Kostenlos

Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Verhalten Caermarthen’s

Es ist sonderbar, daß der Lordpräsident zu derselben Zeit wo er in Bath als Wilhelmit insultirt wurde, in Saint-Germains für einen treuen Jakobiten galt. Wie er dazu kam, für einen solchen gehalten zu werden, ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Einige Schriftsteller sind der Meinung, daß er, wie Shrewsbury, Russell, Godolphin und Marlborough, Verpflichtungen gegen den einen König übernahm, während er das Brot des andren aß. Diese Ansicht aber stützt sich nicht auf hinreichende Beweise. Für die Verräthereien Shrewsbury’s, Russell’s, Godolphin’s und Marlborough’s haben wir eine große Menge Beweise, die aus verschiedenen Quellen geschöpft sind und sich über mehrere Jahre erstrecken. Ueber Caermarthen’s Verkehr mit Jakob aber besitzen wir keine anderen Nachrichten als die in einem kurzen Aufsatze enthaltenen, den Melfort am 16. October 1693 schrieb. Aus diesem Aufsatze geht klar und deutlich hervor, daß der verbannte König und seine Minister Mittheilungen erhalten hatten, die sie bewogen, Caermarthen als einen Freund zu betrachten. Aber wir haben keinen Beweis, daß sie ihn weder vor noch nach diesem Tage für einen solchen hielten.186 Alles erwogen, scheint die wahrscheinlichste Erklärung des Geheimnisses die zu sein, daß Caermarthen von einem jakobitischen Emissär, der bei weitem nicht so schlau war als er, sondirt worden war und daß er, um dem von Middleton entworfenen neuen politischen Plan auf den Grund zu kommen, sich stellte, als ob er der Sache des verbannten Königs zugethan wäre; daß eine übertriebene Darstellung des Geschehenen nach Saint-Germains geschickt wurde, und daß man sich dort über eine Bekehrung freute, die sich bald als eine erheuchelte herausstellte. Es ist sonderbar, daß eine solche Bekehrung nur einen Augenblick für aufrichtig gehalten werden konnte. Es lag offenbar in Caermarthen’s Interesse, sich zu den im factischen Besitze des Thrones befindlichen Souverainen zu halten. Er war ihr erster Minister und hatte keine Hoffnung, der erste Minister Jakob’s zu werden. Es ist in der That kaum anzunehmen, daß das politische Verhalten eines schlauen, unersättlich ehrgeizigen und habsüchtigen Greises durch persönliche Parteilichkeit bedeutend influirt worden sein sollte. Aber wenn es überhaupt eine Person gab, für welche Caermarthen eingenommen war, so war diese Person unzweifelhaft Marie. Daß er sich ernstlich in ein Complot zu ihrer Entthronung eingelassen haben sollte, das ihm den Hals kosten konnte, wenn es scheiterte, und durch das er, wenn es gelang, ungeheuer an Macht und Reichthum verlieren mußte, war eine zu absurde Fabel, die nur Verbannte für möglich halten konnten.

Allerdings hatte Caermarthen in diesem Augenblicke besonders triftige Gründe, mit der Stellung, die er unter den Rathgebern Wilhelm’s und Mariens einnahm, unzufrieden zu sein. Man hat nur zu starken Grund zu glauben, daß er damals mit einer selbst bei ihm beispiellosen Schnelligkeit unrechtmäßigen Gewinn aufhäufte.

