Zielobjekt: Untreue Ehefrauen

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»Meine Ehefrau ist verklemmt und prüde. Willst du sie ficken und zu einem lustvollen Wesen erziehen, das ihrem Mann bedingungslos dient? Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen«

Toby lehnte sich, unverändert komplett nackt, in den Schreibtischstuhl zurück. Er dachte nach. Und während er das tat, spielte er an seinem schlaffen Penis. Bei dieser sanften Massage kamen ihm immer die besten Ideen.

Eine prüde und verklemmte Frau also. Das las sich in seinen Augen interessant und weckte seinen Jagdinstinkt. Der Auftrag reizte ihn, daher tippte er als kurze Antwort:

»Hugo's Beach Club Undosa, Starnberg, direkt am Starnberger See. Freitagabend, zweiundzwanzig Uhr. Ich sitze an der Bar und spiele mit einer Goldmünze in den Fingern. Sei pünktlich. Einen zweiten Termin erhältst du nicht«

2

Toby Weston setzte sich an die Bar Theke und bestellte ein Glas Rotwein. Es waren noch zehn Minuten, bis der Unbekannte erscheinen sollte. Was das wohl für ein Typ war, überlegte Toby.

Er griff in seine Hosentasche und nahm eine 1oz Maple Leaf Goldmünze hervor. Spielend ließ er sie zwischen seinen Fingern tanzen. Er liebte das Gefühl von purem Gold auf der Haut. In seinen Augen war es das einzig wertvolle, das die Zeit immer überdauern würde. Die Währungen kamen und gingen. Er gab den Reichstaler, den Groschen, die Rentenmark, die Reichsmark, die D-Mark und jetzt den Euro. Alle waren gekommen, um dann wieder ersetzt zu werden, immer zu dem Zweck, die Reichen noch reicher zu machen, und die Armen noch ärmer. Ein ständiger Kreislauf, den jedoch keiner begriff. Die einzige Konstante in den Jahrhunderten war immer Gold gewesen. Daher hatte Toby einen Großteil seines Vermögens in Gold angelegt.

Er blickte nochmals, fast zärtlich, auf die Maple Leaf Goldmünze zwischen seinen Fingern und schaute sich dann prüfend um. Das Publikum entsprach seinen Erwartungen. Gehobene Mittelschicht, ganz angenehme Leute, aber nichts Besonderes. Kein hübsches Mädchen anwesend, das einen Versuch wert gewesen wäre. Wenn schon! Er war heute Abend nicht auf Eroberungen aus, er dachte nur an den kommenden Auftrag.

„Was ist das für eine Münze zwischen Ihren Finger?“, erklang die Frage eines Unbekannten, der sich links neben Toby an die Bar gestellt hatte.

Toby drehte den Kopf und blickte in freundliche, intelligente Augen. Der Mann mochte Ende zwanzig sein, trug elegante Kleidung, die einen guten Geschmack bewies.

„Eine Maple Leaf.“

„Sieht nach einer Unze aus.“

Toby hob anerkennend die rechte Augenbraue. „Richtig. Sie haben einen guten Blick.“

„Heutzutage sollte sich jeder mit Goldmünzen beschäftigen.“

„Tun Sie das?“

„Gelegentlich. Warum?“

„Wir werden auf das Thema zurückkommen“, antwortete Toby und deutete auf den Barhocker neben sich. „Was wollen Sie trinken?“

„Mineralwasser. Ich trinke keinen Alkohol.“

Toby winkte den Barkeeper heran und gab die Bestellung auf. Anschließend reichte er dem Unbekannten die rechte Hand.

