Kostenlos

Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Gründe für die Bevorzugung der Whigs

Erstens waren die Whigs grundsätzlich der herrschenden Dynastie zugethan. In ihren Augen war die Revolution nicht allein nothwendig, nicht allein gerechtfertigt, sondern sogar ein glückliches und ruhmvolles Ereigniß gewesen. Sie war der Triumph ihrer politischen Theorie gewesen. Als sie Wilhelm Treue schwuren, schwuren sie ohne Skrupel und Hintergedanken; sie waren so weit entfernt davon, seinen Rechtstitel in Frage zu stellen, daß sie ihn für den besten aller Rechtstitel hielten. Die Tories dagegen mißbilligten fast allgemein den Beschluß der Convention, die ihn auf den Thron gesetzt hatte. Einige von ihnen waren im Herzen Jakobiten und hatten ihm den Unterthaneneid blos deshalb geleistet, um ihm besser schaden zu können. Andere glaubten sich zwar verpflichtet, ihm als factischen König zu gehorchen, leugneten aber, daß er rechtmäßiger König sei, und wenn sie auch loyal gegen ihn waren, so waren sie es doch ohne Begeisterung. Es konnte demnach kaum einem Zweifel unterliegen, auf welche von den beiden Parteien er sicherer bauen könne.

Zweitens waren die Whigs bezüglich der speciellen Angelegenheit, an der sein Herz gegenwärtig hing, im Allgemeinen geneigt, ihn kräftig zu unterstützen, die Tories hingegen ihm darin hinderlich zu sein. Die Gemüther beschäftigten sich damals lebhaft mit der Frage, in welcher Weise der Krieg geführt werden müsse. Diese Frage beantworteten die beiden Parteien sehr verschieden. Unter den Tories war seit einigen Monaten die Ansicht zur Geltung gekommen, daß die Politik England’s streng insularisch sein, daß es die Vertheidigung Flanderns und des Rheins den Generalstaaten, dem Hause Oesterreich und den Fürsten des Reichs überlassen, und daß es die Feindseligkeiten zur See energisch fortsetzen, aber nur ein solches Landheer unterhalten müsse, das mit Hülfe der Miliz genügte, um einen Einfall abzuwehren. Es war klar, daß wenn dieses System angenommen wurde, eine sofortige Ermäßigung der so schwer auf der Nation lastenden Steuern eintreten konnte. Aber die Whigs behaupteten, diese Erleichterung werde theuer erkauft werden. Viele tausend tapfere englische Soldaten seien jetzt in Flandern, gleichwohl hätten die Alliirten die Franzosen nicht verhindern können, im Jahre 1691 Mons, 1692 Namur, 1693 Charleroy zu nehmen. Wenn die englischen Truppen zurückgerufen würden, so sei es gewiß, daß Ostende, Gent und Lüttich fallen müßten. Die deutschen Fürsten würden eilen, Jeder für sich Frieden zu schließen. Die spanischen Niederlande würden wahrscheinlich der französischen Monarchie einverleibt werden. Die Vereinigten Provinzen würden wieder eben so gefährdet sein, wie 1672, und würden jede Bedingung annehmen, die es Ludwig gefiele ihnen zu dictiren. Nach wenigen Monaten würde er im Stande sein, seine ganze Kraft gegen unsre Insel aufzubieten und dann würde es einen Kampf auf Leben und Tod geben. Allerdings könne man wohl hoffen, daß wir im Stande sein würden, unsern heimathlichen Boden selbst gegen einen solchen General und eine solche Armee, wie sie die Schlacht bei Landen gewonnen hatten, zu vertheidigen. Aber der Kampf müsse ein langer und schwerer werden. Wie viele fruchtbare Grafschaften würden in Wüsten verwandelt, wie viele blühende Städte in Asche gelegt werden, bevor man die Eingedrungenen vernichten oder heraustreiben könne! Ein einziger siegreicher Feldzug in Kent oder Middlesex würde mehr zur Verarmung der Nation beitragen, als zehn unglückliche Feldzüge in Brabant. Es ist bemerkenswerth, daß dieser Streit zwischen den beiden großen Parteien siebzig Jahre lang regelmäßig wieder erwachte, so oft unser Land mit Frankreich im Kriege lag. Daß England niemals große militärische Operationen auf dem Festlande unternehmen dürfe, blieb ein Fundamentalartikel des politischen Glaubens der Tories, bis die französische Revolution in ihren Ansichten eine vollständige Aenderung hervorbrachte.196 Da es Wilhelm’s Hauptzweck war, den Feldzug von 1694 in Flandern mit einem ungeheuern Kraftaufwande zu eröffnen, so war es hinlänglich klar, an wen er sich um Beistand wenden mußte.

