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Buch lesen: «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Neunter Band: enthaltend Kapitel 17 und 18.»

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Siebzehntes Kapitel.
Wilhelm und Marie

Wilhelm’s Reise nach Holland

Am 18. Jan. 1691 schiffte sich der König, nachdem seine Abreise durch widrige Winde um einige Tage verzögert worden war, in Gravesend ein. Vier Yachten waren für ihn und sein Gefolge ausgerüstet worden. Unter seinen Begleitern waren Norfolk, Ormond, Devonshire, Dorset, Portland, Monmouth, Zulestein und der Bischof von London, und zwei ausgezeichnete Admiräle, Cloudesley Shovel und Georg Rooke, befehligten die Kriegsschiffe, welche den Convoi bildeten. Die Ueberfahrt war langweilig und unangenehm. Auf der Höhe der Godwin-Sandbänke wurde das Geschwader viele Stunden durch eine Windstille aufgehalten, und erst am fünften Tage zeigte das Senkblei an, daß man sich der holländischen Küste näherte. Der Seenebel war jedoch so dicht, daß sich das Land nicht erkennen ließ, und man hielt es nicht für gerathen, in der Dunkelheit weiter zu fahren. Der Seereise überdrüssig und von Sehnsucht nach seinem geliebten Vaterlande erfüllt, beschloß Wilhelm in einem offenen Boote zu landen. Die ihn begleitenden Edelleute versuchten ihn von dem Vorhaben abzubringen, ein so kostbares Leben zu gefährden; als sie aber sahen, daß sein Entschluß fest stand, drangen sie darauf, die Gefahr mit ihm zu theilen. Es zeigte sich bald, daß diese Gefahr ernster war als sie erwartet hatten. Man hatte geglaubt, daß die Gesellschaft in einer Stunde das Ufer erreichen werde; aber große Massen Treibeis erschwerten das Fortkommen des Bootes, die Dunkelheit brach herein, der Nebel wurde dichter und die Wogen durchnäßten den König und seine Begleiter. Einmal stieß das Fahrzeug auf eine Sandbank und wurde nur mit großer Mühe wieder flott gemacht. Auch die kühnsten Seeleute konnten sich einiger Besorgniß nicht erwehren. Wilhelm aber blieb die ganze Nacht durch eben so ruhig, als ob er sich im Drawingroom zu Kensington befunden hätte. „Schämt Euch,” sagte er zu einem der verzagenden Matrosen, „fürchtet Ihr in meiner Gesellschaft den Tod?” Ein verwegener holländischer Seemann sprang ins Meer und schwamm und watete durch Brandung, Eis und Schlamm ans Land. Hier schoß er ein Gewehr ab und zündete ein Feuer an, zum Zeichen daß er in Sicherheit war. Keiner von seinen Mitpassagieren hielt es jedoch für gerathen, seinem Beispiele zu folgen. Sie lagen auf- und abtreibend im Angesicht des Feuers, das er angezündet hatte, bis der erste matte Schimmer eines Januarmorgens sie erkennen ließ, daß sie sich dicht bei der Insel Goree befanden. Ganz erstarrt von der Kälte und mit Eisklumpen bedeckt, landete der König mit seinen Lords, um sich zu erwärmen und auszuruhen.1

