Frauengeflüster

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Frauengeflüster
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TAMARA HINZ

Frauengeflüster

Lebe dein Leben -

sonst lebt dein Leben dich


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 9783865066923

© 2014 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

Titelfoto: fotolia

Satz: Brendow Web & Print, Moers

www.brendow-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Ich bin ich

Mit mir selbst im Einklang leben

Brave Mädchen holt der Wolf

Immer nett und angepasst – muss das sein?

Ich werde älter

– na und?

Spieglein, Spieglein an der Wand

Vom Umgang mit Neid und Eifersucht

Selbstbewusst und trotzdem treu

Bis dass der Tod uns scheidet – ist das noch was für Frau von heute?

Katastrophenglück

Krisen erleben und überwinden

„Du machst mich fertig“

Was tun mit Menschen, die uns das Leben schwer machen?

Da muss sich dringend etwas ändern!

Veränderungsprozesse im Leben gut gestalten

Frauengeflüster

Freundinnen wie Dora, Lissy, Gabi, Nora und Bekki

Anmerkungen

Weitere Bücher

Vorwort

„Wer flüstert, der lügt“, so sagt der Volksmund. Aber stimmt das wirklich?

Wer flüstert, der hat manchmal einfach nur Angst, laut zu sagen, was er denkt. Wer flüstert, der schämt sich vielleicht für seine Probleme oder dafür, dass scheinbar manches im Leben nicht so gelingt, wie es eigentlich sollte. Wer flüstert, der denkt oft: „Alle anderen um mich herum kennen diese Schwierigkeiten nicht. Und deswegen muss ich mich mit meinen Gedanken und Gefühlen verstecken.“ Wer flüstert, ist häufig unsicher, ob seine Wahrnehmung überhaupt „richtig“ ist. Möglicherweise ist alles ja auch ganz anders! Hat man dann seinen Eindruck laut herausposaunt, ist man kräftig blamiert und steht ziemlich blöd da.

Frauengeflüster möchte Mut machen, das, was uns umtreibt und bewegt, laut auszusprechen. Wenn wir uns so gegenseitig in die Karten schauen lassen, stellen wir ganz schnell fest, dass unsere Empfindungen und Gedanken vielfach sehr ähnlich sind.

Wir alle haben den tiefsten Wunsch, geliebt und geachtet zu werden. Wir alle haben das Bedürfnis, ein Umfeld zu haben, in dem wir uns entfalten und ganz wir selbst sein können. Wir alle müssen mit Widrigkeiten im Leben umgehen, müssen Krisenzeiten bewältigen und wollen gestärkt und nicht beschädigt aus diesen schweren Zeiten hervorgehen. Und wir alle erleben eine Vielzahl an Veränderungen, die bewältigt werden wollen.

Aber zunächst einmal braucht es Mut, vor uns selbst manches einzugestehen. Es braucht Mut, uns mit wichtigen Themen des Lebens auseinanderzusetzen, statt uns immer drum herum zu mogeln. Wenn wir das tun, werden wir auch Wege entdecken, die uns helfen zu wachsen, zu überwinden und Veränderungsprozesse zielführend zu gestalten.

Auch dazu will Frauengeflüster Mut machen: Das, was uns Schwierigkeiten bereitet, nicht einfach nur hinzunehmen oder zu verdrängen, sondern kreative Lösungsansätze zu suchen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Meiner Wahrnehmung nach neigen gerade Frauen dazu, zu resignieren und sich in eine Opferrolle hineinzumanövrieren. Aus Frauenmund kommt wahrscheinlich tausend Mal häufiger der Satz: „Da kann man nichts machen“, als man ihn von Männern hört. „Da kann man sehr wohl etwas machen“, ist meine Behauptung. Sicher, die Umstände können wir durchaus nicht immer ändern (allerdings weitaus häufiger, als wir meinen), aber unsere Denkmuster, Einstellungen und Verhaltensweisen lassen sich durchaus ändern, und damit ist schon viel gewonnen. Das aber setzt Bereitschaft zur Auseinandersetzung voraus, die Bereitschaft, mal querzudenken und auch ungewohnte Gedanken zuzulassen. Und ganz sicher auch die Bereitschaft, zumindest einen kleinen Schritt in eine neue Richtung zu gehen.

