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3.

Drake

Das letzte Jahr war hart gewesen, nicht nur für ihn, auch für seine Jungs. Nachdem er SIE endlich gefunden hatte, war er an jedem Abend zu dieser Bar gekommen. Schnell stellte er fest, dass sie nur von donnerstags bis sonntags dort auftrat. Und in der vierten Woche waren sie gar nicht erschienen. Den Barkeeper hätte er fast über die Theke gezogen und ihm das Maul gestopft, wenn nicht just in diesem Moment Maddox und Jared reingekommen wären. Dabei wollte er doch nur wissen, wieso sie nicht da war. Aber der Typ hatte so von ihr geschwärmt, da war er es doch selbst schuld. Alle vier Wochen hatten sie frei. So einfach war das. Jedenfalls hatte er dann eine Zeit lang Hausverbot. ER! Ausgerechnet er!

Jede Woche nahm er sich vor, sich reinzusetzen, sich zu erkennen zu geben, sie anzusprechen. Aber es war nicht gut, er war nicht gut. Er durfte ihr nicht zu nah kommen, er würde sie verletzen und wahrscheinlich auch verlieren, wenn sie die Wahrheit über ihn erfahren würde. Das konnte er nicht riskieren. Deshalb blieb er im Hintergrund. Erfreute sich an ihrem Duft, an ihrem Gesang. Einer seiner Jungs begleitete ihn, hielt sich aber noch weiter im Hintergrund. Er hatte festgestellt, dass sie oft bis nachts zwei, drei Uhr in der Bar war. Oft sang sie sehr lange. An manchen Tagen sang sie viele Lieder mit viel Traurigkeit. Und wenn er das Gefühl hatte, dass sie traurig war, war er auch traurig. So hatte er sich angewöhnt, sie jede Nacht von der Bar nach Hause zu begleiten. Mittlerweile kannte er ihren Namen, wusste, wo sie wohnte, welches Auto sie fuhr und welche Freunde sie hatte, wo sie arbeitete und dass sie einen jungen Hund hatte – ein blondes Labbimädchen namens Soleigh, mit dem sie regelmäßig lange Spaziergänge machte. Hier konnte er sich noch besser verstecken, wenn er sie begleitete. Natürlich heimlich. Und er musste aufpassen, dass Soleigh ihn nicht witterte.

Ja, er hielt Abstand, hielt sich im Dunkeln auf, trug Kapuzenshirts. Wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs war, was sie oft machte, wenn das Wetter schön war, konnte er hinter ihr her laufen. Nur einmal hatte er nicht aufgepasst. Er lief im Dunkeln über die Straße hinter ihr her und sie waren noch nicht weit von der Bar entfernt, als sie zurück um die Ecke kam und ihm dabei direkt in die Arme lief.

„Ups, Entschuldigung.“, stotterte sie. Jetzt war er dankbar für das Kapuzenshirt. Er hatte es tief ins Gesicht gezogen. Sie versuchte ihn anzusehen und musste den Kopf dafür weit in den Nacken legen, aber er wich ihrem Blick aus und ging einen Schritt zurück. Ihr Duft, so unglaublich nah. Dort, wo sie ihn mit ihren Händen auf der Brust angefasst hatte, brannte förmlich. Sofort reagierte sein Schwanz auf sie. Er bekam keine Luft. Wie gut, dass es dunkel war!

Emily

„Verfolgen Sie mich etwa?“, was für eine blöde Frage, als ob ein Serienmörder jetzt nein sagen würde – oder ja. „Mein Freund wartet da vorne auf mich! Jens! JENS! Ich bin hier!“.

Drake

Er konnte riechen, dass sie Angst bekam und das Jens der Barkeeper war und nicht ihr Freund, wusste er auch. Er ging noch einen Schritt zurück. Er wollte ihr keine Angst einjagen. Aber sie so nah bei sich zu haben, sie hatte ihn angefasst, ihn weggedrückt, als sie in ihn hineingerannt war. Ihr Duft war betörend. Er konnte kaum atmen, geschweige denn was sagen. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er gedacht, dass ihm das Wasser im Mund zusammen lief. Was war denn das für ein Gedanke? Er war doch kein abgefuckter Vampir! Sam war an diesem Abend mit ihm unterwegs.

„Drake!“, rief er quer über die Straße. „Drake, warte auf mich!“

„Na super, toll, jetzt sind auch noch zwei Typen!“, flüsterte sie. „JENS! JENS! Ich kann Karate!“ Sie schrie fast und Drake roch ihre Angst, die nun übermächtig war.