„Toby Weston.“

„Alexander Bergfeldt.“

„Wollen wir über den Auftrag sprechen, oder haben Sie es sich mittlerweile anders überlegt?“

„Wäre ich sonst gekommen?“

„Wohl nicht, da haben Sie recht. Erzählen Sie mir von Ihrer Frau.“

„Sie ist die Tochter meines Chefs.“

„Herzlichen Glückwunsch, sicher eine gute Partie“, meinte Toby. „Wie sieht sie denn aus? Haben Sie ein Foto von ihr im Handy?“

„Natürlich, nicht nur eines“, meinte Alexander Bergfeldt, und blätterte den Fotoordner seines Smartphones durch. Nachdem er das gewünschte Bild gefunden hatte, hielt er es Toby entgegen.

„Das ist Anna, meine Frau.“

„Alle Achtung!“, pfiff Toby anerkennend durch die Zähne.

Sein Kompliment war nicht geheuchelt. Das strahlende Gesicht des abgebildeten, blonden Mädchens war beeindruckend, es bestach durch hohe Wangenknochen, große, seidig bewimperte Augen und einen weichen, sinnlichen Mund, dem freilich anzumerken war, dass er auch kühl und arrogant sein konnte.

„Wirklich eine super hübsche Frau. Wie alt ist sie?“

„Achtundzwanzig.“

„Da bin ich aber mal gespannt, warum Sie sich zu dem Schritt entschließen, meine Dienste in Anspruch zu nehmen.“

Alexander Bergfeldt starrte nachdenklich nach vorn.

„Es ist nicht fein, über solche Probleme zu sprechen“, meinte er dann, „aber ich glaube, dass jeder Mann ein Recht haben sollte, sich zu offenbaren, vielleicht sogar die Pflicht ...“

„Gelegentlich ist es besser, mit einem völlig Fremden darüber zu sprechen …“

„Es ist ein ... ein wohl eher psychologisches Problem“, meinte Alexander, der spürbar Mühe hatte, für sein Anliegen die richtigen Worte zu finden.

„Na los. Erzählen Sie mir einfach, was los ist“, ermunterte ihn Toby.

„Irgendwas stimmt mit ihr nicht“, erklärte Alexander.

„Im Bett?“

„Ja.“

„Was ist es?“

Alexander Bergfeldt schwieg, weil der Barkeeper in diesem Moment eine Schale mit Erdnüssen auf den Tresen stellte, dann sagte er: „Als ich sie heiratete, war sie sexuell recht naiv und einfach gestrickt. Sie hatte vor mir nur eine einzige richtige, feste Beziehung.“

„Ihr Mund ist sinnlich“, meinte Toby mit einem Kennerblick. „Ich hätte sie eher als sehr aktiv und erfahren beim Sex vermutet.“

„Nicht bei mir. Ich bin ihr Ehemann. Mir gegenüber ist sie verklemmt. Immer nur die Missionarsstellung. Sie liegt leblos unter mir, mehr kommt nicht.“

„Dann sollten Sie versuchen, das zu ändern. Sie sind doch noch jung, und haben Zeit …“

„Zeit ja, aber keine Lust. Ich möchte, dass sie einmal einen Denkzettel bekommt.“

„Ich vermute, hier liegt meine Aufgabe, richtig?“

„Ja. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für verrückt. Aber es macht mich wahnsinnig, mit welch kühler Selbstverständlichkeit sie moralische Prioritäten anmeldet, und wie sie meine gelegentlichen Sexwünsche abwimmelt. Sie spielt sich auf wie eine Heilige, redet von der abscheulichen Überbewertung der Sexualität und quält mich mit spröder Zurückhaltung. Dabei glaube ich zu wissen, dass das alles nur Theater ist, anerzogen, nicht richtig echt ...“

„Und?“

„Ich brauche jemand, der den großen Durchbruch schafft, der sie auf den Boden der Realitäten zurückholt. Sie muss dem Ehemann im Bett zu Diensten sein!“

„Wie stellen Sie sich das vor?“, fragte Toby, dessen Pulsschlag sich beschleunigte, weil er zu wissen glaubte, dass er vor einer interessanten Aufgabe stand. Der Instinkt des Jägers war erwacht, die Witterung aufgenommen.

