Savitri - Eine Legende und ein Gleichnis

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Savitri - Eine Legende und ein Gleichnis
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Sri Aurobindo

Savitri

Eine Legende und ein Gleichnis

Erster Teil

edition sawitri

Karlsruhe

Verlag W. Huchzermeyer

Lessingstraße 64

D-76135 Karlsruhe

www.edition-sawitri.de

Deutsche Übersetzung von Wilfried Huchzermeyer mit freundlicher Genehmigung des Sri Aurobindo Ashram Trust. Redaktionelle Mitarbeit: Ursula Guthörl

Cover-Foto: Copyright Sri Aurobindo Ashram Trust

1. E-Book-Aufl. 2021

ISBN 978-3-931172-51-0

© 2021 für die deutsche Ausgabe:

edition sawitri - Verlag W. Huchzermeyer, Karlsruhe

Inhalt

Erster Teil

Erstes Buch

Symbol der Morgendämmerung

Die Aufgabe

Der Yoga des Königs: Der Yoga der Befreiung der Seele

Das Geheimwissen

Der Yoga des Königs: Der Yoga der Freiheit und Größe des Spirits

Zweites Buch

Die Welttreppe

Das Reich der feinstofflichen Materie

Glorie und Fall des Lebens

Die Königreiche des Kleinen Lebens

Die Gottheiten des Kleinen Lebens

Die Königreiche und Gottheiten des Größeren Lebens

Der Abstieg in die Nacht

Die Welt der Falschheit, die Mutter des Bösen Und die Söhne der Finsternis

Das Paradies der Lebensgötter

Die Reiche und Gottheiten des Kleinen Geistes

Die Reiche und Gottheiten des Größeren Geistes

Die Himmel des Ideals

Im Selbst des Geistes

Die Weltseele

Die Reiche der Größeren Erkenntnis

Drittes Buch

Das Streben nach dem Unerkennbaren

Die Anbetung der Göttlichen Mutter

Das Haus des Spirits und der Neuen Schöpfung

Die Schau und die Gnadengabe

Glossar

Anmerkungen des Herausgebers und Übersetzers

Erster Teil

Bücher I-III

Erstes Buch

Das Buch von den Anfängen

Erstes Lied

Symbol der Morgendämmerung

Es war die Stunde, bevor die Götter erwachen.

Über dem Pfad des göttlichen Ereignisses lag

Der große ahnungsschwangre Geist der Nacht, allein

In ihrem lichtlosen Tempel der Ewigkeit,

Reglos ausgestreckt an der Stille Saum.

Fast fühlte man, dunkel, undurchdringlich,

Im düstren Sinnbild ihrer blinden Versunkenheit

Den Abgrund des unverkörperten Unendlichen;

Eine unergründliche Null erfüllte die Welt.

Eine Kraft gefallenen grenzenlosen Selbstes wach

Zwischen dem ersten und dem letzten Nichtsein,

Gedenkend des finsteren Schoßes, von dem sie kam,

Ließ ab vom unlösbaren Mysterium der Geburt

Und dem gemächlichen Lauf der Sterblichkeit

Und erstrebte ihr Ende im leeren Nichts.

Wie in einem dunklen Anfang aller Dinge

Wiegte ein formlos-stummes Abbild des Unbekannten –

Auf immer den unbewussten Akt wiederholend,

Auf immer den nichtsehenden Willen verlängernd –

Die kosmische Schläfrigkeit unwissender Kraft,

Deren schöpferisch bewegter Schlummer die Sonnen entfacht

Und unsere Leben in ihrem schlafwandlerischen Wirbel trägt.

Durch die gewaltige, nichtige Trance des Raumes,

Seine formlose Starre ohne Geist oder Leben,

Ein Schatten, wirbelnd durch eine seelenlose Leere,

Einmal mehr zurückgeworfen in undenkbare Träume,

Kreiste die Erde verloren in hohlen Schlünden,

Vergaß ihren Geist und ihr Geschick.

Die teilnahmslosen Himmel waren blank und still.