Sam war bei ihnen angekommen. „Hey, Karate! Das ist ja super! Welcher Gürtel?“, fragte er. Er hörte, wie jemand angerannt kam und laut „Emily! Emily!“ rief. Jens.

„Komm Drake, wir müssen los, die Karre steht dahinten, ich hab sie gefunden. Schönen Abend noch, Mam.“ Er legte Drake den Arm um die Schulter und zog ihn fort.

Emily

„Ist alles ok, Emily? Was wollten die Typen von Dir? Haben sie Dir was getan?“ Jens war ganz aufgeregt.

„Nein, nein, alles ok. Nichts passiert. Irgendwie . . . komisch. Er hat ‚Mam‘ zu mir gesagt.“ Sie schüttelte den Kopf „Ich hab meinen Schlüssel in der Bar vergessen.“

Drake

„Mann, Du bist ja völlig neben der Spur!“, sagte Sam zu Drake. „Ist das so, wenn man . . . ?“, fragte Sam und ließ das Ende offen.

„Woher soll ich denn das wissen?“, schnauzte Drake.

Später, im Hotel, stand er unter der Dusche. Das Wasser war heiß eingestellt und langsam füllte sich der Raum mit Nebel. Er hatte die Hände an der Wand abgestützt, ließ den Kopf hängen und hatte die Augen geschlossen. So lief ihm das heiße Wasser über den Kopf und den Rücken. Er konnte es selbst nicht fassen, was SIE mit ihm machte. Er konnte kaum atmen, wenn sie in seiner Nähe war – und das war sie selten, denn er versuchte immer „Sicherheitsabstand“ zu wahren. Heute Nacht, sie so nah, sie hatte ihn angefasst – seine Brust brannte immer noch an den Stellen, hätte er fast die Beherrschung verloren. Er wollte sie an sich reißen und sie endlich küssen, sie schmecken. Wenn Sam nicht dazugekommen wäre, wer weiß, was passiert wäre. Er war heiß. Nein, er war geil. Notgeil, um ehrlich zu sein. Wenn er seine Augen öffnete, konnte er seinen Schwanz sehen, der aufrecht, hart und groß nach vorne ragte und unaufhörlich pochte. Drake stöhnte und schloss wieder die Augen. Seitdem er sie das erstmal wahrgenommen hatte, konnte er an anderen Frauen nichts Interessantes mehr finden. Sie rochen schlecht. Oder ihre Stimme war eine Note zu hoch oder zu dunkel. Sie hatten keine grünen Augen, in denen er versinken konnte. Oder das Rot ihrer Haare war zu Blond, zu Braun, eben nicht richtig. In Gedanken spielte er immer wieder verschiedene Szenarien durch. Hätte er sie doch einfach in den Arm genommen und sie geküsst. Hätte er einfach die Kapuze runtergezogen. Hätte er was gesagt. Hätte, hätte, hätte. Der Moment war vorbei. Aber er sah immer noch ihre Augen. Er roch immer noch ihre Angst. Die Angst hätte er ihr sicherlich nehmen können. Seine Brust brannte. Er legte seine rechte Hand auf die Stelle, wo sie ihn berührt hatte. Versuchte, ihre Hand zu ertasten. Wenn sie doch nur jetzt hier sein könnte. Was er alles mit ihr anstellen würde! Er wollte sie nicht nur ficken. Ja, das wollte er auch, verflucht, aber nicht nur. Seine Fantasie war nicht aufzuhalten. Drake stellte sich vor, dass sie zu ihm in die Dusche kam. Er roch sie. Sie lehnte sich an seinen Rücken und ihre Hände strichen über seine Brust. Er konnte fast ihre Brüste an seinem Rücken spüren. Sein Herz schlug schneller. Er würde sie herumreißen und sie küssen, hart und wild, sanft und zart. Mit ihrer Zunge spielen. Er stöhnte. Ihre Brüste liebkosen und kosten. Sie mit dem Rücken an sich drücken. Dann könnte er ihre Brüste massieren, mit ihren Brustwarzen spielen, während er seinen Schwanz an ihrem Po reiben konnte. Sein Mund würde an ihrem Nacken verweilen und kleine Bisse zurücklassen. Mit einer Hand würde er über ihren Bauch fahren, tiefer, bis er das Zentrum ihrer Lust fand und sie sich wand. Er stöhnte und knurrte. Seine Hand war tiefer geglitten, bis er seinen Schwanz hielt. Und während er sich vorstellte, wie er ihr Höllenqualen zukommen ließ – oh ja und es würden Höllenqualen für sie werden – massierte er seinen Schwanz. Erst langsam, fast bedächtig. Und während sie in seiner Fantasie unter seinen Händen stöhnte und er sie auf einen Höhepunkt trieb, rieb er seinen Schwanz immer schneller, immer fester. Und als sie kam, kam er auch. Doch er war noch nicht fertig. Weder mit ihr noch mit sich selbst. Seine Fantasie drehte durch, er drehte durch. Er konnte sie fast schmecken, spüren, riechen. Und als er sich vorstellte, sie zu nehmen, hier in der Dusche, das erste Mal tief in sie zu versinken, kam er ein zweites Mal.