Lassen Sie sich von Dora, Lissy, Gabi, Nora und Bekki, von denen das letzte Kapitel in Frauengeflüster handelt, inspirieren. Das sind solche Frauen, die sich nicht scheuen, offen über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen, und die äußerst originelle Ideen haben, den Problemen zu Leibe zu rücken.

Übrigens fand ich zum Thema Frauengeflüster ein weitaus schöneres Zitat als das oben erwähnte. Kein Geringerer als Pablo Picasso war der Ansicht:

„Das Flüstern einer schönen Frau hört man weiter als den lautesten Ruf der Pflicht.“

Na, wenn das nichts ist …

Tamara Hinz

Ich bin ich
Mit mir selbst im Einklang leben

Ich habe gemerkt: Das Wunder, auf das ich so lange gewartet habe, bin ich selbst.

Selma Lagerlöf

Mal Hand aufs Herz: Was ging Ihnen durch den Sinn, als Sie heute Morgen in den Spiegel geschaut haben? Haben Sie sich gedreht und gewendet und dabei gedacht: „Wow, was für ein gut gebautes, wunderschönes Vollweib blickt mir denn da entgegen?“

Ich vermute, dass die wenigsten von uns mit solch einer positiven Selbstwahrnehmung in den Tag gestartet sind. Wahrscheinlich waren es bei vielen von uns eher solche Gedanken: „Frau, wie du wieder aussiehst! Zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn, zu viele Haare an den falschen und zu wenige an den richtigen Stellen! Und diese Tränensäcke unter den Augen! Die waren doch gestern noch nicht da … “

Gedreht und gewendet haben Sie sich erst gar nicht, weil Sie der Überzeugung sind, dass das, was Ihnen dann da entgegenblickt, Ihnen die Stimmung für den ganzen Tag vermiesen würde.

Was denken Sie, wenn Sie auf die vergangene Woche, den vergangenen Monat oder auf das vergangene Jahr zurückblicken? Denken Sie: „Schön, was ich alles geschafft und geleistet habe! Toll, dass ich so viele Begabungen und Kompetenzen besitze, die ich entfalten und einsetzen kann!“

Oder gehören Sie eher zu denen, die denken: „Mensch, wenn ich sehe, was andere Frauen im Beruf und in ihren Familien leisten, wenn ich sehe, wie perfekt sie dann noch ‚ganz nebenbei‘ einen großen Haushalt managen, Beziehungen pflegen, Sport machen und kreativ ihre Freizeit gestalten – dann fühle ich mich selbst ganz klein und mickerig. Ich kann nämlich längst nicht so viel, kriege das alles auch nicht so perfekt hin und schaffe nicht mal die Hälfte solch eines Pensums.“

Was empfinden Sie, wenn Sie auf Ihre Lebensgeschichte blicken? Können Sie diese mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Brüchen, Verletzungen und Umwegen annehmen? Haben Sie ein ganzes Ja zu Ihrem Gewordensein gefunden, oder ist solch ein Rückblick in die eigene Geschichte immer noch mit Scham- und Schuldgefühlen behaftet und trägt den schalen Beigeschmack des Versagens?

Gerade Frauen fällt es häufig sehr schwer, Ja zu sich selbst zu sagen und sich selbst mit ihrem ganzen Sosein anzunehmen. Andere Menschen werden von uns gelobt und ermutigt, mit ihnen reden wir freundlich und wertschätzend und sehen ihnen ihre Schwächen gerne nach. Nur mit uns selbst gehen wir oft sehr streng und lieblos um. Da sind wir nicht nachsichtig und barmherzig, sondern treiben uns selbst wie ein Sklaventreiber ständig an.

Mit uns selbst reden wir auch nicht lobend und ermutigend, sondern meckern wie eine schlecht gelaunte Gouvernante ständig an uns herum, schimpfen mit uns und können uns nicht verzeihen, wenn uns etwas schiefgegangen ist.

Bei anderen Menschen sehen wir jede Menge Stärken und Begabungen, nur unsere eigenen Fähigkeiten sehen wir nicht oder achten sie nur sehr gering, bauen sie dementsprechend auch nicht aus und präsentieren sie erst recht nicht in angemessener Weise.