„Ich möchte, dass Sie meine Frau verführen!“

„Würde ich denn eine Chance bei Ihrer Frau haben?“, wollte Toby neugierig wissen.

„Nein.“

„Warum soll ich es dann versuchen?“

Alexander zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Anna ist anders, als sie sich gibt. Kann sein, dass ihr Temperament bei einem Mann, der ihr nur ein Abenteuer verspricht, anders reagiert als bei mir. Ich fühle, dass sie leidenschaftlich sein kann. Aber ich bin nicht imstande, diese Leidenschaft zu wecken. Offenbar muss das ein anderer für mich besorgen.“

„Wie und wo soll ich sie kennenlernen?“

„Darüber“, sagte Alexander, „müssen wir uns noch klarwerden. Über Einzelheiten habe ich noch nicht nachgedacht. Aber ich muss übermorgen für zwei Tage geschäftlich nach Berlin. Da könnte es passieren.“

„Ich soll somit eine Blitzaktion starten“, meinte Toby. „Ich habe gelernt, die Kunst der Verführung zu genießen. Ich brauche Zeit für meine Eroberungen. Ein Gourmet wird die Speisen seiner Wahl niemals gierig hinabschlingen.“

„Sie nennen sich doch den Profi der Verführung. Es liegt also an Ihnen, wie Sie die Sache steuern“, sagte Alexander. „Immerhin gibt Ihnen meine Abwesenheit erst einmal die Gelegenheit, mit Anna bekannt zu werden. Ich kann Sie avisieren, als meinen Anwalt, oder meinen Vermögensberater – wir werden uns schon etwas einfallen lassen. Um das Entree brauchen Sie sich jedenfalls keine Sorgen zu machen. Sie haben völlig freie Hand und meine Erlaubnis, alles zu tun, was nötig ist. Nur eine Bedingung muss ich stellen: Anna darf niemals, unter gar keinen Umständen, erfahren, dass ich der Motor dieses Verführungsversuches bin.“

„In diesem Punkt kann ich Sie beruhigen“, entgegnete Toby. „Ich bin Profi und kann natürlich absolute Diskretion wahren. Es könnte natürlich Schwierigkeiten geben ...“

„Sicher“, nickte Alexander Bergfeldt. „Ich kann mir die Widerstände, die es zu überwinden gilt und über die Lügen, die notwendig sind, um das große Ziel zu erreichen, gut vorstellen. Aber dafür habe ich ja einen Profi beauftragt, nicht wahr?“

„Das meine ich nicht“, sagte Toby. „Ich spreche davon, ob Sie wirklich bereit sind, Ihrer Frau einen Treuebruch zu verzeihen. Setzen wir einmal den Fall voraus, dass ich es schaffe, Anna zu verführen. Sind Sie wirklich bereit, Ihrer Frau den Seitensprung zu verzeihen, und anschließend wieder eine glückliche Ehe zu führen?“

„Über dieses Problem werde ich zu einem späteren Zeitpunkt nachdenken“, meinte Alexander. „Erst einmal muss es Ihnen gelingen, den großen Durchbruch zu erzielen.“

„Wie und wo haben Sie Anna kennengelernt?“

„Bei der Jahresabschlussfeier meiner Firma. Der Chef hatte seine Familie dabei, sodass ich seine Tochter kennenlernte. Ich habe sie am Buffet angesprochen, wir haben unsere Handynummern ausgetauscht und blieben über WhatsApp und Facebook in Kontakt.“

„Wie wurden Sie von der Familie Ihrer Frau akzeptiert?“

„Sehr gut. Mein Schwiegervater möchte mich in eine verantwortungsvolle Position befördern, mit der Aussicht, irgendwann einmal die Firma zu leiten. Ich habe viel Glück gehabt und sehe einer fantastischen Entwicklung entgegen. Aber Geld allein macht keinen Spaß. Das andere muss auch stimmen. Sie verstehen sicher, was ich meine.“

 

„Werden Sie Anna auch betrügen?“

„Du lieber Himmel, wie kann man nur so naive Fragen stellen?“, wies Alexander ihn zurecht.