„Ich muss was tun, ich muss was ändern, so geht das nicht weiter.“

*****

Emily

Es wurde Morgen, es dämmerte schon. Emily saß immer noch in ihrem Lieblingssessel vor der Terrassentür. An Schlaf war diese Nacht nicht zu denken gewesen. Soleigh hatte es sich vor dem Sessel bequem gemacht und schlief tief und fest. Sie war noch sehr jung und träumte noch viel, sie quiekte im Schlaf und rannte. Jens hatte sie nicht nur zu ihrem Wagen gebracht, sondern auch bis zur Haustür begleitet.

„Soll ich heute Nacht hierbleiben?“, hatte er gefragt. Das hatte sie vehement abgelehnt. Sie wollte allein sein. Irgendwas an dem Typen heute Nacht war ihr komisch vorgekommen und hatte ihr Angst gemacht. Aber irgendwie war er ihr auch vertraut gewesen und das hatte ihr noch mehr Angst gemacht. Immer, wenn sie an den Typen dachte, klopfte ihr Herz schneller . . . aber irgendwie . . . nicht vor Angst. Wer war der Spinner? War er wirklich hinter ihr her gewesen? Oder war es Zufall? Und dann der andere, der dazu gekommen war. Er hatte „Mam“ zu ihr gesagt. Machten das Serienmörder so? Drake, der Typ hieß Drake, den sie angerempelt hatte. Und sie wusste nicht, ob sie sich täuschte, aber seine Brust war unter ihren Händen stahlhart gewesen. Ehrlich gesagt, hatte es sich gut angefühlt. Unwillkürlich dachte sie an den Typen von der Kirmes. Sie hatte ihn fast vergessen gehabt. Aber nur fast. Auch jetzt schlug ihr Herz einen Takt schneller. Anfangs hatte sie ihn noch ständig in der Menge gesucht. Einmal, da dachte sie, sie hätte ihn gesehen, in der U-Bahn. Aber sie war da drin gefangen, konnte nicht raus und er ging schon die Stufen hoch. Vielleicht war er es gewesen, vielleicht auch nicht. Und dann abends im Blue Moon, da saßen diese drei Typen. Sie waren ihr sofort aufgefallen. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie zu seinen „Bodyguards“ gehörten. Sie lachte. Ja, sie nannte sie seine Bodyguards. Warum, konnte sie nicht erklären. Es war auch egal. Aber sie wusste es nicht sicher. Wenn ER dabei gewesen wäre, ihn hätte sie erkannt. Und vielleicht auch noch den Typen mit den langen Haaren und dem Zopf. Aber die anderen? Sie schüttelte den Kopf. Als sie nach der Pause zurück auf die Bühne kam, waren auch sie weg. Irgendwann ließ der Zwang, ihn in jedem Gesicht zu suchen, nach. Mittlerweile war fast ein halbes Jahr vergangen. Es war Januar und gerade begann es zu schneien.

 

‚Ich glaub, ich krieg Kopfschmerzen‘ dachte sie. ‚Wieso muss ich jetzt an ihn denken?‘ Sie musste ins Bett. ‚Ich muss heute Abend wieder auftreten und ich kann und will mich von sowas nicht aus der Ruhe bringen lassen.‘

4.

Emily

Emily stand mit ihrer Band, den „Waterfalls“, hinter der Bühne.

„Es ist wieder voll.“, meinte Sue und kam zurück. Sie hatte, wie immer, Getränke an der Bar besorgt.

„Ja, es ist immer voll, wenn wir hier sind.“, lachte Niki. Alle nickten.

„Emily, das war super, dass Du uns hier diesen ‚Wochenend-Job‘ besorgt hast letztes Jahr. Es macht super viel Spaß hier aufzutreten. Und wir können Musik machen.“

Ihre Gruppe war eine reine Mädchenband. Nun, bis auf den Schlagzeuger, Chris. Chris war voll schwul und stand auch dazu. Aber Schlagzeug spielen, das konnte er. Also, ja, sie waren eine reine „Girls-Band“.

