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Feuerhaar

Taja Jetsch

Ein erotischer Fantasy Roman.


Impressum

Texte: © Copyright by Taja Jetsch

Umschlag: © Copyright by Taja Jetsch

Verlag: JS-E Verlag

99817 Eisenach

info@JS-EVerlag.de

ISBN: 978-3-7418-7720-9

4. Auflage

September 2018

Mein Dank geht an Gisi, Ilse und Holger, die meine schärfsten Kritiker sind und die mich immer wieder tatkräftig unterstützt haben.

1.

Drake

Heute war er zum ersten Mal mit seinen Jungs in der Open-Air Bar, in der SIE seit über einem Jahr mit ihrer kleinen Band auftrat, und sein Herz klopfte. Die Bar, dass „Blue Moon“, war, wie er von seinen Freunden gehört hatte, DAS Szene-Lokal geworden, und fast jedes Wochenende bis auf den letzten Platz ausgebucht. Meistens dann, wenn SIE hier sang. Das erstaunte ihn nicht. In seinen Ohren klang ihre Stimme wie die eines Engels. Er hatte fast das gesamte letzte Jahr gebraucht, bis er soweit war, öffentlich mit seinen Freunden ins Blue Moon zu gehen und ein Bier zu trinken und sich nicht wie sonst, zu verstecken. Aber es hatte sich auch viel verändert.

*****

Drake

Sein Vater hatte ihm lange nicht erlaubt mit einer Handvoll Jungs, die seine engsten Freunde waren, zu einer Tour aufzubrechen. Bis dahin hatte er nur Nordamerika und Kanada unsicher gemacht, denn sein Clan lebte in Montana auf einem der sogenannten Great Plains.

Er liebte es, in Montana zu leben. Dort war er wirklich frei. Das Areal, welches seine Familie und der ganze Clan seit Jahrhunderten bewohnten, war einfach riesig. Große freie Prärieflächen, klare Seen und Wasserfälle, unendlich anmutende Wälder, und das alles zu den Füßen der Rocky Mountains. Unten, im Tal, gab es mildere Temperaturen, dort konnte es im Sommer auch schon mal richtig heiß werden. Im Winter tobte er am liebsten mit seinen Freunden durch die schneebedeckten Berge der Rockys. Hier in der Stadt fühlte er sich unwohl und eingeengt. Doch hier in der Stadt war SIE.

Das, was ihn heute hierher gebrachte hatte, war zu allererst ihr Duft gewesen. Das würde er wohl nie vergessen.

Nach dem er mit seinen Freunden erst monatelang durch Afrika getourt war, waren sie über Ägypten nach Malta gekommen. In Italien hatte er seine Vorliebe für Nudelgerichte und Rotwein entdeckt. Dann ging es über die Schweiz und Österreich zum Bodensee. Hier gefiel es allen sehr gut. Es war nicht mehr so heiß wie in Afrika. Die Kombination aus Bodensee und Alpen ließ sie an zu Hause denken. Sie wollten über München nach Düsseldorf und Hamburg und dann weiter nach Norwegen und Schweden. Doch soweit kamen sie nicht.

Sam hatte ein wenig gegoogelt und entdeckt, dass in Düsseldorf die wohl größte Kirmes am Rhein stattfinden würde.

„Und freitags gibt’s abends auch noch ein Feuerwerk!“, hatte er beim Frühstück in München erklärt. „Da will ich hin!“. Sie waren schon immer beste Freunde gewesen, aber dieses Jahr, das sie nun schon zusammen unterwegs waren, hatte sie noch viel stärker zusammen geschweißt. „Komm schon, Drake“, meinten die anderen. Ihnen würde er sein Leben anvertrauen, was wäre da schon einmal Kirmes und Feuerwerk.

„Na klar, dann mal los.“, sagte Drake „Nach dem Frühstück Klamotten packen und weiter geht’s“.

*****

Drake

„Was für ein Lärm!“, rief Drake seinen Freunden zu und lachte.