Drittens waren die Whigs die stärkere Partei im Parlamente. Die allgemeine Wahl von 1690 war zwar nicht günstig für sie ausgefallen, sie waren einige Zeit die Minorität gewesen; aber seitdem hatten sie fortwährend mehr Boden gewonnen, bildeten jetzt der Zahl nach die volle Hälfte des Unterhauses, und ihre effective Stärke war ihrer Zahl mehr als entsprechend, denn in Energie, Rührigkeit und Disciplin waren sie ihren Gegnern entschieden überlegen. Ihre Organisation war zwar noch nicht so vollkommen, als sie es später wurde, aber sie hatten schon begonnen, eine kleine Schaar ausgezeichnete Männer, welche noch lange nachher unter dem Namen der Junta weit und breit bekannt war, zu Führern anzunehmen. Es giebt vielleicht in der alten wie in der neuen Geschichte kein zweites Beispiel einer solchen Autorität, wie sie dieses Concilium während zwanzig unruhiger Jahre über die Whigpartei ausübte. Die Männer, welche diese Autorität zu den Zeiten Wilhelm’s und Mariens erlangten, behielten sie ohne Unterbrechung in und außer dem Amte bis Georg IV. den Thron bestieg.

Häupter der Whigpartei; Russell

Einer dieser Männer war Russell. Von seinem schmachvollen Verkehr mit dem Hofe von Saint-Germains haben wir Beweise, die keinen Zweifel zulassen. Aber diese Beweise kamen erst viele Jahre nach seinem Tode vor die Augen der Welt. Wenn Gerüchte von seiner Schuld circulirten, so waren sie doch nur vag und unwahrscheinlich, sie stützten sich auf keinen Beweis, hatten keinen glaubwürdigen Urheber zum Gewährsmann und durften von seinen Zeitgenossen mit gutem Grunde als jakobitische Verleumdungen betrachtet werden. Ganz gewiß war es hingegen, daß er aus einem erlauchten Hause stammte, das für die Freiheit und die protestantische Religion Großes gethan und viel gelitten hatte, daß er die Einladung vom 30. Juni unterzeichnet, daß er mit dem Befreier bei Torbay gelandet war, daß er im Parlamente bei jeder Gelegenheit als eifriger Whig gesprochen und gestimmt, daß er einen großen Sieg erfochten, daß er sein Vaterland vor einer Invasion bewahrt hatte, und daß, seitdem er die Admiralität verlassen, Alles schlecht gegangen war. Wir dürfen uns daher nicht wundern, daß er unter seiner Partei einen bedeutenden Einfluß hatte.