„So, Mädels.“, sagte Henriette, die von allen nur Henni genannte wurde. „Es geht los. Wo ist Sue?“, suchend sah sie sich um.

„Hier! Ich war noch schnell auf dem Klo.“ Alle lachten. Das machte Sue immer so.

Henry stand schon auf der Bühne und sagte sie an.

„Und hier kommen sie. Applaus für unsere Band, die ‚Waterfalls‘.“

Chris betrat, wie immer, als erster die Bühne und setzte sich ans Schlagzeug. Sie hatten sich im Laufe des Jahres eine Reihenfolge angewöhnt. Er machte ein kurzes Solo. Währenddessen betrat Henni die Bühne und stellte sich ans Keyboard. Chris beendete sein Solo und Henni spielte ein paar Tasten am Keyboard. Sue und Niki gingen gleichzeitig auf die Bühne. Sue schnappte sich die E-Gitarre und Niki ihre Westerngitarre. Die beiden stiegen ins Keyboard ein und auch Chris. Emily betrat die Bühne. Hatten auch von Anfang an alle applaudiert, steigerte sich der Applaus nun noch und viele Pfiffen und Johlten. Mittlerweile hatte sich die Gruppe daran gewöhnt. Gerade zu Anfang war dies allen unangenehmen gewesen, aber jetzt waren sie ja schon fast Profis.

Emily verbeugte sich. „Danke, Danke.“, sagte sie.

Drake

Drake saß mit allen seinen Jungs an einem der runden Tische, die in dem Lokal aufgestellt waren. Sie alle vier wollten heute Abend dabei sein. Keiner von ihnen wollte sich das entgehen lassen. Auch seine Jungs grölten. Ihm verschlug es fast den Atem, er zitterte leicht. Sie roch nicht nur wie immer unglaublich gut. Sie sah auch so aus. Ihre langen Haare waren noch ein Stück länger geworden und fielen in leichten Locken über ihren Rücken. Es war heiß für Mai und sie trug ein knöchellanges, grünes weit fließendes schlichtes Kleid ohne Träger. An der Brust war es irgendwie gerafft und sehr eng. Es betonte sehr vorteilhaft ihren Busen. Drake knurrte. Selbst von hier aus konnte er sehen, dass das Grün perfekt zu ihren Augen passte.

Emily

Emily drehte sich zu ihrer Band um und die Musik verklang. Sie stand am Mikro und während sie die Gäste mit „Hallo zusammen, guten Abend.“, begrüßte, wanderte ihr Blick durch die Bar. Sie war wieder zum Bersten voll. Alle Tische waren belegt. Sie wusste, dass Henry, der Besitzer der Bar, im Frühjahr noch ein paar Tische und Stühle gekauft hatte, weil der Laden immer voll war, wenn sie auftraten. Auch die Theke war bis auf den letzten Platz belegt und viele standen im hinteren Teil des Raums an der Wand. Die Bar hatte eine leichte Hufeisenform. Die Bühne war am anderen Ende des Raumes und wie ein umgedrehtes U geformt. Vor der Bühne gab es eine kleine Tanzfläche. Emily stand eigentlich immer vorne in der Mitte. Rechts und links standen Sue und Niki. Chris mit seinem Schlagzeug hinter ihr und Henni stand mal rechts und mal links mit ihrem Keyboard. Die Theke, die sich von ihr aus links befand, nahm die ganze linke Seite ein. Hier konnte man auch viele tolle Cocktails trinken. Die Tische zogen sich durch den ganzen Raum, waren eng gestellt und endeten auf der rechten Seite.

„Hallo, ihr Lieben. Schön, dass wieder so viele gekommen sind. Vielen Dank. Ich sehe auch immer mehr bekannte Gesichter.“ Sie hob die Hand und winkte. Viele Zuschauer hoben die Hand und winkten zurück. Während Emily sprach, folgte auch ihr Blick einem festen Ritual. Sie brauchte das, um ruhiger zu werden, denn sie hatte immer noch etwas Lampenfieber. Und sie wusste, dass viele ihrer „Fans“ – kaum zu glauben, aber sie hatten Fans – diesen Blick mittlerweile wie einen persönlichen Händedruck werteten und darauf warteten.

„Wir haben uns für heute Abend etwas Besonderes überlegt, aber dazu leider erst nach der Pause mehr.“ Sie lachte. „Ansonsten, musiktechnisch, wollten wir heute . . .“ sie verstummte. Ihr Blick hatte den letzten Tisch erreicht. Ungläubigkeit stand auf ihrem Gesicht. Da war er. ER! War er es wirklich? Ihr Herz verhaspelte sich, sie schluckte, schüttelte den Kopf und wandte den Blick wieder nach links zur Theke.