Dann regte sich etwas im unergründlichen Dunkel;

Eine namenlose Bewegung, eine ungedachte Idee,

Beharrlich, unbefriedigt, ohne ein Ziel,

Etwas, das sein wollte, ohne zu wissen wie,

Reizte das Unbewusste, zu erwecken Unwissenheit.

Ein Schmerz, der kam und eine bebende Spur hinterließ,

Gab Raum einem unerfüllten alten und müden Verlangen,

Friedvoll ruhend in seiner unbewussten mondlosen Höhle,

Das Haupt zu heben und nach dem fehlenden Licht zu suchen,

Geschlossene Augen verflossener Erinnerung mühend,

Wie jemand, der nach dem vergangenen Selbste sucht

Und nur den Leichnam seines Begehrens trifft.

Es war, wie wenn selbst in dieser Tiefe des Nichts,

Selbst in dieser letzten Auflösung Kern,

Eine selbstvergessene Wesenheit schlummerte,

Überlebende aus gelöschter und begrabner Vergangenheit,

Verurteilt, neu aufzunehmen Mühsal und Schmerz,

Auflebend in andrer entmutigender Welt.

Ein ungeformtes Bewusstsein begehrte Licht

Und vage Ahnung sehnte sich nach fernem Wandel.

So als würde eines Kindes Finger, auf die Wange gelegt,

Die unachtsame Mutter des Alls erinnern

An der Dinge endloses Bedürfnis,

Erfasste ein junges Sehnen die düstre Weite.

Unmerklich begann irgendwo ein Durchbruch:

Eine lange einsame Linie zögernder Färbung

Reizte den fernen Saum des dunklen Lebensschlafes

Wie ein leises Lächeln, das lockt ein einsames Herz.

Eingetroffen von der anderen Seite der Grenzenlosigkeit,

Durchdrang ein Gottesauge die stummen Tiefen;

Ein Späher auf Erkundung von der Sonne,

Schien es inmitten schweren kosmischen Schlafes,

Der Starre kranker und überdrüssiger Welt,

Nach einem einsamen und verlassenen Spirit zu suchen,

Der zu sehr gefallen ist, zu erinnern einstige Freude.

Eintretend in ein seelenloses Universum,

Durchstrich seine Botschaft die widerstrebende Stille,

Rief nach dem Abenteuer von Bewusstsein und Freude,

Eroberte der Natur ernüchtertes Herz

Und bewirkte erneute Zustimmung, zu sehen und zu fühlen.

Ein Gedanke wurde gesät in die unergründete Leere,

Ein Gefühl wurde geboren tief in der Dunkelheit,

Eine Erinnerung bebte im Herzen der Zeit,

Als würd’ eine Seele, lange tot, zum Leben erweckt:

Aber das Vergessen, das dem Falle folgt,

Hatte die engbeschriebenen Tafeln der Vergangenheit getilgt,

Und alles, was zerstört war, musste neugeschaffen,

Eine alte Erfahrung einmal mehr erarbeitet werden.

Alles lässt sich vollbringen, wenn der Gottkontakt besteht.

Eine Hoffnung keimte, die kaum zu sein wagte

Inmitten der einsamen Gleichgültigkeit der Nacht.

Als wenn inständig ersuchte in einer fremden Welt

Mit scheuer und gewagter unwillkürlicher Anmut,

Verwaist und hinausgetrieben, um ein Heim zu suchen,

Ein umherstreifendes Wunder ohne Lebensstätte,

So gelangte in einen fernen Winkel des Himmels

Die leise Anrufung einer langsamen, wundersamen Geste.

Das beständige Erschauern durch eine verwandelnde Berührung

Bekehrte die träge, schwarze Reglosigkeit

Und wundersame Schönheit schreckte die Felder Gottes auf.

Eine wandernde Hand fahlen verzückten Lichtes,

Das glühte entlang einem schwindenden Moment,

Versah mit Goldtäfelung und schillerndem Scharnier

Ein Traumtor, angelehnt an des Mysteriums Saum.

