Biografie Luisa Piccarreta, Dienerin Gottes

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Biografie Luisa Piccarreta, Dienerin Gottes
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LUISA PICCARRETA

Die kleine Tochter des Göttlichen Willens

Memoirensammlung über die Dienerin Gottes

BERNARDINO GIUSEPPE BUCCI

Ordensangehöriger der Minoriten

Meiner Tante Rosaria

für ihre treue Überlieferung

des Lebens der Dienerin Gottes

Luisa Piccarreta

Imprimatur

[Kirchliche Druckerlaubnis zu Trani]

am 27.11.1948,

Fr. REGINALDO ADDAZI O.P., Erzbischof

ISBN: 978-3-7418-4651-9

Information: www.goettlicherwille.org

Copyright © 2016 – Studiengruppe Hl. Hannibal di Francia

www.goettlicherwille.org

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil der Einführung und

den Anmerkungen dürfen reproduziert, gescannt,

oder in irgendeiner gedruckter oder

elektronischer Form ohne Genehmigung

verbreitet werden.

Erste Auflage: August 2016

Eigentum des Autors

INHALTSVERZEICHNIS

EINFÜHRUNG

VORWORT

ERSTES KAPITEL

Biographische Daten

Bedeutsame Daten

Beichtväter und Seelenführer

Die Bischöfe

Liste der Schriften von Luisa Piccarreta

ZWEITES KAPITEL

Das Reich des göttlichen Willens

Einige unveröffentlichte Gebete

DRITTES KAPITEL

Die von der Epilepsie Geheilte

Die Klingel der Zwietracht

Eine vollkommene Stickerin

Die geheimnisvollen Wunden

Pater Pio, Luisa Piccarreta und Rosaria Bucci

Tante Rosarias Geheimnis

VIERTES KAPITEL

Annibale Maria di Francia und Luisa Piccarreta

Der heilige Annibale und die Ordensprovinz der

Kapuziner von Apulien

Luisas Vorliebe für die Kapuziner.

Pater Salvatore da Corato und Luisa Piccarreta

FÜNFTES KAPITEL

Ein seltsames Mittagessen

Die mißlungene Bußübung

Eine Prophetie

Das stürmische Meer

SECHSTES KAPITEL

Der prophezeite Purpur

Der geheilte Bischof

SIEBTES KAPITEL

Luisa und die Jugend von Corato

Der Soldat, der keiner werden konnte

Der auferweckte Junge

Isa Bucci und Luisa Piccarreta

Gemma Bucci und Luisa Piccarreta

ACHTES KAPITEL

Eine Heilung

Die scheuenden Pferde

Der Zönakel in der Via Panseri

Das geheilte Pferd

Der verlobte Soldat

NEUNTES KAPITEL

Luisa, der Schrecken der teuflischen Mächte

Der heilige Tod der Luisa Piccarreta

Der ermordete Junge, der wieder auferweckt wurde

KURZBIOGRAPHIE DES AUTORS

EINFÜHRUNG

Die liebevolle Fürsorge, um das Andenken der Menschen unseres Landstrichs zu bewahren, die sich durch ihre demütige tägliche Arbeit und die Annahme der Leiden dieses Lebens in der Liebe zu Gott und dem Nächsten ausgezeichnet haben, hat den Kapuzinerpater Bernardino Bucci veranlaßt, jene „Familienerinnerungen" zu verfassen, in denen er die Persönlichkeit der Luisa Piccarreta beschreibt, die auch in vertrautem Ton »Luisa die Heilige« genannt wird.

Das Interesse für Luisa ist bemerkenswert sowohl wegen der Aufmerksamkeit, die heute einer Vertiefung der Mystik zukommt (und Luisa ist sicher der Mystik zuzurechnen, da sie durch ihre Kontemplation und die Annahme ihrer körperlichen und geistigen Leiden eine beachtliche Innigkeit mit Jesus erreicht hatte) als auch deswegen, weil Luisa von einigen unserer Brüder (P. Fedele da Montescaglioso, P. Guglielmo da Barletta, P. Salvatore da Corato, P. Terenzio da Campi Salentina, P. Daniele da Triggiano, P. Antonio da Stigliano, P. Giuseppe da Francavilla Fontana, um einige zu nennen) regelmäßig besucht wurde, die ihr die wesentlichen Elemente franziskanischer Spiritualität vermittelt haben und ihrerseits von Luisa die Liebe zu Christus und ihr Engagement bei der Erfüllung des göttlichen Willens erfahren durften.