Der Ostindischen Compagnie eine neue Concession verliehen

Der Kampf zwischen den beiden Ostindischen Compagnien war im Herbste 1693 heftiger als je. Da das Haus der Gemeinen die alte Compagnie jedem Vergleiche hartnäckig abhold gefunden, hatte es kurz vor dem Schlusse der vorigen Session den König ersucht, die in der Concessionsurkunde vorgeschriebene dreijährige Aufkündigung erfolgen zu lassen. Child und seine Collegen begannen jetzt ernstlich besorgt zu werden. Jeden Tag erwarteten sie die gefürchtete Anzeige. Ja, sie waren sogar nicht sicher, ob ihnen ihr ausschließliches Privilegium nicht ohne jede vorherige Anzeige entzogen werden möchte, denn sie sahen, daß sie ihre Concession verwirkt hatten, indem sie es aus Unachtsamkeit unterlassen, die kürzlich auf ihr Actienkapital gelegte Steuer zur gesetzlich bestimmten Zeit zu entrichten, und obwohl es unter gewöhnlichen Umständen als eine Rücksichtslosigkeit der Regierung betrachtet worden wäre, aus einem solchen Versehen Vortheil zu ziehen, so war doch das Publikum nicht geneigt, der alten Compagnie etwas mehr als den strikten Buchstaben des Vertrags zuzugestehen. Es war Alles verloren, wenn die Concession nicht vor dem Zusammentritt des Parlaments erneuert wurde. Es steht fast außer allem Zweifel, daß die Operationen der Gesellschaft in der Hauptsache noch immer von Child geleitet wurden. Aber er scheint eingesehen zu haben, daß seine Inpopularität die seiner Obhut anvertrauten Interessen nachtheilig berührt hatte, und er drängte sich daher der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht auf. Seine Stelle wurde ostensibel durch seinen nahen Verwandten, Sir Thomas Cook, ausgefüllt, einem der größten Kaufleute von London und Parlamentsmitgliede für Colchester. Die Directoren stellten Cook das ganze ungeheure Vermögen, das in ihrer Schatzkammer lag, zur unumschränkten Verfügung, und in kurzer Zeit wurden nahe an hunderttausend Pfund für Bestechungen in großartigem Maßstabe ausgegeben. Nach welchen Verhältnissen diese enorme Summe unter die Großen von Whitehall vertheilt wurde und wieviel davon in die Taschen der Zwischenagenten floß, ist noch heute ein Geheimniß. Soviel wissen wir jedoch mit Bestimmtheit, daß Seymour und Caermarthen Tausende empfingen.

Das Resultat dieser Bestechungen war, daß der Generalfiskal Befehl erhielt, einen Freibrief zu entwerfen, der der alten Compagnie die alten Privilegien aufs Neue bewilligte. Kein Minister aber konnte es nach dem was im Parlamente vorgegangen war, wagen, der Krone zur Erneuerung des Monopols ohne Bedingungen zu rathen. Die Directoren sahen, daß sie keine Wahl hatten und verstanden sich mit Widerstreben dazu, die neue Concession unter Bedingungen anzunehmen, die im Wesentlichen dieselben waren, wie sie das Haus der Gemeinen sanctionirt hatte.

Es ist wahrscheinlich, daß zwei Jahre früher ein solcher Vergleich die Fehde, welche die City zerriß, gedämpft haben würde. Aber ein langer Kampf, in welchem Satyre und Verleumdung nicht gespart worden waren, hatte die Gemüther erhitzt. Das Geschrei Dowgate’s gegen Leadenhall Street war lauter als je. Es wurden Einsprüche erhoben und Petitionen unterzeichnet, und in diesen Petitionen wurde ein Prinzip, mit dem man bisher absichtlich hinter dem Berge gehalten hatte, keck aufgestellt. So lange es zweifelhaft war, auf welcher Seite die königliche Prärogative angewendet werden würde, hatte man diese Prärogative nicht bestritten. Sobald es sich aber zeigte, daß die alte Compagnie Aussicht hatte, eine Erneuerung des Monopols unter dem großen Siegel zu erlangen, begann die neue Compagnie mit Heftigkeit zu behaupten, daß kein Monopol anders als durch eine Parlamentsacte creirt werden könne. Nachdem der Geheime Rath, welchem Caermarthen präsidirte, die ausführliche Erörterung durch die beiderseitigen Anwälte angehört hatte, entschied er zu Gunsten der alten Compagnie und ordnete die Untersiegelung des Freibriefs an.187

