Buch lesen: «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.»
Dreizehntes Kapitel.
Wilhelm und Marie
Die Revolution in Schottland heftiger als in England
Die Heftigkeit der Revolutionen steht gewöhnlich im Verhältnis mit der Schwere der Regierungssünden, welche sie herbeigeführt haben. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die Regierung von Schottland, welche seit vielen Jahren despotischer und verderbter gewesen war als die von England, mit einem weit heftigeren Sturze fiel. In England war die Bewegung gegen den letzten König des Hauses Stuart conservativ, in Schottland war sie destructiv. Die Engländer beschwerten sich nicht über das Gesetz, sondern über die Verletzung des Gesetzes; sie erhoben sich gegen den ersten Beamten des Staats lediglich, um die Suprematie des Gesetzes zur Geltung zu bringen, und sie waren zum größten Theil treue Anhänger der durch das Gesetz eingeführten Landeskirche. Selbst bei Anwendung des außergewöhnlichen Heilmittels, zu welchem sie durch eine außergewöhnliche Lage zu greifen gezwungen worden waren, wichen sie so wenig als möglich von den durch das Gesetz vorgeschriebenen ordentlichen Formen ab. Die zu Westminster tagende Convention war, obwohl durch unregelmäßige Ausschreiben einberufen, genau nach dem Muster eines regelmäßigen Parlaments constituirt. Niemand wurde aufgefordert, einen Platz im Oberhause einzunehmen, dessen Berechtigung, darin zu sitzen, nicht klar war. Die Abgeordneten der Grafschaften und Burgflecken wurden durch die nämlichen Wähler gewählt, welche berechtigt gewesen sein würden, die Mitglieder für ein unter dem großen Siegel einberufenes Haus der Gemeinen zu wählen. Die Wahlrechtstitel des Vierzigschilling-Freisassen, des Steuern zahlenden Angesessenen, des Pächters, des Wahlbürgers von London, des Magisters der freien Kräfte in Oxford wurden respectirt. Die Gesinnung der Wahlkörper wurde mit eben so wenig Zwang von Seiten des großen Haufens und mit eben so wenig Arglist von Seiten der Wahlbeamten ausgeforscht, wie bei irgend einer allgemeinen Wahl der damaligen Zeit. Als endlich die Stände zusammentraten, fanden ihre Verhandlungen in vollkommener Freiheit und genau nach den althergebrachten Formen statt. Nach Jakob’s erster Flucht herrschte allerdings in London und in einigen Theilen des platten Landes eine beunruhigende Anarchie. Aber diese Anarchie dauerte nirgends länger als achtundvierzig Stunden. Von dem Tage, an welchem Wilhelm im St. Jamespalast ankam, hatten selbst die unpopulärsten Agenten der gestürzten Regierung, selbst die Diener der römisch-katholischen Kirche, von der Wuth des Pöbels nichts mehr zu fürchten.