„Oh ja“, antwortete Sam und hielt sich demonstrativ die Ohren zu. „Aber auch toll.“ Sie kamen gerade von der Wasserrutsche und Tristan und Maddox waren klatschnass. Drake und Jared waren nur feucht geworden, während Sam, der in der Mitte gesessen hatte, fast gänzlich trocken geblieben war.

„Nä nä nä“, lachte Sam „Ihr seid ja so nass! Los, kommt, ich will zum Rollercoaster.“ Während sie sich durch die Masse treiben ließen, überkam Drake irgendwie ein . . . komisches Gefühl? Eine Ahnung? Ein Geruch? Sein Kiefer schmerzte. Er blieb stehen und sah sich suchend um.

„Was ist los?“, fragte Jared, der neben ihm ging. Drake konnte sehen, dass Jared sofort in Alarmbereitschaft war.

„Ich weiß auch nicht, irgendwie . . .“ Drake ließ den Satz offen und sah sich nochmals um. „Hier ist es so laut, so viele Geräusche, Musik, Gespräche und dann erst noch die ganzen Gerüche: Essen, Alkohol, Pisse, Kotze und was weiß ich noch alles. Komm, egal, es weiß keiner, dass wir hier sind.“ Mittlerweile waren sie an der Achterbahn angekommen. Die Schlange davor war fast mörderisch lang.

Maddox stöhnte, „Das ist nicht dein Ernst, Sam! Hier sollen wir uns anstellen?“

Sam lachte: „Na klar! Schau doch mal, die Loopings!“

Da war es wieder. Während die Schlange sich langsam vorwärts bewegte und seine Jungs lachend und feixend zwei Schritte vorwärtsgingen, blieb Drake stehen und sah sich wieder suchend um. Nichts. Er konnte einfach nichts sehen, nichts riechen. So viele Menschen, aber er konnte keinen einzelnen erkennen.

‚Tief durch atmen, ganz ruhig, tief durch atmen‘ wiederholte er im Kopf. Dann schloss er die Augen und atmete tief ein. Da! Da war es! Ein Duft! Wie frische Lilien und Wald, wenn es geregnet hatte, irgendwie . . . rein. Sein Herz stolperte und er war fast sofort heiß. Langsam öffnete er die Augen. Jared, Maddox und Tristan hatten ihn quasi abgeschirmt, standen wie eine Mauer mit dem Rücken vor ihm und schauten über die Menge hinweg, was nicht schwierig war, denn mit ihren 1,90m waren sie größer als fast alle anderen. Nur Jared und Drake, die noch größer waren, überragten alle.

„Was ist los, Drake?“, schimpfte Jared.

Und dann sah er SIE. Sie kam lachend mit einer Gruppe Frauen auf ihn zu.

„Sie.“, seine Antwort war einfach.

Jared sah sich um. Er begann zu lachen. „Jungs, alles ok. Drake hat nur Frischfleisch gerochen.“ Die Spannung, die kurz vorher noch greifbar war, löste sich auf und sie warteten auf die Gruppe junger Frauen, die auf sie zukam.

„Welche willst du Drake?“, feixte Jared. „Ich nehm die mit den langen Haaren!“ Alle lachten, denn die jungen Frauen, die auf sie zukamen, hatten alle lange Haare. Alle lachten, bis auf Drake, der ganz leise knurrte. Er starrte die junge Frau mit den rotblonden langen Haaren an.

Sie sah aus, als wäre sie in eine Unterhaltung mit einer ihrer Freundinnen vertieft – wie konnte man sich bei dem Lärm nur unterhalten? Ein paar Schritte vor Drake und seinen Jungs blieb die Gruppe stehen und diskutierte, ob sie auf den Rollercoaster gehen sollten. Von irgendwo her erklang das Lied „You keep me hanging‘ on“ von Kim Wilde und er hörte zum ersten Mal ihre Stimme. Sie erschien ihm wie gefiltert durch das ganze Geräuschs-Chaos. Sie sang das Lied mit. Klar, hell, rein.