Nachdem Wilhelm einige Stunden in der Hütte eines Landmanns geruht hatte, reiste er weiter nach dem Haag. Dort wurde er mit Ungeduld erwartet, denn obgleich die Flotte, die ihn brachte, am Ufer nicht sichtbar war, so waren doch die königlichen Salutschüsse durch den Nebel gehört worden und hatten der ganzen Küste seine Ankunft verkündet. Viele Tausende waren bei Honslaerdyk versammelt, um ihn mit einem Jubel zu bewillkommnen, der aus ihren Herzen kam und den Weg zu seinem Herzen fand. Es war einer der wenigen Freudentage in einem wohl nützlichen und ruhmvollen, doch keineswegs glücklichen Leben. Nachdem der Verbannte über zwei Jahre in einem fremden Lande zugebracht, stand er jetzt wieder auf seinem heimathlichen Boden, hörte wieder die Sprache seiner Kindheit und sah die Scenerie und Architektur wieder, die in seinem Geiste unzertrennlich mit den Jugenderinnerungen und Heimathsgefühlen verknüpft waren; die kahlen Dämme von Sand, Muscheln und Steinen, an denen sich die Wogen des deutschen Oceans brachen; die endlosen, von Gräben durchschnittenen Wiesen; die schnurgeraden Kanäle und die freundlich angestrichenen, mit zierlichen Figuren und Inschriften geschmückten Landhäuser. Er hatte viele langweilige Monate unter einem Volke gelebt, das ihn nicht liebte, das ihn nicht verstand und das nie vergessen konnte, daß er ein Ausländer war. Selbst diejenigen Engländer, die ihm am treuesten dienten, dienten ihm ohne Begeisterung, ohne persönliche Zuneigung und nur aus amtlichem Pflichtgefühl. Im Stillen bedauerten sie es, daß ihnen keine andre Wahl blieb, als zwischen einem englischen Tyrannen und einem holländischen Befreier. Hier war Alles anders. Wilhelm befand sich unter einer Bevölkerung, von der er angebetet wurde, wie Elisabeth angebetet worden war, als sie bei Tilbury durch die Reihen ihrer Armee ritt, wie Karl II. angebetet worden war, als er in Dover landete. Allerdings waren die alten Feinde des Hauses Oranien während der Abwesenheit des Statthalters nicht müßig gewesen, und es war, wenn auch nicht laut, doch leise gegen ihn gemurrt worden. Er habe, sagte man, sein Vaterland um seines neuen Königreichs willen vernachlässigt. Ueberall wo das Ansehen der englischen Flagge, der Aufschwung des englischen Handels im Spiele gewesen sei, habe er vergessen, daß er ein Holländer war. Sobald man aber sein wohlbekanntes Gesicht wieder sah, war alle Eifersucht, alle Kälte verschwunden. Es war nicht ein Bauer, nicht ein Fischer, nicht ein Handwerker unter den Volksmassen, welche die Straße von Honslaerdyk nach dem Haag bedeckten, dessen Herz sich nicht stolz gehoben hätte bei dem Gedanken, daß der erste Minister Holland’s ein großer König geworden war, daß er die Engländer befreit und die Irländer besiegt hatte. Es würde Tollkühnheit gewesen sein, wenn Wilhelm von Hampton Court nach Westminster ohne Eskorte gefahren wäre; in seinem eignen Lande aber brauchte er keine Schwerter und Karabiner zu seinem Schutze. „Haltet die Leute nicht zurück,” rief er aus, „laßt sie nahe zu mir herankommen, sie sind alle meine guten Freunde.”

