Sea of Flames

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Aus der Reihe: Sea of Flames #4
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Kapitel VI

Evelyn

>> Na, hattest du Erfolg?<< fragte mich Robert, als ich endlich wieder zurückgefunden hatte und in unseren Raum ging, wo wir unsere Sachen hatten und schliefen.

>> Hatte ich, aber ich musste ziemlich weit laufen dafür.<<

>> So lange es funktioniert hat, ist es doch ok. Ich werde nachher auch mal nach Empfang suchen und dann Lilly anrufen.<<

>> Hast du das etwa noch nicht?<< fragte ich ihn überrascht, da es immerhin seine Tochter war, die sich sicherlich Sorgen um ihn machte, immerhin verstand sie bereits, wo ihr Vater war und dass es nicht ungefährlich war.

>> Ich habe ihr eine Nachricht geschickt, das musste erst einmal reichen. Wie gesagt, ich versuche es nachher mal.<<

Ich nickte lediglich, bevor ich meine Sachen weg legte und mir meinen Arztkoffer nahm, den ich gleich für die Operationen brauchte.

>> Soll ich schon vorgehen, oder kommst du direkt mit?<< fragte ich Robert, der noch auf seinem Bett saß und einige Papiere durchsah.

>> Nein, warte kurz, ich komme mit. Was steht denn bei dir jetzt an?<<

>> Die Entfernung eines gutartigen Tumors am Rücken eines Mädchens.<< klärte ich ihn auf und ging dabei nach draußen in die Hitze, woraufhin er mir folgte und wir schließlich gemeinsam zur Klinik gingen.

>> Wie alt ist sie?<<

>> Sechs.<<

Robert seufzte, bevor er in die Klinik ging, die eigentlich nichts weiter als ein Haus aus mehreren Räumen war. Es gab dort keine Operationssäle oder Behandlungszimmer wie bei uns, die perfekt klimatisiert und steril waren, sondern das komplette Gegenteil, da wir mitten im Nirgendwo waren.

Wir gingen in einen kleinen Gang, von dem aus drei Türen abgingen. Die linke führte in einen Vorratsraum, der gefüllt war mit Medikamenten, jedenfalls momentan noch, da wir einiges mitgebracht hatten. Die vordere Tür führte in einen großen Raum, in dem sechzehn Betten aneinander gereiht gegenüber standen, wobei auch noch mehr hineinpassen könnten, wenn dies nötig wäre.

Die rechte Tür führte in die beiden Operationsräume, die eigentlich ein Raum waren, da sie nur durch einen Vorhang getrennt waren. Es standen dort zwei Tische drin, sodass man gleichzeitig operieren konnte. Dieser Raum war auch durch den großen Raum erreichbar, sodass wir die operierten Patienten anschließend leicht zurückbringen konnten.

Es war für mich gestern bereits eine riesige Umstellung gewesen ohne all den technischen Schnickschnack auszukommen und trotzdem handeln zu können. Die Operationen verlangten viel Fingerspitzengefühl, Konzentration, Feinfühligkeit und Instinkt ab, weswegen ich absolut begeistert davon war.

Die letzten Jahre hatte ich gelernt, wie ich mit den Geräten und den einzelnen Krankheitsbildern oder auch Diagnosen umgehen und sie behandeln musste und nun musste ich noch einmal vollkommen umdenken. Röntgengeräte, Magnetresonanztomographen oder auch Blutanalysen waren hier nicht möglich, weswegen ich all mein Wissen hervorkramen musste und froh darüber war, dass ich durch die Prüfung gut vorbereitet war.

Das einzige, was mir hier wirklich Probleme bereitete, waren die Temperaturen. Ich war es gewohnt in klimatisierten Räumen zu arbeiten und zu operieren, damit ich mich konzentrieren konnte, doch das gab es hier nicht. Morgens war es hier eisig kalt, während es tagsüber gut und gerne über 30 Grad warm wurde, bis es abends wieder eiskalt wurde.

Diese Schwankungen hatten dafür gesorgt, dass Robert sich schon eine leichte Erkältung eingefangen hatte, weswegen ich mich abends immer warm genug anzog. Die Vorstellung erkältet im OP zu stehen, Fieber zu haben, während man sämtliche Flüssigkeit in seinem Körper ausschwitzte und dabei konzentriert operieren musste, war für mich unerträglich, weswegen ich alles dagegen unternahm, krank zu werden.