Drake konnte einfach nicht anders. Irgendwas an dieser Person faszinierte ihn, er musste sie einfach anstarren. Da stand er, Drake, an einem Freitagabend mitten auf der Düsseldorfer Kirmes, hörte nichts mehr außer ihrer Stimme, roch nur noch ihren Duft und sah nur noch ihr Gesicht. Die Jungs neben ihm lachten und ließen blöde Sprüche ab, aber Drake bekam das nur ganz weit hinten am Rand mit. Von irgendwoher kam ein Windstoß und brachte ihren Duft intensiv vorbei. Er sog ihren Duft tief ein und musste sich total zusammen reißen, am liebsten hätte er laut geheult.

Sie musste seine Blicke gespürt haben, denn auf einmal sah sie sich um. Ihr Blick flog über die Menge, über ihn hinweg, auf der Suche nach demjenigen, der sie anstarrte. Sie wurde von einer ihrer Freundinnen angesprochen und Drake musste lachen, denn sie führte eine ähnliche Unterhaltung wie noch vor kurzer Zeit er mit Jared.

Emily

„Ich weiß auch nicht“, sagte sie. „Ist so‘n komisches Gefühl, als würde mich jemand beobachten.“ Sie schaute sich noch einmal langsam um und bewusster die Menschen an, die in unmittelbarer Nähe standen. Ihr waren die Typen, die dort standen, schon aufgefallen. Aber diese Typen hatten irgendwas an sich, so dass sie sich irgendwie nicht traute, ihnen ins Gesicht zu sehen. Von ihnen ging etwas Gefährliches aus. Ihre Atmung beschleunigte sich, ihr Herz klopfte einen Takt schneller. Also flog ihr Blick nur vorbei. Sie lachte über sich selbst. Wie sollte sie diese Aura von Gefahr nur erklären? Gar nicht!

Sie wand sich wieder ihren Freundinnen zu und versuchte herauszufinden, worum es gerade ging. Aber dieses Gefühl, dieses ‚Beobachtet werden‘ und was noch schlimmer war, dieses Kribbeln im Nacken – es ging einfach nicht weg.

‚Was soll schon passieren?‘, dachte sie ‚Ich bin hier von hunderttausend Menschen umgeben‘. Sie hob den Kopf und drehte sich langsam. Diesmal schaute sie genau hin. Die Typen waren groß, sehr groß! Alle relativ schlank, aber scheinbar gut gebaut. Sie trugen Jeans und Lederhosen, Turnschuhe und Boots, T-Shirts und Hemden. Alles ganz normal. Dann glitt ihr Blick höher. Der Typ ganz rechts hatte lange mittelbraune Haare, der daneben war Blond. Der Typ in der Mitte hatte schwarze Haare, nicht kurz, aber auch nicht lang, total zottelig irgendwie. Er trug eine ziemlich dunkle Sonnenbrille. ‚Schnell wegsehen‘ war ein Gedanke, der ihr wie ein Blitz durch den Kopf fuhr und ihr Herz schneller schlagen ließ. Die beiden anderen hatten auch ziemlich dunkles Haar, aber sehr kurz geschnitten. Ihr Blick ging zurück zu dem Typen in der Mitte. Er stand breitbeinig mit seiner schwarzen Jeans und den Boots auf dem Platz, als würde der Platz ihm gehören. ‚Und die anderen sind seine Bodyguards‘, dachte sie, während ihr Blick wieder tiefer wanderte. Er hatte ein blaues Hemd an und die Arme vor der Brust verschränkt.

 

‚Was hat der für Oberarme! Das kann ja alles nicht echt sein‘, dachte sie und lachte. Langsam wanderte ihr Blick wieder höher und sie sah, dass er quasi in ihrem Tempo den rechten Arm hob und die Sonnenbrille abnahm. Er hatte unglaubliche blaue Augen.

Ihr Herz setzte aus. Um sie herum wurde es still und sie sah nur noch ihn.