Wilhelm’s Rückkehr nach England; militärische Erfolge Frankreich’s

Inzwischen war der Herbst weit vorgerückt und die Armeen in den Niederlanden hatten ihre Winterquartiere bezogen. Am letzten October landete Wilhelm wieder in England. Das Parlament stand auf dem Punkte zusammenzutreten, und er hatte allen Grund, eine noch stürmischere Session als die vorige zu erwarten. Das Volk war unzufrieden, und nicht ohne Ursache. Das Jahr war überall für die Verbündeten unglücklich gewesen, nicht allein auf der See und in den Niederlanden, sondern auch in Serbien, in Spanien, in Italien und in Deutschland. Die Türken hatten die Generäle des Reichs gezwungen, die Belagerung Belgrad’s aufzuheben. Ein neucreirter Marschall von Frankreich, der Herzog von Noailles, war in Catalonien eingefallen und hatte die Festung Rosas genommen. Ein zweiter neucreirter Marschall, der geschickte und tapfere Catinat, war von den Alpen nach Piemont hinabgestiegen und hatte bei Marsiglia einen vollständigen Sieg über die Truppen des Herzogs von Savoyen erfochten. Diese Schlacht ist insofern denkwürdig, weil sie die erste einer langen Reihe von Schlachten war, in denen die irischen Truppen die durch Mißgeschick und schlechte Führung im einheimischen Kriege verlorene Ehre wiedererlangten. Einige von den Verbannten von Limerick bewiesen an jenem Tage unter dem französischen Banner eine Tapferkeit, die sie unter vielen Tausenden tapferer Männer auszeichnete. Es ist bemerkenswerth, daß an dem nämlichen Tage ein Bataillon der verfolgten und aus ihrem Vaterlande vertriebenen Hugenotten inmitten der allgemeinen Verwirrung fest zu dem Banner Savoyen’s hielt und mit Verzweiflung bis zum letzten Augenblicke kämpfend fiel.

 

Der Herzog von Lorges war in die bereits zweimal verwüstete Pfalz eingerückt und hatte gefunden, daß Turenne und Duras ihm noch etwas zu zerstören übrig gelassen. Heidelberg, das eben aus seinen Trümmern wieder zu erstehen begann, wurde abermals geplündert, die friedlichen Bewohner niedergemacht und ihre Frauen und Kinder empörend geschändet. Selbst die Chöre der Kirchen wurden mit Blut befleckt; die Monstranzen und Kruzifixe von den Altären gerissen, die Gräber der alten Kurfürsten erbrochen, die ihrer Schweißtücher und Zierrathen entkleideten Leichname durch die Straßen geschleift. Der Schädel des Vaters der Herzogin von Orleans wurde von den Soldaten eines Fürsten, an dessen glänzendem Hofe sie unter den Damen den ersten Rang einnahm, in Stücken zerschlagen.