Somers

Aber der größte Mann unter den Mitgliedern der Junta, und in mancher Beziehung der größte Mann jener Zeit war der Lordsiegelbewahrer Somers. Er war gleich ausgezeichnet als Jurist und als Staatsmann, als Redner und als Schriftsteller. Seine Reden sind der Vergessenheit anheimgefallen, seine Staatsschriften aber existiren noch und sind Muster einer eleganten, klaren und würdevollen Beredtsamkeit. Er hatte einen großen Ruf im Hause der Gemeinen hinterlassen, in welchem er vier Jahre lang stets mit Vergnügen gehört worden war, und die whiggistischen Mitglieder betrachteten ihn noch immer als ihr Oberhaupt und hielten ihre Zusammenkünfte noch immer unter seinem Dache. Auf dem hohen Posten, zu dem er unlängst ernannt worden war, hatte er sich so benommen, daß nach wenigen Monaten selbst Parteigeist und Mißgunst aufhörten über seine Erhebung zu murren. Er vereinigte aber auch in der That alle Eigenschaften eines großen Richters in sich, einen regsamen Geist und scharfen Verstand, Fleiß, Rechtschaffenheit, Ausdauer und Milde. Im Rathe verschaffte ihm die gelassene Weisheit, die er in einem Maße besaß, wie man es bei Männern von so lebhaftem Geiste und von so entschiedenen Ansichten selten findet, die Autorität eines Orakels. Nicht minder deutlich zeigte sich die Ueberlegenheit seiner Talente in Privatzirkeln. Der Zauber seiner Unterhaltung wurde noch erhöht durch die Freimüthigkeit, mit der er seine Gedanken von sich gab.197 Seine gute Laune und seine gute Erziehung verleugneten sich nie. In seinen Geberden, in seinen Mienen und in seiner Stimme sprach sich nur Wohlwollen aus. Seine Humanität war um so bemerkenswerther, als ihm die Natur einen Körper verliehen hatte, mit dem man in der Regel einen mürrischen und reizbaren Character verbunden findet. Sein Leben war eine lange Krankheit; seine Nerven waren schwach, seine Gesichtsfarbe bleich, seine Wangen von frühzeitigen Furchen durchzogen. Gleichwohl konnten seine Feinde nicht behaupten, daß er während seines langen und ruhelosen öffentlichen Lebens nur ein einzigesmal, selbst nicht durch plötzliche Herausforderung zu einer mit der milden Würde seines Characters unvereinbaren Heftigkeit gereizt worden wäre. Sie konnten nur behaupten, daß sein Wesen bei weitem nicht so sanft sei als die Welt glaube, daß er in Wirklichkeit zu heftigen Leidenschaften geneigt sei und daß zuweilen, während seine Stimme sanft und seine Worte freundlich und artig seien, seine schwächliche Gestalt vor unterdrückter Aufregung in ein fast convulsivisches Zittern gerathe. Man wird vielleicht der Ansicht sein, daß dieser Vorwurf gerade der höchste Lobspruch war.

 

Die gebildetsten Männer jener Zeit haben uns gesagt, daß es kaum etwas gab, worüber Somers nicht belehrend und unterhaltend hätte sprechen können. Er war nie gereist, und ein Engländer, der nicht gereist war, galt damals in der Regel nicht für befähigt, über Werke der Kunst ein Urtheil abzugeben. Aber gründliche Kenner der Meisterwerke des Vatikans und der florentinischen Galerie gestanden zu, daß Somers’ Geschmack in der Malerei und Sculptur ganz vorzüglich war. Die Philologie war eines seiner Lieblingsstudien. Er hatte das ganze große Gebiet der alten und neuen Belletristik durchwandert. Er war zu gleicher Zeit ein freigebiger und ein streng unterscheidender Beschützer des Genies und des Wissens. Locke verdankte Somers Wohlstand. Durch Somers wurde Addison aus der Zelle eines Collegiums ans Licht gezogen. In fernen Ländern nannten große Gelehrte und Dichter, die sein Antlitz nie gesehen, den Namen Somers mit Achtung und Dankbarkeit. Er war der Wohlthäter Leclerc’s und der Freund Filicaja’s. Weder politische noch religiöse Meinungsverschiedenheiten hielten ihn ab, dem Talent seinen mächtigen Schutz angedeihen zu lassen. Hikes, der heftigste und intoleranteste aller Eidverweigerer, erhielt durch Somers’ Verwendung die Erlaubniß, die teutonischen Alterthümer in gemächlicher Freiheit zu studiren. Vertue, ein strenger Katholik, wurde durch Somers scharfblickende und freigebige Gönnerschaft aus Armuth und Dunkelheit zum ersten Range unter den Kupferstechern seiner Zeit erhoben.