In diesem, aber auch in allen weiteren Kapiteln dieses Buches möchte ich Sie ermutigen, sich einmal mit sich selbst zu beschäftigen (ein Luxus, den viele Frauen sich viel zu selten gönnen) mit dem Ziel, dass Sie sich selbst in einem liebevolleren Licht sehen und wertschätzender mit sich selbst und Ihrem Leben umgehen können. Mit dem Wunsch, dass Sie die Stärken und Besonderheiten Ihrer Person entdecken können und damit auch fähiger werden, andere Menschen zu lieben und für sie da zu sein.

 

Es geht bei dieser Beschäftigung mit der eigenen Person nicht darum, uns auf einen Egotrip zu befördern, damit wir uns völlig selbstbezogen nur noch um uns selbst drehen. Mit dieser ungesunden, narzisstischen Selbstverliebtheit gibt es gerade in der heutigen Zeit schon genug Menschen, und die fatalen Auswirkungen auf uns selbst, unsere Familien und eine ganze Gesellschaft können wir an vielen Stellen beobachten.

Aber ich bin der Überzeugung, dass eine wichtige Voraussetzung, um anderen Menschen dienen, sie lieben und für sie da sein zu können, eine gesunde, wertschätzende Einstellung zu uns selbst ist. Nur wer etwas hat, kann es auch an andere weitergeben. Nur wer weiß, dass er ein Geschenk ist, kann sich auch an andere verschenken. Nur wer um seine Begabungen und Stärken, aber auch um seine Begrenzungen und Schwächen weiß, kann sich optimal im Zusammenleben mit anderen einbringen. Nur wer durch ein gesundes Selbst-Bewusstsein stark und fest im Leben steht, der wird in Krisenzeiten nicht so schnell einknicken, und an dem können sich auch andere anlehnen, wenn sie Halt brauchen.

Einer der bekanntesten Sätze der Bibel lautet: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.1 Jesus hat ihn einmal gesagt und damit genau diesen Zusammenhang hergestellt: Selbstliebe und Nächstenliebe gehören untrennbar zusammen.

Begeben wir uns also auf die Spurensuche hin zu uns selbst. Was und wer bin ich denn eigentlich? Was zeichnet mich denn ganz persönlich aus?

Drei Bereiche unseres Menschseins möchte ich dafür herausgreifen, die unser Sosein ganz wesentlich prägen und uns unsere unverwechselbare Gestalt geben: unsere Persönlichkeitsstruktur, unsere Begabungen und Fähigkeiten und unsere Biografie.

Ich bin ich: Das ist meine Persönlichkeitsstruktur

Was haben Sie für eine Persönlichkeitsstruktur? Welcher Typ sind Sie? Wie „ticken“ Sie und worin unterscheiden Sie sich von Ihren Mitmenschen?

Sind Sie tendenziell lebhaft oder eher ruhig, sind Sie eher sachorientiert oder ein Beziehungsmensch, sind Sie eine emotionale Person oder mehr der nüchterne Typ, arbeiten Sie strukturiert oder lieber unstrukturiert und „aus dem Bauch heraus“, sind Sie sehr zielstrebig oder ist für Sie eher „der Weg das Ziel“, sind Sie Mimose oder Dickhäuter, sind Sie sehr Ruhe und Stille liebend oder brauchen Sie stets viel Trubel um sich herum?

Es gäbe noch zig weitere Merkmale, welche die Persönlichkeit und den Typ eines Menschen ausmachen. Wenn wir versuchen, uns selbst oder eine andere Person zu beschreiben, benutzen wir solche oder ähnliche Charakterisierungen.

Im Zusammenleben mit anderen stellt man sehr schnell fest, dass es Menschen gibt, die sich in ihrer Persönlichkeit sehr ähneln, die ähnlich „ticken“, ähnlich empfinden und dem Leben und seinen Herausforderungen auf ganz ähnliche Weise begegnen. Im Laufe der Zeit hat es immer wieder Versuche gegeben, diese Eigenschaften zusammenzufassen und daraus die Beschreibung eines bestimmten Typs oder einer bestimmten Sorte Mensch zu entwerfen.

Inzwischen gibt es die unterschiedlichsten Modelle, mit denen versucht wird, die einzelnen Persönlichkeitstypen und ihre Merkmale zu charakterisieren. Es werden an dieser Stelle auch immer wieder neue Versuche gestartet und neue Modelle entwickelt. Aber all diese Modelle haben eines gemeinsam: Sie sind nur der Versuch einer groben Unterteilung und legen nur eine Spur, der wir nachgehen können, um uns selbst besser kennen und verstehen zu lernen. Ein allgemeingültiges Raster anzulegen, in das jeder exakt hineinpasst, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Denn jeder von uns wurde von Gott einzigartig geschaffen und ist in seiner „Zusammensetzung“ unglaublich kompliziert und facettenreich. Dennoch: Als Hilfe und Anhaltspunkte zum besseren Selbstverständnis können uns diese Modelle durchaus dienen.