Noth in Frankreich

Ein scharfblickendes Auge hätte indessen erkennen müssen, daß, so unglücklich auch die Verbündeten gewesen zu sein schienen, der Vortheil eigentlich auf ihrer Seite geblieben war. Der Kampf war ebensowohl ein finanzieller als ein militärischer. Der französische König hatte einige Monate vorher geäußert, das letzte Goldstück werde den Sieg davontragen, und er begann jetzt die Wahrheit dieses Ausspruchs schmerzlich zu empfinden. England war allerdings durch öffentliche Lasten schwer bedrückt; aber es hielt sich noch immer aufrecht. Frankreich war währenddem in raschem Sinken begriffen. Seine kürzlichen Anstrengungen waren zuviel für seine Kraft gewesen und hatten es verzehrt und entnervt. Noch nie hatten seine Beherrscher einen größeren Scharfsinn im Erdenken von Abgaben und eine größere Strenge im Eintreiben derselben an den Tag gelegt; aber kein Scharfsinn, keine Strenge vermochte die zu einem neuen Feldzuge wie der von 1693 erforderlichen Summen aufzubringen. In England war die Ernte reichlich ausgefallen. In Frankreich waren Getreide und Wein abermals mißrathen. Das Volk maß, wie gewöhnlich, der Regierung die Schuld bei, und die Regierung versuchte mit schmachvoller Unwissenheit oder noch schmachvollerer Unredlichkeit den öffentlichen Unwillen auf die Getreidehändler zu lenken. Es wurden Decrete erlassen, welche absichtlich zu dem Zwecke entworfen zu sein schienen, die Theuerung in Hungersnoth zu verwandeln. Man versicherte der Nation, es sei kein Grund zu Besorgniß vorhanden, der Ertrag der Feldfrüchte sei mehr als hinreichend und der Mangel sei nur durch die schändlichen Manipulationen der Wucherer erzeugt worden, die mit ihren Vorräthen zurückhielten, in der Hoffnung, einen enormen Gewinn zu erzielen. Es wurden Commissare zu Visitation der Kornspeicher ernannt und ermächtigt, alles Getreide, das die Eigenthümer nicht für ihren Bedarf brauchten, auf den Markt zu bringen. Eine solche Einmischung vergrößerte natürlich die Noth, der sie abhelfen sollte. Aber inmitten des allgemeinen Mangels gab es an einem Orte einen künstlich erzeugten Ueberfluß. Der unumschränkteste Fürst muß immer einige Scheu vor einer in der Umgebung seines Palastes versammelten großen Menschenmenge haben. Aehnliche Befürchtungen wie die, welche die Cäsaren bestimmt hatten, Afrika und Aegypten die Mittel auszupressen, dem römischen Pöbel den Mund zu stopfen, bewogen Ludwig, das Elend von zwanzig Provinzen zu vermehren, um eine gewaltige Stadt bei guter Laune zu erhalten. Er ließ in allen Kirchspielen der Hauptstadt Brot um weniger als den halben Marktpreis vertheilen. Die englischen Jakobiten waren einfältig genug, diese Anordnung als weise und human zu preisen. Die Ernte, sagten sie, sei in England gut, in Frankreich schlecht gewesen, und doch sei das Brot in Paris wohlfeiler als in London, und die Erklärung sei ganz einfach. Die Franzosen hätten einen Souverain, dessen Herz französisch sei und der mit der Fürsorge eines Vaters über sein Volk wache, während die Engländer mit einem holländischen Tyrannen beglückt seien, der ihr Getreide nach Holland schicke. Die Wahrheit ist, daß acht Tage solcher väterlicher Regierung wie die Ludwig’s, ganz England, von Northumberland bis Cornwall, zu einem bewaffneten Aufstande getrieben haben würden. Damit in Paris Ueberfluß herrschen konnte, mußte die Bevölkerung der Normandie und des Anjou Nesseln essen. Damit es in Paris ruhig blieb, schlug sich das Landvolk längs der ganzen Loire und Seine mit den Schiffern und Truppen. Massen flohen aus diesen ländlichen Districten, wo das Pfund Brot fünf Sous kostete, nach dem glücklichen Orte, wo das Pfund Brot für zwei Sous zu haben war. Man mußte die verhungerten Menschenhaufen mit Gewalt von den Barrièren zurücktreiben und Denen, die nicht nach Hause gehen und ruhig verhungern wollten, mit den furchtbarsten Strafen drohen.188

