Andere Wesen

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Andere Wesen
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Theresia Heimerl



Andere Wesen



Frauen in der Kirche









Inhalt





Cover







Titel







VORFREUDE UND VORWARNUNG







MÄNNERGESPRÄCH







Pacem in terris (1963)







Gaudium et spes (1965)







Wie es vorher war







Und so meint es Gaudium et spes







Ein erstes Fazit, bevor es richtig losgeht







1968







Humanae vitae (1968)







GOLDENE JAHRE







Inter insigniores (1976)









Exkurs I: Un Wesentliche Anmerkungen









VERLUSTÄNGSTE







Familiaris consortio (1980)







Gleiche Würde – ungleiche Macht







Mulieris dignitatem (1988)







Maria, „die Frau“







Frau, fraulich, Fraulichkeit







EIN VERBOT ALS LETZTER RETTUNGSVERSUCH







Ordinatio sacerdotalis (1994)







Und was will die Kirche?









Exkurs II: Thomas von Aquin meets Judith Butler









ALTE UND NEUE SCHUTZBEDÜRFNISSE







Über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt (2004)







Letzter Aufruf zur Ordnung







Mütter und Übermütter









Exkurs III: Uns gibt es gar nicht









WILLKOMMEN IN DER POSTMODERNEN FAMILIE







Instrumentum laboris







(K)ein Frauendokument







Und die heißen Eisen?







Die Heilige Familie als Zukunftsmodell







ANDERE WESEN?







Frau und Frauen







Frauen, Kirche und die Welt von heute







Geschichte und fromme Geschichten







Sex







Macht und Machtverlust







Mütter







Veränderungen







Und die Männer?







TEXTE UND QUELLEN







Weitere Bücher







Impressum






Vorfreude und

 Vorwarnung








„Wichtiger als das Wesen ist die Freiheit



und dies ist der Mensch eher als jenes.“





(Johannes Chrysostomos, 4. Jh. n. Chr.)





Frauen in der katholischen Kirche – das sind andere, fremde Wesen. Sie sind nicht unwesentlich. Im Gegenteil. Eine ganze Reihe an offiziellen kirchlichen Texten ist ihnen seit dem II. Vatikanischen Konzil zu einem guten Teil oder gar exklusiv gewidmet. Oder besser gesagt: Sie sind der Frau gewidmet. Dem Wesen Frau und dem weiblichen Wesen.



Frauen und Kirche ist ein leidiges und leidbehaftetes Thema. Viel zu viele Frauen in der Kirche haben sich daran abgearbeitet, sind oft genug dabei zerbrochen, sind wütend weggegangen, frustriert geblieben oder haben in vorgeschützter Gleichgültigkeit resigniert.



Nichts davon trifft auf die Autorin dieses Buches zu. Es ist kein Betroffenheitsbuch, da sie das Glück und vielleicht auch die Gnade hatte, niemals in voller Härte betroffen zu sein. Zunächst einmal durch die Gnade der späten Geburt, für den Jahrgang 1971 war vieles schon von anderen Frauen durchgekämpft und erreicht worden. Durch das Überwiegen an Begegnungen mit klerikalen und kirchenaffinen Männern, die Frauen im Allgemeinen und mich höchst persönlich nicht als anderes Wesen, sondern fordernde und zu fördernde Gesprächspartnerin wahrnahmen und so die Begegnungen mit jenen Männern, die zur Wesensfraktion gehörten, mehr als kompensierten. Durch die kritische Distanz und die vielfältigen anderen Perspektiven, die mir meine ersten Studien an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät ermöglichten. Und ganz wesentlich durch die Chance, als Theologin an einer staatlichen Universität in einem von Rom nicht allzu reglementierten Fach und mit einem so gar nicht reglementierungssüchtigen, klerikalen Vorgesetzten arbeiten und mich habilitieren zu dürfen.



Ich gehöre zu den anderen Wesen, ohne mich als solches zu fühlen oder aus beruflichen Gründen als solches fühlen zu müssen. Diese Situation ermöglicht jenen Zugang, den die Ethnologie als „teilnehmende Beobachtung“ bezeichnet: Man oder eben frau ist durchaus bei seinem bzw. ihrem Forschungsobjekt, nimmt an verschiedenen Veranstaltungen der Erforschten teil, in der Ethnologie Stammesriten, in der katholischen Kirche Fronleichnamsprozessionen im Talar oder Treffen mit Bischöfen und ähnlichen Vertretern kirchlicher Amtsmacht, weiß aber, dass er oder sie immer wieder zurück kann in das sichere Büro an der Uni. Teilnehmend aber auch, weil mir als Theologin mit katholischer Sozialisation die Kirche nicht egal ist und ich als Katholikin an ihr nicht nur per Einzahlung des Kirchenbeitrags teilnehme, sondern Teil bin.