Eines der bekanntesten und gleichzeitig ältesten Modelle ist die Temperamentenlehre des griechischen Arztes Hippokrates, der 460 - 375 v. Chr. lebte. Dieses Modell ist auch heute noch gültig, und auf ihm bauen viele der modernen Typologien auf.

Ich skizziere sein Modell an dieser Stelle nur in aller Kürze. Schauen Sie mal, ob Sie sich irgendwo wiederfinden und sich „einsortieren“ können. Falls Sie dieses Thema für sich vertiefen wollen, empfehle ich Ihnen die Bücher von Florence Littauer2 und Reinhold Ruthe3.

Im Modell Hippokrates’ werden vier unterschiedliche Typen benannt: der Sanguiniker, der Melancholiker, der Choleriker und der Phlegmatiker. Um es gleich vorwegzunehmen: Keiner von uns ist ein reiner Sanguiniker oder Phlegmatiker, keiner ein reiner Choleriker oder Melancholiker. Wir alle tragen Anteile eines jeden Temperamentes in uns. Es ist aber fast immer so, dass ein oder zwei Temperamente ganz deutlich überwiegen.

Schauen wir uns zunächst den Sanguiniker an:

Diese Person kann man als kraftvoll, energiereich, schwungvoll und aktiv beschreiben. Sanguiniker sind heitere und fröhliche, meist gut gelaunte Menschen, nicht besonders nachtragend und eher optimistisch. Sie leben im Augenblick, sind sorglos und gehen davon aus, dass alles „irgendwie“ gut ausgehen wird und jedes Problem sich lösen lässt. Schwarzsehen gibt’s nicht – dagegen hilft die rosarote Brille, die der Sanguiniker liebend gerne aufsetzt, und die ihm auch hervorragend steht!

Sanguiniker sind in der Regel mit sich und dem Leben zufrieden, weil sie eher das Positive als das Negative sehen. Menschen mit diesem Temperament haben die wunderbare Gabe, belastende und schwierige Lebenssituationen auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie sind verspielt, gesellig, redselig und haben eine unkomplizierte, sehr ansprechende Persönlichkeit. Damit sind sie die geborenen Unterhalter und in jeder geselligen Runde stets willkommen.

Ist man länger mit Sanguinikern im Kontakt, erlebt man sie jedoch auch als etwas oberflächlich und flatterhaft, zwar schnell zu begeistern, aber von geringer Ausdauer und mit einem Hang zur Unzuverlässigkeit. Verbindlichkeit und Tiefgang, das ernsthafte Auseinandersetzen mit anstehenden Konflikten und Problemen ist nicht ihr Ding. Hier weicht der Sanguiniker gerne aus, steckt den Kopf in den Sand oder redet alles schön. Aufgrund seiner Naivität, seiner schnellen Begeisterungsfähigkeit und Gutgläubigkeit ist der Sanguiniker leicht zu beeinflussen und begegnet auch solchen Menschen und Situationen unkritisch, bei denen eine gute Portion Skepsis durchaus angebracht wäre.

Als Nächstes betrachten wir den Melancholiker:

Auch der Melancholiker ist, ähnlich dem Sanguiniker, ein sehr emotionaler Mensch. Seine Emotionen sind aber eher dunkel als hell gefärbt und er ist tendenziell sehr pessimistisch ausgerichtet. Melancholiker machen sich viele Sorgen, sind zumeist resignierend und wenig hoffnungsvoll. Von ihrer Neigung her sind diese Menschen ängstlich, schnell beunruhigt, oft unglücklich, dem Leben und den Menschen gegenüber eher misstrauisch und von ernster Ausstrahlung.