Ludwig sah ein, daß die Kräfte Frankreich’s durch die Anstrengungen des letzten Feldzugs übermäßig in Anspruch genommen worden waren. Selbst wenn es eine reichliche Ernte und Weinlese gehabt hätte, würde es nicht im Stande gewesen sein, 1694 das zu leisten, was es 1693 geleistet, und es war durchaus unmöglich, daß es zu einer Zeit des größten Mangels wieder Armeen ins Feld schicken konnte, welche an allen Punkten den Armeen der Coalition an Zahl überlegen waren. Neue Eroberungen waren nicht zu erwarten. Es war schon viel, wenn das auf allen Seiten von Feinden umlagerte ausgesogene und erschöpfte Land ohne Niederlage einen Vertheidigungskrieg zu bestehen vermochte. Ein so geschickter Staatsmann wie der König von Frankreich mußte nothwendig erkennen, daß es nur zu seinem Vortheile sein konnte, wenn er mit den Verbündeten unterhandelte, so lange sie durch die Erinnerung an die kolossalen Anstrengungen, die sein Land soeben gemacht hatte, noch in Respect erhalten wurden, und bevor die Erschlaffung, welche auf diese Anstrengungen gefolgt war, sichtbar zu werden begann.

Er verkehrte schon längst durch verschiedene Kanäle mit einigen Mitgliedern der Conföderation und versuchte sie zu bestimmen, sich von den übrigen zu trennen. Bis jetzt aber hatte er noch keine Propositionen gemacht, die auf eine allgemeine Pacifirung hinzielten. Denn er wußte, daß keine allgemeine Pacifirung möglich war, wenn er sich nicht entschloß, die Sache Jakob’s aufzugeben und den Prinzen und die Prinzessin von Oranien als König und Königin anzuerkennen. Dies war eigentlich der Punkt, um den sich Alles drehte. Was mit den großen Festungen geschehen sollte, welche Ludwig in Friedenszeiten widerrechtlich weggenommen und seinem Reiche einverleibt hatte, mit Luxemburg, das die Mosel in Schach hielt, und mit Straßburg, das den Oberrhein beherrschte, was ferner mit den festen Plätzen geschehen sollte, die er neuerdings im offenen Kriege erobert, mit Philippsburgi, Mons und Namur, mit Huy und Charleroy; welche Grenze den Generalstaaten gesteckt, unter welchen Bedingungen Lothringen seinen erblichen Herzögen zurückgegeben werden sollte: dies waren allerdings keine unwichtigen Fragen. Aber die allerwichtigste Frage war die, ob England, wie es dies unter Jakob gewesen, eine Provinz Frankreich’s, oder, was es unter Wilhelm und Marien war, eine Macht ersten Ranges sein sollte. Wenn Ludwig ernstlich den Frieden wünschte, so mußte er es über sich gewinnen, die Souveraine anzuerkennen, die er so oft als Usurpatoren bezeichnet hatte. Konnte er es über sich gewinnen, sie anzuerkennen? Auf der einen Seite standen sein Aberglaube, sein Stolz, seine Rücksichten gegen die unglücklichen Verbannten, welche in Saint-Germains schmachteten, seine persönliche Abneigung gegen den unermüdlichen und unbesiegbaren Gegner, der seit zwanzig Jahren ihm überall hindernd in den Weg trat; auf der andren Seite standen seine und seines Volkes Interessen. Er mußte einsehen, daß es nicht in seiner Macht lag, die Engländer zu unterjochen, das er es wenigstens ihnen überlassen müsse, sich ihre Regierung selbst zu wählen, und daß es am besten sei, das bald zu thun, was er schließlich doch thun mußte. Gleichwohl konnte er sich nicht sofort zu etwas so Unangenehmem entschließen. Er trat jedoch durch die Vermittelung Schweden’s und Dänemark’s mit den Generalstaaten in Unterhandlung und schickte einen vertrauten Agenten nach Brüssel, um im Geheimen mit Dykvelt zu conferiren, der Wilhelm’s ganzes Vertrauen besaß. Es wurde viel über Dinge von untergeordneter Bedeutung discutirt, aber die Hauptfrage blieb unerledigt. Der französische Agent ließ im vertraulichen Gespräch Aeußerungen fallen, welche deutlich verriethen, daß die Regierung, die er repräsentirte, bereit war, Wilhelm und Marien anzuerkennen; aber eine förmliche Zusage war nicht von ihm zu erlangen. Gerade zu derselben Zeit benachrichtigte der König von Dänemark die Verbündeten, daß er bemüht sei, Frankreich dahin zu bringen, nicht auf der Restauration Jakob’s als einer unerläßlichen Friedensbedingung zu bestehen, sagte aber nicht, daß seine Bemühungen bis jetzt erfolgreich gewesen seien. Währenddem theilte Avaux, der jetzt Gesandter in Stockholm war, dem König von Schweden mit, daß, da die Würde aller gekrönten Häupter in der Person Jakob’s beleidigt worden sei, der Allerchristlichste König sich überzeugt halte, daß nicht allein die neutralen Mächte, sondern selbst der Kaiser ein Mittel ausfindig zu machen suchen würden, welches eine so ernste Ursache zu Unfrieden beseitigen könne. Das von Avaux vorgeschlagene Mittel war jedenfalls, daß Jakob von seinen Rechten abstehen und daß der Prinz von Wales nach England geschickt, in der protestantischen Religion erzogen, von Wilhelm und Marien adoptirt und zu ihrem Erben erklärt werden solle. Gegen ein solches Arrangement würde Wilhelm vom persönlichen Standpunkte wahrscheinlich nichts einzuwenden gehabt haben. Aber wir dürfen überzeugt sein, daß er nie eingewilligt haben würde, es zu einer Bedingung des Friedens mit Frankreich zu machen. Die Frage, wer in England regieren sollte, hatte England allein zu entscheiden.189