‚Quatsch, das kann ich doch von hier aus gar nicht sehen – oder doch?‘ Warum klopfte nur ihr Herz so schnell? Er war es scheinbar, der sie die ganze Zeit anstarrte. Sie wandte den Blick ab. ‚Scheiße‘, dachte sie. ‚Scheiße!‘ Aber sie musste noch mal hinsehen. ‚Das ist doch eine Halluzination!‘ Nein, er war immer noch da und – warum auch immer – er machte den Eindruck, als würde er ihr was sagen wollen. Gerade, als sie fast einen Schritt in seine Richtung gemacht hätte, packten ihre Freundinnen sie und zogen sie weiter. „Komm Em“, riefen sie. „Wir wollen auf die wilde Maus und was essen.“

„Wartet mal, wartet mal“, wollte Emily rufen, während ihre Freundinnen sie an den Typen vorbei zogen. Im Vorbeigehen konnte sie ihm wirklich in die Augen sehen. Ja, sie waren blau, unglaublich blau. Wie das Meer. Und sie verlor sich in ihnen.

„Wartet mal, wartet mal“, schrie Emily und drückte die Fersen in den Boden. Nach einigen Metern blieben ihre Freundinnen endlich stehen und zerrten nicht mehr an ihr. „Was ist denn los?“, wollten sie wissen, doch als Emily sich diesmal umdrehte, konnte sie ihn nicht mehr sehen.

„Oh . . . ach . . . nichts. Dann los Mädels, wir wollen heute noch was erleben!“ Sie drehte sich noch zweimal um, aber sie fand ihn nicht mehr und ihr Herzklopfen ließ einfach nicht nach.

Drake

Sie sah ihn an.

Sie sah ihm direkt in die Augen.

Und er konnte ihr in die Augen sehen, während die Mädels an ihnen vorbei gingen. Sie waren grün. Nein, nicht nur grün, sie waren smaragdgrün. Wie der Wald zu Hause. Und es fühlte sich an, wie . . . versinken, ertrinken, nach Hause kommen. Sein Herz, es schien aus dem Takt zu kommen, nur um dann doppelt so schnell zu schlagen. Er war auf einmal total heiß. Sein Schwanz schwoll an und pochte in der engen Jeans. Und sein Kiefer schmerzte.

Ja, sie war es. Mit Sicherheit! Die Eine! Die, mit der er . . .

Maddox und Tristan hatten ihn gepackt, gaben ihm 'ne Kopfnuss und grölten. Sam stand in der Reihe und war nun fast am Fahrkartenschalter.

„Los“, brüllte er. „Kommt jetzt sofort hierhin oder ich fahre allein!“.

„Wartet mal“, sagte Drake.

„Nee, los jetzt, Sam wartet auf uns. Wir suchen Dir und uns nachher noch was Nettes zum Bumsen. Vielleicht finden wir die Mädels auch wieder. Aber schau mal, hier läuft so viel rum und wir ziehen heute Nacht noch durch die Altstadt.“ Die Worte, die Jared auf ihn losließ, verschwammen.

Die Fahrt auf der Achterbahn dauerte nicht lang, auch wenn sie Drake wie eine Ewigkeit vorkam. Wieso war er überhaupt mitgefahren? Warum hatte er sich nicht abgesetzt? Um sie zu suchen? Ja, um sie zu suchen. Nach der Achterbahn lenkte er seine Freunde hinter ihr her. Er konnte ihren Duft immer noch schwach wahrnehmen, was zwischen all den anderen Gerüchen ziemlich schwer war. Aber er war noch da. Nur: Wo war sie?

Nachdem Drake und die Jungs ihre Runde über die Kirmes gedreht hatten, folgten sie ihrem Geruch und der Masse über die Rheinbrücke in die Düsseldorfer Altstadt. Dort stellten sie sich zu den hunderten Menschen auf den Burgplatz an die Rheintreppen, um sich das Feuerwerk anzusehen. Aber Drake hatte keine Augen dafür. Er sah sich ständig um und hielt die Nase in die Luft. Doch mittlerweile war ihr Geruch verschwunden oder er konnte ihn bei all diesen Menschen einfach nicht mehr wahrnehmen.