Ich desinfizierte grade meine Hände, sah auf das Mädchen, welches schon auf der Liege lag, als ich noch einmal tief durchatmete und schließlich zu ihr ging, um ihr zu helfen.

Während ich operierte, spürte ich wieder einmal meine morgendliche Übelkeit, die inzwischen mein ständiger Begleiter geworden war. In den letzten Tagen war es in Amerika besser geworden, doch nun war es wieder stärker denn je. Vielleicht lag es an der Hitze, vielleicht auch an den Gerüchen, oder dem Essen hier.

>> Alles ok, Schneeflocke?<< fragte mich Robert plötzlich, weswegen ich erschrocken aufsah und erst jetzt bemerkte, dass ich überhaupt nicht mehr operiert hatte. Mit erhobenen Händen stand ich am Tisch und hatte automatisch tief ein und aus geatmet, um meine Übelkeit zu unterdrücken.

>> Ja... Es geht schon wieder.<< antwortete ich knapp, atmete noch einmal tief ein und aus, bevor ich mich wieder meiner Patientin zuwandte.

>> Wirklich? Denn du bist kreidebleich.<<

>> Sagte ich doch.<<

>> Hast du überhaupt schon etwas gegessen heute?<<

>> Robert bitte. Dürfte ich mich jetzt bitte konzentrieren?<< fuhr ich ihn an, da ich jetzt nicht darüber reden wollte.

>> Das könntest du, wenn du etwas gegessen hättest. Du brauchst morgens eine Grundlage, wenn du danach stundenlang operierst. Ich dachte, dass ich das einer Ärztin nicht erklären müsste.<< ermahnte er mich streng, während er seine Hände desinfiziert hatte und anschließend an meine Seite trat.

>> Was soll das?<<

>> Ich operiere weiter und du frühstückst jetzt!<<

>> Aber das ist meine Patientin und du musst doch jetzt selber operieren.<<

>> Mein Patient hat Fieber, also nein, ich habe kurz Zeit und jetzt geh und iss!<< sagte er streng und funkelte mich wütend an. Er hatte ja Recht und normalerweise frühstückte ich ausgiebig, doch das wäre in meiner derzeitigen Situation genau das Falsche, da es direkt wieder herauskommen würde und das wäre hier im OP eine Katastrophe.

>> Noch einmal Robert. Es geht mir gut und ich kann mich konzentrieren, wenn du mich endlich in Ruhe lässt. Ich esse nach der OP etwas, aber jetzt geht das nicht.<<

>> Doch...<<

>> Nein, wenn ich jetzt etwas esse, dann...<<

>> Dann was?<<

>> Dann... Dann wird mir in spätestens 15 Minuten so schlecht sein, dass ich mich während der Operation übergeben muss und das geht nicht. Das weißt du!<< erklärte ich bestimmt, während er mich durchdringend ansah und nachdenklich musterte.

>> Bist du etwa so eine Bulimikerin?<<

>> Was? Nein!<< antwortete ich empört, doch das interessierte ihn überhaupt nicht, da er direkt weitersprach und mich ignorierte.

>> Das hätte ich von dir nicht gedacht, klar du bist verdammt schlank und zart, hast seit ich dich kenne ziemlich viel abgenommen, wobei ich immer dachte, dass es wegen des Kummers mit Blake wäre, aber doch nicht so... Evelyn du weißt selber, wie schädlich das ist und...<<

>> Nein, bin ich nicht. Was denkst du denn von mir? Natürlich weiß ich, dass das nicht in Ordnung ist und das mache ich auch nicht!<< stellte ich klar und spürte, wie Wut in mir aufstieg, die sich jedoch verflüchtigte, da Robert mich besorgt ansah.

>> Aber dann...<< begann er den Satz, bevor er schockiert innehielt und mich mit großen Augen ansah.

>> Nein!<< entfuhr es ihm plötzlich, während nun er kreidebleich aussah.

>> Du bist schwanger!<<

>> Robert... Dürfte ich jetzt einfach weiter operieren?<< bat ich ihn erneut und wandte mich bereits wieder dem Mädchen zu, während ich im Augenwinkel wahrnahm, wie er mich anstarrte.