„Sie haben recht. Es geht mich nichts an“, meinte Toby lächelnd. „Ich habe da so eine Idee. Wo wohnen Sie in München?“

„Im Stadtteil Nymphenburg“, antwortete Alexander. „Wir haben eine wunderschöne Dachterrassen-Penthouse Wohnung bezogen, die ihr Vater bezahlte. Wir sind noch nicht komplett eingerichtet, sind noch auf der Suche nach passendem Mobiliar.“

„Prächtig“, meinte Toby. „Ich hatte gehofft, dass es sich so verhält. Sie werden mich Ihrer Frau als Innenarchitekt ankündigen und ihr sagen, dass ich leider nur übermorgen, während Ihrer Abwesenheit, einen Termin freimachen könnte.“

„Anna hat viel Geschmack. Meinen Sie, dass es Ihnen gelingen wird, die Rolle glaubhaft darzustellen?“

„Ganz sicher“, nickte Toby und drehte sein Rotweinglas in der Hand. „Innenarchitektur ist ein altes, liebes Hobby von mir. Ich kenne alle einschlägigen Fachzeitschriften, verstehe etwas von guten Antiquitäten und moderner Kunst, weiß, was zueinander passt.“

„Das hört sich gut an“, nickte Alexander. „Okay, wir setzen Ihre Idee in die Tat um. Wir sprachen aber noch nicht über die Bezahlung. Was stellen Sie sich vor?“

„In welchem Jahr ist Ihre Ehefrau geboren?“

„Äh. 1988. Warum?“

„Das ist das Jahr des Drachen. Ich stehe auf die Chinesischen Tierkreiszeichen. Besonders auf die wunderschönen Münzen, die mit diesen Motiven geprägt wurden.“

„Ich verstehe aber noch nicht ganz …“

„Meine Honorarforderung lautet daher, Sie übergeben mir eine 1oz Goldmünze mit einem geprägten Drachen, dem Zeichen Ihrer Ehefrau. Die Perth Mint in Australien prägt die Lunar Serie in Gold mit den chinesischen Tierkreiszeichen. Der Drache wurde in den Jahren 2000 und 2012 geprägt. Besorgen Sie mir eine dieser Münzen als Honorar. Einverstanden?“

„Gold für das Herz meiner Frau.“

„Ich werde das Herz nicht antasten. Mein Ziel liegt zwischen ihren Schenkeln verborgen.“

„Dann Gold für die Untreue meiner Ehefrau.“

„So wird es seit Jahrtausenden bezahlt. Gold für die Hure.“

„Meine Frau ist keine Hure!“

„Aber sie wird eine werden, denn es ist genau das, was Sie wünschen, richtig?“

„Hm.“

„Eine Hure zuhause, die alle Ihre sexuellen Wünsche erfüllt.“

„Ja …“

„Also dann: Gold für die Hure.“

„Einverstanden. 1 oz Goldmünze für die Untreue meiner Frau.“

„Deal. Ich werde Ihre Ehefrau verführen.“

„Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei.“

3

Zwei Tage später stand Toby vor Alexanders junger, bildhübscher Ehefrau. Anna Bergfeldt besaß viel mehr Ausstrahlung, als es die Handyfotos hatten zeigen können. Ihre großen, graublauen Augen wirkten ein wenig kühl, aber der volle, schöne Mund deutete an, dass ihre Persönlichkeit auch andere Eigenschaften hatte.