Sagt der Sanguiniker enthusiastisch: „Super, das Glas ist ja noch halb voll!“, wendet der Melancholiker garantiert mit sorgenvoller Miene ein: „Sag mal, hast du eigentlich keine Augen im Kopf? Das Glas ist doch schon halb leer!“ Melancholiker denken eben eher negativ und schätzen auch sich selbst, das eigene Können und die eigenen Möglichkeiten eher gering ein. Dazu haben sie aber gar keinen Grund! Denn es sind häufig sehr talentierte und kreative Menschen mit einem ungeheuer großen Empfindungsreichtum und einem Hang zur Genialität. Unter Künstlern, Musikern, Philosophen und Poeten findet man viele Melancholiker. Nicht zuletzt, weil ihre Nachdenklichkeit sie in die Lage versetzt, Zusammenhänge des Lebens in einer Tiefe zu erfassen und auszudrücken, die ihre Mitmenschen niemals erreichen werden.

Melancholiker sind zudem sehr aufopferungsvolle und einsatzwillige Menschen, die sich aufgrund ihrer hohen Empfindsamkeit bestens in andere Menschen einfühlen können. Niemand besitzt so viel Empathie wie der Melancholiker.

Darüber hinaus sind sie geniale Denker, die Probleme hervorragend analysieren können und die Fähigkeit besitzen, zu überraschend ungewöhnlichen und kreativen Lösungen zu finden.

Dann wäre da noch der Choleriker:

Hören wir das Wort Choleriker, denken die Meisten von uns wahrscheinlich an den unter Bluthochdruck leidenden, mit hochrotem Kopf herumbrüllenden Chef. Dieses aufbrausende und hitzköpfige Verhalten, eben das „typisch“ cholerische, ist aber nur ein kleiner Teil der Persönlichkeit eines Cholerikers. Bei vielen Cholerikern ist gerade dieses vermeintlich „typische“ Merkmal wenig ausgeprägt. Hingegen finden wir im Choleriker eine ausgesprochen zielstrebige, willensstarke und dynamische Persönlichkeit, die vor Ehrgeiz nur so sprüht. Das prädestiniert ihn geradezu für Führungsrollen. Choleriker lassen sich nicht so leicht entmutigen und ziehen das, was sie einmal angefangen haben, entschlossen durch. Von Hindernissen und Problemen lassen sie sich keinesfalls abschrecken, sondern betrachten diese Schwierigkeiten als willkommene Gelegenheit, ihre Tatkraft unter Beweis zu stellen. Sie lieben Konflikte und Widersprüche und stellen sich gerne der Herausforderung, nach Lösungen zu suchen. Choleriker gehen aber, anders als Melancholiker, die Dinge eher pragmatisch an und greifen in ihren Lösungsansätzen gerne auf Vertrautes und Bewährtes zurück. Dabei können sie sehr ungeduldig und unflexibel sein, mit dem Hang, anderen ihre Lösungen aufzuzwingen.

Denn Choleriker sind im positiven wie im negativen Sinne sehr von sich selbst, ihren Ansichten und Stärken überzeugt und haben wenig Verständnis für die Schwäche mancher Mitmenschen.

Sie sind sehr unabhängige und selbstständige Menschen, für die Beziehungen eine eher untergeordnete Rolle spielen und die in der Begegnung und im Gespräch mit anderen nicht gerade vor Empathie strotzen.

Abgesehen von seinem gelegentlichen Aufbrausen ist der Choleriker wenig emotional und hat eine starke Abneigung gegen Tränen und Gefühlsausbrüche. Alles in allem ist der Choleriker ein ungeheuer leistungsstarker und stabiler Mensch, dem Wankelmütigkeit und emotionale Berg- und Talfahrten, wie sie beim Sanguiniker und Melancholiker zu finden sind, gänzlich fremd sind.

Der letzte im Bund ist der Phlegmatiker:

Der Phlegmatiker ist vor allem durch sein ruhiges, verlässliches und beständiges Wesen gekennzeichnet, neigt dabei aber auch zu einer gewissen Trägheit und Inaktivität. Er ist nicht sehr begeisterungsfähig und verharrt oft in Gewohntem und Vertrautem, weil er tendenziell eher unflexibel ist und aus eigenem Antrieb nur wenig Neues in Angriff nehmen kann. Er begegnet dem Leben nicht gerade zupackend, hat dafür aber eine große Gelassenheit im Umgang mit den Widrigkeiten und Problemen, die sich ihm in den Weg stellen. „Abwarten und Tee trinken“ – dieser Ausspruch könnte von einem waschechten Phlegmatiker kommen. Durch diese unaufgeregte und gelassene Art ist der Phlegmatiker sehr belastbar und handelt in Krisensituationen, in denen alle anderen schon völlig aufgelöst und panisch sind, immer noch ruhig und überlegt.

