwierigkeiten, zu antworten. Janina räuspert sich, was für sie ganz untypisch ist, und sie möchte überhaupt nicht wissen, was Melinda gerade über sie denkt. „Ja, das ist richtig, schick ihn bitte hoch.“ Zum Glück klingt ihre Stimme genauso reserviert wie vorher.

„Okay, mach ich.“

Janina legt den Hörer auf die Gabel und atmet kräftig durch, versucht, die Nervosität zu unterdrücken, und hofft immer noch, dass es ein anderer Marco ist.

Die Emotionen, die sie noch unterdrücken konnte, drohen überzulaufen, ihre Eisschicht zu durchbrechen, dabei hat sie sich so viel Mühe gegeben, diese wiederaufzubauen.

Als sie von der Hütte weggefahren war, glaubte sie ja noch, ihre Gefühle gut unter Verschluss gepackt zu haben, allerdings musste sie nach zehn Minuten am Straßenrand anhalten. Ein ungeheurer Schmerz durchfuhr sie, als ob sie etwas Wichtiges verloren hätte. Janina weinte eine halbe Stunde bitterlich, und es dauerte noch mal eine, bis sie sich so weit beruhigte, dass sie weiterfahren konnte.

Ab diesem Moment schwor sie sich, sich nicht mehr auf Männer, die sie aus dem Internet kennt, einzulassen und auch nicht mehr auf die Sexportale zu gehen. Sobald sie zu Hause war, setzte sie sich an ihren Laptop und löschte ihre Accounts. Ihre E-Mail-Adresse deaktivierte sie ebenfalls, damit sie nicht erst in Versuchung kam, irgendetwas von Marco zu lesen.

Janina brauchte lange, um über ihn hinwegzukommen. Immer wieder überkam sie der Verlustschmerz, und sie fing an zu heulen. Nach außen konnte sie sich ihren Verhältnissen entsprechend normal geben, aber innerlich war alles durcheinander. So lange brauchte sie, um alles halbwegs wieder geradezubiegen, aber die Eisschicht blieb bröckelig, angeschmolzen.

Selbst ihre Freundin Leni war erstaunt, zwischendurch eine Emotion in Janinas Augen aufblitzen zu sehen.

Jetzt ist es so, als ob die Eisschicht schmilzt und alle Emotionen hindurchfließen können.

Und wer ist schuld?

Natürlich dieser verdammte Marco!

Ein Klopfen an ihrer Bürotür reißt sie aus ihren Gedanken. Ihr Herz wummert schnell hinter ihrem Brustkorb, und sie hofft, dass ihre Stimme wie immer klingt. Janina versucht sogar, diese noch eisiger klingen zu lassen. „Herein!“ Während des Rufens steht sie auf und lässt ihre schwitzigen Hände über ihren Rock fahren.

Die Tür öffnet sich, und genau der Marco steht im Türrahmen, von dem sie gehofft hat, dass er es nicht ist. Ein Kribbeln durchfährt ihren ganzen Körper. Ihre Beine werden wie Wackelpudding, und dieses schmerzhafte Sehnen, das sie nie ganz unterdrücken konnte, wird noch stärker.

Janina schaut Marco ins Gesicht, direkt in seine strahlend blauen Augen und erkennt in diesen das Gleiche, was sie innerlich fühlt.

Das wollte sie nie, will sie immer noch nicht, denn die Rückfahrt von der Hütte hat ihr klargemacht, dass sie nicht mit diesen Gefühlen umzugehen weiß.

Was würde passieren, wenn sie sich komplett auf Marco einlassen würde und ihn dann verlieren sollte? So wie ihre Freundin aus dem Kindergarten?

Der Gedanke daran hilft ihr, sich wieder zu sammeln. Sie nimmt die Unterschriftenmappe und geht um den Schreibtisch herum. „Guten Morgen Herr Heller“, sagt sie reserviert. „Ich begrüße Sie in unserer Firma. Mein Name ist Janina Huhse. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Anreise?“ Sie streckt Marco professionell ihre Hand entgegen.