Der Ansatz der teilnehmenden Beobachtung ist in diesem Buch streng genommen jener der teilnehmenden Lektüre. Denn, um dies gleich vorweg klarzustellen: Es geht um Texte, nicht um pastorale Praktiken oder Statistiken. Gegenstand und Leitfaden durch die vergangenen 50 Jahre sind offizielle kirchliche Texte, die sich mit dem Thema Frau(en) befassen. Beginnend mit einem kurzen Absatz aus der Enzyklika

Pacem in terris

 von 1963 sind es allesamt lehramtliche Texte unterschiedlicher Art, denen eine gewisse Verbindlichkeit zukommt, ohne dass sie deshalb Dogmen wären. Warum Texte, die nicht einmal alle braven Theologen, geschweige denn nicht ganz so brave Theologinnen gelesen haben? „Null Relevanz für die Praxis“, sagen Praktiker beiderlei Geschlechts off records. Kirche ist aber immer auch die Kunst, zwischen Text und Praxis zu vermitteln, und wo dies nicht gelingt, hat sie ein Problem – wie im Fall der Frauen. Es sind letztlich die Texte, an deren Anspruch Frauen in der Praxis oft genug scheitern und zerbrechen, weil sie ihm nicht gerecht werden können.



Die meisten Texte sind bereits historische Texte, die 1960er-Jahre für jemand meines Jahrgangs genauso Geschichte wie das Fin de Siècle oder die NS-Zeit. Und wie diese beiden Epochen wirken sie dennoch in unsere Zeit und vor allem in die Kirche hinein. Texte von

Pacem in terris

 bis

Über die Zusammenarbeit von Mann und Frau

 als historische Texte zu lesen, hat einen großen Vorteil: man sieht sie in einem zeitgeschichtlichen Kontext. Genau hier setzt dieses Buch methodisch an. Es hat den Anspruch, lehramtliche Texte über Frauen als Ergebnisse der Begegnung der Kirche mit der Welt des jeweiligen Heute von damals zu lesen. Freilich mit der nüchternen Prämisse, dass Begegnung, wenn es um das kirchliche Lehramt geht, niemals herrschaftsfreier Diskurs ist, sondern Konfrontation, Belehrung und Apologie. Dennoch ist es eine Begegnung, nicht selten auch ein Zusammenstoß mit der Welt „draußen“ und daher ist eine methodische Grundvoraussetzung dieses Buches, vor der Auseinandersetzung mit den Texten in kurzen Schlaglichtern die profanen Kontexte bewusst zu machen. Da es wirklich kurze Schlaglichter sein sollen, wurde hierfür ein zugegebenermaßen ungewöhnlicher Zugang gewählt. Anstatt wissenschaftlicher Zeitgeschichte oder gewichtiger politischer Positionen erlaube ich mir, mit Zitaten aus der Populärkultur einzusteigen, genauer gesagt aus Film, TV und Popmusik. Nicht, weil ich den Konzilsvätern oder ehrwürdigen Päpsten von Paul VI. bis Benedikt XVI. unterstellen wollte, derartige Trivialitäten gesehen oder gehört zu haben (wiewohl dies nicht ausgeschlossen werden soll, und bei Franziskus I. wage ich sogar eine sanfte Unterstellung), sondern weil gerade die sogenannte Pop- oder Massenkultur, jeglicher kirchlichen Einflussnahme unverdächtig, besonders schön den Zeitgeist widerspiegelt, wie ihn nicht nur einige wenige Konservative oder Feministinnen wahrgenommen, sondern viele Menschen erlebt haben. Vor diesem Hintergrund relativieren sich erstaunlich rasch manche harsche Kritiken am Frauenbild der jeweiligen Texte oder werfen ein überraschendes Licht auf deren Progressivität. Manchmal. Manchmal lässt sich auch einfach nur der tiefe und sich vertiefende Graben zwischen der profanen Welt und der Welt lehramtlicher Texte konstatieren. Aber lassen Sie sich überraschen.