>> Warum hast du nichts gesagt? Dann hätte ich dich gar nicht mitgenommen. Du dürftest gar nicht hier sein!<<

>> Weil schon alles geplant war und ich den Operationsplan gesehen habe. Es geht mir gut, bis auf diese morgendliche Übelkeit, also kann ich ruhig ein paar Menschenleben retten und verbessern und in knapp drei Wochen sind wir ja schon wieder zurück.<<

>> Und was ist mit den Krankheiten, die es hier gibt? Was ist, wenn du dich ansteckst? Was ist mit Malaria zum Beispiel? Du bist verrückt Evelyn! Das ist rücksichtslos!<< fuhr er mich an, während er mit den Händen wild in der Luft herumfuchtelte.

>> Daran habe ich nicht gedacht. Es war einfach zu viel los in den letzten Tagen.<<

>> An so etwas musst du denken! Du bist nicht mehr allein! Verdammte scheiße! Wenn dir etwas passiert hier, dann werde ich mir das nicht verzeihen und dein Mann wird mir die Hölle heiß machen!<<

>> Jetzt beruhige dich bitte Robert. Es geht mir wirklich gut und ich werde mich hier schon mit nichts anstecken. Ich bin vorsichtig und nachts habe ich das Moskitonetz über dem Bett. Auch hier gibt es schwangere Frauen, denen es gut geht und die gesunde Kinder auf die Welt bringen.<<

>> Trotzdem. Du dürftest gar nicht so lange arbeiten und hier im Akkord operieren. Du brauchst Ruhepausen.<< wandte er ein, während ich seufzte und langsam wieder begann zu operieren, da das Mädchen nicht ewig in Narkose bleiben konnte und ich meine Übelkeit relativ gut unter Kontrolle hatte.

>> Du hast sogar Nachtschichten im Krankenhaus gemacht. Evelyn du musst dich schonen. Wie weit bist du denn?<< unterbrach Robert nach einigen Sekunden wieder die Stille und trat auf die andere Seite des Operationstisches, um mir behilflich zu sein.

 

>> Sechste Woche, also noch ganz frisch und ja, im Krankenhaus weiß es niemand. Außer Laura und so soll es erst mal bleiben. Ich habe die letzten Wochen schon nicht arbeiten dürfen, wegen meines Armbruchs und da bin ich schon verrückt geworden, also bitte lass mir meine Arbeit. Ich brauche das.<< bat ich ihn, während ich nebenbei den Tumor freilegte und eine neue Welle der Übelkeit herunter schluckte.

>> Das kannst du doch auch, aber weniger! Es gibt nicht umsonst diese Regelungen für Schwangere.<<

>> Ich werde ja auch bald mit Dr. Hawn reden, aber soll ich direkt am ersten Tag zu ihm gehen und sagen, dass ich schwanger bin, nachdem ich sechs Wochen ausgefallen war?<<

>> Wohl eher nicht...<< stimmte er mir resigniert zu und seufzte.

>> Eben. Ich werde schon noch mit ihm reden. So rücksichtslos bin ich nun auch nicht meinem Kind gegenüber.<<

>> Das hoffe ich für dich.<<

Ich nickte nur und trennte die Verbindungen des Tumors mit dem umliegenden Gewebe, während Robert den Tumor so hielt, dass ich freie Sicht hatte.

>> Was sagt Blake eigentlich dazu? Ich schätze mal, dass er der Vater ist...<<

>> Ist er natürlich und er hatte erst so seine Probleme damit, so wie ich auch, aber wir haben uns vor dem Abflug ausgesprochen.<<

>> Meint ihr ehrlich, dass ihr es hinkriegt? Ihr habt euch schon so oft getrennt, gut jetzt seid ihr verheiratet, aber selbst währenddessen war wieder einige Tage Funkstille.<<

>> Weil diese Schwangerschaft ihn aus der Bahn geworfen hat.<< nahm ich Blake in Schutz und erklärte ihm während der Operation alles über June und Blakes Rolle dabei.

>> Trotzdem ist das kein Grund dich am Straßenrand stehen zu lassen.<<

>> Ich weiß und dafür hat er sich entschuldigt. Es war eine Kurzschlussreaktion, denke ich und da können wir nicht mitreden. Wir haben solch eine Situation noch nicht miterlebt, also werde ich darüber auch nicht urteilen.<<

>> Mag sein, aber als Vater sollte er dann schleunigst etwas daran ändern und seine Gefühle unter Kontrolle haben.<<

>> Niemand ist perfekt.<<

Wir schwiegen eine Weile, während ich das Mädchen zunähte und wir sie der Krankenschwester übergaben. Eilig ging ich an das Waschbecken und wusch mir die Hände, bevor ich mein Gesicht kühlte und kurz Kraft tankte. In der nächsten Sekunde zog Robert mich bereits zurück zu unserem Zimmer und stellte mir Obst vor die Nase, damit ich etwas aß.