In Beziehungen und Gemeinschaften ist der Phlegmatiker für andere der Ruhepol in aller Hektik und Umtriebigkeit und wird mit seiner entspannten und sachlichen Art sehr geschätzt. Phlegmatiker sind häufig sehr stille, in sich zurückgezogene Menschen, die wenig Aufhebens um sich selbst machen und über eine angenehme, unaufdringliche Persönlichkeit verfügen. Sie treten gerne zurück, überlassen anderen Menschen die Bühne und geben ihnen dadurch die Möglichkeit, sich zu entfalten.

Ähnlich wie der Sanguiniker ist der Phlegmatiker ein sehr zuversichtlicher, unbekümmerter und positiver Mensch, dabei aber sehr beständig, ausgeglichen und zufrieden, weil er die kräftezehrenden, emotionalen Turbulenzen, die in den anderen Temperamenten eine Rolle spielen, nicht kennt. Phlegmatiker sind sehr friedliebend und zuverlässig und darüber hinaus sehr hilfsbereite und geduldige Mitmenschen. Mit einem Phlegmatiker erlebt man keine Dramen und unliebsamen Überraschungen, keine unberechenbaren Gefühlsausbrüche und emotionale Turbulenzen, dafür aber Beständigkeit, Treue und absolute Zuverlässigkeit.

 

Haben Sie sich selbst, eine gute Freundin oder Ihren Partner wiedererkannt? Interessanterweise suchen wir uns gerade für die Partnerschaft oder eine enge Freundschaft jemanden mit einem ganz anderen, fast gegensätzlichen Temperament aus, so, als ahnten wir, dass wir diese Ergänzung brauchen und dem anderen mit unserem Temperament ebenfalls Ergänzung bieten können. Das kann für beide Seiten eine große Bereicherung sein, sorgt aber auch für jede Menge Konfliktstoff, weil der andere völlig anders, für uns oft sehr unverständlich „tickt“.

Ob Sie das von mir kurz skizzierte Modell nehmen oder eine völlig andere Typologie: Es ist sehr hilfreich, die eigene Persönlichkeitsstruktur zumindest in groben Zügen zu kennen. Denn diese Persönlichkeitsstruktur ist ein Teil unserer Person, und zwar ein ganz wesentlicher. Mit ihr wurden wir geschaffen, sie ist weitestgehend schon von Geburt an in uns angelegt und wird uns ein Leben lang begleiten. Erziehung, Prägung und unsere Lebensumstände haben diese Persönlichkeitsstruktur nicht in uns hervorgerufen. Diese Dinge können lediglich verstärkend wirken, nämlich dann, wenn wir ein Lebensumfeld haben, in dem sich unsere Individualität voll entfalten kann.

Unsere Erziehung oder die Lebensumstände können unsere Grundstruktur aber auch überlagern. Wenn Sie z. B. ein sanguinisches Temperament haben, also eine gewisse Leichtigkeit und Fröhlichkeit besitzen, und als Kind immer zu hören bekamen: „Nun sei doch nicht immer so albern!“, oder: „Du bist ein richtiger Hans-guck-in-die-Luft; wenn du das Leben nicht ein bisschen ernster nimmst, wirst du eines Tages gehörig auf die Nase fliegen!“, dann kann es sein, dass Sie versucht haben, sich Ihre Unbekümmertheit und Fröhlichkeit abzutrainieren. Aber in Ihrem Innern wird dieses heitere Wesen immer noch vorhanden sein.

Wenn Sie der melancholische Typ sind, haben Sie vielleicht häufig zu hören bekommen: „Musst du immer so ernst sein? Du bist ja ’ne richtige Spaßbremse! Deine ständige Grübelei nervt!“ Oder: „Du machst aus jeder Mücke gleich einen Elefanten, so dramatisch ist das Ganze ja nun auch wieder nicht!“ Weil Sie den Eindruck hatten, Sie seien nicht „richtig“ und gingen anderen mit Ihrer Art auf die Nerven, haben Sie begonnen, Ihre Nachdenklichkeit zu überspielen und eine Maske der Fröhlichkeit und Unbeschwertheit aufzusetzen. Sie geben sich mit Oberflächlichkeiten zufrieden – aber in Ihrem Innern sehnen Sie sich nach Tiefgang und intensivem Austausch.