Als er seine Hand in ihre legt, wünscht sie sich, sie hätte es nicht getan, denn sobald sich ihre Handflächen berühren, ist es so, als ob ein Stromstoß hindurchfahren würde. Janina zuckt zusammen.

Marco scheint es genauso zu ergehen, er zuckt ebenfalls kurz zusammen. Schnell will Janina ihre Hand wieder wegziehen, aber Marco hält sie fest. „Janina, ich freue mich sehr, dich wiederzusehen. Was für ein Zufall, wie geht es dir?“, sagt er mit rauer Stimme.

Janina ist irritiert, weil er ihre vorherige Ansprache komplett ignoriert. Sein Blick ist auf ihr Gesicht gerichtet, und diese Zärtlichkeit darin ist kaum auszuhalten. Hat er es immer noch nicht kapiert? Sie reißt ihre Hand aus seiner und schaut ihn eisig an. „Ich werde Herrn Meier Bescheid sagen, dass Sie da sind. Einen Moment, bitte.“ Janina versucht, frostig zu klingen, so gut es geht, und entlässt sich aus seinem Blick, indem sie sich zur Tür ihres Chefs umdreht. Innerlich aufgewühlt und mit zittrigen Händen klopft sie an. Sie wartet auf das „Herein“, öffnet und steckt den Kopf durch den Türspalt. „Michael, Herr Heller wäre jetzt da, soll ich ihn durchschicken?“ Janina schaut zu ihrem Chef hinüber, der hinter seinem Schreibtisch sitzt und vertieft auf seinen Bildschirm blickt.

Für seine fünfzig Jahre ist er noch sehr attraktiv, schwarze Haare mit grauen Schatten an den Seiten. Er hat ein attraktives kantiges Gesicht und eine sehr sportliche, muskulöse Figur, die selbst durch den blauen Anzug mit dem weißen Hemd gut zu sehen ist.

Er schaut auf und stutzt, als er Janina ansieht. „Ja bitte, lassen Sie ihn eintreten“, sagt er dann aber.

Janina nickt, öffnet die Tür und bittet Marco, einzutreten.

Das Büro hat dieselben Möbel wie ihres, nur anders verteilt, und in der Mitte steht ein Besprechungstisch mit sechs Stühlen aus dunklem Leder. Hinter seinem Schreibtisch erstreckt sich von einer zur anderen Wand eine große Fensterfront.

Janina geht zum Besprechungstisch und legt die Unterschriftenmappe ab.

Ihr Chef kümmert sich immer selbst um die Bewirtung seiner Gäste, da er einen Kühlschrank und Kaffeeautomaten in einer Ecke stehen hat. Sie verlässt das Büro. Beim Schließen der Tür hört sie gerade noch, wie Marco begrüßt wird.

Solange sich die beiden besprechen, nutzt sie die Chance, um auf die Toilette zu gehen. Sie geht scheinbar relaxt den Flur hinunter, trifft zum Glück aber niemanden und öffnet die Tür. Janina stellt sich vor die Waschbecken und schaut in den Spiegel.

Jetzt weiß sie, warum ihr Chef so gestutzt hat, als er sie ansah. Ihre Wangen sind ungewöhnlich gerötet, und ihre Augen wirken gehetzt. Und sie dachte, sie hätte alles unter Kontrolle. Verdammte Scheiße! Verdammter Marco!

Wütend geht sie auf die Toilette, um danach das Chaos in ihrem Gesicht mit kalten Tüchern wieder in Ordnung zu bringen.

- 3 -

Marco hat ein wirklich interessantes Gespräch mit Janinas Chef gehabt. Nicht nur, dass sie den Vertrag bis in kleinste Detail durchgesprochen haben, nein, nach dem geschäftlichen Gespräch fragt ihr Chef, ob er Janina kenne.