Es war triftiger Grund zu dem Verdachte vorhanden, daß eine, in dieser Weise geleitete Unterhandlung nur die Veruneinigung der Verbündeten bezweckte. Wilhelm begriff die ganze Wichtigkeit des Moments. Es mag sein, daß er nicht den Blick eines großen Feldherrn für alle Wechselfälle einer Schlacht hatte; aber er besaß in höchster Vollkommenheit den Blick eines großen Staatsmannes für alle Wechselfälle eines Kriegs. Daß Frankreich ihm endlich Propositionen machte, war ein genügender Beweis, daß es sich erschöpft und im Sinken begriffen fühlte. Daß diese Propositionen mit äußerstem Widerstreben und Zaudern gemacht wurden, bewies, daß es sich noch nicht in einer Stimmung befand, die es ermöglichte, unter billigen Bedingungen Frieden mit ihm zu schließen. Er sah, daß der Feind zu weichen begann und daß der Augenblick gekommen war, die Offensive zu ergreifen, vorzugehen und alle Reserven heranzuziehen. Ob aber die Gelegenheit benutzt oder versäumt werden sollte, darüber hatte er nicht zu entscheiden. Der König von Frankreich konnte ohne eine andre Beschränkung als die, welche die Naturgesetze dem Despotismus auflegen, Truppen ausheben und Steuern fordern. Der König von England aber vermochte nichts ohne die Unterstützung des Hauses der Gemeinen, und obgleich das Haus der Gemeinen ihn bisher bereitwillig und freigebig unterstützt hatte, so war es doch keine Körperschaft, auf die er sich verlassen konnte. Es war in der That in einen Zustand gerathen, der die scharfsichtigsten Staatsmänner der damaligen Zeit in Verlegenheit und Besorgniß versetzte. Die Vereinigung einer so grenzenlosen Macht mit einer so grenzenlosen Launenhaftigkeit hatte etwas Erschreckendes. Das Schicksal der ganzen civilisirten Welt hing von den Beschlüssen der Vertreter des englischen Volks ab, und es gab keinen Staatsmann, der es hatte wagen können, mit Bestimmtheit zu sagen, zu welchem Beschlusse diese Vertreter nicht binnen vierundzwanzig Stunden bewogen werden konnten.190 Wilhelm erkannte es schmerzlich, daß es einem Fürsten, der von einer zu Zeiten so ungestümen, zu anderen Zeiten so lässigen Versammlung abhing, unmöglich war, etwas Großes ins Werk zu setzen. In der That, obgleich kein Souverain soviel that, um die Macht des Hauses der Gemeinen zu befestigen und zu erweitern, so liebte doch kein Souverain das Haus der Gemeinen weniger. Dies ist auch nicht zu verwundern, denn er sah dieses Haus in der allerschlimmsten Beschaffenheit. Er sah es, als es eben die Macht eines Senats erlangt, sich aber noch nicht die ernste Würde eines solchen angeeignet hatte. In seinen Briefen an Heinsius klagt er beständig über das endlose Geschwätz, die Parteizwistigkeiten, die Unbeständigkeit und Unschlüssigkeit einer Körperschaft, die mit Rücksicht zu behandeln ihm seine Lage gebot. Seine Klagen waren durchaus nicht ungegründet, aber er hatte weder die Ursache des Uebels, noch das Heilmittel dagegen entdeckt.