Ungekannte Traurigkeit überfiel ihn, sein Herz wurde schwer.

Sie war fort.

Weg.

Nur noch eine Erinnerung.

Wie sollte er sie finden?

2.

Emily

Es war jetzt schon einen Monat her, seit Emily an ihrem Mädelsabend auf der Rheinkirmes gewesen war. Sie stand, nur mit einem großen Badetuch bekleidet, vor dem Spiegel. Sie sah sich an, aber sie sah nicht sich. Sie sah . . . ihn. Immer noch. Seine Augen. Und sie bekam immer noch extremes Herzklopfen, wenn sie nur an ihn dachte. Wie sich wohl seine Lippen auf ihrer Haut anfühlten oder seine Hände? Wie gern würde sie mit ihren Händen durch seine zottelige, schwarze Mähne fahren. Sie schüttelte den Kopf. Sie musste ihn endlich loswerden. Sie würde ihn nie wiedersehen. Er war sicherlich doch nur eine Einbildung gewesen. Es war Zeit, sich fertig zu machen. Heute hatte sie mit ihrer Band „Waterfalls“ einen Probeauftritt. Und wenn sie gut waren, dann könnten sie vielleicht den Job als Bargruppe bekommen.

*****

Drake

„Drake, wir müssen reden.“ Jared ließ die Bemerkung beim Frühstück fallen. Sam und Tristan standen sofort auf. „Wir haben noch was zu erledigen“, und weg waren sie. Maddox blieb ungerührt am Frühstückstisch sitzen, bestellte sich noch einen Kaffee und nahm sein viertes Brötchen. Drake sah fragend von Jared zu Maddox und zurück, während Jared Maddox leicht genervt ansah.

„Nöp, ich bleibe hier. Ich kann sicherlich auch was dazu sagen“, brummelte Maddox mit vollem Mund und biss noch einmal in sein Brötchen.

Langsam dämmerte es Drake. Er ahnte, worauf die Beiden hinaus wollten. „Ich kann noch nicht weg“, sagte er. „So einfach ist das.“

„Erzähl doch erst mal, was genau los ist.“

Drake schluckte. Er wusste nicht genau, wie er es sagen sollte oder wollte. Einiges konnte er sich ja selbst noch nicht eingestehen und es jetzt laut aussprechen, das ging einfach noch nicht. Aber er war sich auch bewusst, dass seine Hinhaltetaktik nicht mehr funktionieren würde und er wusste auch, dass die Jungs weiter wollten.

„Es tut mir leid, aber ich muss SIE finden. Ich muss. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich MUSS sie finden!“, brach es aus ihm heraus.

„Na, jetzt mal langsam mit den jungen Pferden. Wen musst Du finden?“

„SIE. Die Frau. Die von der Kirmes.“

„Die Frau von der Kirmes? Welche Frau? Ich kann mich an keine Besondere erinnern.“ Maddox lachte.

„Jared, Du weißt, wen ich meine!“

Jared

Jared überlegte kurz. „Die Kleine, die mit den anderen Mädels da war? Die, die Dich am Rollercoaster so angestarrt hatte? Die mit den roten langen Haaren? Wieso denn das?“ Jared war total erstaunt.

War er das wirklich? Hatte er nicht die Veränderung bemerkt, die seit diesem Abend bei seinem besten Freund stattgefunden hatte? Wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, dann musste er die Fragen eigentlich mit ‚Doch!‘, beantworten.