Die Großmuth, mit welcher Somers seine Gegner behandelte, gereichte ihm zu um so größerer Ehre, weil er in seinen politischen Ansichten nicht hin und her schwankte. Vom Anfang bis zum Ende seines öffentlichen Lebens war er ein standhafter Whig. Er erhob zwar stets, wenn seine Partei im Staate die Oberhand hatte, seine Stimme gegen gewaltthätige und rachsüchtige Maßregeln, aber er verließ seine Freunde nie. Selbst als ihre thörichte Nichtachtung seines Rathes sie an den Rand des Verderbens gebracht hatte.

Seine natürlichen Geistesgaben und seine erworbenen Kenntnisse wurden selbst von seinen Verleumdern nicht geleugnet. Die hämischsten Tories mußten mit einem unwilligen Murren, das den Werth ihres Lobes noch erhöhte, zugeben, daß er alle geistigen Eigenschaften eines großen Mannes besaß und daß von allen seinen Zeitgenossen in ihm allein glänzende Beredtsamkeit und Witz mit der ruhigen und stetigen Besonnenheit vereinigt gefunden wurden, welche den Erfolg im Leben sichern. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß er in dem schamlosesten der vielen Libelle, welche gegen ihn erschienen, unter dem Namen Cicero geschmäht wird. Da seine Talente nicht in Zweifel gestellt werden konnten, so beschuldigte man ihn der Irreligiosität und Unmoralität. Daß er heterodox sei, glaubten alle Landvikare und fuchsjagenden Squires fest; aber bezüglich der Natur und Ausdehnung seiner Heterodoxie waren die Meinungen sehr verschieden. Er scheint ein Niederkirchlicher von der Schule Tillotson’s gewesen zu sein, den er stets liebte und verehrte, und er wurde wie dieser von den Bigotten ein Presbyterianer, ein Arianer, ein Socinianer, ein Deist und ein Atheist genannt.

Das Privatleben dieses großen Staatsmannes und Richters wurde boshaft untersucht und Geschichten über seinen ausschweifenden Wandel erzählt, die sich fort und fort vergrößerten, bis sie selbst für die Leichtgläubigkeit des Parteigeistes zu abgeschmackt wurden. Endlich, nachdem er schon längst zu Flanell und Hühnerbrühe verurtheilt war, ließ eine schamlose Courtisane, die ihn wahrscheinlich nie anderwärts als in der Prosceniumsloge im Theater gesehen hatte, wenn sie unten maskirt ihrem Gewerbe nachging, ein Libell erscheinen, in welchem sie ihn als den Gebieter eines kostspieligeren Harems schilderte, als ihn der Großsultan besitze. Man hat indeß Grund zu glauben, daß ein kleiner Wahrheitskern vorhanden war, an den sich diese große Masse von Erdichtungen ansetzte, und daß die Weisheit und Selbstbeherrschung, woran es Somers im Senate, auf dem Richterstuhle, in der Rathsversammlung oder in der Gesellschaft von Schöngeistern, Gelehrten und Philosophen nie fehlte, ihn für weibliche Reize nicht ganz unempfänglich machten.198

Montague

Ein andrer Führer der Whigpartei war Karl Montague. Er wurde oft, nachdem er sich zu Macht, Ehren und Reichthümern erhoben hatte, von denen, die seinen Erfolg beneideten, ein Emporkömmling genannt. Daß sie ihn so nannten, darf uns mit Recht Wunder nehmen, denn nur wenige von den Staatsmännern seiner Zeit konnten einen Stammbaum aufweisen wie der seinige. Er stammte aus einer Familie, die so alt war wie die Eroberung; er hatte Anwartschaft auf den Earlstitel und war väterlicherseits der Vetter dreier Earls. Aber er war der jüngere Sohn eines jüngeren Bruders, und diese Phrase war von jeher seit der Zeit Shakespeare’s und Raleigh’s, und vielleicht schon vor ihrer Zeit sprichwörtlich, um einen Mann zu bezeichnen, der so arm war, daß er zu der niedrigsten Dienstbarkeit verurtheilt oder zu dem verzweifeltsten Abenteuer bereit war.