Wenn Sie Choleriker sind, besitzen Sie eine unglaubliche Willensstärke, können gut vorangehen, Sachen durchziehen und klar und deutlich Ihre Meinung sagen. Aber dann haben Sie vielleicht irgendwann gemerkt: „Oha, als Frau kommt gerade das gar nicht so gut. Da wünscht man mich eher zurückhaltend und angepasst, da soll ich mich eher führen lassen anstatt selbst zu führen.“ Und dann haben Sie angefangen, gegen diese Stärke in sich vorzugehen und sich an die Erwartungen anderer anzupassen. Aber so richtig wohl fühlen Sie sich nicht in Ihrer Haut.

Wenn Sie schwerpunktmäßig phlegmatisch veranlagt sind, wurde Ihnen möglicherweise immer vorgeworfen, Sie seien faul, „trantütig“, eine lahme Schnecke und würden den Hintern nicht hochkriegen. Dass das, was Sie anpacken, auch Hand und Fuß hat, dass man sich hundertprozentig auf Sie verlassen kann, dass Sie eben kein Hans-guck-in-die-Luft sind, sondern mit beiden auf dem Boden stehen – all das wurde nur selten erwähnt. Und so treten Sie sich Ihr ganzes Leben immer nur in den Hintern, fühlen sich schrecklich langweilig und durchschnittlich und ärgern sich, dass Sie nicht so eine Stimmungskanone sind wie Ihre Freundin.

So fühlen sich manche Menschen ihr ganzes Leben lang in ihrer Haut unwohl und arbeiten permanent gegen sich selbst an. Aber das Leben geht viel leichter von der Hand, wenn wir mit uns zusammenarbeiten! Deswegen ist es so wichtig, dass wir zu dem, wie Gott uns eigentlich gemeint hat, zurückfinden. Nur dann können wir mit uns selbst im Einklang leben. Dazu gehört, dass wir Ja dazu sagen, dass wir so und nicht anders sind. Sie dürfen so sein, wie Sie sind! Es ist gut so, wie Sie sind! Versuchen Sie nicht ständig, etwas zu sein, was Ihnen nicht entspricht und mühsam etwas zu produzieren, was gar nicht in Ihnen angelegt ist. Besser ist es, wenn Sie Ihre Energien in Ihre starken Seiten stecken. Und die haben Sie!

Vielleicht kennen Sie folgendes Bild, das eine sehr eindrückliche optische Täuschung in sich birgt: Auf diesem Bild ist ein Frauenportrait abgebildet. Je nachdem, worauf man seinen Blick konzentriert und welche Perspektive man einnimmt, sieht man eine junge, hübsche Frau oder eine alte Greisin mit Hexennase. Je nachdem, worauf man seinen Blick richtet. So ist das auch in unserem Leben. Wir können unseren Blick auf unsere Schwachpunkte und Mängel richten. Wir können uns ständig mit anderen vergleichen, die Eigenschaften und Fähigkeiten besitzen, die wir nicht haben. Wenn Sie Unzufriedenheit und Minderwertigkeitsgefühle in sich schüren wollen, dann ist dies das erfolgreichste Rezept, um schnell zum Ziel zu kommen!

Wir können unseren Blick aber auch auf unsere guten Charaktereigenschaften richten und darauf konzentrieren, diese auszubauen, zu optimieren und für andere einzusetzen.

Wenn Sie beispielsweise ein eher phlegmatisches Temperament haben, dann sind Sie in einer Gruppe sicher nicht die Initiativste, mit tollen, kreativen Ideen, und sind sicher auch nicht der quirlige Mittelpunkt, der die Aufmerksamkeit und die Lacher auf seiner Seite hat. Wenn Sie damit ständig hadern, verpassen Sie und Ihre Mitmenschen etwas ganz Wesentliches: Ihre Ruhe, Ihre Besonnenheit. Ihr bedächtiges Abwägen, Ihre Verbindlichkeit und Treue machen Sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil jeder Gruppe und zu einem wunderbaren Gegenüber in einer Beziehung.