In Schottland war der Gang der Ereignisse ganz anders. Dort war das Gesetz selbst ein Gegenstand der Beschwerde und Jakob hatte sich durch ausdrückliche Anwendung desselben vielleicht mehr Unpopularität zugezogen als durch Verletzung desselben. Die gesetzlich eingeführte Landeskirche war die verhaßteste Institution des ganzen Reichs. Die Tribunale hatten einige so empörende Urtheilssprüche gefällt und das Parlament einige so bedrückende Verordnungen erlassen, daß, wenn diese Urtheilssprüche und diese Verordnungen nicht für ungültig erklärt wurden, nicht daran zu denken war, eine Convention zusammenzubringen, welche sich die öffentliche Achtung erzwang und der Ausdruck der öffentlichen Meinung war. Es stand zum Beispiel kaum zu erwarten, daß die Whigs in dieser Zeit ihrer Macht es sich ruhig gefallen lassen würden, ihr erbliches Oberhaupt, den Sohn eines Märtyrers und Enkel eines Märtyrers, von dem Parlamentshause, in welchem neun seiner Vorfahren als Earls von Argyle gesessen hatten, ausgeschlossen zu sehen, ausgeschlossen durch ein richterliches Erkenntniß, über welches das ganze Königreich empört war. Noch weniger ließ sich erwarten, daß sie die Wahl der Vertreter von Grafschaften und Städten den Vorschriften des bestehenden Gesetzes gemäß vornehmen lassen würden. Denn nach dem bestehenden Gesetz konnte kein Wähler seine Stimme abgeben, ohne geschworen zu haben, daß er sich von dem Covenant lossage und in kirchlichen Angelegenheiten das Supremat des Königs anerkenne.1 Einen solchen Eid aber konnte kein strenger Presbyterianer leisten, und wenn derselbe verlangt worden wäre, so würden die Wahlkörper nichts als kleine Gesellschaften von Prälatisten gewesen sein, die Sorge für Sicherheitsmaßregeln gegen Bedrückung wäre den Bedrückern überlassen geblieben, und die große Partei, die an der Durchführung der Revolution den thätigsten Antheil genommen, würde in einer aus der Revolution hervorgegangenen Versammlung nicht einen einzigen Vertreter gehabt haben.2
Wilhelm sah ein, daß er nicht daran denken durfte, den Gesetzen Schottland’s die strenge Achtung zu Theil werden zu lassen, die er kluger- und rechtschaffnerweise den Gesetzen England’s erwiesen hatte. Es war durchaus notwendig, daß er Kraft seiner eignen Autorität bestimmte, wie die Convention, welche in Edinburg zusammentreten sollte, zu wählen sein würde, und daß er sich selbst die Befugniß ertheilte, einige Erkenntnisse und einige Gesetze zu annulliren. In Folge dessen entbot er mehrere Lords in das Parlament, die durch Urtheilssprüche, welche die allgemeine Stimme laut als ungerecht verdammte, ihrer Ehrenstellen beraubt worden waren, und nahm es auf sich, die Verordnung zu ignoriren, welche den Presbyterianern das Wahlrecht entzog.
Wahlen für die Convention
Die Folge davon war, daß die Wahl fast aller Grafschafts- und Burgfleckenvertreter auf Whigcandidaten fiel. Die geschlagene Partei beklagte sich laut über unehrliches Spiel, über die Rohheit des Pöbels und über die Parteilichkeit der präsidirenden Magistratspersonen, und diese Klagen waren in vielen Fällen wohlbegründet. Unter Regenten wie Lauderdale und Dundee lernen die Nationen nicht Gerechtigkeit und Mäßigung.3
Mißhandlung des Episkopalklerus