Karl Montague wurde frühzeitig für den geistlichen Beruf bestimmt, in die Schule zu Westminster aufgenommen und nachdem er sich hier durch seine Geschicklichkeit im lateinischen Versbau ausgezeichnet, nach Cambridge in das Trinity College geschickt. In Cambridge war die Philosophie Des Cartes’ noch immer in den Schulen vorherrschend. Aber einige wenige hervorragende Geister hatten sich von dem großen Haufen getrennt und bildeten ein geziemendes Auditorium um einen weit größeren Lehrer.199 Unter den vielversprechenden Jünglingen, welche stolz darauf waren, zu den Füßen Newton’s zu sitzen, zeichnete sich der geistreiche und vielseitige Montague aus. Unter einer solchen Leitung machte der junge Student bedeutende Fortschritte in den ernsten Wissenschaften; aber die Poesie war sein Lieblingsstudium, und wenn die Universität ihre Söhne aufforderte, königliche Vermählungen und Leichenbegängnisse zu besingen, wurde es allgemein anerkannt, daß er seine Mitbewerber übertroffen habe. Sein Ruf drang bis nach London, er galt unter den Schöngeistern, welche bei Will ihre Zusammenkünfte hielten, für einen geistreichen jungen Mann, und die reizende Parodie, die er in Gemeinschaft mit seinem Freunde und Studiengenossen Prior auf Dryden’s Hind and Panther schrieb, wurde mit großem Beifall aufgenommen.

Zu dieser Zeit waren alle Wünsche Montague’s auf die Kirche gerichtet. Späterhin, als er ein Peer mit zwölftausend Pfund jährlicher Einkünfte war, als seine Villa an der Themse für den prächtigsten aller Wohnsitze galt, als man von ihm sagte, daß er in Tokaier aus den kaiserlichen Kellern und in Suppen schwelge, die aus ostindischen Vogelnestern bereitet seien, von denen das Stück drei Guineen koste, machte es seinen Feinden Vergnügen, ihn daran zu erinnern, daß es eine Zeit gegeben, wo er sein Einkommen durch literarische Arbeiten auf nicht mehr als fünfzig Pfund gebracht, wo er sich glücklich geschätzt habe, wenn er ein Stück Hammelfleisch und eine Flasche Ale aus den Kellern des Collegiums gehabt, und wo ein Zehntenferkel der größte Luxus gewesen sei, auf den er zu hoffen gewagt habe. Die Revolution kam und gab seinem ganzen Lebensplan eine andre Gestalt. Durch den Einfluß Dorset’s, der ein besonderes Vergnügen daran fand, sich vielversprechender junger Leute anzunehmen, erlangte er einen Sitz im Hause der Gemeinen. Der unbemittelte Gelehrte schwankte jedoch noch immer einige Monate lang zwischen der Politik und der Theologie. Allein es zeigte sich bald deutlich, daß unter der neuen Ordnung der Dinge parlamentarische Geschicklichkeit einen höheren Lohn erzielen müsse als jede andre Geschicklichkeit, und er fühlte, daß ihm in der parlamentarischen Geschicklichkeit Keiner überlegen sei. Er befand sich in der Stellung, zu der ihn die Natur ganz vorzüglich befähigt hatte, und einige Jahre hindurch war sein Leben eine Reihe von Triumphen.