 



Vielleicht überraschend und unorthodox, für strenge Kollegen aus der Wissenschaft womöglich sogar häretisch, ist auch sonst die Herangehensweise zum Thema Frauen in der Kirche. Keine Sekundärliteratur zum Konzil, keine systematischen Begriffsbestimmungen, keine saubere Beweisführung gegen den recht eigenen Umgang dieser Texte mit biblischen Zitaten.



Dieses Buch ist ebensowenig die x-te wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzil oder späteren kirchlichen Texten wie es eine Abrechnung aus persönlicher Betroffenheit ist. Es möchte vielmehr ein interessierter, kritischer, manchmal zynischer und hoffentlich unterhaltsamer Diskurs sein. Herrschaftsfrei ist er in meinem Fall angesichts der klaren hierarchischen Verhältnisse in jedem Fall. Ein Diskurs mit den Texten, der ganz bewusst von der Position der Autorin ausgeht: Nach dem Konzil geboren, katholisch-intellektuell aufgewachsen, zu einem guten Teil mit Menschen befreundet, denen die katholische Kirche im Allgemeinen und ihre Lehren zum Thema Frau genauso fremd sind wie das platonische Reich der Ideen oder sogar noch fremder; außerordentliche Professorin an einer katholisch-theologischen Fakultät an einer staatlichen Universität für ein Fach, das genau den hier erörterten Zugang für sich in Anspruch nimmt: Die Religionswissenschaft ist im Diskurs mit der Religion, sie ist sich dessen bewusst, dass sie zumindest bei gegenwärtigen Religionen nie vollkommen von außen betrachten kann, aber sie steht auch nicht mittendrin. Sie versteht die Aussagen einer Religion in ihrem historischen und kulturellen Kontext.



Aus dieser Position und Perspektive ist das Buch entstanden und erfolgt der Diskurs mit den Texten. Und noch ein Bekenntnis und auch eine Vorwarnung für so manche geistliche und weltliche Leser und Leserinnen. Dieses Buch ist ein klares Bekenntnis zur Postmoderne. Nicht nur, dass der Begriff des Öfteren und ohne Anführungszeichen verwendet wird. Die gern beklagte postmoderne Unübersichtlichkeit und Fragmentiertheit ist erstens vielleicht nicht nur postmodern (vgl. 1Kor 13,9), sondern der normale Zustand der Welt nach dem Sündenfall, und zweitens meines Erachtens der ertragreichste Zugang zu derart divergierenden und manchmal konvergierenden Parallelwelten, wie sie die behandelten Texte in ihrer jeweiligen Umgebung darstellen, ohne andere verdienstvolle Zugänge und Ansätze damit ausschließen zu wollen. Zu jeder Überlegung dieses Buches lässt sich mindestens eine Gegenthese finden, zu jedem Gedankengang ein alternativer Weg, manchem wird manches fehlen, anderes in anderer Perspektive abgehen. Und, ja, manche Überlegungen sind wirklich schräg – nicht jede und jeder muss sich auf sie einlassen.



Selbst wenn Frauen noch andere Wesen sind – sie sind immer ein sehr pluraler Plural. Für manche von ihnen werden die Überlegungen dieses Buches eine Zumutung sein: zu respektlos, zu wenig feministisch, zu feministisch, zu wenig historisch, zu wenig pastoral, zu persönlich, zu unpersönlich, zu viel Sex, zu wenig Sex, zu … Das Buch ist vermutlich insofern geschlechtergerecht, als es nicht nur für manche Männer, sondern genauso Frauen eine Provokation sein kann und sein will.



Provokation heißt wörtlich „Hervor-/​Herausrufung“. Und das will dieses Buch auch sein. Ein Herauslocken aus befestigten Stellungen, aus selbst auferlegten Denkverboten, aus Selbstzufriedenheit und Resignation. Denn zu Ende ist die Diskussion um Frauen in der Kirche noch lange nicht. Was mit einem Absatz in

Pacem in terris

 und fünf Kapiteln in

Gaudium et spes

 begonnen hat, wird nicht mit

Instrumentum laboris

 und der bevorstehenden Familiensynode enden. Gerade das Vorbereitungsdokument für diese Synode ist das beste Beispiel dafür, wie bruchstückhaft die Rede über Frauen mittlerweile in der Kirche geworden ist. Wie unübersichtlich und wenig harmonisch Bausteine aus den zuvor verfassten und hier behandelten Texten aneinandergefügt und um neue ergänzt werden – und wie viel sich verändert hat und wie viel mehr sich noch verändern kann als die vorhergehenden Texte, ja, selbst die erste Fassung von