>> Ich gehe hier nicht eher weg, bis du genügend gegessen hast.<< stellte er klar und setzte sich mit verschränkten Armen gegenüber von mir hin.

>> Jawohl Dr. Lawrence!<<

>> Ich sehe dich immer noch nicht essen!<< fuhr er mich erneut an, weswegen ich die Augen verdrehte und mir eine Banane nahm.

>> Besser?<<

>> Mhm. Ich könnte dir trotzdem noch den Hals umdrehen. Du weißt einfach nicht, worauf du dich einlässt, wenn du schwanger im Operationssaal stehst und so eine lange Operation hast.<<

>> Du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde das hier schaffen, falls es dir darum geht und du Angst hast, dass am Ende nicht genügend Menschen geholfen wurde.<<

>> Das kannst du nicht wissen.<<

>> Doch und jetzt vertrau mir.<< versicherte ich ihm und dachte an die Zeit nach Adam. Auch dort hatte ich eine Woche lang operiert, obwohl ich schwanger gewesen war, da ich keinen früheren Termin für die Abtreibung bekommen hatte.

>> Ist das deine erste Schwangerschaft Evelyn?<< hakte er skeptisch nach und sah mir dabei zu, wie ich mir nach der Banane eine Mango nahm.

>> Nein.<<

>> Die zweite?<<

>> Ja und bevor du mich weiter ausfragst... Meine erste Schwangerschaft war vor fünf Jahren, wobei ich das Kind abgetrieben habe und bevor du mir jetzt einen Vortrag darüber hältst, wie ich das nur tun konnte... Es war von Adam, dem Mann, der mich missbraucht, vergewaltigt, gewürgt und geschlagen hat, der mich nach knapp fünf Jahren wiedergefunden hatte und es erneut versucht hatte, wo ich dann ja bei dir eingeliefert wurde.<< erinnerte ich ihn und dachte an die Nacht, wo er mich so stark gewürgt hatte, dass ich wiederbelebt werden musste.

Auch Robert schien sich zu erinnern, atmete tief durch, seufzte, ehe er sich nach hinten sinken ließ und sich schließlich das Gesicht rieb. Sein Blick war nun wesentlich sanfter, wobei er noch nach den richtigen Worten zu suchen schien.

>> Das wusste ich nicht. Tut mir Leid Schneeflocke. Ich wollte dich nicht daran erinnern und... Wie dem auch sei. Dann schauen wir mal, wie du das hier durchhältst. Ich hoffe, dass du ehrlich zu dir selbst bist und dir die Pausen nimmst, die du brauchst. Du brauchst niemandem hier etwas beweisen und schon gar nicht mir. Wenn du mir hier umkippst, dann kriegst du von mir noch mal zusätzlich einen Tritt in den Hintern. Haben wir uns da verstanden?<<

>> Jawohl Sir.<< sagte ich ein wenig belustigt, da ich schon lange nicht mehr solch eine Predigt gehört hatte. Selbst Blake übertrieb es nie so.

>> Evelyn!<<

>> Ist ja gut.<<

>> Das hoffe ich! Ich muss in den OP, sonst würde ich noch weiter mit dir hier sitzen und reden, aber dann komme ich in Verzug. Iss in Ruhe auf und dann kannst du wieder rüber kommen.<<

>> Mache ich.<<

Er nickte nachdenklich, bevor er aufstand, mir noch einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf gab und schließlich zurück in den OP ging. Ich blieb noch eine Weile sitzen, aß die Mango auf und trank ein Glas Wasser, bevor ich noch einmal auf mein Telefon sah.

Vielleicht war der Empfang ja inzwischen besser und ich hatte vielleicht sogar Internet, sodass ich Blake eine Nachricht schicken konnte, doch meine Hoffnungen lösten sich sofort wieder in Luft auf, als ich die Anzeige sah. Man hatte mir beim Kauf der Sim-Karte direkt gesagt, dass das Netz hier manchmal ausfällt, was mehrere Tage andauern kann, was ich nun zu spüren bekam.

Ein wenig niedergeschlagen legte ich das Telefon wieder weg, trank noch einmal einen Schluck und folgte Robert schließlich zur Klinik, um meinem nächsten Patienten zu helfen.