Ein leuchtender Winkel enthüllte verborgene Dinge

Und brachte der Welt blinde Unermesslichkeit zur Sicht.

Die Dunkelheit schwand und glitt wie ein fallendes Gewand

Vom zurücklehnenden Körper eines Gottes.

Dann strömte durch einen fahlen Spalt, der zunächst

 

Kaum ein Träufeln von der Sonne erlaubte,

Die Offenbarung und die Flamme.

Das kurze ewige Zeichen kehrte oben wieder.

Ein Glänzen von unerreichten Transzendenzen,

Schillernd mit der Herrlichkeit des Ungesehenen,

Wie eine Botschaft vom unbekannten unsterblichen Licht,

Das flammte auf der Schöpfung bebendem Rand,

Schuf die Morgendämmerung ihre Aura prächtiger Farben

Und grub der Herrlichkeit Saat in die Stunden.

Eines Augenblicks Besucher, strahlte die Gottheit.

Auf des Lebens schmaler Kante stand eine Weile die Vision

Und neigte sich über die sinnende Stirnrundung der Erde.

Eine verborgene Schönheit und Wonne wiedergebend

In farbigen Hieroglyphen mystischen Sinns,

Schrieb sie die Zeilen eines bedeutsamen Mythos,

Kündend von einer Größe spirituellen Erwachens,

Wie leuchtende Chiffren verfasst auf des Himmels Leinwand.

Fast offenbarte sich an jenem Tag die Epiphanie,

Von der unsere Gedanken und Hoffnungen wie Leuchtsignale künden.

Ein einsamer Glanz vom unsichtbaren Ziel

Wurde fast auf das undurchdringliche Nichts geworfen.

Einmal mehr störte ein Schritt die leeren Weiten;

Das Zentrum der Unendlichkeit, ein Antlitz verzückter Ruhe,

Teilte die ewigen Lider, die zum Himmel hin öffnen;

Eine Gestalt ferner Glückseligkeiten schien zu nahen.

Als Botschafterin zwischen Ewigkeit und Wandel

Lehnte sich die allwissende Göttin über die Weiten,

Die die schicksalhaften Reisen der Sterne in sich bergen,

Und sah die Räume bereit für ihren Schritt.

Einmal noch schaute sie halb zurück nach ihrer verschleierten Sonne,

Dann machte sie sich achtsam an ihre unsterbliche Arbeit.

Die Erde fühlte nahe das Schreiten des Unvergänglichen:

Das wachende Ohr der Natur hörte ihre Schritte,

Weite richtete ihr grenzenloses Auge auf sie

Und, verstreut in versiegelte Tiefen, entfachte

Ihr leuchtendes Lächeln die Stille der Welten zu Feuer.

Alles wurde zu Weihung und zu Ritus.

Die Luft war ein vibrierendes Band zwischen Erde und Himmel;

Die weitschwingige Hymne eines großen priesterlichen Windes

Hob an und verstummte auf den Altarhügeln;

Die hohen Äste beteten an einem Offenbarungshimmel.

Hier, wo unsere halbhelle Unwissenheit die Abgründe säumt

Auf der stummen Brust der zwiespältigen Erde,

Hier, wo man den nächsten Schritt nicht einmal kennt

Und die Wahrheit thront auf des Zweifels schattigem Rücken,

Auf diesem geplagten und riskanten Feld des Mühens,

Gebreitet unter einen weiten gleichgültigen Blick,

Unparteiischer Zeuge unseres Glücks und Leids,

Trug hingestreckt unser Boden den erweckenden Strahl.

Die Vision und der kündende Glanz erhellten auch hier

Zu Wundern gemeine bedeutungslose Formen;

Dann zog sich die göttliche Eingebung, erschöpft, zurück,

Unerwünscht, entschwindend aus des Sterblichen Sphäre.

Eine heilige Sehnsucht verblieb in ihrer Spur,

Die Anbetung einer Gegenwart und Kraft,

Zu vollkommen, um bewahrt zu werden von sterblichen Herzen,

Das Vorherwissen einer wunderbaren kommenden Geburt.