„Ok“, schmunzelte Jared. „Jetzt noch mal langsam und zum Mitschreiben.“

Drake

Drake holte tief Luft. „Ich kann es nicht erklären, Jared. Ich kann es nicht. Aber, an diesem Abend, mit ihr, da ist irgendwas mit mir passiert. Ich kann sie nicht vergessen. Ich habe immer noch ihren Duft in meiner Nase. Ich sehe immer noch ihre grünen, fragenden Augen. Mein Herz schlägt schneller, wenn ich nur an sie denke.“ Er stoppte, suchte nach Worten, holte nochmals tief Luft. „Ich glaube, dass sie die Eine sein könnte. Und ich kann hier nicht weg, bevor ich mir wirklich sicher bin, dass sie es NICHT ist. Wenn ihr weiter wollt, dann müsst ihr ohne mich los. Es tut mir leid.“ So, jetzt war es raus.

„Du meinst . . .“, stammelte Maddox.

„Bist Du Dir sicher?“, fragte Jared.

„Nein, nein, ich bin mir nicht sicher. Ich weiß es einfach nicht. Aber ich . . . ich kann es nicht erklären. Dieses dringende Gefühl, sie zu finden, sie zu sehen, sie zu . . .“.

„Ficken?“, versuchte Maddox zu helfen.

„Nein!“, widersprach Drake. „Nicht, um sie zu ‚ficken‘, sondern eher um sie . . . für mich zu gewinnen. Ich hab das dringende Bedürfnis, sie zu markieren. Ich kann’s nicht erklären.“

„Aber“, stammelte Maddox. „Sie ist nur ein . . .“.

„Ja! Ich weiß!“, unterbrach Drake ihn aufgebracht und knurrte Maddox an. „Sie ist nur ein Mädchen, ich weiß es!“

„Ok.“ Jared schüttelte den Kopf. „Ok. Pass auf, wir müssen den anderen davon erzählen. Wenn SIE wirklich DIE EINE ist, dann müssen wir sie suchen. Aber die Stadt ist groß und ob sie überhaupt hier in Düsseldorf wohnt, wissen wir gar nicht. Sie kann überall sein.“ Er überlegte. „Wir gehen heute Abend in diese neue Bar an der Rheinuferpromenade. Dort trinken wir in Ruhe ein Bier, besprechen die Lage und wie wir vorgehen sollten.“

*****

Drake

Abrupt blieb Drake stehen und Maddox und Sam rannten voll in ihn rein.

„Sie ist hier.“, murmelte Drake. Schlug sein Herz tatsächlich bis zum Hals?

„Ey Bruder, was soll das? Warum bleibst Du stehen?“ Sam war ganz erstaunt. Doch Maddox hatte Drake gehört. Er rief Tristan und Jared zurück. So war es meistens. Während Jared und Tristan vor ihm her gingen, bildeten Sam und Maddox die Nachhut. Oft gingen auch Maddox oder Jared mit ihm, aber er war selten der Erste.

„Sie ist hier.“ Drake hob etwas den Kopf und sog die Luft ganz langsam durch die Nase. „Ja, sie ist hier!“ Die Jungs machten es ihm nach und Drake lachte. Na, sie gaben sicherlich ein lächerliches Bild ab, hier, in der Stadt. Da standen 5 erwachsene Männer im Kreis, hielten die Nase in den Wind und schnüffelten. Langsam schaute er sie der Reihe nach an. Maddox, mit seinen kurzgeschorenen schwarzen Haaren. Er hatte graue Augen. Manche sagten, sie seien hart wie Stahl. Seine Augenbrauen waren etwas buschig und er hatte ein sehr markantes Gesicht. Er war sicherlich der Härteste in ihrer Gruppe und auch sein rechter Haken wurde gerne Stahlhaken genannt. Tristan hatte blonde Haare und das war wirklich selten bei ihnen. Er trug sie hier wieder etwas länger, was sein Gesicht noch weicher wirken lies. Seine Augen waren blau und er ließ viele Mädchenherzen höher schlagen. Er war der weiche Kern. Sam hatte braune Augen und dunkelbraune Haare, wie feuchte Erde. Er trug oft einen Dreitagebart, so wie auch heute. Die Frauen sagten immer, seine Augen seien schokoladenbraun und sie wollten gerne an seiner Schokolade naschen. Sam war eigentlich sowas wie ihr persönlicher Klassenclown. Jared war, genau wie er, noch etwas größer. Seine Haare waren lang und mittelbraun. Er trug sie fast immer als Zopf. Seine Augen hatten eine undefinierbare Farbe, irgendwie grün und braun. Aber so genau konnte man das wirklich nicht sagen. Jared stand ihm noch etwas näher als die anderen. Er war sein bester Freund. Ob sie gut aussahen, wusste Drake nicht zu sagen, er kannte alle schon sein Leben lang. Sie waren zusammen groß geworden, hatten schon als Kinder miteinander gespielt, waren nur ein paar Monate auseinander. Aber sie brachen gemeinsam sicher mehr als ein Herz. Oder Hundert? Oder Tausend?