Kapitel VII

Blake

>> Mr Humphrey. Hier möchte gerne ein gewisser Mr Benton zu Ihnen.<< informierte mich der Portier über das Telefon, während ich zu Hause in meinem Arbeitszimmer saß und eine Fortbildung für unsere Personenschützer plante. Müde wischte ich mir mit den Händen durchs Gesicht und lehnte mich im Stuhl zurück.

>> Lassen Sie ihn nach oben.<< antwortete ich und erhob mich bereits vom Stuhl, um Edward die Tür zu öffnen. Ich hatte mit seinem Besuch bereits gerechnet, da meine Mutter letzte Woche Geburtstag gehabt hatte und er sicherlich wissen wollte, wieso ich nicht erschienen war. Allerdings hatte ich schon wesentlich früher damit gerechnet, da es ein absoluter Fauxpas war, wenn ein Sohn nicht zum Geburtstag der Mutter erschien, wo doch die ganze Presse anwesend gewesen war.

Da er noch nicht oben angekommen war, ging ich schon mal zur Bar und schenkte uns einen Whisky ein, den er sicherlich trinken würde, da ich wusste, dass er sich abends immer etwas genehmigte und er unten bestimmt seinen Fahrer stehen hatte.

>> Hi Blake.<< begrüßte er mich schließlich und trat in den Raum, bevor er die Tür hinter sich schloss und zu mir kam.

>> Hi Edward. Wie geht’s?<<

>> Gut, zumindest kann ich nicht klagen. Seit wann muss man sich bei dir anmelden, wenn man zu dir möchte?<< hakte er irritiert nach und ging mit mir zur Couch, wo wir uns schließlich setzten und ich ihm sein Glas gab. Dankend nickte er mir zu und genehmigte sich einen Schluck, ehe er es sich gemütlich machte.

>> Seit der Sache mit Mum, die hier einfach in diese Wohnung hereinspaziert ist und Evelyn gedroht hat.<< sagte ich nüchtern, womit wir sicherlich schon beim Thema waren.

>> Du bist immer noch sauer auf sie, richtig?<<

>> Kannst du es mir verdenken?<<

>> Nein.<< stimmte er mir zu und trank einen weiteren Schluck, während er mich musterte.

>> Dass, was sie getan hat, war mehr als falsch und das habe ich ihr auch gesagt. Ich meine, ich kenne Evelyn nicht wirklich, aber ich fand sie nett und sie passt zu dir. Ob sie jetzt früher eine Stripperin war oder nicht, wen interessiert das schon.<<

>> Deine Schwester.<< wandte ich ein, während ich spürte, wie mein Puls schon wieder schneller wurde. Diese ganze Sache machte mich immer noch wütend, weswegen ich meine Nerven mit einem Schluck Whisky beruhigte.

>> Richtig. Für sie ist so etwas halt... Wie soll ich das erklären. Sie wurde da anders erzogen. Unsere Eltern waren sehr streng damals. Wir hatten meiner Meinung nach nie eine richtige Kindheit. Wir mussten von Anfang an gute Noten schreiben, hatten Privatunterricht zu Hause, kein Kontakt zu anderen Kindern, höchstens zu denen anderer wohlhabender Eltern, die aber genau so eine Erziehung genossen hatten wie wir. Spielen im Garten? Wozu? Malen, Spaß haben, Träumen, Kuscheln... Das waren alles Dinge die laut unseren Eltern überflüssig waren. Wir sollten schnell unseren Abschluss machen und das so gut wie möglich. Eine zwei in der Schule war eine Katastrophe. Wir hatten einen immensen Druck und uns wurde jeden Tag vorgebetet, was wir später werden sollten. Selbst der Beruf Tänzerin wäre ein Unding gewesen, weil es sich einfach nicht gehörte. Deiner Mutter wurde direkt eingetrichtert, dass sie einen netten, wohlhabenden Mann finden solle und schnellstens heiraten und Kinder bekommen sollte... Natürlich ist unsere Gesellschaft heutzutage moderner geworden und auch deine Mutter ist sicherlich moderner geworden, aber in diesem Punkt... Ihr ist wichtig, was die Presse über euch berichtet, weil sie es so von klein auf gelernt hat. Ihr ist wichtig, dass du eine Frau findest, die dich liebt und dich glücklich macht, dich voran treibt und die nicht so eine üble, hinterhältige Schlampe ist wie Kelly es damals war. Entschuldige, wenn ich das so sage, aber das war sie.<<

Ich nickte nur und hörte ihm zu, während ich mir die Kindheit meiner Mutter vorstellte. Sie hatte noch nie darüber gesprochen. Nicht ein einziges Mal, wenn ich mich recht erinnerte.