Instrumentum laboris

 aus 2014 erhoffen ließen. Und das ist gut so. Die Tradition und die Gegenwart sind kein abgeschlossenes Ganzes, sondern eine widersprüchliche Vielfalt – allein das offenzulegen macht

Instrumentum laboris

 in beiden Versionen zu einem lesenswerten und wegweisenden Text. Erst in der Zusammenschau mit den anderen Texten seit 1963 offenbart sich aber, was manche Frau angesichts ihrer konkreten Situation in der Kirche bezweifelt: „Kirche und Frauen“ ist ein dynamischer Prozess, dynamischer als fast alles andere in der Kirche. Gerade deshalb brauchte es lange die Beschwörung des überzeitlichen Wesens der Frau. Brauchte. Denn, so viel sei gleich vorweg verraten (und für alle, die sonst zum Ende blättern, um zu erfahren, wie es ausgeht): Mit

Instrumentum laboris

 sind Frauen vielleicht noch etwas anders, aber keine Wesen mehr. Wesentlich sind sie trotzdem.



Wenn Sie also wissen wollen, was mit dem anderen Wesen Frau seit 1963 so alles passiert ist, sollten Sie von Anfang an lesen.



Sie können aber auch, ganz im Sinne des autonomen Lesers und der autonomen Leserin, dieses Buch kreuz und quer lesen, zumal es ja ziemlich kreuz und quer gedacht wurde, und sich jeweils jenes Kapitel heraussuchen, das ihrem Jahrgang und ihren Vorlieben oder Hasslieben am meisten entspricht.



In der Regel bedanken sich Männer bei ihren Frauen für die Unterstützung bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit, soll heißen dafür, dass sie ihnen alle weltlichen Dinge vom Leib gehalten haben – wie es eben zu ihrem Wesen gehört(e).



Mein Dank gehört meinem viel zu früh verstorbenen Vater, der mich nach der ersten Kirchenlehrerin, Teresa von Avila, benannt hat, weil er kein anderes Wesen, sondern eine intelligente, diskursfähige Tochter wollte. Mein Dank gehört auch meinem Sohn, der mit seiner Mutter trotz einiger traditioneller Wesensmängel sehr zufrieden und in der Lage ist, sich selbst aus dem Kühlschrank zu versorgen. Mein Dank dafür, dass sie Vorbild als Theologin unter nicht immer einfachen Männern und Frauen an der Universität gewesen ist, gehört der ersten Professorin an der Theologischen Fakultät in Graz, Professorin Anne Jensen, verstorben 2008. Und dann gehört mein Dank natürlich allen absichtlichen und unabsichtlichen Gesprächspartnern allerlei Geschlechts. Keine(n) von ihnen möchte ich hier oder in diesem Buch namentlich nennen, zumindest einer weiß aber, dass er ganz wesentlich gemeint ist.



Postskriptum: Dieses Buch ist nicht durchgehend geschlechtergerecht formuliert, aber hoffentlich dort, wo es darauf ankommt. Und als Postpostskriptum noch eine kleine Leseanleitung: Wie es sich gehört, werden die besprochenen kirchlichen Texte oft wörtlich zitiert. Der Einfachheit halber findet sich nach jedem Zitat eine Zahl, welche das jeweilige Kapitel im Dokument anzeigt. Die Dokumente selbst sind im Literaturverzeichnis angeführt.





Männergespräch








Anno 1964: James Bond lässt sich



am Pool von einer Blondine massieren.



Ein anderer Agent tritt zu ihm und



fordert ihn zum Gespräch auf.



James Bond schickt die Blondine mit einem



Klaps auf den Po und einem



Wort weg: „Männergespräch.“





(Goldfinger, GB 1964)