„Also . . .,“, sie räusperte sich. „Also wie gesagt, nach der Pause haben wir für Euch . . .“ Ihre Gedanken rasten, ihr Herz auch. Er war hier? Hier? Aber bestimmt nicht wegen ihr. Nun ja, vielleicht wegen der Band, aber nicht wegen ihr. Sie schaute wieder nach rechts. Dorthin, wo er immer noch saß. Und sie anstarrte? Sein Blick schien sich tief in ihre Seele zu bohren.

„Scheiße.“, sagte sie und da das Mikro schon offen war, hörten es alle. ‚Ich muss mich zusammen reißen!‘, dachte sie. Sie lachte nervös ins Mikro und sagte: „Sorry, aber ich hab was vergessen.“ Damit drehte sie sich um. Niki und Sue standen schon bei ihr.

„Was ist los?“, fragten sie aufgeregt. „Wirst Du krank?“

„Ich kann nicht atmen!“, flüsterte Emily.

„Emily, was ist los? Du zitterst ja!“, fragte Niki.

„Er ist hier!“ Ihre Hände zitterten.

„Wer? Wer ist hier?“

“Meine Halluzination! Bitte, sagt mir, dass er echt ist und ich nicht halluziniere. Er sitzt da hinten am Tisch.“

In der Bar machte sich Unruhe breit. Niki, ganz der Profi, blickte einmal von links nach rechts und zurück. Dann sah sie Henry hinter der Theke, der ein fragendes „Was?“ mit seinen Lippen formte und die Hände hob.

„Henry, bitte bring uns doch noch die Runde Caipirinhas und für jeden ein Glas Wasser hoch. Das haben wir vergessen.“

Henry schaute etwas ungläubig, aber dann lachte er und rief laut „Ok, Mädels, kein Problem.“ Das Publikum lachte und viele riefen: „Ja, Henry, mir auch!“.

„Ja, ich weiß, wen Du meinst und ja, er ist immer noch da. Und ehrlich gesagt, sieht er etwas irritiert in unsere Richtung. Es tut mir leid, Em, aber Du musst Dich zusammen reißen. Und Du weißt ja gar nicht, ob der wegen Dir hier ist. Vielleicht hat der 'ne schreckliche Olle zu Hause und muss sich mal was Aufregendes ansehen.“ flüsterte Niki.

Sue und Emily lachten.

„Du bist unverbesserlich, Niki, danke.“, flüsterte Emily.

„Das erste Lied such ich aus!“ Niki wisperte Sue etwas ins Ohr und diese nickte. Sie sprach noch mit Henni und Chris, während Henry mit den Drinks auf die Bühne kam und jedem von ihnen den Caipi in die Hand drückte.

„Emily?“, flüsterte er. „Ist alles ok?“

Sie nickte, nahm einen großen Schluck und stellte sich vors Mikro. Sie holte tief Luft und als die ersten Töne erklangen, glaubte sie, ihren Ohren nicht zu trauen. DAS sollte sie singen? Sie drehte sich böse blickend zu Niki um, doch diese lächelte nur und zuckte mit den Schultern. Die ersten Töne von Vanessa Amorosi ‚Everytime I close my eyes‘ erklangen und mit voller Leidenschaft begann sie zu singen.

Danach musste sie noch ‘I wanna be your everything’ und ‘You were led on’ von Vanessa Amarosi singen. ‘Run’ von Leona Lewis und ‘Turn to you’ von Melanie C und noch vieles mehr. Die Mädels hatten wirklich kein Erbarmen mit Emily.

Sie versuchte krampfhaft, nicht in seine Richtung zu schauen, aber das war nicht einfach. Wie magnetisch wurde sie von ihm angezogen. Sie wusste nicht, wie sie ihr Herzrasen unter Kontrolle bringen sollte. Und er schaute nur sie an. Natürlich sahen alle zur Bühne, aber an vielen Tischen wurde auch leise gesprochen. Und das war auch ok, schließlich wollten sie eigentlich nur „Begleitmusik“ sein. Nur er bewegte sich nicht. Er saß unbeweglich und schaute sie an. Nur sie. Nach den ersten Takten war ihre Nervosität zwar nicht verschwunden, aber wie immer wurde sie ruhiger und konnte sich nicht nur auf den Text konzentrieren, sondern auch auf ihn. Bei manchen Textzeilen sah sie ihn ganz bewusst an und viele Zeilen sang sie nur für ihn.