Nur ein wenig kann das Gottlicht verweilen:

Spirituelle Schönheit, die menschliche Sicht erhellend,

Zeichnet ihre Leidenschaft und ihr Mysterium auf der Materie Maske

Und verschwendet Ewigkeit auf einen Zeit-Impuls.

Wie wenn eine Seele der Geburtsschwelle nahe rückt,

Sterbliche Zeit der Zeitlosigkeit anknüpfend,

Ein Funken von Gottheit, verloren in der Materie Gruft,

Und ihr Glanz sich verflüchtigt in den unbewussten Ebenen,

So löste nun jenes vergängliche Glühen magischen Feuers

In heller gewohnter Atmosphäre sich auf.

Die Botschaft ging zu Ende und der Bote entschwand.

Der einmalige Ruf, die unbegleitete Macht,

Zog zurück in eine weit ferne, geheime Welt

Die Farbe und Pracht des höchsten Strahls:

Sie blickte nicht mehr auf unsere Sterblichkeit.

Das Übermaß an Schönheit, das der Gott-Art eigen ist,

Konnte nicht ihren Anspruch auf zeitgeborene Augen bewahren;

Zu mystisch-real für Raum-Bewohnerschaft,

Wurde ihr verklärter Körper vom Himmel getilgt:

Das kostbare Wunder lebte nicht mehr.

Das war das gewöhnliche Licht des irdischen Tags.

Befreit von der Pause der Ermüdung,

Verfolgte einmal mehr der Lärm hastenden Lebens

Die Zyklen ihrer geblendeten Suche.

Alle eilten zu ihren gleichen täglichen Taten;

Die tausend Völker von Baum und Boden

Gehorchten dem ahnungslosen Drang des Augenblicks,

Und der Mensch, Führer hier mit seinem unsicheren Geist, allein,

Der in das verhüllte Antlitz der Zukunft starrt,

Hob die Bürde seines Schicksals an.

Auch Savitri erwachte unter diesen Stämmen,

Die eilten, mit anzustimmen des strahlenden Rufers Gesang,

Und, verlockt durch die Schönheit der Wege des Scheins,

Ihren Anteil flüchtiger Freude lobpriesen.

Verwandt der Ewigkeit, von der sie kam,

Nahm sie keinen Anteil an diesem kleinen Glück;

Ein mächtiger Fremder im menschlichen Bereich,

Reagierte der verkörperte Gast im Inneren nicht.

Der Ruf, der den Sprung des menschlichen Geistes auslöst,

Seine bewegte eifrige Bestrebung,

Seine nervös gefärbte Illusion des Begehrens,

Besuchte ihr Herz wie ein süßer, fremder Ton.

Der Zeit Botschaft kurzen Lichts war nicht für sie.

In ihr war die Qual der Götter,

Gefangen in unserer vergänglichen menschlichen Form,

Das Todlose bezwungen vom Tod der Dinge.

Einer weiteren Natur Freude war einst ihr zu eigen,

Konnte aber nicht lange ihre goldene, himmlische Färbung bewahren

Oder stehen auf dieser brüchigen irdischen Basis.

Eine enge Bewegung am tiefen Abgrund der Zeit,

Leugnete die zerbrechliche Kleinheit des Lebens die Kraft,

Die stolze und bewusste Weite und die Wonne,

Die sie mit sich in die menschliche Form gebracht,

Die stille Freude, die eine Seele mit allen verknüpft,

Den Schlüssel zu den flammenden Toren der Ekstase.

Das Element der Erde, das die Würze von Genuss und Leid benötigt,

Wies den Segen der unsterblichen Wonne zurück:

Dargeboten der Tochter der Unendlichkeit,

Schenkte sie ihre Passionsblume von Liebe und Verhängnis.

Vergeblich schien jetzt das großartige Opfer.

Eine Verschwenderin ihrer reichhaltigen Göttlichkeit,

Hatte sie ihr Selbst und alles, was sie war, den Menschen geliehen,

Hoffend, ihr größeres Wesen ihnen einzupflanzen

Und diesem Leben ihrer Körper einzugewöhnen,

Auf dass der Himmel heimisch würde auf sterblichem Boden.