Sie führte ihn in das große, erst zur Hälfte möblierte Wohnzimmer, bot Kaffee an, plauderte dann mit ihm über ihre Einrichtungsvorstellungen, und warf hin und wieder ein paar Fragen dazwischen. Sie wollte dies und jenes über München wissen, insbesondere über das Kulturprogramm, und erwies sich als angenehme, völlig gelockert auftretende Gesprächspartnerin, die wiederholt mit echt klingendem Bedauern feststellte, wie schade es doch sein, dass Alexander an der Unterhaltung nicht teilnehmen könne.

Dann begannen sie, sich über die Möglichkeiten auseinanderzusetzen, die der große Raum bot, wobei sie rasch merkten, dass ihr Geschmack kaum voneinander abwich. Das schuf eine gewisse Gemeinsamkeit, von der Toby zu wissen glaubte, dass sie eine sehr fruchtbare Basis für seine weiteren Bemühungen darstellte.

Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten war er auf eine seltsam gierige, drängende Weise von dem Wunsch besessen, mit Anna möglichst rasch zu schlafen –am besten noch heute, spätestens in dieser Nacht.

Die Faszination, die von ihrer Schönheit und ihrer schlanken, aber sehr weiblich ausgeprägten Figur ausging, weckte seine Begierde und machte ihm deutlich, dass es immerhin schon vier Tage her war, seitdem er das letzte Mal seinen erfahrenen Lustdegen in den saftigen, heißen Schoß eines Mädchens versenkt hatte. Wie hieß das Mädchen nochmals, das er in der Nacht seiner Party gefickt hatte? Er überlegte einige Sekunden, konnte sich aber nicht erinnern. Unwichtig. Es war nur eine feuchte Fotze gewesen, die gevögelt wurde. In seinen Augen war dies der einzige Zweck in der Erschaffung von Frauen: Beine breitmachen und sich besteigen lassen. Okay, in der Küche lag ein weiterer Zweck der Existenz von Weibern. Aber egal. Er blickte auf sein augenblickliches Ziel. Ja, die attraktive blonde Anna war genau sein Typ. Zumindest für eine Nacht, danach konnte sie für immer aus seinem Leben verschwinden.

„Darf ich Ihnen noch Kaffee einschenken?“, fragte die Hausherrin höflich.

„Ja, bitte.“

Als sie sich über den kleinen Tisch beugte, um seine Tasse nachzufüllen, sah er, wie ihre vollen, jungen Brüste die weiße Seidenbluse auf eine Zerreißprobe stellten. Anna trug einen Büstenhalter, aber das dünne, feine Material war einfach nicht dafür geschaffen, die Größe und die erigierten Nippel zu kaschieren. Sie zeichneten sich deutlich, wenigstens für die Dauer des Einschenkens, unter den leichten Stofflagen ab.

Anna trug zu ihrer weißen Bluse einen schwarzen, knielangen Rock mit breitem Gürtel, Nylon Strümpfe und hohen Pumps. Sie wirkte seriös und damenhaft. Die schulterlangen, goldblonden Haare und das ovale Gesicht machten sie zu einer Schönheit, die normalerweise nur in Zeitschriften zu finden war.

„Wie gefällt es Ihnen bisher in München?“, fragte er.

„Ich kenne noch zu wenig, um mir ein Urteil bilden zu können. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen.“

Er blickte auf seine Uhr.

„Das ist wirklich dumm“, meinte er. „Ich habe noch einen wichtigen Termin, wäre aber gern schon heute mit Ihnen zu einer Einigung gekommen.“

Er sah das Bedauern in ihrem Gesicht und registrierte zufrieden, dass er ihr offenbar gefiel und dass sie gehofft hatte, seine Gesellschaft noch länger genießen zu können.

„Natürlich könnte ich heute Abend noch einmal zurückkommen, nach dem Abendessen ... oder würden Sie mir erlauben, Sie zum Essen einzuladen?“, fragte er.