Wilhelm’s Einzug in den Haag

Er erfuhr bald, daß glänzende Vorbereitungen zu seinem Empfange im Haag getroffen wurden. Zuerst schalt er darüber und machte Einwendungen. Er hasse, sagte er, alles Geräusch und Schaugepränge. Die nothwendigen Kosten des Kriegs seien ohnehin schwer genug. Er hoffe, daß seine lieben Mitbürger ihn als einen unter ihnen gebornen und erzogenen Nachbar betrachten und ihm nicht ein so schlechtes Compliment machen würden, ihn ceremoniös zu behandeln. Aber alle seine Vorstellungen waren vergebens. So einfach und sparsam die Holländer in ihrer gewöhnlichen Lebensweise sind, bei dieser Gelegenheit hatten sie sich vorgenommen, ihrem erlauchten Landsmanne einen seinem Range und seinen Verdiensten entsprechenden Empfang zu bereiten, und er sah wohl, daß er sich fügen mußte. Am Tage seines Triumphzuges war der Zusammenfluß von Menschen ungeheuer. Alle Wagen und Pferde der Provinz waren nicht hinreichend, um die Masse Derer zu befördern, welche zu dem Schauspiele herbeiströmten. Viele Tausende kamen zu Schlitten oder mit Schlittschuhen auf den zugefrornen Kanälen von Amsterdam, Rotterdam, Leyden, Haarlem und Delft. Am Morgen des 26. Januar um zehn Uhr gab die große Glocke auf dem Rathhause das Signal. Sechzehnhundert wohlhabende Bürger, wohl bewaffnet und in die schönsten Anzüge gekleidet, die sie in den Tiefen ihrer Garderoben hatten finden können, hielten Ordnung in den mit Menschen gefüllten Straßen. Balkons und Gerüste, von Immergrün umrankt und mit Teppichen behangen, verbargen die Fenster. Der königliche Wagen, begleitet von einem Heere von Hellebardieren und Läufern und gefolgt von einem langen Zuge von Equipagen, fuhr durch zahllose mit Schnitzwerk und Malerei reich verzierte Triumphbögen unter dem endlosen Rufe: „Lange lebe der König, unser Statthalter!” Die Vorderseite des Rathhauses und der ganze Umkreis des Marktplatzes prangten im glänzendsten Farbenschmucke. Bürgerkronen, Trophäen, Embleme der Künste, der Wissenschaften, des Handels und des Ackerbaues zeigten sich allenthalben. An einer Stelle sah Wilhelm die glorreichen Thaten seiner Ahnen abgebildet. Da war der schweigsame Prinz, der Gründer der batavischen Republik, wie er mit seinen Kriegern über die Maas ging. Da war der ungestümere Moritz, wie er den Angriff bei Nieuport leitete. Ein wenig weiter hin konnte der Held die ereignißvolle Geschichte seines eignen Lebens verfolgen. Er sah sich als Kind auf dem Schooße seiner verwittweten Mutter; dann am Altare mit Mariens Hand in der seinigen; dann wie er in Torbay landete; dann wie er durch den Boyne schwamm. Zuletzt kam ein von Eis und Brandung umgebenes Boot, über welchem ganz passend in der majestätischen Sprache Rom’s die Worte des großen Römers: „Was fürchtest Du? Du hast Cäsar an Bord,” geschrieben standen. Die Aufgabe, die lateinischen Mottos zu liefern, war zwei Männern übertragen worden, welche bis zum Erscheinen Bentley’s unter den klassischen Gelehrten der damaligen Zeit die erste Stelle einnahmen. Spanheim, der als Kenner der römischen Münzen unerreicht dastand, ahmte nicht ohne Glück die edle Kürze der alten Umschriften nach, die er fleißig studirt hatte, und er wurde unterstützt durch Grävius, der damals in Utrecht einen Lehrstuhl inne hatte und dessen wohlverdienter Ruf Massen von Studirenden aus allen Theilen des protestantischen Europa an diese Universität zog.2 Als die Nacht hereinbrach, wurden auf dem großen Teiche, der die Mauern des Bundespalastes bespülte, Feuerwerke abgebrannt. Dieser Teich war jetzt so hart wie Marmor, und die Holländer rühmten sich, daß die Welt, selbst auf der Terrasse von Versailles, nie etwas Prächtigeres gesehen habe als den Effect der zahllosen Feuergarben, die der glatte Eisspiegel zurückwarf.3 Die englischen Lords beglückwünschten ihren Gebieter wegen seiner großen Popularität. „Ja,” sagte er, „aber ich bin nicht der Liebling. Der Jubel würde ungleich größer gewesen sein, wenn Marie bei mir gewesen wäre.”