Möge dieses von Pater Bernardino mit so viel Liebe und Enthusiasmus geschriebene Buch all jene erfreuen, die es lesen, um sich in die Spiritualität Luisas hineinzuversetzen und um ihre Seligsprechung voranzutreiben.

P. Mariano Bubbico

Provinzialoberer der Kapuziner Minoritenfratres von Apulien


Luisa in ihrer Schau des FIAT SUPREMUM

VORWORT

Aufgrund einer eindringlichen Aufforderung des nunmehr emeritierten Erzbischofs von Trani, Msgr. Giuseppe Carata, fühlte ich mich veranlaßt, die Zeugnisse über Luisa Piccarreta schriftlich niederzulegen. Es sind dies gesammelte mündliche Zeugnisse seitens meiner Familie und anderer Personen, die die Dienerin Gottes persönlich gekannt haben. In einigen Episoden bin ich direkt beteiligt.

In meiner Jugend hatte ich ständigen und direkten Kontakt mit der Dienerin Gottes durch meine Tante Rosaria Bucci, die ungefähr vierzig Jahre lang Tag und Nacht der Dienerin Gottes zur Seite stand. Die beiden arbeiteten zusammen als Stickerinnen, wodurch sie ihren Lebensunterhalt verdienten. Meine Familie war durch unzählige Bande mit der Familie Piccarreta verbunden. Meine Schwestern Isa, Maria und Gemma besuchten häufig Luisas Haus, auch um von ihr die Kissenstickerei zu erlernen. Gemma, die jüngste von ihnen, war Luisas Liebling. Bei ihrer Geburt hatte Luisa selbst den Namen Gemma vorgeschlagen. Angelina, die Schwester Luisas, war die Tauf- und Firmpatin meiner Schwestern. Wir hatten solch innige Beziehungen zu ihr, daß sie in meiner Familie allseits nur »Tante Angelina« genannt wurde.

Mit Luisa sprach man stets in sehr vertrautem Ton. Ich erinnere mich, daß meine Mutter regelmäßig zu Luisa ging und sich lange mit ihr unterhielt. Über ihre Unterhaltungen ist nichts bekannt. Ich glaube, Luisa hat ihr wohl ihren frühzeitigen Tod vorausgesagt; das entnehme ich der Tatsache, daß meine Mutter öfters über den Tod gesprochen hat und uns gegenüber immer zu verstehen gegeben hat, daß sie nicht mehr lange lebe. Sie verstarb dann auch im Alter von 51 Jahren, drei Jahre nach dem Heimgang von Luisa. In ihrer Todesstunde trug sie ein Hemd der Dienerin Gottes.

Ich selbst habe von der Dienerin Gottes etliche Andachts- und Heilgenbildchen bekommen. Trotz unseres vertrauten Umgangs mit Luisa war ich bei ihr immer schweigsam und wie umgewandelt durch die Faszination, die sie ausstrahlte.

Viel Material habe ich gesammelt und aufgezeichnet, aber es ist mir nicht möglich, alles zu ordnen und drucken zu lassen. Das würde viel Arbeit und Zeit erfordern, über die ich einfach nicht verfüge. So mußte ich eine Auswahl treffen und das veröffentlichen, was ich für das interessanteste hielt, womit ich nicht behaupten will, daß die anderen aufgezeichneten Episoden etwa nicht lohnten, bekannt gemacht zu werden. Ich selbst bin davon überzeugt, daß jede Episode, die irgendwie mit Luisa Piccarreta zu tun hat, nützlich ist, um sie richtig in ihre Zeit einzuordnen.

Ich nehme mir erneut vor, die Ordnungs- und Forschungsarbeit ihrer Memoiren weiterzuführen und eine ausführlichere Biographie über die Dienerin Gottes drucken zu lassen, womit ich ja bereits vor geraumer Zeit begonnen hatte und was ich auch hoffe, so bald wie möglich fertigzustellen.

Pater Bernardino Giuseppe Bucci

ERSTES KAPITEL

Biographische Daten

Die Dienerin Gottes Luisa Piccarreta wurde am 23. April 1865 in Corato, in der Provinz Bari geboren, wo sie auch im Rufe der Heiligkeit am 4. März 1947 starb.