Schwer ist es, die Erd-Natur zum Wandel zu bewegen;

Sterblichkeit trägt schwer des Ewigen Kontakt:

Sie fürchtet die reine göttliche Intoleranz

Jenes Einstürmens von Äther und von Feuer;

Sie murrt über dessen sorgenloses Glück,

Weist fast mit Hass das Licht, das es bringt, zurück;

Sie zittert vor seiner nackten Wahrheitskraft

Und der Macht und Süße seiner absoluten Stimme.

Des Abgrunds Gesetz den Höhen aufzwingend,

Befleckt Sterblichkeit mit ihrem Schlamm die Boten des Himmels:

Ihre Dornen gefallener Natur sind die Verteidigung,

Die sie gegen die rettenden Hände der Gnade richtet;

Sie tritt den Söhnen Gottes mit Tod und Schmerz entgegen.

Eine Glorie von Blitzen, die über die Erde flackern,

Ihre Sonnengedanken verdunkelt von unwissenden Gemütern,

Ihr Werk verraten, ihr Gutes in Übel verkehrt,

Das Kreuz ihr Lohn für die Krone, die sie gaben,

Hinterlassen sie nur einen glänzenden Namen.

Ein Feuer rührte der Menschen Herz an und ging;

Einige wenige entflammten und stiegen zu höherem Leben auf;

Zu unähnlich der Welt, zu deren Hilfe und Rettung sie kam,

Lastete ihre Größe auf deren unwissender Brust,

Und von ihren tiefen Abgründen kam eine düstre Reaktion,

Ein Teil ihrer Sorge, ihres Kampfes und Falles.

Mit Kummer zu leben, Tod auf ihrem Weg zu konfrontieren –

Des Sterblichen Los ward des Unsterblichen Part.

So gefangen in der Falle irdischer Bestimmungen,

Sah sie der Stunde ihrer Probe entgegen,

Verbannt von ihrer natürlichen Glückseligkeit,

Des Lebens dunkles irdisches Gewand akzeptierend,

Sich selbst verbergend sogar vor jenen, die sie liebte,

Die Gottheit größer durch ein menschliches Geschick.

Ein düsteres Vorwissen trennte sie

Von allen, deren Stern und Stütze sie war;

Zu groß, um die Gefahr und das Leid mitzuteilen,

Hielt sie in ihren Schmerzenstiefen den künftigen Kummer.

Wie jemand, der über blind gebliebene Menschen wacht

Und die Last einer ahnungslosen Rasse aufnimmt,

Einen Feind beherbergend, den sie mit ihrem Herzen nähren muss,

Unbekannt ihr Handeln und das Verhängnis, dem sie entgegen sah,

Muss sie allein die Zukunft sehen und fürchten und wagen.

Der lang vorausgewusste schicksalsschwere Morgen war gekommen

Und brachte einen Mittag, der wie jeder Mittag schien.

Denn die Natur schreitet auf ihrem mächtigen Pfad,

Achtlos, wenn sie eine Seele, ein Leben bricht;

Erschlagenes zurücklassend bewegt sie sich weiter voran:

Allein der Mensch nimmt wahr und Gottes all-sehende Augen.

Selbst in diesem Augenblick der Verzweiflung ihrer Seele,

Im grimmigen Rendezvous mit Tod und Furcht,

Entwich kein Schrei ihren Lippen, kein Ruf um Hilfe;

Niemandem verriet sie das Geheimnis ihres Schmerzes:

Ruhig war ihr Antlitz und Mut ließ sie schweigen.

Doch litt und strebte nur ihr äußeres Selbst;

Sogar ihr Menschsein war halb göttlich:

Ihr Spirit öffnete sich dem Spirit in allem,

Ihre Natur fühlte alle Natur als ihr eigen.

Gesondert, im Inneren lebend, trug sie alle Leben;

Erhaben, trug sie in sich selbst die Welt:

Ihre Angst war eins mit der großen kosmischen Angst,

Ihre Kraft gründete sich auf den kosmischen Mächten;

Der universellen Mutter Liebe war ihre.