„Jetzt machen wir eine kurze Pause. Vergesst nicht, hier gibt’s tolle Cocktails.“ Alle lachten. Kaum waren sie von der Bühne runter, wurde Emily von ihren Bandmitgliedern und Henry umringt.

„Was ist los? Was war los? Ist alles ok? Geht es Dir gut? Was ist passiert? Hast Du Kopfschmerzen?“ Sie redeten alle gleichzeitig auf sie ein.

„Halt!“, sagte Niki. „Jetzt lasst sie doch mal in Ruhe.“

„Henry, ich brauch noch 'nen Caipi, bitte, kannst Du mir einen machen?“

„Erst will ich wissen, was da los war! Dann mach ich Dir einen.

„Ok. Ok.“ Sie schaute in die Runde. „Wisst ihr noch, letztes Jahr, da hab ich doch auf der Rheinkirmes diesen Typen gesehen. Ich weiß, es klang damals schon bescheuert – und heute immer noch – aber ich hatte doch immer dieses Gefühl, als würde uns was verbinden. Ich hab ihn nie wiedergesehen, jedenfalls nicht, dass ich es wüsste, und ihn deshalb ‚meine Halluzination und seine Bodyguards‘ genannt.“ Alle nickten wissend. „Nun, meine Halluzination ist hier und sitzt dahinten am Tisch. Jedenfalls hoffe ich, dass ihr ihn alle sehen könnt und er keine Halluzination ist, sonst muss ich echt zum Arzt.“ Gleichzeitig drehten sich alle um. „Wo? Wer? Welcher ist es?“ wurde gefragt. Sue erklärte es, denn Emily stand immer noch mit dem Rücken zum Raum und wollte nicht in seine Richtung sehen. „Ja! Ja. Es ist unschwer zu erkennen, welchen Du meinst, denn er lässt Dich nicht aus den Augen.“

Henry brummelte ein „Ok“ und verschwand hinter der Bar.

„Und jetzt? Was machst Du jetzt?“, wurde Emily gefragt.

„Keine Ahnung. Abwarten und Tee trinken vielleicht?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Sie schaute zu Henry, der Caipirinhas mixte. „Jetzt geh ich erst mal unsere Caipis holen.“, sagte Emily und ging zur Theke. Es dauerte nicht lange, da wurde es dunkel neben ihr, denn ein Schrank hatte sich neben sie gestellt.

„Hey“, sagte er leise. Sie schloss kurz die Augen, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie holte tief Luft, bevor sie sich zum ihm umdrehte. Sie war mit ihren 1,70 schon nicht gerade klein für eine Frau, aber sie musste dennoch den Kopf fast in den Nacken legen, um in seine Augen zu schauen. In ihrem Kopf entstand ein kurzes Déjà-vu, aber sie konnte es nicht fassen. Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen. ‚Was, wenn sie nicht blau wie das Meer sind?‘ So blieb sie an seinen Lippen hängen. ‚Scheiße‘, dachte sie. ‚Schlechte Idee‘, denn in ihrem Kopf entwickelten sich sofort Bilder von seinem Mund auf ihrem Mund, auf ihrer Haut. Sie schluckte, atmete flach. In den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass er eine Hand hob und dann fühlte sie einen Druck am Kinn, als er ihren Kopf an hob.

„Sieh mich an.“, verlangte er leise. Er sprach deutsch mit einem starken amerikanischen Akzent. Seine Stimme war tief und irgendwie . . . heiser? Nun musste sie ihn ansehen. Um Emily herum wurde es still, nur das Klopfen ihres Herzens war in ihren Ohren zu hören und sie versank in seinen Augen. Es fühlte sich an, als würde er bis in ihre Seele sehen. ‚Wie kitschig‘, dachte sie noch. Aber so war es.

Drake

Drake wusste nicht, woher er die Kraft nahm, sie nicht sofort zu küssen, hier auf der Theke zu nehmen. Ihr Duft, so nah, so rein. Ihre Augen, er versank. ‚Nach Hause kommen, ankommen‘, war sein Gedanke. Sein Herz raste, er bekam keine Luft mehr. Ihre Haut unter seinen Fingern . . . seine Fingerspitzen brannten. Ganz langsam kam sein Gesicht, seine Lippen immer näher. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Henry, der die Caipirinhas brachte. Und dann passierten so viele Dinge so schnell hintereinander, dass er es fast nicht fassen konnte.