Das so lange und so streng niedergehaltene Volksgefühl brach übrigens nicht bei den Wahlen allein mit Heftigkeit hervor. Die Köpfe und Hände der Whigmärtyrer wurden von den Thoren Edinburg’s herabgenommen, von zahlreichen Volkshaufen in Procession nach den Gottesäckern getragen und mit feierlicher Ehrfurcht zur Erde bestattet.4 Es hätte noch sein mögen, wenn die öffentliche Begeisterung sich in keiner tadelnswertheren Form geäußert hätte. Leider aber wurde in einem großen Theile Schottland’s der Klerus der Landeskirche gemißhandelt.5 Der Beginn dieses Unwesens war auf den Christmorgen festgesetzt, denn nichts ärgerte die strengen Covenanters mehr als die Ehrfurcht, mit der der Prälatist die alten Feiertage der Kirche heiligte. Daß diese Ehrfurcht bis zum Lächerlichen übertrieben werden kann, ist allerdings wahr. Ein Philosoph wird sich vielleicht zu der Ansicht hinneigen, daß das entgegengesetzte Extrem nicht minder lächerlich sei und wird fragen, warum die Religion den Beistand von Glaubensgesellschaften zurückweisen soll, die es in jeder Nation giebt, welche civilisirt genug ist, um eine Zeitrechnung zu haben, und von denen die Erfahrung gezeigt hat, daß sie eine gewaltige und oft heilsame Wirkung ausüben. Der Puritaner, der im im allgemeinen nur zu bereit war, Präcedenzfällen und Analogien aus der Geschichte und Rechtswissenschaft der Juden zu folgen, würde im Alten Testament ganz eben so triftige Argumente für das Abhalten von Festtagen zu Ehren großer Ereignisse, wie für die Ermordung von Bischöfen und für die Verweigerung des Pardons gegen Gefangene gefunden haben. Von seinem Meister Calvin lernte er gewiß nicht, solche Festtage verabscheuen, denn in Folge der energischen Bemühungen Calvin’s wurde das Weihnachtsfest nach einer mehrjährigen Pause von den Bürgern von Genf wieder gefeiert.6 Allein in Schottland waren Calvinisten ans Licht getreten, die sich zu Calvin verhielten, wie Calvin zu Laud. Diesen starren Fanatikern war ein Feiertag ein Gegenstand des positiven Abscheus und Hasses. Sie fuhren noch lange fort, in ihren feierlichen Manifesten es zu den Sünden zu zählen, welche dereinst ein furchtbares Strafgericht über das Land bringen würden, daß der Court of Session in der letzten Decemberwoche Ferien mache.7
Am Weihnachtstage versammelten sich daher die Covenanters auf Verabredung bewaffnet auf verschiedenen Punkten der westlichen Grafschaften. Jede einzelne Schaar zog dann nach dem nächsten Pfarrhause und plünderte den Keller und die Vorrathskammer des Geistlichen, welche zu dieser Zeit des Jahres wahrscheinlich besser gefüllt waren als sonst. Der Priester Baal’s wurde geschmäht und insultirt, zuweilen geschlagen, andere Male unter Wasser getaucht. Seine Möbeln wurden aus dem Fenster geworfen, seine Frau und seine Kinder aus dem Hause in den Schnee getrieben. Dann wurde er auf den Marktplatz geführt und eine Zeit lang zur Schau ausgestellt, wie ein Missethäter. Sein Priestergewand wurde ihm auf dem Leibe in Stücken zerrissen; hatte er ein Gebetbuch bei sich, so wurde es verbrannt, und endlich entließ man ihn mit der Weisung, nie wieder in dem Kirchspiele zu fungiren, wenn ihm sein Leben lieb sei. Nach solchergestalt vollbrachtem Reformationswerke verschlossen die Reformatoren die Kirche und nahmen die Schlüssel mit sich. Um diesen Leuten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß man bekennen, daß sie in einem Grade unterdrückt worden waren, der ihre Gewaltthätigkeit zwar nicht rechtfertigen, aber wenigstens entschuldigen kann, und daß sie, obgleich roh bis zur Brutalität, sich doch nie eines absichtlichen Verbrechens gegen Leib oder Leben ihrer Feinde schuldig machten.8