>> Sie wollte dich schützen, aber du hast Recht, sie ist zu weit gegangen. Viel zu weit. Wobei es sicherlich nie so weit gekommen wäre, wenn nicht auch noch vorher das mit David passiert wäre, wo sie herausfinden musste, dass er sie mehrmals betrogen hatte. Jetzt die Flittchen mit denen er zu tun hat. Jede Woche ein Bild in den Zeitungen zu sehen, wie er immer wieder einer neuen Schlampe die Zunge in den Hals steckt... Dazu dann die Berichte, dass Evelyn eine Stripperin war oder ist... Der Ruf eurer Familie ging den Bach runter, ihre Freunde haben sie nicht mehr angerufen, wollten nichts mehr mit ihr zu tun haben, weil in diesem Punkt alle noch altbacken sind. Ihre Freunde wollten nichts mehr mit ihr zu tun haben, David hatte sie verloren, Erin und Ava ebenfalls ein wenig, Elliott und du waren auch nicht da... Sie war allein und verzweifelt. Das war zu viel.<< entschuldigte er ihr Verhalten und verbarg dabei nicht, was er von meinem Vater hielt. Seine Gesichtszüge waren selbst jetzt noch angewidert, wobei ich nicht genau wusste, ob es vielleicht auch an Evelyns Nebenjob lag.

>> Was denkst du über das Strippen von Evelyn?<< hakte ich daher nach und betrachtete ihn interessiert. Sofort sah er mich an und streifte den Ekel in seinem Gesicht mit seinen Händen regelrecht ab.

>> Es war halt ihr Job. Warum nicht? Viele machen das, um gutes Geld zu verdienen. Sie ist hübsch, hat einen perfekten Körper dafür, also wird sie dort gut verdient haben und es hatte ja seine Gründe, wenn ich das richtig verstanden hatte. Ich schätze du hast eine Person gefunden, die sich nicht vor Arbeit und Mühe scheut, die sehr stark und zielstrebig ist, sehr organisiert und uneigennützig. So jemanden findet man selten heutzutage, deswegen solltest du gut auf dieses Glück aufpassen.<<

 

>> Das tue ich.<< stimmte ich ihm zu und entspannte mich zunehmend. Ich machte zwar nicht meine Entscheidungen von seiner Meinung abhängig, allerdings war Edward schon immer jemand gewesen, auf dessen Meinung ich großen Wert gelegt hatte.

>> Seid ihr denn noch zusammen?<< fragte er schließlich nach und sah sich in der Wohnung um, da er sie anscheinend suchte.

>> Sind wir, aber sie ist im Moment für drei Wochen in Kenia.<< klärte ich ihn auf und genehmigte mir noch einen Schluck.

>> In Kenia? Wieso? Macht sie ohne dich Urlaub?<<

>> Sie hatte das geplant, als wir getrennt gewesen waren, wobei es kein Urlaub ist. Sie nutzt ihren Urlaub, um dort die gesamten drei Wochen zu arbeiten, um dort Menschen zu operieren und sie zu behandeln, da die medizinische Versorgung dort ja nicht grade weit ist, wie du sicherlich weißt.<<

>> Leider, ja. Wie lange ist sie denn schon da?<<

>> Seit knapp zwei Wochen etwa, aber viel haben wir leider nicht sprechen können, da sie im Akkord im OP steht und abends dann todmüde ins Bett fällt.<<

>> Verstehe. Grüß sie von mir, falls ihr wieder telefoniert.<<

>> Mache ich.<< versicherte ich ihm und sah aus Reflex wieder auf mein Telefon, was jedoch nichts von Evelyn anzeigte.

>> Netter Ring.<< bemerkte Edward plötzlich und deutete mit einem Nicken auf meine Hand, die grade das Telefon weglegte.

>> Ist das ein normaler Ring, oder ein Ehering?<< hakte er interessiert nach und sah mich erwartungsvoll an. Ich wusste, dass er es sofort meiner Mutter erzählen würde, wenn ich ihm die Wahrheit sagte, doch warum nicht? Evelyn und ich hatten nichts mehr zu verbergen und hatten beschlossen sie offen zu tragen und sie nicht mehr zu verstecken.