Es ist wichtig zu erkennen, dass jedes Temperament neben seinen Stärken auch seine Schwächen hat. An diesen Schwächen gilt es einerseits zu arbeiten, damit sie uns nicht ständig zu Fall bringen, andererseits aber über diese Schwachpunkte auch zu einer entspannten Gelassenheit zu finden. Mir hilft dann immer der Gedanke, dass es andere Menschen neben mir gibt, die die Schwächen meines Temperamentes mit den Stärken ihres Temperamentes ausgleichen. Dafür hat Gott uns zusammengestellt! Ich brauche mit meiner Person gar nicht alles abzudecken, sondern darf mich ergänzen lassen. Ich brauche nur ein kleines Mosaiksteinchen zu sein und muss nicht das ganze Kunstwerk darstellen. Das zu erkennen ist äußerst befreiend und für eine entspannte Lebenshaltung sehr förderlich.

Ich bin ich: Das sind meine Begabungen

Begabungen sind besondere Fähigkeiten, die uns mitgegeben wurden. Auch hier ist schon ganz viel ohne unser Zutun, in unseren Genen, angelegt. Aber mehr noch als bei unserer Persönlichkeitsstruktur hängt hier auch sehr viel davon ab, wie und in welchen Bereichen wir gefördert wurden oder uns heute selbst fördern.

Dass ein Mensch z. B. musikalisch ist, wurde bereits in seinen Genen angelegt. Wir sagen dann: „Das hat er im Blut.“ Oder: „Sie hat die Musik mit der Muttermilch aufgenommen.“ Wir meinen damit, dass dieser Person ihr Können regelrecht zufliegt, während andere mit viel höherem Einsatz und Aufwand noch nicht einmal annähernd gleich gute Ergebnisse erzielen können.

Aber nicht immer kommt eine Begabung auch zum „Ausbruch“. Dass sie sich entfalten und entwickeln kann, hängt auch davon ab, ob wir die Gelegenheit hatten, hier aktiv zu werden und auf die richtige Spur gesetzt wurden. Wenn Sie beispielsweise ein großes schauspielerisches Talent besitzen, aber Ihre Eltern Sie in einen Sportverein gesteckt haben und Sie auch an anderer Stelle nie die Möglichkeit hatten zu schauspielern, dann kann es sein, dass Sie bis heute dieses Talent gar nicht entdeckt haben.

Den eigenen Begabungen auf die Spur zu kommen ist Geschenk und Verpflichtung zugleich. Ein Geschenk, weil es kaum etwas Befriedigenderes gibt als dieses Besondere, was uns mitgegeben wurde, zu entfalten und einer Tätigkeit nachzugehen, die dieser Begabung entspricht. Aber uns selbst in diesem Bereich auf die Spur zu kommen ist auch Verpflichtung: Wir sind dafür verantwortlich, das Bestmögliche aus unserem Leben zu machen und Gutes, das uns anvertraut wurde, nicht einfach verkümmern zu lassen!

Kennen Sie Ihre ganz persönlichen Begabungen, Fähigkeiten und Talente? Oder ist das nicht der Fall? Haben Sie vielleicht manchmal den Eindruck, Sie leben etwas, was gar nicht so recht zu Ihnen passt? Stecken Sie möglicherweise in Arbeiten und Aufgaben fest, die für Sie immer sehr mühsam sind, weil sie gar nicht Ihren Befähigungen entsprechen?

Dann schauen Sie doch mal nach, was da noch so in Ihnen schlummert. Ein guter Wegweiser an dieser Stelle sind unsere Träume und Leidenschaften, Visionen und Themen, für die unser Herz schlägt. Arbeiten, in denen wir so richtig aufgehen, und Tätigkeiten, bei denen wir alles um uns vergessen, sind Zeichen dafür, dass wir uns auf der richtigen Spur, nämlich auf dem Weg zu uns selbst befinden.

Sie können sich selbst auf diese Spur setzen, indem Sie alte Träume und Pläne, die Sie früher, als junger Mensch, hatten, noch einmal hervorholen und noch einmal ganz neue Lebensentwürfe wagen. Seien Sie neugierig, informieren Sie sich und lassen Sie sich inspirieren vom Leben anderer Menschen. Und wenn Sie denken: „Das könnte etwas für mich sein, das passt zu mir!“, dann bleiben Sie dran und klemmen Sie sich dahinter, an dieser Stelle weiterzukommen. Und haben Sie den Mut, einfach mal etwas auszuprobieren! Eines der größten Geschenke unserer Zeit ist die Möglichkeit, auch als Erwachsene noch zu lernen, sich selbst zu fördern und neue Wege einzuschlagen.