Von ihm, wie von mehreren anderen seiner Zeitgenossen, insbesondere von Mulgrave und Sprat, kann man sagen, daß sein Ruhm durch die Thorheit der Verleger beeinträchtigt worden ist, welche bis auf unsre Zeit darin beharrt haben, seine Verse unter den Werken der britischen Dichter drucken zu lassen. Es vergeht kein Jahr, in welchem nicht Hunderte von Versen, die so gut sind als alle, die er je geschrieben, behufs der Bewerbung um den Newdigate-Preis zu Oxford oder um die Kanzler-Medaille zu Cambridge eingesandt würden. Sein Geist besaß allerdings große Schärfe und Kraft, aber nicht diejenige Schärfe und Kraft, welche große Dramen oder Oden producirt, und man thut ihm sehr Unrecht, wenn man seinen Man of Honour und seine Epistle on the Battle of the Boyne dem Comus und Alexander’s Feast zur Seite stellt. Andere ausgezeichnete Staatsmänner, wie Walpole, Pulteney, Chatham, Fox, schrieben Verse, die nicht besser waren als die seinigen. Aber zum Glück für sie wurden ihre metrischen Werke nie für würdig gehalten, in eine Sammlung unserer nationalen Klassiker aufgenommen zu werden.

Es ist seit langer Zeit gebräuchlich, die Phantasie in der Gestalt eines Flügels darzustellen und die gelungenen Aeußerungen der Phantasie Flüge zu nennen. Der eine Dichter ist ein Adler, der andre ein Schwan, der dritte vergleicht sich bescheidentlich mit der Biene. Aber keine dieser bildlichen Bezeichnungen würde auf Montague gepaßt haben. Man kann sein Genie mit dem Flügel vergleichen, der zwar zu schwach ist, den Strauß in die Lüfte zu erheben, ihn aber in den Stand setzt, während er auf der Erde bleibt, Hund, Pferd und Dromedar zu überholen. Wenn ein Mann, der diese Art Genie besitzt, den Himmel der Erfindung zu ersteigen versucht, so macht er sich durch seine mühsamen und erfolglosen Anstrengungen lächerlich. Wenn er sich aber damit begnügt, in der irdischen Thätigkeitssphäre zu bleiben, so wird er finden, daß die Fähigkeiten, die ihn nicht in den Stand setzen würden, sich in eine höhere Sphäre emporzuschwingen, es ihm möglich machen, in der niederen alle seine Rivalen hinter sich zu lassen. Als Dichter hätte Montague sich niemals über die Gewöhnlichkeit erheben können. Im Hause der Gemeinen aber, das jetzt rasch die höchste Behörde im Staate wurde und seine Gewalt über einen Zweig der ausübenden Verwaltung nach dem andren ausdehnte, erlangte der junge Glücksritter bald eine ganz andre Stellung, als die, welche er unter den Literaten einnimmt. In seinem dreißigsten Jahre würde er mit Freuden alle seine Lebensaussichten für ein anständiges Vikariat und ein Kaplansmäntelchen hingegeben haben. Mit siebenunddreißig Jahren war er erster Lord des Schatzes, Kanzler der Schatzkammer und Mitglied des Regentschaftsrathes des Königreichs, und diese hohe Stellung verdankte er keineswegs der Gunst, sondern lediglich der unbestreitbaren Ueberlegenheit seiner Talente für die Verwaltung und für die Debatte.

 