Wenige Stunden nach seinem triumphirenden Einzuge wohnte der König einer Sitzung der Generalstaaten bei. Sein letztes Erscheinen in ihrer Mitte hatte an dem Tage stattgefunden, an welchem er sich nach England einschiffte. Er hatte damals unter dem lauten Schluchzen und Weinen dieser ernsten Senatoren ihnen für die Güte gedankt, mit der sie über seine Kindheit gewacht, seinen jugendlichen Geist gebildet und in reiferen Jahren seine Autorität unterstützt, und er hatte seine geliebte Gemahlin feierlich ihrer Obhut empfohlen. Jetzt kehrte er zu ihnen zurück als der König dreier Reiche, als das Haupt der größten Coalition, die Europa seit hundertachtzig Jahren gesehen hatte, und man hörte nichts als Beifall und Glückwünsche im Saale.4

Congreß im Haag

Inzwischen bewegten sich durch die Straßen des Haag die Equipagen und Gefolge der Fürsten und Gesandten, welche zu dem großen Congresse strömten. Zuerst erschien der ehrgeizige und prachtliebende Friedrich, Kurfürst von Brandenburg, der einige Jahre später den Titel König von Preußen annahm. Dann kamen der junge Kurfürst von Bayern, der Regent von Würtemberg, die Landgrafen von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt und eine lange Reihe souverainer Fürsten aus den erlauchten Häusern Braunschweig, Sachsen, Holstein und Nassau. Der Marquis von Gastanaga, Gouverneur der spanischen Niederlande, kam vom viceköniglichen Hofe zu Brüssel zu der Versammlung. Außerordentliche Gesandte waren vom Kaiser, von der Königin von Spanien, Polen, Dänemark und Schweden und vom Herzoge von Savoyen geschickt. Die Stadt und Umgegend bot kaum Räumlichkeiten genug zur Aufnahme der englischen Lords und Gentlemen und der deutschen Grafen und Barone, welche Neugierde oder Amtspflicht an den Versammlungsort geführt hatten. Die ernste Hauptstadt der sparsamsten und betriebsamsten Nation der Welt war so heiter wie Venedig zur Carnevalszeit. Die durch jene majestätischen Linden und Ulmen, in deren Mitte die Villa des Prinzen von Oranien liegt, führenden Alleen strotzten von den Federbüschen, den Ordenssternen, den wallenden Perrücken, den gestickten Röcken und den vergoldeten Degengefäßen eleganter Cavaliere aus London, Berlin und Wien. Unter die Edelleute waren jedoch auch Gauner gemischt, nicht minder prächtig gekleidet als jene. Des Abends waren die Hazardspieltische belagert und das Theater bis unter das Dach gefüllt. Fürstliche Bankets drängten sich in rascher Aufeinanderfolge. Die Speisen wurden in goldenen Schüsseln aufgetragen und nach der alten teutonischen Sitte, mit welcher Shakespeare seine Landsleute bekannt gemacht hat, ertönten die Pauken und Trompeten so oft einer der großen Fürsten eine Gesundheit ausbrachte. Einige englische Lords, insbesondere Devonshire, gaben Feste, welche mit denen der Souveraine wetteiferten. Es wurde bemerkt, daß die deutschen Potentaten, welche im allgemeinen bezüglich der Etikette streitsüchtig und peinlich waren, sich bei dieser Gelegenheit ohne alle Förmlichkeit versammelten und ihren Hang zu genealogischen und heraldischen Controversen vergessen zu haben schienen. Die Liebe zum Wein aber, welche damals ein characteristischer Zug ihrer Nation war, hatten sie nicht vergessen. An der Tafel des Kurfürsten von Brandenburg erregte der gravitätische Ernst der holländischen Staatsmänner, die in ihrer Nüchternheit durch Citate aus Grotius und Puffendorf den Unsinn widerlegten, den die berauschten Edlen des Reichs hervorstammelten, große Heiterkeit. Einer dieser Edlen leerte so viele Humpen, daß er in das Torffeuer taumelte, aus dem er erst wieder herausgezogen wurde, als sein schöner Sammetrock verbrannt war.5