„Nein, danke“, sagte sie rasch. „Ich esse zu Hause.“

„Ich denke, dass ich gegen acht Uhr abends noch einmal hier sein könnte“, meinte er. „Vorausgesetzt, dass Ihnen mein Vorschlag zusagt und Sie nichts Besseres vorhaben.“

„Also gut“, erwiderte sie nach kurzem Zögern. „Dann heute Abend um acht Uhr.“

Er kam bewusst zehn Minuten später, um ihr nicht das Gefühl zu geben, dass es ihn nach einem raschen Wiedersehen drängte. Er hatte sich umgezogen und erschien in einem modernen Anzug.

Auch Anna hatte die Garderobe gewechselt. Sie trug einen fast bodenlangen Rock und eine hochgeschlossene, dunkelgrüne Duchessebluse, die, wie Toby mit einem kundigen Blick feststellte, eine lange Knopfleiste auf dem Rücken hatte. Die Bluse brachte Annas pralle Brüste deutlich zur Geltung und war von bemerkenswerter erotischer Ausstrahlung.

Toby nahm an, dass die junge Frau diese Wirkung durchaus begriff und möglicherweise sogar bewusst forcierte, und er fragte sich mit prickelnder Spannung, ob er darin nicht den Auftakt zu ein paar leidenschaftlichen Stunden sehen durfte. Nein, davon konnte keine Rede sein, sagte er sich im nächsten Moment. Anna ist von ihrer Erziehung her einfach nicht der Typ, der alle Bedenken über Bord wirft. Sie war eindeutig ein Produkt ihrer Umgebung, und kann sich davon nicht lösen. Man muss viel Geduld und Raffinesse aufbringen, um ihr zu zeigen, was noch in ihr steckt und wozu sie fraglos imstande ist.

Draußen war es dunkel geworden; die Vorhänge waren geschlossen. Im Kamin brannte ein kleines Feuer. Die Sitzgarnitur lag im Lichtkreis einer Stehlampe. Der kleine Tisch war gedeckt: diesmal war es Tee, wie Toby enttäuscht feststellte. Immerhin fragte ihn Anna diesmal:

„Oder hätten sie lieber etwas Stärkeres? Ein Bier? Wodka?”

„Gern, danke“, nickte er. „Nach dem Essen würde ich gern einen Wodka mit Bitter Lemmon trinken, wenn es möglich wäre.“

Er sah zu, wie Anna zwei Gläser füllte, wobei ihm nicht entging, dass sie für sich nur ein Minimum an Wodka einschenkte. Sie kehrte mit den Gläsern zum Tisch zurück, nahm ihm gegenüber in einem bequemen Sessel Platz und meinte: „Ich habe vorhin mit Alexander telefoniert. Er hat aus Berlin angerufen. Er weiß, dass Sie hier sind und hat auch Ihren abendlichen Besuch gebilligt.“

Toby lächelte. „Hatten Sie deshalb ein schlechtes Gewissen?“

Anna wurde verlegen. „Habe ich so spießig gewirkt?“

„Vielleicht ein wenig“, meinte er.

„Aber was ist so schlimm an der Bewahrung echter Werte, an Toleranz, Treue und Familiensinn?“

„Darin ist gar nichts auszusetzen. Aber ich glaube, es geht nur darum, alberne Tabus wegzuräumen und gewisse Fesseln zu lösen, die viele Menschen wie eine Last empfunden haben. Alleine die sexuelle Revolution hat doch so vieles zum Positiven verändert.“

„So?“, fragte Anna und hob ihr Kinn. „Gerade das glaube ich nicht. Was tritt denn an die Stelle der Tabus? Doch nur die Hilflosigkeit, vielleicht auch nur eine große Leere, eine Riesenenttäuschung. Freiheit bedeutet Verpflichtung, auch im sexuellen Bereich.“

Er lachte leise. „Ich fürchte, Sie sehen das Problem zu akademisch.“

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie irritiert.