 

Emily

Drake knurrte, ganz leise. Aber nicht leise genug. Während Emily wie erstarrt darauf wartete, sich von ihm Küssen zu lassen, hörte sie dieses leise Knurren. Dieses Geräusch allein und sie stand in Flammen. Es gab kein anderes Wort dafür. Ihr Herz sprang fast aus ihrer Brust. Sie hatte augenblicklich eine Gänsehaut. Ihre Brustwarzen stellten sich auf und sie spürte, wie ihr Höschen feucht wurde. Vor Erregung! Sie schluckte heftig. Und der Typ vor ihr sah sie auf einmal total erstaunt an, holte tief Luft durch die Nase und dann lachte er leise.

„Em?“ Henry sah sie fragend an. „Ist alles ok? Oder belästig Dich der Typ?“ Der Moment war vorbei. Emily ging einen Schritt zurück und sah Henry an.

„Es ist alles ok, danke Dir“. Dann schnappte sie sich die Caipis und wollte gehen. Sie stand schon mehr hinter als neben ihm, als er ihr noch ins Ohr flüsterte „Trink nicht so viel.“ Dann war sie an ihm vorbei.

„Was war denn da los? Es sah aus, als wollte er Dich küssen. Wie in Zeitlupe.“, wurde sie von ihrer Band vernommen. Sie waren nicht nur eine Band, sie waren auch Freunde geworden. Richtig gute Freunde. Sie waren oft auch privat zusammen und jeder hatte jeden schon mal im Arm gehabt, sich dessen Sorgen angehört und getröstet.

Emily nahm einen Caipi und trank ihn in einem Zug. „Trink nicht so viel.“, hatte er ihr zugeflüstert. Wer war der denn? Ihr Vater? Ihr Freund? Nein! Sie konnte so viel trinken, wie sie wollte. Sie nahm sich noch ein Glas, drehte sich provozierend um, lächelte ihn an und prostete in seine Richtung. „Für Dich, Du Arschloch!“ flüsterte sie. Sie war sich nicht sicher – konnte sie das wirklich über diese Entfernung sehen? Und gehört haben konnte er sie doch auf keinen Fall – aber sie konnte zusehen, wie sich sein Gesicht verzog und dann schüttelte er leicht den Kopf.

Normalerweise trank sie wirklich nicht viel und drei Caipirinhas in dieser kurzen Zeit waren für sie schon fast zu viel. Aber der Alkohol machte sie mutig. „Leck mich!“ fluchte Emily noch. „Kommt, Mädels, wir müssen wohl wieder hoch.“

Ja, der Alkohol machte sie mutig und warum auch immer, aber sie war sauer auf ihn. Sie stand auf der Bühne und sagte: „Ich hatte ja eingangs gesagt, dass wir uns heute noch etwas – hoffentlich für Euch – Besonderes überlegt haben. Und zwar wollten wir Euch heute ein paar private Dinge erzählen und Euch erlauben, jedem von uns ein paar private Fragen zu stellen. Dazwischen spielen wir immer mal wieder ein paar Lieder. Würde Euch das interessieren?“ Sie hatten eigentlich nicht damit gerechnet, aber die Leute applaudierten und pfiffen und viele riefen „Ja.“ und „Super.“

„Gut, dann erzähle ich Euch kurz was von uns. Am Schlagzeug, das ist Chris. Und ja, Chris ist schwul. Aber seht ihr hier vorn an der Theke den unglaublich gutaussehenden Kerl? Das ist Rafe, sein Freund. Also haltet Euch lieber fern von Chris.“ Viele lachten.

„Am Keyboard, das ist unsere Henriette, aber wir sagen nur Henni zu ihr. Unsere Henni steht auf Frauen und sie ist noch nicht vergeben. Wer sie also kennenlernen möchte, kann sie gerne ansprechen.“ Emily lachte ins Mikrofon. „Aber bitte keine Jungs - Eure Chance Mädels!“ Aus dem Publikum waren viele Stimmen wie „Oh nein!“ oder „Wie schade!“ zu hören, aber auch Gekicher.

„So, Sue mit der E-Gitarre ist verlobt und wird nächstes Jahr heiraten.“ Es wurde geklatscht. „Der Typ neben Rafe ist Bastian, ihr Freund. Er ist übrigens Boxer.“

„Unsere Niki ist mit ihren grade mal etwas über zwanzig Jahren unsere Jüngste und unser Küken. Sie ist noch nicht vergeben und wer sich in der langen Reihe der Verehrer anstellen möchte, muss erst mal an uns vorbei. Aber bitte, versucht es. Dann bringt aber bitte ein Gesundheitszeugnis und natürlich auch Eure Lohnabrechnungen mit!“ Der ganze Saal lachte.