Die außerordentliche Geschicklichkeit, mit der er zu Anfang des Jahres 1692 die Conferenz über die Bill zur Regulirung des Prozeßverfahrens in Hochverrathsfällen leitete, stellte ihn mit einem Male in die erste Reihe der parlamentarischen Redner. Er stand bei dieser Gelegenheit einer Menge erfahrener, durch ihre Beredtsamkeit berühmter Senatoren, wie Halifax, Rochester, Nottingham und Mulgrave gegenüber, und er erwies sich als ihnen allen ebenbürtig. Nicht lange so erhielt er einen Sitz im Schatzamte, und hier gewahrte der scharfsinnige und erfahrene Godolphin bald, daß sein junger College sein Meister war. Als Somers das Haus der Gemeinen verlassen, hatte Montague keinen Nebenbuhler mehr darin. Sir Thomas Littleton, einst als der gewandteste Redner und Geschäftsmann unter den whiggistischen Mitgliedern ausgezeichnet, begnügte sich, unter seinem jüngeren Collegen zu dienen. Noch heute können wir in vielen Zweigen unsres Finanz- und Handelssystems Spuren von Montague’s scharfem Verstande und kühnem Geiste erkennen. Seine bittersten Feinde konnten nicht leugnen, daß einige von den Auskunftsmitteln, die er vorgeschlagen, sich als höchst wohlthätig für die Nation erwiesen hatten. Aber es wurde behauptet, diese Auskunftsmittel seien nicht in seinem eignen Kopfe entstanden. In hundert Pamphlets wurde er die Krähe mit geborgten Federn genannt. Er habe, versicherte man, die Idee zu jedem seiner großen Pläne aus den Schriften oder Reden eines genialen Theoretikers entlehnt. Dieser Vorwurf war eigentlich gar kein Vorwurf. Wir dürfen wohl kaum erwarten, in einem und demselben menschlichen Wesen die Talente, welche nöthig sind, um neue Erfindungen in der Staatswissenschaft zu machen, mit den Talenten gepaart zu finden, welche von zahlreichen und tumultuarischen Versammlungen die Zustimmung zu großen praktischen Reformen erlangen. Zu gleicher Zeit ein Adam Smith und ein Pitt zu sein, ist fast unmöglich. Es ist gewiß des Lobenswerthen genug bei einem thätigen Staatsmanne, wenn er die Theorien Anderer anzuwenden versteht, wenn er unter den Plänen zahlloser Projectenmacher gerade denjenigen herausfindet, der gebraucht wird und ausführbar ist, wenn er ihm eine solche Gestalt zu geben weiß, daß er dem Drange der Umstände und den Launen des Volks entspricht, wenn er ihn gerade in dem Augenblicke vorschlägt, wo er die meiste Aussicht hat, günstig aufgenommen zu werden, wenn er ihn siegreich gegen alle Widersacher vertheidigt, und wenn er ihn mit Umsicht und Energie ins Werk setzt, und auf dieses Lob hat kein englischer Staatsmann begründeteren Anspruch als Montague.

Es ist ein schlagender Beweis von seiner Selbstkenntniß, daß er von dem Augenblicke an, wo er sich im öffentlichen Leben auszuzeichnen begann, aufhörte ein Versemacher zu sein. Nachdem er Lord des Schatzes geworden war, scheint er kein einziges Couplet mehr geschrieben zu haben, mit Ausnahme einiger gut abgefaßter Zeilen als Inschriften auf eine Anzahl Trinkspruchgläser, welche den berühmtesten Whigschönheiten seiner Zeit verehrt wurden. Er beschloß wohlweislich, aus den Dichtungen Anderer einen Ruhm zu schöpfen, den er aus seinen eigenen nie geschöpft haben würde. Als Beschützer des Genies und der Gelehrsamkeit steht er auf gleicher Stufe mit seinen beiden berühmten Freunden, Dorset und Somers. Seine Freigebigkeit kam der ihrigen völlig gleich, und wenn er ihnen auch in der Feinheit des Geschmacks nachstand, so gelang es ihm doch, seinen Namen untrennbar mit einigen Namen zu verknüpfen, welche so lange dauern werden wie unsre Sprache.