>> Ein Ehering.<<

>> Also habt ihr geheiratet?<<

>> Vor guten zwei Monaten etwa in Neuseeland. Es war spontan, sonst hätten wir euch eingeladen, wobei wir beide lieber nur ganz klein für uns heiraten wollten.<<

>> Anders hätte ich euch auch nicht eingeschätzt. Glückwunsch Blake zu dieser tollen Frau an deiner Seite. Auf das ihr wundervolle Jahre miteinander verbringen werdet und glücklich seid.<<

>> Danke Edward.<< sagte ich und stieß mit ihm an, ehe wir den restlichen Whisky tranken.

>> Noch einen?<<

>> Danke, aber dann macht deine Tante mir die Hölle heiß.<< seufzte er und erhob sich, während ich beim Bild, wie meine Tante fluchend und meckernd durch das Haus lief, grinsen musste.

>> Ich wollte nur sehen, wie es dir geht und das Verhalten deiner Mutter ein wenig erklären. Sie hat Fehler gemacht, ja, aber sie möchte sie wieder gut machen und es wäre schön, wenn du dir einen Ruck geben würdest. Sie wird morgen zum Essen zu uns kommen, ebenso wie dein Bruder. Es wäre nicht so ein großer Rahmen wie beim Geburtstag, sondern nur privat bei uns. Mary würde sich auch freuen, dich endlich mal wiederzusehen.<< versuchte er mich zu überzeugen, wobei ich seine Frau Mary wirklich gerne mal wiedersehen wollte.

>> Ich überlege es mir, wobei ich auch schauen muss, ob ich morgen pünktlich aus der Firma komme. Es könnte sein, dass ich für jemanden einspringen muss.<<

>> Natürlich. Komm einfach vorbei, wenn es dir passt und ansonsten hören wir einfach wieder so voneinander.<<

>> Ist gut.<<

Ich begleitete ihn noch zur Tür und verabschiedete mich von ihm, während ich bereits überlegte, ob ich da morgen wirklich hingehen wollte. Wollte ich wirklich wieder auf meine Mutter treffen, die so viel Mist gebaut hatte? Die versucht hatte mein Leben zu zerstören? Die Evelyn so viel Leid zugefügt hatte? Hatte sie wirklich eine zweite Chance verdient?

Und was war mit Elliott? Er hatte Evelyn geschlagen, einer Frau, meiner Frau ins Gesicht, weil er die Wahrheit nicht vertragen hatte. Das schlimmste daran war, dass er sich bisher kein einziges Mal dafür entschuldigt hatte. Nicht das man dies entschuldigen könnte, aber er bereute es nicht einmal.

Zum Glück hatte ich noch ein wenig Bedenkzeit, weswegen ich wieder zurück in mein Büro ging und mich an den Schreibtisch setzte. Ich musste mich erst wieder in die Fortbildung einarbeiten, da mich das Gespräch mit Edward so aus der Bahn geworfen hatte. Gerade als ich den Faden wieder gefunden hatte, klingelte mein Telefon, das ich geistesabwesend in die Hand nahm und nahm den Anruf entgegen.

>> Humphrey...<< murmelte ich beschäftigt ins Telefon und notierte nebenbei die Adresse für ein passendes Übungsgelände.

>> Ich störe grade oder?<< fragte Evelyn mich vorsichtig, während ich sofort den Stift zur Seite legte und mich pure Freude durchströmte. Bisher hatte sie jeden Tag von sich hören lassen, außer heute, wobei sie mir gestern schon erzählt hatte, dass sie heute enorm viel zu tun hätte, weswegen ich nicht mit ihrem Anruf gerechnet hätte.

>> Du nie. Ich hatte nur nicht mehr mit deinem Anruf gerechnet.<<

>> Ich vergesse immer, dass es bei dir schon so spät ist. Hier ist es erst elf Uhr morgens.<<

>> Dann hast du ja noch deinen anstrengenden Tag vor dir.<<

>> Richtig. Wobei ich schon drei Operationen heute geschafft habe. Aber egal, wie geht es dir?<<

>> Gut. Ziemlich erledigt vom Tag heute, aber sonst gut. Edward war grade hier.<< seufzte ich und lehnte mich in meinem Schreibtischstuhl zurück, um beim telefonieren die Fotos von ihr betrachten zu können.