Wer vom Frauenbild des II. Vatikanums spricht, muss fairerweise vom Frauenbild der Gesellschaft der Jahre 1960 bis 1965 sprechen. Die berühmten „Zeichen der Zeit“ sind in der ersten Hälfte dieser Dekade in Sachen Frau noch, gelinde gesagt, konservativ und das, was man später als sexistisch bezeichnen wird. Ein Dialog wie der oben zitierte mit der dazugehörigen geschlechtsspezifischen Ikonografie (Mann mit behaarter Brust und Blondine) ist zwar vielleicht schon damals auf Celluloid gebrachte Männerfantasie, als solche aber weder analysiert noch in Frage gestellt. Wer heute unter 30 ist und Filme aus den 1950er- und 1960er-Jahren sieht, ist in einem Historiengemälde, das eine Welt von gestern widerspiegelt, uns ebenso fern wie das Fin de Siècle den Lesern von Stefan Zweigs gleichnamigem Werk, gerade auch in puncto Geschlechterrollen. Was heute in Ausstellungen, TV-Serien und Themenwochen von Möbelhäusern als „retro“ begeistert, nämlich Frauen in geblümten Kleidchen am Herd (Ehefrau) und im Seidennegligé im Bett (Geliebte), beide auf den (selben) Mann wartend, war eine dauerhafte Realität, zu der neben klobigen Küchengeräten als angemessenen Geburtstagsgeschenken auch die rechtliche Abhängigkeit vom Ehemann, die notwendige Erlaubnis im Fall eheweiblicher Berufstätigkeit, Verbote von Herrenbesuchen im Zimmer junger Frauen und die Stigmatisierung lediger Mütter als gefallene Mädchen gehörten.



Das einleitende Filmzitat ist bewusst gewählt: Fernab katholischer Normen wurde ein Frauenbild zum Ideal erhoben und mittels der neuen Medien Film und Werbung entsprechend propagiert, in dem die männliche Hegemonie zunächst unhinterfragte Grundvoraussetzung war, um sich dann in junge Frauen auf dem Weg in die Ehe, Ehefrauen und Mütter, alte Frauen (und „alte Frauen“ waren damals viel, viel jünger als heute) und böse Frauen, die keines von alledem sein wollten oder konnten, aufzuteilen. Selbst dort, wo die Schattenseiten dieser Frauenbilder thematisiert wurden, etwa im italienischen Neorealismo, etwas später in der Nouvelle Vague und vereinzelt sogar in deutschsprachigen Filmen, findet kein grundlegender Diskurs über die schematischen Rollen der Frauenfiguren statt. Es sind aus heutiger Sicht hochgradig sexistische Verhaltensweisen und Aussagen in einer Dichte vorhanden, wie sie kaum eine populäre Produktion mehr wagen würde – eine Sichtung von hochgelobten Filmen wie „Außer Atem“ (Frankreich, 1960) unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich allemal, selbst wenn sie ernüchtert. Frauen sind auf den Mann hingeordnet, von ihm materiell, intellektuell und emotional abhängig und oft genug nur schmückendes Beiwerk oder, um einen noch häufig zu nennenden mittelalterlichen Theologen zu zitieren,

adiutorium viri

, Hilfsmittel des Mannes, wenn auch dieser Status mit Petticoat und Dauerwelle behübscht wird. Die Ehe, im entsprechenden Konzilstext von 1965 einziger logischer Vorkommensort der Frau, ist genauso im gesellschaftlichen Diskurs dieser Zeit, weit abseits katholischer oder kirchentreuer Produkte der Populärkultur, Ziel und Daseinszweck jeder Frau, alles davor muss darauf hinarbeiten, den Richtigen zu finden – und dann folgt das lebenslängliche Happy End. Wo nicht, wird die unverheiratete Frau bestenfalls zum Running Gag wie Miss Moneypenny im oben zitierten „James Bond“ oder aber zu einer jener devianten Frauengestalten, die Literatur und Film so gerne inszenieren. Femmes fatales, böse alte Hexen, Lolitas – sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie eines nicht sind: treu verheiratet. Böse Mädchen kommen zu dieser Zeit nicht überall hin, bestenfalls werden sie gezähmt und landen in der Ehe oder im Gefängnis. Und selbst dort, wo zu dieser Zeit Ordnungen hinterfragt und alternative Lebensformen für Frauen als Ausbruch aus der bourgeoisen Dekadenz theoretisch angedacht werden: Ein Blick auf Simone de Beauvoir und ihre Biografie mit Sartre, ein weiterer Blick auf die Genossinnen im Gemeindebau und ihre Präsenz im politischen Leben der Genossen, und wir sind ganz schnell wieder beim Stichwort Männergespräch.

 



Und ja, wir sprechen noch immer über die profane Gesellschaft, fernab von Pfarrhäusern, theologischen Lehranstalten oder ehrwürdigen Konzilssitzungen. Wir sprechen über die Welt von heute – des Jahres 1965. Um den Übergang in das Konzil und seine Sicht der Frau etwas weniger abrupt zu gestalten, sehen wir uns auf dem Weg dorthin einen zweiten Film an, der nun wirklich die katholische Welt für ein katholisches Publikum der Jahre nach dem Zweiten Weltk