Die Unordnung verbreitete sich rasch. In Ayrshire, Clydesdale, Nithisdale und Annandale erhielt jedes Kirchspiel einen Besuch von diesen ungestümen Zeloten. Ungefähr zweihundert Curaten – so nannte man die bischöflichen Pfarrgeistlichen – wurden vertrieben. Die gesetzteren Covenanters billigten zwar den Eifer ihrer aufrührerischen Brüder, fürchteten aber, daß ein so ordnungswidriges Verfahren Aergerniß geben könnte, und erfuhren zu ihrem großen Leidwesen, daß hier und da ein Achan die gute Sache geschändet, indem er sich erniedrigt hatte, die Cananiter, die er nur hatte schlagen sollen, auszuplündern. Es wurde ein allgemeines Meeting von Geistlichen und Aeltesten ausgeschrieben, um solchen Excessen vorzubeugen. In diesem Meeting wurde beschlossen, daß in Zukunft die Vertreibung der protestantischen Geistlichen in ceremoniöserer Weise stattfinden sollte. Es wurde ein Benachrichtigungsformular aufgesetzt und jedem Curaten in den westlichen Niederlanden zugesandt, der noch nicht gemißhandelt (rabbled) worden war. Diese Benachrichtigung war nichts Andres als ein Drohbrief, der ihm befahl, sein Kirchspiel gutwillig zu verlassen, widrigenfalls er mit Gewalt aus demselben vertrieben werden würde.9
Die schottischen Bischöfe sendeten in großer Angst den Dechant von Glasgow nach Westminster, um dort die Sache ihrer verfolgten Kirche zu führen. Die von den Covenanters verübten Gewaltthätigkeiten erregten in hohem Grade den Unwillen Wilhelm’s, der im Süden der Insel selbst Benedictiner und Franciscaner gegen Insulten und Beraubungen geschützt hatte. Obgleich er aber auf Ersuchen einer großen Anzahl schottischer Cavaliere und Gentlemen die ausübende Verwaltung dieses Königreichs übernommen hatte, so standen ihm doch die Mittel nicht zu Gebote, die Ordnung daselbst aufrecht zu erhalten. Er hatte nicht ein einziges Regiment nördlich vom Tweed, ja überhaupt keine Truppen innerhalb vieler Meilen von diesem Flusse. Es wäre vergebens gewesen zu hoffen, daß bloße Worte eine Nation beruhigen würden, welche zu keiner Zeit leicht im Zaume zu halten gewesen und die jetzt von Hoffnungen und Rachegelüsten erfüllt war, wie große Revolutionen, welche auf heftige Bedrückungen folgen, sie ganz natürlich erzeugen müssen. Es wurde indessen eine Proklamation erlassen, welche anordnete, daß Jedermann die Waffen niederlegen und daß den Geistlichen der Staatskirche gestattet sein solle, unbehelligt auf ihren Pfarren zu bleiben, bis die Convention die Regierung festgestellt haben würde. Da aber diese Proklamation nicht durch Truppen unterstützt war, so wurde sie wenig beachtet. Den ersten Tag nach ihrem Erscheinen in Glasgow wurde die ehrwürdige Kathedrale dieser Stadt, fast die einzige schöne Kirche aus dem Mittelalter, welche in Schottland sich unversehrt erhalten hat, von einem Haufen Presbyterianer aus den Versammlungshäusern angegriffen, dem sich auch viele wildere Glaubensbrüder aus den Hochlanden angeschlossen hatten. Es war Sonntag; aber eine Versammlung von Prälatisten zu mißhandeln wurde als ein Werk der Nothwendigkeit und der Gnade betrachtet. Die Andächtigen wurden auseinandergetrieben, geschlagen und mit Schneebällen geworfen; ja es wurde sogar versichert, daß einige Verwundungen durch gefährlichere Waffen vorgekommen seien.10
Zustand von Edinburg
In Edinburg, dem Sitze der Regierung, war vollkommene Anarchie. Das Schloß, welches die ganze Stadt beherrschte, wurde durch den Herzog von Gordon noch immer für Jakob behauptet. Die große Masse des Volks bestand aus Whigs. Das Justizcollegium, ein großer juristischer Verein, zusammengesetzt aus Richtern, Advokaten, Kanzleisekretären und Anwälten, war die Veste des Toryismus, denn ein strenger Testeid hatte seit einigen Jahren die Presbyterianer von allen Zweigen des Juristenberufs ausgeschlossen. Die Juristen, einige hundert an Zahl, bildeten