Doch inmitten dieser festlichen Gelage wurden die Geschäfte nicht vernachlässigt. Es wurde eine förmliche Sitzung des Congresses unter Wilhelm’s Präsidium gehalten, worin er in einer kurzen und würdevollen Ansprache, welche rasch die Runde durch ganz Europa machte, die Nothwendigkeit festen Zusammenhaltens und energischer Anstrengung auseinandersetzte. Die tiefe Ehrerbietung, mit der ihn die glänzende Versammlung anhörte, erweckte den bitteren Neid und Aerger seiner Feinde in England wie in Frankreich. Die deutschen Potentaten wurden heftig getadelt, daß sie einem Emporkömmlinge den Vorrang einräumten. Die Vornehmsten unter ihnen bezeigten ihm aber auch in der That eine solche Achtung, wie sie sie kaum der kaiserlichen Majestät gezollt haben würden; sie mischten sich unter die in seinem Vorzimmer harrende Menge und benahmen sich an seiner Tafel so ehrfurchtsvoll wie irgend ein dienstthuender englischer Lord. Auf einer Carricatur sind die verbündeten Fürsten als Bären mit Maulkörben dargestellt, einige mit Kronen, andere mit Staatsmützen auf dem Kopfe. Wilhelm hält sie alle an einer Kette und läßt sie tanzen. Auf einer andren Carricatur sah man ihn bequem in einem Armstuhl hingestreckt, die Füße auf einem Kissen und den Hut auf dem Kopfe, während die Kurfürsten von Brandenburg und Bayern entblößten Hauptes auf niedrigen Sesseln zu seiner Rechten und Linken saßen; die Schaar der Landgrafen und souverainen Herzöge stand in bescheidener Entfernung, und Gastanaga, der unwürdige Nachfolger Alva’s, erwartete mit gebeugtem Knie die Befehle des ketzerischen Tyrannen.6

Wilhelm sein eigner Minister des Auswärtigen

Es wurde bald auf höheren Befehl angekündigt, daß noch vor Beginn des Sommers zweihundertzwanzigtausend Mann gegen Frankreich im Felde stehen würden.7 Das Contingent, das jede der verbündeten Mächte zu stellen hatte, wurde bekannt gemacht. Diejenigen Angelegenheiten aber, über welche eine öffentliche Erklärung abzugeben nicht zweckmäßig gewesen wäre, wurden zwischen dem Könige von England und seinen Bundesgenossen privatim besprochen. Bei dieser wie bei jeder andren wichtigen Gelegenheit während der ganzen Dauer seiner Regierung war er sein eigner Minister des Auswärtigen. Um der Form willen war es nothwendig, daß ihm ein Staatssekretär zur Seite stand, und daher hatte Nottingham ihn nach Holland begleitet. Aber wenn auch Nottingham in allen die innere Verwaltung England’s betreffenden Dingen das Vertrauen seines Gebieters in hohem Grade besaß, so erfuhr er doch von den Geschäften des Congresses wenig mehr als was er in den Zeitungen las.

Dieses Verfahren würde jetzt für höchst verfassungswidrig angesehen werden, und viele Schriftsteller, welche den Maßstab ihres Jahrhunderts an die Transactionen einer früheren Zeit legten, haben Wilhelm deshalb, weil er ohne den Rath seiner Minister handelte, und seine Minister, weil sie es sich gefallen ließen, über Angelegenheiten, bei denen die Ehre der Krone und das Wohl der Nation stark betheiligt waren, in Unkenntniß zu bleiben, streng getadelt. Man darf jedoch wohl mit Gewißheit annehmen, daß das was die rechtschaffensten und achtbarsten Männer beider Parteien, z. B. Nottingham unter den Tories und Somers unter den Whigs, nicht allein thaten, sondern auch öffentlich eingestanden, nicht ganz unverantwortlich gewesen sein kann; und eine genügende Entschuldigung ist nicht schwer zu finden.