„Ähm, was suchen wir eigentlich? Weißt Du es, Tristan?“, fragte Sam.

„Nö, keine Ahnung, aber was auch immer es ist, es muss gut riechen.“ Er grinste.

„Ich hab noch was zu erledigen. Geht ihr rein. Ich komm später nach.“ Drake drehte sich um und wollte gehen, doch Jared hielt ihn am Ärmel zurück und ging ein paar Schritte mit ihm.

„Wo willst Du hin? Bist Du bescheuert? Wenn ich das richtig sehe, suchst Du sie nun schon seit – wie lange sind wir hier, seit Juli und nun ist September – und jetzt willst Du gehen? Wohin?“ Jared war ganz aufgebracht.

„Jared, ich muss was erledigen. Allein. Ich komme wieder. Ihr geht da rein.“ Er sah ihm tief in die Augen. „Ist das klar?“ Noch nie hatte Drake seine Autorität so vehement eingesetzt wie heute.

„Du bist bescheuert!“ So leicht ließ Jared sich nicht beeindrucken. „Aber gut, es ist Deine Entscheidung.“ Er drehte sich um. „Kommt Jungs, wir gehen rein.“ Fassungslos starten sie von Drake zu Jared. Es kam so gut wie nie vor, dass Drake ganz allein irgendwo hin ging. Sam zuckte mit den Schultern. „Ok.“

Drake ging ein Stück, bis er sah, dass seine Freunde in der Bar waren. Dann blieb er stehen und atmete tief ein und aus. Was war nur los mit ihm? Er hatte sie gesucht und gefunden und jetzt konnte er nicht da rein gehen? Sonst war er eigentlich ein harter Hund, aber sie . . . sie ließ ihn weich werden. Das durfte doch nicht wahr sein. Sein Herz schlug schon wieder schneller, nur bei ihrem Geruch und sein Schwanz machte sich schon wieder bemerkbar. Er pochte in seiner Hose ‚Nimm sie, nimm sie‘ schien er zu sagen. Er musste sich beruhigen. Er schlug einen Bogen und ging zurück. Drake fand einen Platz draußen und ließ sich ein Bier bringen. Von hier aus konnte er seine Jungs sehen. Sie saßen ziemlich nah an der Tür, lachten und grölten. Aber was noch wichtiger war, er konnte SIE sehen. Sehen, riechen, hören. Er knurrte leise. Gut, dass er eine Jacke mitgenommen hatte, die er sich auf den Schoß legen konnte. Er konnte kaum atmen, geschweige denn sitzen. Sie stand mit ihren Mädels auf einer kleinen Bühne und nahm gerade das Mikro in die Hand.

 

„Hallo zusammen, guten Abend.“ Alle in der Bar unterbrachen ihre Gespräche und klatschten, viele riefen Hallo. „Viele von Euch wissen ja von meinem geheimnisvollen Fremden“, begann sie und Drake fühlte einen Stich in seinem Herzen – sie hatte jemanden? „. . . und dass ich mir sicher bin, dass er nur eine Halluzination war.“

„Vergiss ihn, Süße!“, rief jemand aus dem Publikum.

„Ja!“, schrie ein anderer. „Nimm mich!“

„Ich will ein Kind von Dir.“, rief ein Dritter und der ganze Saal lachte.