Gegen das Übel an den bedrängten Wurzeln des Lebens,

Dessen persönliches Zeichen ihre eigene Not war,

Machte sie aus ihrem Leiden ein mystisches scharfes Schwert.

Ein einsames Gemüt, ein welt-weites Herz,

Stieg sie zum einsamen Werk des alleinigen Unsterblichen empor.

Zuerst sorgte sich nicht das Leben in ihrer bürdeschweren Brust;

Auf dem Schoße der ursprünglichen Schläfrigkeit der Erde

Träge, befreit in die Vergesslichkeit,

Ruhte es hingestreckt, unbewusst auf des Geistes Saum,

Gefühllos und still wie der Stein und der Stern.

In einer tiefen Kluft der Stille zwischen zwei Bereichen

Lag sie fern von Kummer, unzerrissen von Sorge,

Erinnerte sich nicht der Trübsal hier.

Dann regte sich eine langsame schwache Erinnerung

Und seufzend legte sie ihre Hand auf die Brust

Und erkannte den nahen und verweilenden Schmerz,

Tief, ruhig, alt, und seiner Stätte naturalisiert,

Wusste aber nicht, warum er da war und woher er kam.

Die Kraft, die der Geist entfacht, war noch im Hintergrund:

Schwer, unwillig waren des Lebens Bedienstete

Wie Arbeiter ohne Lohn der Freude;

Düster, weigerte sich die Fackel der Sinne zu brennen;

Das auf sich selbst gestellte Gehirn fand nicht seine Vergangenheit.

Nur eine vage Erdnatur stellte den Rahmen.

Aber nun regte sie sich, ihr Leben teilte die kosmische Last.

Auf Geheiß des stimmlosen Rufes ihres Körpers

Reiste ihr starker, weit-schwingender Spirit zurück,

 

Zurück zum Joch von Unwissenheit und Schicksal,

Zurück zur Mühe und Anstrengung sterblicher Tage,

Einen Pfad ausleuchtend durch seltsame Symbolträume

Über die ebbenden Meere des Schlafs.

Ihr Natur-Haus fühlte eine ungesehene Kraft,

Erleuchtet waren rasch des Lebens verdunkelte Räume,

Und die Fenster der Erinnerung öffneten sich den Stunden

Und die müden Füße des Denkens traten an ihre Tore heran.

Alles kam zurück zu ihr: Erde und Liebe und Verhängnis,

Die alten Gegner, umzingelten sie

Wie Riesengestalten, ringend in der Nacht:

Die Gottheiten, aus dem trüben Unbewussten geboren,

Erwachten zum Kampf und göttlichen Schmerz,

Und im Schatten ihres flammenden Herzens,

Im finsteren Zentrum der unheilvollen Debatte,

Starrte ein Hüter des ungetrösteten Abgrunds,

Erbend die lange Agonie des Globus,

Eine versteinerte Gestalt von hohem und göttlichem Schmerz,

In den Raum mit festen, achtlosen Augen,

Schauend die zeitlosen Tiefen der Sorge, nicht jedoch des Lebens Ziel.

Gepeinigt von seiner herben Göttlichkeit,

An seinen Thron gebunden, erwartete er ungestillt

Das tägliche Opfer ihrer ungeweinten Tränen.

Die grimmige Frage des Menschen-Daseins tat sich wieder auf.

Das Opfer von Leid und Begehren,

Welches die Erde darbringt der unsterblichen Ekstase,

Begann erneut unter der ewigen Hand.

Wach, erduldete sie der Augenblicke Schreiten

Und blickte auf diese grüne lächelnde gefahrvolle Welt,

Und hörte den unwissenden Schrei lebendiger Dinge.

Inmitten der trivialen Laute, der unveränderten Szene,

Erhob sich ihre Seele und stellte Zeit und Schicksal sich entgegen.

Reglos in sich selbst, sammelte sie Kraft.

Dies war der Tag, an dem Satyavan sterben musste.