Die Lehre, daß der Souverain nicht verantwortlich ist, ist unzweifelhaft so alt wie irgend ein andrer Theil unsrer Verfassung. Nicht minder uralt ist die Lehre, daß seine Minister verantwortlich sind. Daß da wo keine Verantwortlichkeit ist, keine sichere Gewähr gegen schlechte Verwaltung sein kann, ist ein Satz, den zu unsrer Zeit und in unsrem Lande Wenige bestreiten werden. Aus diesen drei Vordersätzen folgt ganz natürlich, daß die Verwaltung dann am besten geleitet zu werden verspricht, wenn der Souverain keinen öffentlichen Act ohne die Beihülfe und Vermittelung eines Ministers vollzieht. Diese Folgerung ist durchaus richtig. Aber wir müssen bedenken, daß Regierungen anders construirt sind als Schlußfolgerungen. In der Logik kann nur ein Dummkopf die Vordersätze zugeben und den daraus hervorgehenden Schluß in Abrede stellen. In der Praxis aber sehen wir, daß große und aufgeklärte Staatsgesellschaften oftmals viele Generationen hindurch darin beharren, Grundsätze aufzustellen, und doch nicht nach diesen Grundsätzen handeln wollen. Es darf bezweifelt werden, ob irgend ein Staatswesen, das jemals thatsächlich existirt hat, der reinen Idee dieses Staatswesens genau entsprochen hat. Nach der reinen Idee des constitutionellen Königthums herrscht der Fürst, regiert aber nicht, und das constitutionelle Königthum, wie es jetzt in England besteht, kommt der reinen Idee näher als in irgend einem andren Lande. Es würde jedoch ein großer Irrthum sein, wollte man glauben, daß unsere Fürsten bloß herrschen und niemals regieren. Im 17. Jahrhundert hielten es die Whigs sowohl wie die Tories nicht allein für das Recht, sondern für die Pflicht des ersten Staatsbeamten, zu regieren. Alle Parteien tadelten Karl II. einstimmig, daß er nicht sein Premierminister war; alle Parteien lobten Jakob einstimmig, daß er sein eigner Marineminister war, und alle Parteien fanden es natürlich und vernünftig, daß Wilhelm sein eigner Staatssekretär des Auswärtigen war.

Man wird bemerken, daß selbst die Tüchtigsten und Kenntnißreichsten unter Denen, welche die Art und Weise tadelten, wie damals Unterhandlungen geleitet wurden, mit sich selbst nicht recht einig sind. Denn während sie Wilhelm tadeln, daß er sein eigner bevollmächtigter Minister im Haag war, loben sie ihn, daß er sein eigner Oberbefehlshaber in Irland war. Doch wo ist im Prinzip ein Unterschied zwischen den beiden Fällen? Gewiß wird jeder Grund der angeführt werden kann, um zu beweisen, daß er die Verfassung verletzte, als er aus eigner Machtvollkommenheit mit dem Kaiser und dem Kurfürsten von Brandenburg Verträge schloß, auch eben so beweisen, daß er die Verfassung verletzte, als er aus eigner Machtvollkommenheit einer Colonne befahl, bei Oldbridge ins Wasser zu gehen, einer andren, die Brücke von Slane zu passiren. Wenn die Verfassung ihm das Recht gab, die Streitkräfte des Staats zu commandiren, so gab sie ihm auch das Recht die auswärtigen Angelegenheiten des Staats zu leiten. Nach welchem Prinzipe kann man also behaupten, daß es ihm frei stand, die erste Befugniß auszuüben, ohne Jemanden zu fragen, daß er aber verpflichtet war, die letztere Befugniß nur in Uebereinstimmung mit dem Rathe eines Ministers auszuüben? Will man etwa sagen, ein diplomatischer Fehler könne dem Lande voraussichtlich mehr schaden als ein strategischer Fehler? Gewiß nicht. Es läßt sich kaum denken, daß ein Mißgriff, den Wilhelm im Haag begehen konnte, den öffentlichen Interessen hätte nachtheiliger werden können als eine Niederlage am Boyne. Oder wird man sagen, daß mehr Grund vorhanden gewesen sei, in seine militärische Geschicklichkeit Vertrauen zu setzen, als in seine diplomatische? Sicherlich nicht. Er zeigte im Kriege einige große moralische und geistige Eigenschaften, als Taktiker aber stand er auf keiner hohen Stufe, und von seinen zahlreichen Feldzügen waren nur zwei entschieden glücklich. In den Talenten eines Diplomaten hingegen ist er nie übertroffen worden. Er kannte die Interessen und Gesinnungen der festländischen Höfe besser als sein ganzer Staatsrath zusammengenommen. Einige seiner Minister waren unstreitig sehr geschickte Männer, vortreffliche Redner im Hause der Lords, und genaue Kenner aller Verhältnisse unsrer Insel. Aber bei den Verhandlungen des Congresses würden Caermarthen und Nottingham ihm eben so weit nachstehend erfunden worden sein, wie er sich bei einer parlamentarischen Debatte über eine englische Angelegenheit ihnen nachstehend erwiesen haben würde. Die Koalition gegen Frankreich war sein Werk. Er allein hatte die Theile des großen Ganzen zusammengefügt und er allein konnte sie zusammenhalten. Hätte er diese große und complicirte Maschine den Händen irgend eines seiner Unterthanen anvertraut, so würde sie augenblicklich in Stücke zerfallen sein.