Abgesprochen war, dass nun Niki etwas zu Emily sagte, aber die redete einfach weiter.

„Wisst ihr, ich glaub, ich kann nicht mehr lange auftreten.“ Erstaunen machte sich unter den Zuschauern breit. „Ja, es ist nämlich so, ich fürchte, ich bin krank. Ich habe nämlich Halluzinationen.“ Viele lachten und Emily lachte mit. „Letztes Jahr habe ich Euch doch von meiner Halluzination und seinen Bodyguards erzählt.“ Viele riefen ‚Ja!‘ und lachten. „Nun, er ist hier. Meine Halluzination ist hier und hat mit mir gesprochen und mich angefasst. Und nun möchte ich von Euch wissen, ob ich wirklich halluziniere oder ob ihr ihn alle sehen könnt. Wenn ihr ihn nämlich nicht sehen könnt, dann muss ich Montag mal dringend zum Arzt.“ Viele lachten, manche drehten sich suchend um. ‚Was machst Du hier?‘, fragte sie sich selber. ‚Keine Ahnung!‘. Sie wollte ihn verletzten. Irgendwie. Aber warum? Sie wusste es nicht.

„Dort.“, sagte sie nur und zeigte auf den Tisch, an dem Drake mit seinen Jungs saß. „Komm!“, rief sie „Komm!“, sie winkte. Seine Jungs lachten, nur er nicht. Er wurde sauer. Was sollte das hier werden?

„Ich hab natürlich auch keine Ahnung, wie er heißt. Also, Du dahinten, komm, komm her.“ Sie winkte ihn zu sich.

Tristan schubste ihn vom Stuhl und rief laut „Drake! Er heißt Drake!“ Sam sagte: „Na, geh schon. Geh jetzt da hin!“

„Also – Drake – würdest Du bitte kurz zu mir kommen?“ Wen verletzte sie hier eigentlich? Ihn? Oder nicht doch sich selber? Ihr Herz schlug viel zu schnell und auch ihre Atmung war nicht gerade langsam. Und dann stand er vor der Bühne. Sie nahm das Mikro und fragte die Leute. „Also, er steht jetzt direkt hier vor mir. Könnt ihr ihn sehen?“ Viele applaudierten und riefen: „Ja!“.

„Drake“, sagte sie und irgendwo ganz hinten im Kopf hatte sie wieder ein Déjà-vu, aber auch dieses Mal konnte sie es nicht festhalten. „Bist Du eine Halluzination?“, fragte sie. Vereinzelt wurde gelacht. Er schaute sie böse an. „Nein.“, brummte er. Am liebsten hätte er laut geknurrt, aber das ging hier natürlich nicht.

„Aha, also keine Halluzination?“

„Nein!“

„Puh, wisst ihr was Leute. Ich bin beruhigt. Ich hab echt schon gedacht, ich würde bekloppt werden. Danke, Drake.“ Damit war er entlassen. Sie ließ ihn einfach stehen. Er hasste es, in der Öffentlichkeit zu stehen, aber das war er hier. Er warf ihr noch mal einen bösen Blick zu und ging dann langsam zu seinem Tisch zurück.

„Ok, also, ich bin auch noch nicht vergeben und wenn Ihr ausseht wie der Typ, dann habt ihr keine Chance bei mir! Gut, jetzt habt ihr erst mal ein paar Infos und ihr könnt Euch ein paar Fragen überlegen, wenn ihr wollt. Wir spielen einen Song.“ Emily drehte sich um und Sue fragte, was denn das für eine Aktion gewesen war und ob sie nun irgendwas erreicht hatte. Emily sagte nichts, sah sie nur an. „Wir spielen jetzt Pink ‚u and ur hand‘.“ Hiermit drehte sie sich um und stellte sich ans Mikro. Drake hatte sie noch nie so rocken gesehen, aber der Text machte ihn noch wütender. Maddox lachte laut. „Na, die haut dir aber voll eine rein.“ Danach gab es tatsächlich viele, die Fragen stellten. Eine Frage war, warum ihre Band „Waterfalls“ hieß.

„Hast Du schon einmal nackt unter einem Wasserfall gestanden?“ „Nein.“ Sie lachte „Aber ich!“

Drake

Drake verschluckte sich an seinem Bier und hustete. Sein Schwanz reagierte sofort. Er war sowieso schon total heiß von der Aktion an der Bar, ihre Erregung die er riechen konnte, als er leise geknurrt hatte. Und nun auch noch das Bild, wie sie nackt unter einem Wasserfall stand. Mit der Faust schlug er auf den Tisch.