Luisa hatte das Glück, in einer jener patriarchalischen Familien geboren worden zu sein, die in Apulien überdauert haben und die das Landleben lieben, wo sie unsere Häuserblöcke bevölkern. Vito Nicola und Rosa Tarantino, ihre Eltern, hatten fünf Kinder: Maria, Rachele, Filomena, Luisa und Angela. Maria, Rachele und Filomena haben geheiratet. Angela, die allgemein nur Angelina genannt wurde, blieb ledig und blieb an der Seite ihrer Schwester Luisa bis zu ihrem Tode.

Luisa wurde am Weißen Sonntag geboren und am selben Tage getauft. Ihr Vater wickelte sie wenige Stunden nach ihrer Geburt in eine Decke und brachte sie in die Pfarrei, wo ihr die heilige Taufe gespendet wurde.

Nicola Piccarreta war Landwirt auf einem Bauernhof, welcher der Familie Mastrorilli gehörte und sich im Zentrum der »Murge« befand, die zu Torre Disperata gehörten, das 27 Kilometer von Corato entfernt liegt. Wer diese Gegend kennt, weiß auch die feierliche Stille zu schätzen, die dort inmitten einer sonnigen, kahlen und steinigen Hügellandschaft herrscht. Auf diesem Bauernhof verbrachte Luisa viele Jahre ihrer Kindheit und Jugend. Vor den Häusern steht noch immer der gewaltige uralte Maulbeerbaum mit seiner großen Aushöhlung im Stumpf, in der sich Luisa als Kind immer zum Beten vor den indiskreten Blicken der Anderen versteckte. An diesem einsamen und sonnigen Ort begann für Luisa jenes göttliche Abenteuer, welches sie auf die Pfade des Leidens und der Heiligkeit führen sollte. An eben diesem Ort mußte sie unsagbare Leiden ob der Anfechtungen des Bösen erdulden, was mitunter auch körperliches Leid mit sich brachte. Um von diesen Leiden befreit zu werden, flüchtete sich Luisa unaufhörlich ins Gebet, wobei sie sich besonders der allerseligsten Jungfrau zuwandte, die sie durch ihre Gegenwart tröstete.

 

Die göttliche Vorsehung führte dieses Mädchen auf so geheimnisvolle Wege, die sie außer Gott und seiner Gnade keine anderen Freuden kennenlernen ließen. Und so sagte ihr der Herr auch eines Tages: »Ich wandelte immer wieder auf der Erde umher und betrachtete mir ein Geschöpf nach dem anderen, um das geringste unter allen zu finden. Unter all diesen Geschöpfen habe ich dich gefunden, das geringste unter allen. Deine Geringheit gefiel mir, und so wählte ich dich aus; ich vertraute dich meinen Engeln an, auf daß sie deine Geringheit behüteten, und nun möchte ich das große Werk der Erfüllung meines Willens beginnen. Dadurch wirst du dich aber nicht größer fühlen, im Gegenteil, mein Wille wird dich noch geringer machen und du wirst weiterhin die kleine Tochter des göttlichen Willens sein« (vgl. Band XII, 23. März 1921).

Mit neun Jahren empfing Luisa zum erstenmal Jesus in der Eucharistie sowie die heilige Firmung, und fortan lernte sie, stundenlang im Gebet vor dem allerheiligsten Altarsakrament zu verweilen. Mit elf Jahren hat sie sich in der Kirche Sankt Joseph in die Vereinigung der Töchter Mariens eingeschrieben, die damals sehr florierte. Mit 18 Jahren trat sie in den Dritten Orden der Dominikaner ein und nahm den Namen »Schwester Magdalena« an. Sie war eine der ersten, die dem Dritten Orden beitrat, den ihr Pfarrer sehr unterstütze. Ihre Verehrung der Gottesmutter führte dazu, daß Luisa eine tiefe Marienspiritualität entwickelte, und dies sollte ein Vorspiel dessen sein, was sie eines Tages über die Gottesmutter schreiben würde.