ein Infanteriebataillon und hielten eine Zeitlang die Menge wirksam nieder. Sie hatten jedoch soviel Achtung vor Wilhelm’s Autorität, daß sie sich beim Erscheinen seiner Proklamation auflösten. Aber das von ihnen gegebene Beispiel des Gehorsams fand keine Nachahmung. Kaum hatten sie die Waffen niedergelegt, so fanden sich Covenanters aus dem Westen, welche alle Curaten in ihrer Gegend weidlich maltraitirt hatten, in Haufen von zehn bis zwanzig Mann in Edinburg ein, um die Convention zu beschützen oder auch, wenn es nöthig sein sollte, einzuschüchtern. Glasgow allein schickte vierhundert solcher Leute. Es konnte kaum einem Zweifel unterliegen, daß sie von einem hochangesehenen Führer geleitet wurden. Sie zeigten sich wenig öffentlich, aber es war bekannt, daß jeder Keller mit ihnen angefüllt war und es stand wohl zu befürchten, daß sie auf das erste Signal aus ihren Höhlen hervorkommen und bewaffnet das Parlament umgeben würden.11
Die Frage einer Union zwischen England und Schottland in Anregung gebracht
Man hätte erwarten sollen, daß jeder patriotische und einsichtsvolle Schotte sehnlichst wünschen werde, die Aufregung beschwichtigt und eine Regierung befestigt zu sehen, die im Stande war, das Eigenthum zu schützen und dem Gesetze Ansehen zu verschaffen. Eine unvollkommene Organisation, welche rasch zu bewerkstelligen war, konnte in den Augen eines solchen Mannes wohl einer vollkommenen Organisation vorzuziehen sein, welche nur mit der Zeit möglich war. Gerade in diesem Augenblicke jedoch warf eine an Zahl wie an Befähigung starke Partei eine neue und hochwichtige Frage auf, welche nicht unwahrscheinlich das Interregnum bis zum Herbste hinziehen mußte. Diese Partei verlangte, daß die Stände Wilhelm und Marien nicht sogleich zum König und zur Königin erklären, sondern England einen Unionstractat vorschlagen und den Thron so lange vacant lassen sollten, bis ein solcher Vertrag unter vortheilhaften Bedingungen für Schottland abgeschlossen sein würde.12
Es mag auffallend erscheinen, daß ein großer Theil eines Volks, dessen oft in heroischer, zuweilen auch in komischer Gestalt sich äußernder Patriotismus sprüchwortlich geworden ist, sich so geneigt, ja sogar ungeduldig zeigte, eine Unabhängigkeit aufzugeben, welche Jahrhunderte lang über Alles hoch gehalten und mannhaft vertheidigt worden war. Allein der hartnäckige Muth, den die Waffen der Plantagenets und der Tudors nicht zu brechen vermocht, hatte angefangen, sich unter einer ganz andren Gewalt zu beugen. Zollhäuser und Tarife bewirkten bald was das Blutbad von Falkirk und Halidon, von Flodden und Pinkie nicht hatten bewirken können. Schottland hatte einige Erfahrung in den Folgen einer Union. Es war vor beinahe vierzig Jahren mit England unter Bedingungen vereinigt gewesen, welche das von Siegesstolz aufgeblähte England zu dictiren beliebte. Diese Union war in den Gemüthern des besiegten Volks mit den Begriffen Niederlage und Demüthigung untrennbar verbunden. Und doch hatte selbst diese Union, so schmerzlich sie auch den Stolz der Schotten verwundet, ihren Aufschwung gefördert. Cromwell hatte mit einer zu seiner Zeit seltenen Einsicht und Liberalität die vollkommenste Handelsfreiheit zwischen dem dominirenden und dem untergebenen Lande hergestellt. So lange er regierte, hemmte kein Verbot, kein Zoll den Waarenverkehr zwischen irgend welchen Punkten der Insel. Seine Schifffahrtsgesetze legten dem Handel Schottland’s keine Beschränkungen auf. Es stand einem schottischen Fahrzeuge frei, eine schottische Waarenladung nach Barbadoes zu bringen und Zucker von Barbadoes in den Hafen von London einzuführen.13 Deshalb war die Regentschaft des Protectors der Industrie und dem physischen Wohle des schottischen Volks förderlich gewesen. Obwohl es ihn haßte und verwünschte, gedieh es doch unwillkürlich unter ihm, und noch oft blickte es während der Verwaltung seiner legitimen Fürsten mit Sehnsucht zurück auf die goldenen Tage des Usurpators.14