 
186Der Aufsatz, den ich anführe, befindet sich unter den Nairne’schen Manuscripten und ist in Mackpherson’s Sammlung nachzulesen. Der vortreffliche Schriftsteller Mr. Hatham ist bezüglich dieses Gegenstandes in einen bei ihm sehr seltenen Irrthum verfallen. Er sagt, der Name Caermarthen’s werde beständig unter denen genannt, die Jakob zu seinen Freunden zählte. Ich glaube, man wird die Ueberzeugung gewinnen, daß der Beweis gegen Caermarthen sich lediglich auf das von mir erwähnte Schriftstück Melfort’s beschränkt. Es befindet sich zwar unter den Nairne’schen Handschriften, welche Mackpherson abdruckte, ein Brief ohne Datum und Unterschrift, in welchem Caermarthen zu Jakob’s Freunden gerechnet wird. Aber dieser Brief verdient ganz und gar keine Beachtung. Der Schreiber desselben war augenscheinlich ein unwissender heißblütiger Jakobit, der weder die Stellung noch den Character eines einzigen von den Staatsmännern kannte, die er erwähnt. Er macht arge Schnitzer in Betreff Marlborough’s, Godolphin’s, Russell’s, Shrewsbury’s und der Familie Beaufort. Die ganze Arbeit ist eigentlich ein Gewebe von Albernheiten. Es muß bemerkt werden, daß in dem „Leben Jakob’s,” das aus seinen eigenen Schriften compilirt ist, die Unterstützungszusicherungen, die er von Marlborough, Russell, Godolphin, Shrewsbury und anderen angesehenen Männern erhielt, mit sehr ausführlichen Details erwähnt sind. Aber es findet sich kein Wort in diesem Werke, welches andeutete, daß Jakob jemals solche Zusicherungen von Caermarthen erhalten hätte.
187A Journal of several Remarkable Passages relating to the East India Trade, 1693.
188Siehe die Monthly Mercuries und die London Gazette vom September, October, November und December 1693; Dangeau, 5., 27. Sept., 21. Oct. und 21. Nov.; The Price of the Abdication, 1693.
189Correspondenz Wilhelm’s und Heinsius’; dänische Note datirt vom 11. (21.) Dec. 1693. Die Note, welche Avaux damals der schwedischen Regierung überreichte, findet man in Lamberty’s Sammlung und in den Mémoires et Négociations de la Paix de Ryswick.
190„Sir John Lowther sagt, Niemand kann heute wissen, was ein Haus der Gemeinen morgen thun wird, und Jedermann stimmte ihm darin bei.” Diese bedeutsamen Worte schrieb Caermarthen an den Rand einer von Rochester im August 1692 verfaßten Schrift. – Dalrymple, Anhang zum 2. Bande, Kap. 7.