Es muß jedoch auch zugegeben werden, daß Montague neben glänzenden Talenten und vielen Ansprüchen auf die Dankbarkeit seines Vaterlandes große Fehler besaß und leider Fehler nicht von der edelsten Art. Sein Kopf war nicht stark genug, um die hastige Eile seines Emporsteigens und die Höhe seiner Stellung ohne Schwindelanfälle zu ertragen. Er wurde widerlich anmaßend und eitel. Er war nur zu oft kalt gegen seine alten Freunde und prahlte nur zu gern mit seinen neuerworbenen Reichthümern. Vor Allem war er unersättlich nach Lob und es gefiel ihm um so besser, je plumper und übertriebener es war. Im Jahre 1693 waren jedoch diese Fehler noch nicht so schreiend, als sie es einige Jahre später wurden.

196Es ist ergötzlich zu sehen, wie Johnson’s Toryismus da hervorbricht, wo wir ihn schwerlich zu finden erwarten. Hastings sagt im dritten Theile seines Henry the Sixth: „Laßt uns auf Gott und auf die Meere bauen,Die er als unnehmbaren Schutz uns gab,und nur mit ihnen uns vertheidigen.” „Dies,” sagt Johnson in einer Note, „ist der Rath eines Jeden gewesen, der zu irgend einer Zeit das Interesse England’s begriffen und unterstützt hat.”
197Swift nennt Somers in seiner Inquiry into the Behaviour of the Queen’s last Ministry einen Mann von glänzender Begabung, der mit solcher Offenheit zu sprechen pflegte, daß er den Grund seines Herzens zu enthüllen schien. In den Memoirs relating to the Change in the Queen’s Ministry, sagt Swift, daß Somers einen, aber auch nur einen unangenehmen Fehler gehabt habe, – Förmlichkeit. Es ist schwer zu begreifen, wie ein und der nämliche Mensch der offenherzigste Gesellschafter, und dabei doch zur Förmlichkeit geneigt sein kann. Gleichwohl kann in beiden Schilderungen etwas Wahres sein. Es ist wohl bekannt, daß Swift sich hochgestellten Männern gegenüber gern unzarte Freiheiten herausnahm und sich einbildete, dadurch seine Unabhängigkeit zu behaupten. Er ist wegen dieses Fehlers mit Recht von seinen beiden berühmten Biographen getadelt worden, welche beide Männer von mindestens eben so selbständigem Geiste als der seinige waren, von Samuel Johnson und Walter Scott. Ich vermuthe, daß er auch Lust zeigte, sich gegen Somers mit beleidigender Familiarität zu benehmen, und daß Somers, der nicht geneigt war, sich Impertinenzen gefallen zu lassen, aber auch nicht in die Nothwendigkeit versetzt werden wollte, sie zu ahnden, zur Selbstvertheidigung eine ceremoniöse Höflichkeit gegen ihn beobachtete, die er gegen Locke und Addison nie beobachtet haben würde.
198Die Lobreden auf Somers und die Schmähungen gegen ihn sind zahllos. Das beste Mittel sich ein richtiges Urtheil über ihn zu bilden, würde vielleicht sein, wenn man Alles sammelte, was Swift und Addison über ihn gesagt haben. Sie waren die beiden schärfsten Beobachter ihrer Zeit und kannten ihn Beide genau. Es muß jedoch bemerkt werden, daß Swift, bevor er Tory wurde, Somers stets nicht blos als den gebildetsten, sondern auch als den tugendhaftesten Menschen pries. In der Dedication zu seiner Tale of a Tub kommen folgende Worte vor: „Es giebt keine Tugend, weder des öffentlichen noch des Privatlebens, welche Sie in Ihren verschiedenen Lebenslagen nicht oftmals auf die Weltenbühne gebracht hätten.” Dann weiterhin: „Wenn das glänzende Beispiel der Tugenden Eurer Lordschaft vor den Blicken Anderer verborgen bliebe, würde ich das um ihrer und um Ihretwillen sehr bedauern.” In dem Discourse of the Contests and Dissensions at Athens and Rome ist Somers der gerechte Aristides. Nachdem Swift zur andren Partei übergegangen war, nannte er Somers einen Mann, der „alle vortrefflichen Eigenschaften, nur keine Tugend besitze.”
199Siehe Whiston’s Selbstbiographie.