Die Restauration kam und veränderte Alles. Die Schotten erlangten ihre Unabhängigkeit wieder und überzeugten sich bald, daß die Unabhängigkeit ebensowohl ihre Unannehmlichkeiten hat wie ihre Würde. Das englische Parlament behandelte sie als Fremdlinge und Nebenbuhler. Eine neue Navigationsacte stellte sie auf fast gleiche Stufe mit den Holländern. Hohe und in einigen Fällen prohibitive Zölle wurden auf die Erzeugnisse der schottischen Industrie gelegt. Es ist kein Wunder, daß eine ausnehmend betriebsame, kluge und unternehmende Nation, eine Nation, die, nachdem sie lange durch einen unfruchtbaren Boden und durch ein rauhes Klima in ihrer Entwickelung gehemmt worden war, eben jetzt trotz dieser Nachtheile zu prosperiren begann und die ihren Fortschritt plötzlich aufgehalten sah, sich für grausam behandelt erachtete. Doch es war nichts zu machen. Beschwerden waren vergebens und Repressalien unmöglich. Hätte der Souverain auch den Wunsch gehabt, so hatte er doch nicht die Macht, eine unparteiische Stellung zwischen seinem großen und seinem kleinen Königreiche zu behaupten, zwischen dem Königreiche, aus dem er ein Jahreseinkommen von anderthalb Millionen, und dem Königreiche, aus dem er ein Jahreseinkommen von wenig mehr als sechzigtausend Pfund bezog. Er wagte es eben so wenig, einem den Handel Schottland’s beeinträchtigenden englischen Gesetz seine Genehmigung zu verweigern, als einem den Handel England’s beeinträchtigenden schottischen Gesetz seine Genehmigung zu ertheilen.
Die Klagen der Schotten waren indessen so laut, daß Karl im Jahre 1667 Commissare ernannte, welche die Bedingungen eines Handelstractats zwischen den beiden britischen Königreichen feststellen sollten. Die Conferenzen wurden bald abgebrochen, und Alles was sich während ihrer Dauer ereignete, bewies, daß es nur ein Mittel gab, durch welches Schottland einen Antheil an dem commerciellen Wohlstande erlangen konnte, dessen sich England damals erfreute.15 Die Schotten mußten ein Volk mit den Engländern werden, das Parlament, das bisher in Edinburg getagt hatte, mußte dem in Westminster tagenden Parlamente einverleibt werden. Dieses Opfer mußte von einem tapferen und stolzen Volke, das seit zwölf Generationen die südliche Oberherrschaft mit tödtlichem Widerwillen betrachtet hatte und dem bei den Gedanken an den Tod Wallace’s und an die Siege Bruce’s noch immer das Herz schwoll, nothwendig mit tiefem Schmerze empfunden werden. Es gab allerdings viele allzustrenge Patrioten, die sich einer Union entschieden widersetzt haben würden, selbst wenn sie hätten voraussehen können, daß eine solche Glasgow zu einer größeren Stadt als Amsterdam machen und die öden Lothians mit Feldern und Wäldern, mit netten Farmhäusern und stattlichen Schlössern bedecken würde. Aber es gab auch eine zahlreichere Klasse, welche nicht geneigt war, große und wesentliche Vortheile aufzugeben, um bloße Namen und Ceremonien zu behalten, und der Einfluß dieser Klasse war so mächtig, daß im Jahre 1670 das schottische Parlament England directe Anträge machte.16 Der König übernahm das Amt des Vermittlers und auf beiden Seiten wurden Bevollmächtigte ernannt; aber es kam zu keinem Abschlusse.