Die Stimme Jesu führte Luisa so weit, daß sie sich von sich selbst sowie von allen Menschen und Dingen löste. Ungefähr mit 18 Jahren hatte sie auf dem Balkon ihres Hauses in der Via Nazario Sauro eine Vision Jesu wie er unter dem Kreuze litt, und als er den Blick auf sie richtete, sprach er folgende Worte: »Seele, hilf mir!«. Fortan entzündete sich in Luisa der unersättliche Drang, mit Jesus für das Heil der Seelen zu leiden. Damals begannen jene physischen Leiden, die zusammen mit den geistigen und moralischen Leiden bis ans Heldenhafte heranreichten.

Die Familie verwechselte dieses Erscheinungsbild mit einer Krankheit und suchte die Hilfe der Medizin auf. Doch alle Ärzte, die mit dem Fall betraut wurden, blieben aufgrund dieses einzigartigen klinischen Befundes ratlos. Luisa litt an einer Art Bewegungslosigkeit, die einer Leichenstarre glich, obwohl sie Lebenszeichen von sich gab. Es gab jedoch keine Mittel, sie von diesen unsagbaren Leiden zu erlösen. Als alle wissenschaftlichen Mittel erschöpft waren, griff man auf die letzte Hoffnung zurück, nämlich auf die Priester. Ein Augustiner wurde an ihr Krankenbett gerufen, es war Pater Cosma Loiodice, der sich wegen der berühmten siccardianischen Gesetze in der Familie befand. Zum Erstaunen aller Anwesenden reichte ein Kreuzzeichen aus, das der Pater über den gepeinigten Körper schlug, um der Kranken sogleich ihre normale Bewegungsfreiheit zurückzugeben. Als Pater Loiodice in den Konvent zurückgegangen war, wurden einige Weltpriester gerufen, die Luisa durch das Kreuzzeichen wieder in den Normalzustand versetzten. Sie war davon überzeugt, daß alle Priester heilig waren, doch sagte der Herr eines Tages zu ihr: »Nicht weil alle heilig wären - ach wenn sie es nur wären -, sondern nur weil sie die Fortsetzung meines Priestertums auf dieser Welt sind, sollst du ständig ihrer priesterlichen Autorität unterstellt sein. Handle niemals gegen sie, seien sie gut oder schlecht« (vgl. Bd. I). Luisa sollte tatsächlich ihr ganzes Leben lang der priesterlichen Autorität unterstellt sein; und dies sollte auch einer der Gründe werden, warum sie so viel zu leiden hatte. Dieses tägliche Muß, ständig unter priesterlicher Autorität zu stehen, um den gewöhnlichen Alltagsbeschäftigungen nachgehen zu können, stellte für Luisa die größte Form der Abtötung dar. In der ersten Zeit erduldete sie gerade von Seiten der Priester das größte Unverständnis und demütigende Beleidigungen, denn diese hielten sie für ein exaltiertes Mädchen, verrückt, für jemanden, der die Aufmerksamkeit der anderen auf sich lenken will. Einmal beließen die Priester sie über 20 Tage lang in diesem demütigenden Zustand. Luisa nahm ihre Opferrolle an und durchlebte diesen außerordentlichen Zustand: Jeden morgen war sie völlig erstarrt, unbeweglich und zusammengekauert in ihrem Bett, und niemand war fähig, sie ausgestreckt hinzulegen, ihre Arme anzuheben oder ihren Kopf und ihre Beine zu bewegen. Wie wir wissen, war die Anwesenheit eines Priesters notwendig, der durch die Segensgeste des Kreuzzeichens diese Totenstarre aufhob und sie wieder in ihren früheren Zustand zurückversetzte, so daß sie ihre Stickarbeiten wieder aufnehmen konnte. Es ist wohl einzigartig, daß ihre Beichtväter niemals gleichzeitig ihre Seelenführer waren. Es war dies eine Aufgabe, die sich unser Herr selbst vorbehielt. Jesus ließ sie direkt seine Stimme vernehmen, er war ihr Meister, er ermutigte sie, er tadelte sie, falls es nötig war, und er führte sie Schritt für Schritt zu den höchsten Höhen der Vollkommenheit. Luisa wurde jahrelang weise instruiert und vorbereitet, um die Gabe des göttlichen Willens zu empfangen.