Er zuckte mit den Schultern. „Es ist ein wenig heikel, darüber zu sprechen. Ich neige zur Offenheit und möchte nicht Gefahr laufen, von Ihnen als taktlos eingestuft zu werden.“

„Ich möchte jetzt wissen, wie Sie darüber denken. Mit Alexander kann ich über solche Themen nicht sprechen.“

„Ach ja?“, wunderte er sich. „Alexander ist doch liberal und für alles Moderne sehr aufgeschlossen.“

„Das meine ich damit nicht“, erklärte Anna. „Natürlich ist er imstande, zu dem Problem eine feste und gewiss auch interessante Ansicht zu äußern, aber ich bringe es einfach nicht fertig, mit ihm solche Themen zu besprechen. Ich finde, dass zwischen Mann und Frau gewisse Schranken bestehen bleiben sollten, sonst läuft die Ehe Gefahr, in Gewöhnlichkeit zu versanden, in einer gewissen Vulgarität. Nicht ohne Grund ist die Scheidungsrate in Deutschland so hoch.“

„Sie sprechen, als wäre sexuelle Offenheit eine ansteckende Krankheit. Vulgarität gehört zum Leben, wie Schmutz, wie Krankheiten, aber auch wie die Luft, die wir atmen.“

„Finden Sie wirklich?“

„Unbedingt. Waren Sie noch Jungfrau, als Sie heirateten?“

Er war sich der Schockwirkung dieser Frage bewusst, meinte aber zu wissen, dass er mit dieser Methode am ehesten zum Erfolg kommen würde. Anna gehörte zu den Frauen, die ihre distanzierte Höflichkeit niemals ablegten, und nur dann vergessen konnten, wenn sie merkten, dass ihr Partner damit nicht zu beeindrucken war und selbst viel schwereres Geschütz liebte.

„Bitte?“, murmelte sie. Ihre Augen weiteten sich entsetzt.

Er lächelte und wiederholte seine Frage.

Brennende Röte schoss in Annas Wangen. Ihre Augen funkelten zornig. „Ich finde, jetzt gehen Sie wirklich zu weit. Was hat das mit unserem Gespräch zu tun?“

„Eine ganze Menge“, antwortete er. „Unterhaltungen wie diese führen zu nichts, wenn man abstrakt bleibt, wenn man sich nicht am praktischen Beispiel festhält. Die einzigen Beispiele, die wir wählen können, sind Sie und ich. Daran lässt sich abmessen, vergleichen und erkennen, was wir richtig oder falsch machen.“

„Von mir ist nicht die Rede“, meinte Anna abweisend. „Ich habe nicht das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.“

„Dann frage ich mich, weshalb Sie sich so stark für dieses Gespräch engagieren.“

„Ich will nur wissen, was junge Ehefrauen in meinem Alter denken, wie diese zu gewissen Problemen stehen, und wie ich mich selbst verhalten soll. Ich habe eine konservative Erziehung in einem Internat genossen. Aber wenn ich im Internet surfe, Reportagen in Fernsehen anschaue, mit Freundinnen oder Arbeitskolleginnen spreche, dann glaube ich, eine prüde und frigide Frau zu sein. In unserer heutigen Welt wird so offen und direkt über die Sexualität gesprochen, überall sieht man nackte Haut. Das können doch nicht die Werte einer zivilisierten Gesellschaft sein.“

 

„Die Werte des Lebens schafft sich doch jeder Mensch in seinem zuhause selbst. Da gibt es keine Richtlinien. Erlaubt ist, was gefällt. Wenn Sie in Ihrer Ehe restlos glücklich sind, wenn Sie wissen, dass Sie Ihren Mann niemals betrügen werden, besteht doch gar kein Grund, über die anderen zu reden. Nur Ihr Leben zählt, alles andere hat kein Gewicht.“

Sie schaute ihn an. „Sie haben meinen Mann kennengelernt. Was glauben Sie? Wird er mir treu bleiben?“

„Was würden Sie denn tun, wenn er mit einer anderen Frau Sex hätte?“, fragte Toby.