>> Und was wollte er?<<

>> Dass ich morgen zum Essen zu ihm komme, wobei meine Mutter und Elliott auch da sein werden. Er hat mir versucht zu erklären, warum sie damals so widerlich war und dass ich mir überlegen solle, ob ich ihr nicht eine zweite Chance geben wolle.<<

>> Du klingst nicht grade überzeugt.<<

>> Bin ich auch noch nicht.<< gab ich zu, als eine kurze Pause entstand und Evelyn sicherlich überlegte, was sie darauf sagen solle.

>> Wegen mir musst du sie nicht ignorieren. Sie ist immerhin deine Mutter und ich möchte mich da nicht zwischen euch stellen. So lange ich erst mal nichts mit ihr zu tun haben muss, ist das ok für mich.<<

>> Du bist zu gutmütig. Weißt du das?<<

>> Ich möchte dir da nur nicht hineinreden. Wenn du ihr eine zweite Chance geben möchtest und Elliott auch, dann ist das in Ordnung, wenn nicht, dann kann ich das auch verstehen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Du hast mir bei meinem Vater ja auch nie hineingeredet und mir meinen Freiraum gelassen.<< erklärte sie sich noch einmal, als mir ein Gedanke kam, der mir wieder einmal zeigte, dass ich mich mehr und mehr auf das Kind freute.

>> Unser Kind hätte keinen Kontakt zu Großeltern, wenn wir uns nicht wieder mit ihnen versöhnen.<<

>> Stimmt. Wobei... Wenn ich mal bei meinen Geschwistern bin, dann würde ich meinen Vater auch als Opa einbeziehen. Wie gesagt, ich habe meine Probleme mit ihm als Vater, aber ich weiß auch, wie er eigentlich ist.<<

>> Zu gutmütig.<< schmunzelte ich und hörte Evelyn genervt seufzen, weswegen ich das Thema wechselte.

>> Nur noch eine gute Woche, dann bist du wieder hier bei mir.<<

>> Ich freue mich schon wahnsinnig darauf. Aber bitte plane nichts, denn ich glaube ich brauche erst einmal zwei Tage Schlaf.<<

>> So lange ich dich zwischendurch verführen darf, ist das kein Problem.<< bemerkte ich amüsiert und konnte mir nur zu gut vorstellen, wie sie sich bei dem Gedanken auf die Lippe biss.

>> Das darfst du nicht nur, das musst du sogar. Da bestehe ich drauf.<<

Die Vorstellung daran, wie sie wieder hier wäre und wir uns im Bett vergnügten, sorgte dafür, dass ich eine Beule in der Hose bekam und mit meinen Gedanken abdriftete. Sie war einfach schon zu lange weg und ich sehnte mich zu sehr nach ihr.

>> Soll ich auflegen und dich mit deinen schmutzigen Gedanken allein lassen?<< fragte Evelyn amüsiert nach, was mich wieder aus meinen Gedanken riss.

>> Das kannst du mir nicht vorhalten, wenn du mir so eine Vorlage bietest. Das letzte Mal auf dem Dach war ich ja ein wenig außer Gefecht gesetzt durch das Bein, da konnte ich dich nicht in vollen Zügen genießen.<< verteidigte ich mich und rieb mir aus Reflex die Stelle am Oberschenkel.

>> Vielleicht habe ich ja morgen in der Lodge richtiges Internet, dann könnten wir einen Videoanruf starten.<< schlug sie vor, was mich wieder sofort daran erinnerte, dass sie morgen mit Robert zu der Safari fuhr, was mich auf der einen Seite direkt wieder eifersüchtig machte, doch auf der anderen Seite beruhigte, da sie sofort an mich und einen Anruf gedacht hatte.

>> Das wäre perfekt.<<

>> Ich weiß nur nicht, wann ich da Zeit habe. Vielleicht ist es dann nachmittags bei dir und ich störe dich dann bei einem wichtigen Meeting, oder bei der Fortbildung mit deinen Angestellten.<<

>> Egal wann, ruf an und ich werde schon irgendwo ein Plätzchen für uns finden.<< antwortete ich sofort, damit ihr klar war, dass sie keine Rücksicht nehmen brauchte. Ich hatte sie seit zwei Wochen nicht gesehen und musste mich selbst davon überzeugen, dass es ihr gut ging. Die ganze Zeit über nur ihre Stimme zu hören, reichte mir nicht. Ich musste sie unbedingt sehen.