Es mußte allerdings auch Einiges geschehen, was keiner seiner Unterthanen zu thun gewagt haben würde. Der Papst Alexander war factisch, wenn auch nicht nominell, einer der Verbündeten; es war von höchster Wichtigkeit, ihn zum Freunde zu haben, und doch war die Stimmung der englischen Nation von der Art, daß ein englischer Minister sich wohl scheuen konnte, mit dem Vatikan in directem oder indirectem Verkehr zu stehen. Die Staatssekretäre waren ganz froh, daß sie eine so delikate und gefährliche Sache ihrem Gebieter überlassen und mit gutem Gewissen versichern konnten, daß niemals eine einzige Zeile, gegen welche der intoleranteste Protestant etwas hätte einwenden können, aus ihrem Bureaux hervorgegangen sei.

1.Relation de la Voyage de Sa Majesté Britannique en Hollande, enrichie de planches très curieuses, 1692; Wagenaar; London Gazette, Jan. 29. 1690/91; Burnet II. 71.
2.Die Namen dieser beiden großen Gelehrten werden in einem sehr interessanten Briefe von Bentley an Grävius vom 29. April 1698 neben einander gestellt. „Sciunt omnes qui me norunt, et si vitam mihi Deus O. M. prorogaverit, scient etiam posteri, ut te et τὁν πἁνυ Spanhemium, geminos hujus aevi Dioscuros, lucida literarum sidera, semper praedicaverim, semper veneratus sim.”
3.Relation de la Voyage de S. M. Britannique en Hollande, 1692; London Gazette, Febr. 2. 1690/91; Le Triomphe Royal, où l’on voit descrits les Arcs de Triomphe, Pyramides, Tableaux et Devises au Nombre de 65, erigez à la Haye à l’honneur de Guillaume Trois, 1692; Le Carneval de la Haye, 1691. Letztere Schrift ist ein heftiges Pasquill gegen Wilhelm.
4.London Gazette, Febr. 5. 1690/91; His Majesty’s Speech to the Assembly of the States General of the United Provinces at the Hague, the 7th of February N. S., together with the Answer of their High and Mighty Lordships, as both are extracted out of the Register of the Resolutions of the States General, 1691.
5.Relation de la Voyage de S. M. Britannique en Hollande; Burnet II. 72; London Gazette, Febr. 12, 19, 23. 1690/91; Mémoires du Comte de Dohna; William Fuller’s Memoirs.
6.Wagenaar 42; Le Carneval de la Haye, Mars 1691; Le Tabouret des Electeurs, April 1691; Cérémonial de ce qui s’est passé à la Haye entre le Roi Guillaume et les Electeurs de Bavière et de Brandebourg. Diese letztere Abhandlung ist ein Manuscript, das Georg IV. dem Britischen Museum schenkte.
7.London Gazette vom 23. Febr. 1690/91.
Altersbeschränkung:
12+
Veröffentlichungsdatum auf Litres:
10 August 2018
Umfang:
360 S. 1 Illustration
Rechteinhaber:
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