Der damalige Erzbischof Giuseppe Bianchi Dottula (22.12.1848–22.09.1892) wollte, als er von den Ereignissen in Corato erfuhr, und nachdem er die Meinung einiger Priester eingeholt hatte, sich dieses Falles persönlich annehmen. Er dachte sehr lange nach, bevor er es für angebracht hielt, einen besonderen Beichtvater zu delegieren. Es war dies Don Michele De Benedictis. Er war ein hervorragender Priester, dem Luisa ausführlich ihr Herz öffnete. Don Michele war ein weiser und heiligmäßiger Priester; er machte dem Leiden Luisas ein Ende, und Luisa sollte fortan nichts mehr ohne seine Zustimmung tun. Don Michele war es auch, der ihr auftrug, wenigstens einmal am Tag etwas zu essen, auch wenn sie gleich darauf alles wieder erbrach. Luisa sollte nur noch gemäß dem göttlichen Willen leben. Dieser Priester gestattete ihr auch, ständig als Sühneopfer ans Bett gefesselt zu sein. Man zählte das Jahr 1888. Luisa blieb an ihr Schmerzenslager gefesselt und verbrachte dort 59 Jahre bis zu ihrem Tode in einer halb sitzenden, halb liegenden Position. Es ist bemerkenswert, daß sie bis zu diesem Zeitpunkt immer nur vorübergehend im Bett verbracht hatte, obwohl sie ihre Rolle als Opfer akzeptiert hatte, denn ihr Gehorsam hatte es ihr niemals erlaubt, ständig im Bett zu verbringen. Doch seit Neujahr 1889 war sie für immer ans Bett gefesselt.

Im Jahre 1898 beorderte der neue Erzbischof Tommaso De Stefano (24.03.1898–13.05.1906) Don Gennaro Di Gennaro als neuen Beichtvater, der diese Aufgabe 24 Jahre lang ausübte. Der neue Beichtvater erahnte die Wunder, die der Herr in dieser Seele bewirkte, und er trug Luisa kategorisch auf, alles, was die Gnade Gottes in ihr bewirkte, schriftlich niederzulegen. All die Gründe halfen nichts, die die Dienerin Gottes vorbrachte, um sich dem Gehorsam ihres Beichtvaters zu entziehen, ja nicht einmal die Tatsache, daß sie nur eine ganz geringe Schulbildung genossen hatte. Don Gennaro di Gennaro blieb diesbezüglich unerbittlich, obwohl er wußte, daß die ärmste nur die erste Volksschulklasse besucht hatte. So begann sie im Februar des Jahres 1899 ihr Tagebuch zu schreiben, welches zum Schluß ganze 36 dicke Bände umfaßte. Das letzte Kapitel wurde am 28. Dezember 1939 abgeschlossen, denn an jenem Tag erhielt sie die Weisung, nichts mehr zu schreiben.

Als ihr Beichtvater am 10. September 1922 starb, wurde der Domherr Don Francesco De Benedictis sein Nachfolger, der Luisa aber nur vier Jahre lang betreute, denn er starb bereits am 30. Januar 1926. Msgr. Giuseppe Leo, der Erzbischof jener Diözese (17.01.1920–20.01.1939) beorderte einen jungen Priester zum ordentlichen Beichtvater für Luisa. Es war Don Benedetto Calvi, der sie bis zu ihrem Tod betreute und mit ihr all die Schmerzen und das Unverständnis teilte, womit Luisa in ihren letzten Lebensjahren zu kämpfen hatte.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts hatten unsere Landsleute das Glück, daß in Apulien der heilige Annibale Maria Di Francia wirkte, der ein Männer- und ein Frauenhaus für seine im Entstehen begriffene Kongregation in Trani eröffnen wollte. Als er von Luisa Piccarreta erfuhr, begab er sich zu ihr, um ihr einen Besuch abzustatten, und von jenem Moment an waren diese beiden Seelen auf unzertrennliche Weise durch ihre gemeinsamen Anliegen miteinander verbunden. Auch andere berühmte Priester suchten Luisa auf, wie zum Beispiel der Jesuitenpater Gennaro Braccali, Pater Eustachio Montemurro, der im Ruf der Heiligkeit starb, sowie Don Ferdinando Cento, Apostolischer Nuntius und Kardinal der Römischen Kirche. Der heilige Annibale wurde ihr außerordentlicher Beichtvater und Revisor ihrer Schriften, welche nach und nach überprüft und von den kirchlichen Behörden approbiert wurden. Es war ungefähr im Jahre 1926, als der heilige Annibale Luisa auftrug, ein Heft anzulegen, in dem sie ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen niederschreiben sollte. Er veröffentlichte mehrere Schriften von Luisa, u.a. das berühmte Buch L’Orologio della Passione (Stundenbericht der Passion), das gleich viermal aufgelegt wurde. Am 7. Oktober 1928 wurde Luisa in den Konvent des soeben fertig gestellten Schwesternhauses der Kongregation vom Göttlichen Eifer in Corato gebracht, was auch dem Wunsch des heiligen Annibale entsprach, der bereits in Messina im Ruf der Heiligkeit gestorben war.