„Ich weiß nicht. Mein Gott, was für ein Thema! Wir sollten es schleunigst abbrechen und wieder über die Einrichtung sprechen“, schlug sie vor.

Er nickte. „Gern, aber ich bezweifle, ob Sie das befriedigen würde. Wir müssen weitermachen. Kompromisslos, wie es so schön heißt.“

„Also gut. Ich war noch Jungfrau, als er mich heiratete. Ich glaube, dass ich ihn liebe – aber ich bin mir dessen nicht völlig sicher. Es ist eine schockierende Erkenntnis, aber fast noch schlimmer ist es, dass ich mit Ihnen, einem relativ Fremden, darüber spreche. Mein Mann ist ständig geschäftlich in Berlin und lässt mich hier allein.“

„Leiden Sie unter dieser regelmäßigen Trennung?“

„Leiden? Nein, das zu behaupten wäre übertrieben, aber es schafft doch Probleme ...“

„Kann es sein, dass Sie von Ihren Eltern falsch erzogen wurden?“, erkundigte er sich.

„Wie meinen Sie das?“

„Eben falsch. Nicht wirklichkeitsgerecht.“

„Ich verbrachte meine Kindheit und Jugend in Schweizer Internaten. Daher hatten meine Eltern nicht viel Einfluss auf meine Erziehung. Es handelte sich um ausgebildete Erzieherinnen und die besten Lehrer.“

„Trotzdem kann diese Erziehung falsch gewesen sein“, philosophierte er. „Sie war vielleicht nur eine Illusion, sie hält Sie davon ab, die wahre Lebensfreude zu finden.“

„Worin besteht sie – nach Ihrer Ansicht?“, wollte sie wissen.

Er spielte den Verlegenen. „Ich kann nur von mir sprechen. Ich finde sie im Bett.“

„Das ist absurd!“

„Vielleicht“, sagte er, „sollten Sie einmal versuchen, diesen Weg zu beschreiten. Er ist schillernd, aufregend und höchst belebend.“

Ein Schatten fiel über Annas Gesicht.

„So können wir nicht diskutieren“, sagte sie schroff.

„Sie sind es eben noch nicht gewöhnt, den liberalen Geist zu tolerieren. Sie glauben, dass der puritanische Zwang Ihrer Erziehung das Heil bringt, aber ich meine, dass man Sie damit nur in ein enges und höchst überflüssiges Korsett gezwängt hat.“

„Hier steht Meinung gegen Meinung, es bedürfte schon eines weisen Schiedsrichters, um zu sagen, wer im Recht ist. Ich fange an, mich zu fragen, was das Ganze soll. Unser Gespräch, meine ich. Wir reden doch aneinander vorbei.“

„Da bin ich nicht Ihrer Ansicht.“

Sie schwiegen einige Sekunden, dann entspannte sich Anna. Sie brachte sogar ein Lächeln zustande. Kurz darauf musste sie lachen.

„Ich kann es nicht fassen“, meinte sie. „Dass ich solche Dinge in den Mund nehme ...“

„Sie werden noch ganz andere Dinge in den Mund nehmen“, prophezeite er, und war sicher, dass sie den Doppelsinn seiner Worte nicht voll verstand.

„Ich bin nicht so leicht zu beeinflussen.“

„Der Jammer mit uns ist, dass wir nicht ehrlich sein können“, sagte er.

„Das kann ich von mir nicht behaupten. Ich bin immer ehrlich. Wenn es um Dinge geht, die auszusprechen taktlos wären, halte ich lieber den Mund.“

„Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen ehrlich offenbarte, dass ich mit Ihnen zu schlafen wünsche? Ich möchte Sie ficken, bis Sie vor Lust schreien und Ihr geiler Körper zittert, wie ein Fisch an Land. Was halten Sie davon? Wollen wir etwas vögeln?“