Marco blickt ihn verdutzt an und kann auf seinem Gesicht nur ehrliches Interesse erkennen. „Ja, wir haben uns vor ein paar Monaten kennengelernt und sind nicht so gut auseinandergegangen. Warum fragen Sie?“

„Weil ich unsere unterkühlte Janina noch nie so gesehen habe wie gerade eben. So gehetzt, das sind wir von ihr überhaupt nicht gewöhnt, deshalb frage ich. Was haben Sie gemacht, sie reagiert so seltsam auf Sie? Die ganze Firma versucht schon so lange, sie aus der Reserve zu locken, aber erfolglos. Also, für ein paar Tipps wäre ich schon dankbar.“

Marco räuspert sich. „Ich weiß nicht so recht, ob es richtig ist, mit Ihnen über Janina zu sprechen, das ist doch sehr persönlich.“ Er fühlt sich unwohl, hat er doch nicht damit gerechnet, dass sich das Gespräch so entwickeln würde.

„Das verstehe ich vollkommen, Herr Heller. Sie müssen verstehen, dass wir ein sehr familiäres Unternehmen sind. Wir duzen uns alle und gehen alle sehr offen miteinander um. Nur Janina tanzt aus der Reihe. Sie nimmt nicht mal an Firmenveranstaltungen teil. Außer an denen, zu denen ich sie zwinge, weil sie den Teamgeist stärken sollen. Aber selbst da kommt sie nicht aus sich heraus. Sie müssen das so sehen, dass ich sehr um meine Mitarbeiter bemüht bin und zu jedem ein gutes Verhältnis haben möchte. Das habe ich zwar auch zu ihr, und sie ist eine hervorragende Assistentin, aber sie ist immer so distanziert. Das hat sich in den ganzen Jahren, seit sie für mich arbeitet, nicht geändert. Ich mache mir einfach nur Sorgen, warum das so ist. Deshalb frage ich, um es besser zu verstehen. Zudem hat es mich gewundert, als sie vor ein paar Monaten aus ihrem Urlaub zurückkam, sie schon verändert war. Man sieht es aber nur, wenn man genau hinschaut und eine Person gut kennt.“

Marco schaut in die aufrichtig dreinblickenden Augen von Herrn Meier und überlegt, was er diesem erzählen soll. Er kann ihm schlecht sagen, dass sie sieben Tage nur gevögelt haben, sie sich von ihm sexuell ausnutzen lassen wollte und er dafür extra ein Zimmer hergerichtet hat. Deswegen entscheidet er sich für eine andere Version. „Wir haben ein paar Tage zusammen verbracht, wie es dazu kam, seien Sie mir nicht böse, geht Sie nichts an. Allerdings habe ich es auch nicht geschafft, herauszubekommen, was mit ihr los ist und warum sie sich wie ein Eisklotz verhält. Und da Sie so ehrlich waren, bin ich es jetzt auch.

Ich bin extra in die Stadt gekommen, um sie zu sehen, noch mal mit ihr zu sprechen. Sie war aber gerade schon wieder so kalt, tat sogar so, als ob sie mich nicht kennen würde. Ich glaube mittlerweile, dass ich mich umsonst auf den Weg gemacht habe.“ Marco denkt daran, wie eisig sie gerade wieder war, dabei durchfährt ihn ein Stich, und eine tiefe Traurigkeit überkommt ihn. Damit ihr Chef nicht sieht, wie es um ihn bestellt ist, senkt Marco den Blick auf seine auf dem Tisch ineinander gefalteten Hände.

„Jetzt geben Sie mal nicht so schnell auf. Marco, ich darf Sie doch beim Vornamen nennen?“

Marco schaut wieder hoch und nickt.

