Ein Vater

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Ein Vater
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Timo Matys

Ein Vater

Geschichte eines Verlusts

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Erster Teil

Zweiter Teil

Impressum neobooks

Erster Teil

Ein Vater

Im oberpfälzischen N. sah der Bauer Mangold den Wagen des Gutsherrn fahren. Hochauf türmten sich die Hufe der Rosse, den Wagen ziehend, staubig stolperte die schwarze Karosse hinter ihnen. Es war ein Sommertag und der Gutsherr kehrte von einer längeren Geschäftsreise zurück, welche ihn nach Nürnberg in den Norden geführt hatte. Den Pferden sah man die lange Reise an, denn sie schwitzten schwer und zogen lange Atemzüge aus der sommerlichen Luft. Ihre Nüstern waren geweitet, so wie die Augen einer Katze im Dunkeln, schwarz stierten sie und saugten die klare Luft ein.

Von den Sommerschwaden abgeschottet saß der Gutsherr in seiner Kutsche, sah den umrissartigen Bezug des schwarzen Innenraums, in dem er sich befand. Das Licht schien nur wenig ins Fenster hinein und er konnte nicht erkennen, ob das Polster vor ihm dunkelbraun oder rot war. Er war sich bewusst, dass er die lange Reise hin das Fenster kein einziges Mal geöffnet, sondern stattdessen über den Papieren gebrütet hatte. Dennoch fiel es ihm leicht, dies vor sich zu rechtfertigen, obgleich es ihm in seiner lebhaften Seele schmerzte. Er sprach sich zu, dass man den Gutshof bald erreichen werde und dann erst einmal ausgiebig speisen könne. Und so beruhigte sich sein Gewissen und er lehnte sich in das dunkelbezogene Polster zurück, die Augen aufgerissen, trüb nach draußen spähend.

Sie hatten das Gut in Kürze erreicht und schon an der Tür stand die jüngste Tochter Charlotte, winkte dem Vater freudig zur Begrüßung. Er erwiderte durch den Hauch der Gardine hindurch den Gruß, öffnete dann aber schnell die Tür und sprang heraus und schloss die Tochter heftig in die Arme. Er sah das Lachen auf dem Gesicht seines Kindes, dieses schönen Gesichts im Glanze der Jugend.

Er sah auch die alte Magd neben der Türe zum Haupthaus stehen, wie sie, leicht demütig, doch mit jener robusten Bescheidenheit, die einem altgedienten Mitglied des Hauses eigen war, nach den Wünschen des Herrn fragte und ob sie die Suppe für diesen Abend schon aufsetzen solle.

Was für eine Suppe es denn sei. Eine Fischsuppe.

"Die esse ich gerne", sagte der Gutsherr, den Blick noch immer nicht von der Tochter gewendet, las in ihrer Miene, ob sich irgend eine Spur von Unruhe, irgendein Besorgnis, das sie vor ihm geheim hielt, darin finden lasse.

Er suchte vergeblich und das stimmte ihn gut. Er trat über die Schwelle und verbrachte die nächsten Stunden in seinem Arbeitszimmer, um noch einige Post für die lokalen Honoratioren zu vollenden. Es war bereits der späte Abend angebrochen, als man an seine Zimmertür klopfte und er die Stimme der Tochter hörte, ob er denn nicht zum Essen kommen wolle. Er rief, er sei gleich fertig und vollendete den geschriebenen Satz.

Das Zimmer war vom Kaminfeuer erhellt, als er hineintrat. An dem kleinen Tisch in der Ecke links saßen die Töchter Sophie und Charlotte. Sie hatten die Suppe vor sich gestellt und lachten gerade in sich hinein, denn eine hatte wohl einen Scherz vollbracht, worüber die andere auch lachen musste. Der Gutsherr spürte eine schwache Freude in sich, denn ein Lachen schien ihm so sehr Garant zu sein für das Wohlergehen seiner Kinder, dass ihn für diesen kurzen Augenblick nichts trüben, nichts aus einer freudig vermischten, sorgsamen Stimmung bringen konnte. Sein Blick schweifte hinüber und er sah seinen Sohn am rechten Tisch sitzen, den Leo, Leopold, wie er seine Stiefel mit einem prüfenden Blick bedachte.

Der Sohn sah auf, als der Vater eintrat, sein kleines schmales Gesicht zu einem Lächeln verzerrt, aufstehend und dem Vater entgegenkommend, wies er ihm ehrerbietig einen Platz an seinem Tisch zu. Der Vater reichte seinem Sohn die Hand, ein wenig kühl, zurückhaltend, still nahm der Sohn sie an.

"Und, seid ihr hier weitergekommen", versuchte er einen Gesprächsanfang.

"Ja Vater, wir haben die Baumreihe am untern Feldrand abgesägt und Hagebuttensträucher gepflanzt. Wir haben viel im Garten gearbeitet und Charlotte hat, schau dort!, einen Blumenstrauß für dich an die Wand gehängt."

Der Gutsherr blickte an die Wand und er sah den grünen Strauß in seinen Farben dort leuchten. Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht und die ganze Kühle, die ihn auf der Reise begleitet hatte wie ein Schatten, fiel von ihm ab und er lebte sich in die Situation hinein. Es wurde ein vergnügsamer Abend: Sophie und Charlotte hatten ein Wollknäuel aus der Küche holen lassen und warfen es nun über ein Dienstmädchen, welches sich anschließend um die beiden herum bewegen musste, sodass sie alle im Garn verheddert wurden. Die alte Magd kam und brachte Leo einen Teller Suppe, streichelte ihm dabei flüchtig über die Wange. Leo schaute schnell in ihr alterndes Gesicht und der Beobachter hätte einen emotionalen Schleier, ein durchsichtiges Band, das zwischen den beiden stand, erkennen können. Die Magd verließ den Raum und der Sohn löffelte die Suppe.

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