Nachdem die Frage achtzehn Jahre lang geruht hatte, wurde sie plötzlich durch die Revolution wieder in Anregung gebracht. Verschiedene Klassen, durch verschiedene Beweggründe geleitet, trafen in diesem Punkte zusammen. Mit Kaufleuten, welche gern die Vortheile des westindischen Handels mitgenießen wollten, verbanden sich thätige und strebsame Politiker, welche ihre Talente auf einer hervorragenderen Schaubühne als dem schottischen Parlamentshause zu entfalten und aus einer reicheren Quelle als dem schottischen Staatsschatze Reichthümer zu schöpfen wünschten. Der Ruf nach Union wurde durch einige schlaue Jakobiten verstärkt, welche nur Zwietracht und Aufschub herbeizuführen wünschten und welche diesen Zweck zu erreichen hofften, indem sie in die schwierige Frage, deren Lösung die specielle Aufgabe der Convention war, eine noch schwierigere Frage mischten. Es ist wahrscheinlich, daß Einige, denen die ascetischen Sitten und die strenge Kirchenzucht der Presbyterianer nicht behagten, eine Union deshalb wünschten, weil sie das einzige Mittel zur Aufrechthaltung der Prälatur im nördlichen Theile der Insel war. In einem vereinigten Parlamente mußten die englischen Mitglieder bedeutend überwiegen, und in England wurden die Bischöfe von der großen Mehrzahl der Bevölkerung hoch in Ehren gehalten. Die bischöfliche Kirche, das war klar, ruhte auf einer schmalen Grundlage und mußte bei dem ersten Angriffe fallen. Die bischöfliche Kirche von Großbritannien konnte eine hinreichend breite und feste Grundlage haben, um allen Angriffen zu widerstehen.
Ob es im Jahre 1689 möglich gewesen wäre, eine staatliche Union ohne religiöse Union zu bewerkstelligen, darf wohl bezweifelt werden. Das aber kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine religiöse Union eine der größten Calamitäten gewesen sein würde, welche eines der beiden Königreiche treffen konnten. Die im Jahre 1707 zu Stande gebrachte Union war allerdings ein großer Segen für England wie für Schottland. Aber sie war deshalb ein Segen, weil sie, indem sie einen Staat bildete, zwei Kirchen bestehen ließ. Das politische Interesse der contrahirenden Theile war das nämliche; aber der kirchliche Streit zwischen ihnen war ein solcher, der keine Verständigung zuließ. Die Eintracht konnte daher nur dadurch erhalten werden, daß sie sich beide damit einverstanden erklärten, gesondert zu bleiben. Hätte eine Verschmelzung der Hierarchien stattgefunden, so würde eine Verschmelzung der Nationen niemals möglich gewesen sein. Aufeinanderfolgende Mitchells würden auf aufeinanderfolgende Sharpe’s geschossen haben; fünf Generationen von Claverhouse’s würden fünf Generationen von Camerons ermordet haben. Die erstaunlichen Verbesserungen, welche die Gestalt Schottland’s verändert haben, würden nie zu Stande gekommen sein. Ebenen, die jetzt reiche Ernten tragen, würden unfruchtbare Sümpfe geblieben sein. Wasserfälle, welche jetzt die Räder großartiger Fabriken treiben, würden in einer Wildniß verrauscht sein. New Lanark würde noch eine Schafweide, Greenock noch ein Fischerdorf sein. Die geringe Kraft, welche Schottland unter einem solchen System besessen haben würde, hätte bei einer Schätzung der Hülfsquellen Großbritanniens nicht hinzugefügt, sondern abgerechnet werden müssen. Mit einer solchen Bürde belastet, hätte unser Vaterland niemals, weder im Frieden noch im Kriege, eine Stelle in der ersten Reihe der Nationen einnehmen können. Leider fehlt es uns nicht an Anhalten zur Beurtheilung der Wirkung, die es auf den moralischen und physischen Zustand eines Volks hervorbringt, wenn eine Kirche, die nur von der Minderheit geliebt und verehrt, von der Mehrheit aber mit religiösem und nationalem Widerwillen betrachtet wird, in den ausschließlichen Genuß von Reichthümern und Würden gesetzt wird. Eine einzige solche Kirche ist eine hinreichend drückende Last für die Kräfte eines Reichs.