„Okay, nennen Sie mich Michael, so passt es besser. Ich habe eine Idee, sodass Sie doch nicht ganz umsonst den langen Weg auf sich genommen haben. Und ich habe mich schon gewundert, warum Sie für die Vertragsunterzeichnung extra vorbeigekommen sind. Das es Janinas wegen ist, freut mich umso mehr. Zudem kann ich Ihnen versichern, dass Janina nicht mehr so kalt ist, wie sie gern vorgibt. Wie schon gesagt, so aufgewühlt wie eben habe ich sie noch nie erlebt. Also …“

Und so hört Marco gespannt zu, was sich Michael mit einem begeisterten Funkeln in den Augen ausgedacht hat.

**

Janina wird immer noch von einer inneren Unruhe geplagt, obwohl sie sich Unmengen kaltes Wasser ins Gesicht und den Nacken gespritzt hat. Die kalten Tücher brachten nicht viel. Leider verschwand nur die rote Farbe aus ihrem Gesicht, gegen diese ätzende Unruhe half es leider nicht.

Wieder in ihrem Büro hat sie sich schnell vor ihrem Taschenspiegel nachgeschminkt und versucht jetzt, sich auf die Präsentation zu konzentrieren, die sie noch vorbereiten muss. Leider bekommt sie kaum etwas von dem zu fassen, was auf dem Bildschirm steht.

Marco ist seit mehr als zwei Stunden in Michaels Büro, und sie fragt sich, was die beiden so lange zu bereden haben. So lange hat noch niemand wegen einer Unterzeichnung des Vertrages bei ihm gesessen.

 

Das macht sie zusätzlich nervös, denn Michael ist ein Schlitzohr, versucht immer wieder, sie aus der Reserve zu locken. Zudem hat er gesehen, dass mit ihr etwas nicht stimmt.

Ihr Immer-muss-alles-gut-sein-Chef hat für so etwas unheimlich gute Antennen. Er führt nicht nur eine gut laufende Firma, sondern sorgt auch dafür, dass bei seinen Mitarbeitern alles gut läuft.

Aufs Neue verflucht sie Marco. Durch sein Auftauchen hat er diese ätzenden Gefühle, die sie plagen, nur noch verschlimmert.

Gerade will sie sich wieder auf die Präsentation konzentrieren, da öffnet sich die Tür ihres Chefs. Marco tritt als Erster heraus, und sofort wummert Janinas Herz härter und schneller gegen ihre Rippen. Es verstärkt sich sogar noch, als er beim Betreten ihres Vorzimmers direkt und intensiv in ihre Augen schaut. Janina ist total gebannt von seinen blauen Augen und muss kräftig schlucken. Es kommen Erinnerungen hoch. An die Zeit in der Hütte, wo er sie zärtlich berührt hat, an ihrem einzigen Abend, wo sie bewusst Zärtlichkeiten ausgetauscht haben.

Warum denkt sie gerade daran? Und warum zieht es so verräterisch zwischen ihren Beinen?

„Janina.“

Sie zuckt zusammen, der Blickkontakt wird durch die Worte ihres Chefs unterbrochen.

„Bist du bitte so nett und würdest Marco zum Mittagessen begleiten? Er kennt sich nicht so gut aus in der Stadt, und ich muss nach Hause, weil meine Frau krank ist und ich sie zum Arzt fahren muss.“

Janina runzelt die Stirn. Ihr Chef nennt ihn Marco? Und sie kann sich nicht erinnern, dass er ihr erzählt hätte, seine Frau sei krank. „Ich hoffe, es ist nichts Ernstes?“

„Nein, nein, sie rief mich gerade auf dem Handy an. Ich hatte den Termin nur vergessen.“

Hm, denkt sich Janina und ist sofort misstrauisch, denn ihr Chef hat noch nie einen Termin vergessen. Aber Zeit, weiter darüber nachzudenken, hat sie nicht.

Ihr Chef hat schon seine Jacke und seine Autoschlüssel mit aus seinem Büro genommen und ist dabei, aus ihrem Vorzimmer zu verschwinden. „Also bis später“, ruft er und ist auch schon weg.