Im Jahre 1938 ging auf Luisa ein fürchterliches Gewitter nieder: Sie wurde von Rom öffentlich angefochten und ihre Bücher wurden auf den Index gesetzt. Nachdem die Verurteilung veröffentlicht war, unterwarf sie sich sogleich der Autorität der Kirche.

Aus Rom kam ein von den kirchlichen Behörden gesandter Priester, der von Luisa alle Manuskripte verlangte, die sie ihm auch in völlig friedfertiger Gesinnung und bereitwillig aushändigte. Und so gerieten all ihre Schriften unter Verschluß des Heiligen Offiziums.

Am 7. Oktober 1938 mußte Luisa auf Anordnung der Oberen den Konvent verlassen und eine neue Bleibe finden. Ihre letzten neun Lebensjahre verbrachte sie in einem Haus in der Via Maddalena. Dieser Ort ist den Älteren aus Corato noch genau bekannt, denn von dort wurde am 8. März 1947 ihr Leichnam herausgetragen.

Luisas Lebensstil war sehr bescheiden, sie hatte wenig Habseligkeiten, ja sie besaß fast nichts. Sie lebte in ihrem Haus in Miete, und ihre Schwester Angelina sowie einige fromme Frauen betreuten sie liebevoll. Das wenige, was sie besaß reichte nicht einmal für die Miete aus. Sie verdiente sich ihren Lebensunterhalt durch Sticken, wovon sie auch noch das abzweigte, was zum Unterhalt ihrer Schwester diente. Sie selbst brauchte ja nicht einmal Kleidung und Schuhe. Ihre Mahlzeiten bestanden aus winzig kleinen Portionen, die ihr Rosaria Bucci, ihre Betreuerin, brachte. Luisa selbst verlangte gar nichts, sie war wunschlos und das, was sie an Speisen zu sich nahm, erbrach sie sogleich wieder. Dabei sah sie nicht wie eine Sterbende aus, aber natürlich auch nicht wie ein vollkommen gesunder Mensch. Dennoch war sie niemals untätig, ihre Kräfte wurden sowohl durch ihre täglichen Schmerzen als auch durch ihre Arbeit aufgezehrt. Ihr Leben grenzte für die, die sie gut kannten, an ein ständiges Wunder.

Bewundernswert war vor allem ihr völliges Losgelöstsein von allem Verdienst, der nicht von ihrer Arbeit kam. Entschieden lehnte sie Geld und allerlei Geschenke ab, die ihr in verschiedener Hinsicht angetragen wurden. Niemals hatte sie Geld für die Veröffentlichung ihrer Bücher angenommen. Und so antwortete sie eines Tages dem heiligen Annibale, der ihr das von den Urheberrechten stammende Geld überbringen wollte: »Ich habe keine Rechte, denn das, was ich aufgeschrieben habe, ist nicht von mir« (vgl. »Vorwort« zum Buch L’Orologio della Passione, Messina, 1926). Geringschätzig lehnte sie Geld von frommen Menschen ab, die ihr mitunter etwas zukommen lassen wollten, und sandte es wieder zurück.

Luisas Behausung glich einem Kloster, und Neugierige hatten dort keinen Zutritt. Sie war stets umgeben von einigen Frauen, die dieselbe Geisteshaltung mit ihr teilten, und von einigen Mädchen, die ihr Haus frequentierten, um von ihr die Klöppelkissenstickerei zu erlernen. Aus diesem Kreis gingen etliche Berufungen hervor. Doch ihre Unterweisungstätigkeit endete nicht bei diesen Mädchen. Viele jungen Menschen sind durch sie ins Kloster eingetreten oder Priester geworden.