Drake knurrte und Jared drehte sich genau in diesem Moment zu ihm um. Wahrscheinlich hatte er ihn gehört. Er sagte etwas zu den anderen, nahm sein Bier und kam raus.

„Ruhig, Schwarzer, ruhig.“ Jared setzte sich.

Sie lachte. „Ja, ja, aber nur wenn Du blaue Augen hast!“, lachte sie ins Publikum. Blaue Augen? „Augen wie das Meer! Nein? Hast Du nicht? Nun, dann, sorry.“ Wieder lachten alle. „Jedenfalls dachte ich heute, ich hätte ihn gesehen, aber ich saß in der U-Bahn und fuhr an ihm vorbei, während er mit seinen ‚Bodyguards‘ die Treppe hochstieg.“ Alle in der Bar machten ‚Oooh‘ „Ich hab ihn also eventuell gesehen. Nur kurz und dann nur noch von hinten gesehen. Eventuell.“ In Drakes Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie waren heute mit der U-Bahn gefahren. Ein Blick in Jareds Gesicht sagte ihm, dass er dasselbe dachte. „Und deshalb hab ich mir überlegt, ich sing Euch heut mal ein paar Liebeslieder. Seid ihr damit einverstanden?“ Es wurde geklatscht und gejohlt.

„Ok, für Dich, meine Halluzination.“, flüsterte sie leise und die ersten Akkorde von Monrose „What you don’t know“ erklangen. Als Emily

Was Du nicht weißt, ist, dass ich Dich schon tief in meinem Herzen geküsst habe.

sang, musste Drake hart schlucken, denn er stellte sich ihre Lippen auf seinen vor. Auch die nächsten Textzeilen ließen eine Gänsehaut auf seinem Körper zurück

Was Du nicht weißt, ist, dass ich wach liege und wünsche Du wärst heute Nacht hier. Was Du nicht weißt, ist, dass ich Dich geliebt habe, schon lange, bevor wir gelebt haben. Wie solltest Du es wissen, wie könntest Du es wissen. Deshalb werde ich Dir jetzt alles erzählen.

als er sah wie sie die Augen schloss.

Sie sang dann noch weitere Lieder, wie „Dangerous“, „Set Fire to the Rain“, „Shame“ oder „Your Beautiful“. Und in jedem Lied gab es Zeilen, die Drake auf sich bezog. Er verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen. Na ja, ehrlich gesagt, hatte er Schmerzen, in seinem Herzen und in seinem Schwanz.

„So, wir machen jetzt eine kleine Pause. Mein Wasser ist leer. Bis gleich.“ Sie hielt ein leeres Glas in der Hand. Als die Gruppe von der Bühne ging, kamen Tristan, Sam und Maddox zu ihnen raus.

„Maddox hat uns alles erzählt!“, plapperte Tristan sofort los. „Ist sie es? Bist Du Dir sicher? Wie hast Du es gemerkt? Was machen wir jetzt? Wie soll es weiter gehen?“ Alle redeten durcheinander.

„Drake.“, sagte Jared ernst. „Sie ist nur ein . . .“

„Ja, ich weiß.“, unterbrach ihn Drake ruppig.

„Und Du bist . . .“, versuchte es Jared noch mal.

„ICH weiß, was ich bin!“, böse funkelte Drake Jared an.

„Ok, ich wollt’s nur noch mal sagen!“, beschwichtigend hob Jared die Hände. „Also, wie soll es weitergehen?“

„Ich weiß es nicht.“ Drake schüttelte den Kopf. „Ich weiß es einfach nicht.“

Das war vor etwa einem Jahr gewesen. Und heute saß er tatsächlich, mit klopfendem Herzen und feuchten Händen, in der Bar und wartete auf ihren Auftritt. Ob sie noch an ihn dachte? Ob sie ihn wiedererkennen würde? Oder vielleicht hatte sie ihn längst vergessen? Was würde er machen, wenn sie ihn nicht wiedererkennen würde? Wenn sie ihn nicht wollte?