 

Ihr Tag begann morgens gegen fünf Uhr, denn da kam der Priester, um sie zu segnen und die heilige Messe zu lesen. In der Regel war es ihr Beichtvater oder ein von diesem bevollmächtigter Priester. Es handelt sich hierbei um ein von Leo XIII. bewilligtes Privileg, das auch von Pius X. im Jahre 1907 bestätigt wurde. Nach der Messe verharrte Luisa immer für ungefähr zwei Stunden im Gebet, um Gott zu danken. Gegen acht Uhr begann sie mit ihrer Arbeit, die bis zum Mittag dauerte. Nach einem kargen Mittagessen blieb sie allein in Betrachtung in ihrem Zimmer zurück. Nachmittags verrichtete sie einige Stunden Arbeit, um danach den Rosenkranz zu beten. Abends gegen acht Uhr begann Luisa ihr Tagebuch zu schreiben, und ungefähr gegen Mitternacht ging sie zu Bett. Wenn sie morgens erwachte, war sie völlig unbeweglich, steif und zusammengekauert im Bett. Ihr Kopf war stets nach rechts gedreht, und es bedurfte der priesterlichen Autorität, um sie in ihren Normalzustand zurückversetzen zu können, damit sie ihrer täglichen Beschäftigung nachgehen oder wenigstens aufrecht im Bett sitzen konnte.

Luisa starb im Alter von 81 Jahren, 10 Monaten und neun Tagen am 4. März 1947 nach 15 Tagen Krankheit, die einzige in ihrem Leben, die wirklich festgestellt werden konnte; es war eine Lungenentzündung. Sie starb bei Tagesanbruch zur selben Stunde, zu der morgens täglich der Priester kam, um sie zu segnen und sie von ihrer Starre zu befreien. Damals war es Msgr. Francesco Petronelli der dortige Erzbischof (25.05.1939–16.06.1947). Man ließ Luisa aufrecht in ihrem Bett sitzen, denn es war nicht möglich sie ausgestreckt aufzubahren, ein wirklich seltsames Phänomen, denn ihr Körper verfiel nicht der Totenstarre und sie verblieb in der Position, in der sie zeitlebens immer war.

Sobald sich die Nachricht vom Tode Luisas wie ein Lauffeuer verbreitete, strömte die gesamte Bevölkerung zu ihrem Haus zusammen, und es bedurfte öffentlicher Ordnungskräfte, um die Massen zurückzuhalten, die Tag und Nacht herbeikamen, um Luisa zu sehen, denn sie bedeutete allen sehr viel. Eine Stimme ertönte: »Luisa, die Heilige ist gestorben!«. Um die Menschen zufrieden zu stellen, die gekommen waren, um Luisa zu sehen, blieb der Leichnam Luisas in Absprache mit den Orts- und Gesundheitsbehörden vier Tage lang aufgebahrt, wobei es keine Anzeichen von einer einsetzenden Verwesung gab. Luisa schien nicht tot, sie saß auf ihrem Bett und war weiß gekleidet; es schien, als würde sie schlafen, denn, wie bereits erwähnt, verfiel ihr Körper nicht der Totenstarre. Ihr Kopf ließ sich mühelos in alle Richtungen bewegen, die Arme ließen sich anheben, die Hände und alle Finger waren ebenso beweglich. Selbst die Augenlider ließen sich öffnen, und man konnte ihre strahlenden ungetrübten Augen sehen. Alle betrachteten sie noch lebendig und lediglich im Tiefschlaf. Ein eigens dafür einberufener Ärzterat verlautbarte nach eingehenden Untersuchungen des Leichnams, daß Luisa wirklich tot war und daß man von einem echten Tod und nicht von einem Scheintod auszugehen habe, wie von allen angenommen wurde.

Luisa sagte einmal, daß sie im Gegensatz zu anderen Kreaturen „umgekehrt" auf die Welt kam. Sie verblieb in sitzender Haltung wie sie es ja auch zeitlebens gewesen war, und so mußte sie auch zu Grabe getragen werden und zwar in einem Sarg, der extra für sie angefertigt worden war: Die Seiten und der Teil des Hauptes waren aus Glas, so daß sie von allen gesehen werden konnte. Sie war wie eine thronende Königin, in weiß gekleidet, mit dem Fiat auf der Brust. Mehr als 40 Priester, bestehend aus dem Domkapitel und dem Ortsklerus, nahmen am Leichenzug teil. Schwestern trugen abwechselnd den Sarg auf ihren Schultern und eine unbeschreibliche Menschenmenge begleitete sie. Die Straßen waren hoffnungslos überfüllt, sogar Balkone und Dächer wurden von den Menschen bevölkert. Der Leichenzug kam nur mit Mühe voran. Die Beisetzungszeremonie der kleinen Dienerin des göttlichen Willens wurde in der Heimatkirche vom ganzen Domkapitel abgehalten. Die ganze Bevölkerung von Corato begleitete den Leichnam bis zum Friedhof. Jeder versuchte, eine Erinnerung in Form von Blumen, mit denen man den Sarg berührte, mit nach Hause zu nehmen. Einige Jahre später wurde der Sarg in die Pfarrkirche Santa Maria Greca übertragen.

Am Christkönigsfest des Jahres 1994 öffnete S. Exz. Msgr. Carmelo Cassati in der Heimatkirche in Anwesenheit einer großen Menschenmenge und von Vertretern aus dem Ausland offiziell den Seligsprechungsprozeß der Dienerin Gottes, Maria Luisa Piccarreta.

Bedeutsame Daten

1865 Am Weißen Sonntag, dem 23. April, wird Luisa Piccarreta in Corato in der Provinz Bari geboren. Ihre Eltern sind Nicola Vito und Rosa Tarantino. Sie hatten fünf Kinder: Maria, Rachele, Filomena, Luisa und Angela.

Wenige Stunden nach der Geburt wickelte sie ihr Vater in eine Decke und brachte sie zur Kirche, um sie taufen zu lassen. Ihre Mutter hatte keine Geburtswehen, als sie auf die Welt kam, ihre Geburt war also schmerzlos.

1872 Am Weißen Sonntag dieses Jahres empfing sie Jesus zum erstenmal in der heiligen Eucharistie und am selben Tag wurde ihr von Msgr. Giuseppe Bianchi Dottula, dem Erzbischof von Trani, das Sakrament der Firmung gespendet.

1883 Mit 18 Jahren sieht sie von ihrem Balkon aus Jesus unter dem Kreuz gebeugt, der zu ihr sagt: »Seele, hilf mir!«. Von diesem Moment an lebte sie zurückgezogen und in ständiger Vereinigung mit den unsagbaren Leiden ihres göttlichen Bräutigams.

1888 Sie tritt den Töchtern Mariens und dem Dritten Orden der Dominikaner bei. Sie nimmt den Namen „Schwester Magdalena" an.

1885-1947 Sie war eine auserwählte Seele, eine engelsgleiche Braut Christi, demütig und fromm, von Gott mit außerordentlichen Gaben beschenkt, ein unschuldiges Opfer und der Blitzableiter der göttlichen Gerechtigkeit in den 62 Jahren, in denen sie ununterbrochen ans Bett gefesselt war. Sie war eine Künderin des Reiches des göttlichen Willens.

4. März

1947 Nach einem verdienstreichen Leben beendete sie im ewigen Licht des göttlichen Willens ihre Tage so, wie sie immer gelebt hatte, um mit den Engeln und Heiligen im ewigen Glanz des göttlichen Willens zu triumphieren.

7. März

1947 Vier Tage lang blieben ihre sterblichen Überreste aufgebahrt zur Verehrung der unübersehbaren Menge von Gläubigen, die zu ihrem Haus gekommen waren, um Luisa, die Heilige, ein letztes Mal zu sehen, die ihnen soviel bedeutete. Die Beisetzung war ein wahrer Triumph; Luisa wurde wie eine Königin, auf den Schultern ihres Volkes zu Grabe getragen. Der gesamte Ordens- und Weltklerus gab dem Leichnam Luisas das letzte Geleit. Das Requiem wurde in der Heimatkirche unter Anteilnahme des gesamten Domkapitels gehalten. Am Nachmittag wurde Luisa dann in der Privatkapelle der Familie Calvi beigesetzt.

3. Juli

1963 Ihre sterblichen Überreste wurden endgültig in der Kirche Santa Maria Greca beigesetzt.

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