Hate is all I feel

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Aus der Reihe: Rydeville Elite #1
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6. KAPITEL

»Okay, was macht dich so verrückt?«, fragt Jane, als ich am nächsten Tag ihr Zimmer betrete.

Am Telefon habe ich nicht viel gesagt, da mit Sicherheit mein Handy verwanzt ist, aber meine beste Freundin kann meine Stimmungslagen auch so wunderbar entziffern, von daher ist ihr bereits klar, dass etwas los ist. »Ich habe etwas extrem Dummes getan.« Ich laufe in ihrem Zimmer auf und ab, und hinterlasse dabei eine deutliche Spur auf ihrem weichen Teppich.

»Was denn?« Jane kommt vor mir zum Stehen, nimmt meine Hände und führt mich zum Sofa. Auf dem Bildschirm läuft Riverdale, doch sie hat die Sendung auf Pause gestellt. Wenig überrascht verdrehe ich die Augen. Sie ist süchtig nach dieser Show. Bisher sind alle ihre Versuche, mich dazu zu bringen, diese Serie ebenfalls zu gucken, fehlgeschlagen.

»Ich habe mit Jackson Lauder rumgemacht«, platzt es aus mir heraus.

Jane blinzelt heftig und starrt mich schockiert an, die Augen aufgerissen und den Mund geöffnet wie ein Fisch an Land.

»Sag etwas«, flehe ich.

Ihre Mundwinkel heben sich. »Ist er ein guter Küsser?«

Ich stöhne auf. »Er küsst hammermäßig gut«, sage ich und streiche mir mit den Fingern über die Lippen. Sofort erinnert sich mein Körper an das Gefühl seines Mundes und seiner Hände und prickelt von Kopf bis Fuß. »Aber konzentrier dich!« Ich stupse sie gegen die Schulter. »Was mache ich diesbezüglich? Vater und Christian Montgomery haben mir eingebläut, mich von den Neuen fernzuhalten. Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass sie nicht aus der Reihe tanzen, und nicht, sie zu küssen!«

»Sie zu küssen hilft vielleicht dabei.«

Mir fällt die Kinnlade runter. »Wer bist du und was hast du mit meiner besten Freundin gemacht?« Sie kichert. »Ich kann Jackson nicht weiterhin küssen«, protestiere ich. »Das war ein riesengroßer Fehler. Trent wird ausrasten, wenn er davon erfährt. Wie kann ich Jackson dazu bringen, den Mund zu halten, ohne ihm etwas schuldig zu sein?« Ich vergrabe das Gesicht in meinen Händen. »Ich werde niemals wieder Gras rauchen.«

»Du hast einen Joint geraucht?«, kreischt Jane.

Ich nicke. »Dieser Tag war ein Riesenschlamassel.« Ich erzähle ihr davon, was mit Trents Vater vorgefallen war und wie ich schließlich Jackson am Strand begegnete.

»Oh mein Gott, Abby. Du hättest direkt danach hierherkommen sollen! Ich kann nicht glauben, dass Trents Dad so etwas mit dir gemacht und dein Vater es auch noch zugelassen hat.«

»Sie ziehen doch immer so eine Scheiße ab.« Ich bedenke sie mit einem ernsten Blick. »Das ist die Welt, in die du einheiratest, Jane.« Ich habe mich die ganze Nacht mit dem Gedanken im Bett hin- und hergewälzt, dass ich sie mit all diesem Mist allein zurücklassen werde. Sie wird ihren scharfen Verstand brauchen, wenn sie die Ehe mit einem Mitglied der Elite überleben will.

»Du musst es Drew erzählen. Er wird wissen, was zu tun ist.«

Ich schüttle den Kopf. »Nein. Das kann ich Drew nicht erzählen, und du musst mir versprechen, dass du es auch nicht tust.«

Sie zieht die Nase kraus. »Du weißt, dass ich nicht gern Geheimnisse vor deinem Bruder habe, Abby. Aber du bist meine beste Freundin, also werde ich ihm nichts erzählen, wenn du das unbedingt möchtest.«

»Danke.« Ich nehme ihre Hand in meine. »Mir ist bewusst, dass du meinen Bruder liebst und ihn heiraten möchtest, aber diese Welt ist verdorben und böse, und darauf musst du vorbereitet sein.«

»Jetzt machst du mir Angst.«

»Gut.« Ich drücke ihre Hand. »Keiner von ihnen ist ein guter Mensch, Jay. Was Christian Montgomery in meinem Zimmer getan hat, ist vergleichsweise unbedeutend, da es nichts ist im Vergleich zu dem ganzen anderen Scheiß, den sie sonst abziehen. Sie gehören nicht grundlos zu den reichsten, mächtigsten und einflussreichsten Männern dieses Landes. Sie haben sich ihren Weg an die Spitze geebnet, indem sie bestochen, manipuliert, Menschen missbraucht und tyrannisiert haben. Es gibt keine moralische Richtschnur, an die sie sich halten. Auch kein Gewissen. Nur Charlies Dad scheint eines zu haben. Ich denke nicht, dass er durch und durch schlecht ist, aber er gehört auch nicht zu den Guten. Er tut nichts, um all das zu stoppen.«

»Ich bin nicht gänzlich ahnungslos, Abby. Mir ist klar, dass diese Männer keine Engel sind.«

»Sie sind die Reinkarnation des Teufels, Jane. Vergiss das niemals.«


Der Wagen, in dem ich sitze und der von meinem Chauffeur gelenkt wird, hält am Montagmorgen in aller Herrgottsfrüh vor Janes Haus. Sie klettert hinein und lässt sich neben mir auf den Sitz fallen. »Bist du bereit?«

»Nein. Ich habe mich dazu entschlossen, so zu tun, als sei das zwischen Jackson und mir nie passiert. Leugnen ist mein neues Lieblingswort. Wenn Jackson irgendwas erwähnt, werde ich leugnen, leugnen und noch mal leugnen.«

Oscar ist der einzige weitere Zeuge. Er wird mein Vertrauen jedoch nicht missbrauchen, von daher scheint meine einzige Chance darin zu liegen, alles abzustreiten. Andernfalls müsste ich Jackson darum bitten, das Ganze für sich zu behalten, und wäre ihm dadurch etwas schuldig. Vermutlich ist es das, was er will und erwartet. Sollte mein Plan doch nicht aufgehen, habe ich bereits Xavier auf den Fall angesetzt. Er soll Nachforschungen über die Neuen anstellen und prüfen, welche Leichen sie im Keller haben.

In unserer Welt ist es ein entscheidendes Überlebenswerkzeug, die Schwächen anderer auszunutzen. Das ist auch der Grund, weshalb ich Xavier ein kleines Vermögen dafür bezahle, Informationen zu beschaffen, die ich gegen meinen Vater und die Elite einsetzen kann. Nun bezahle ich ihm einen weiteren Batzen Geld, damit er den Dreck unter den Stiefeln der neuen Jungs findet. Möglichst schnell. Ich brauche etwas in meinem Arsenal, um den nächsten Monat zu überleben.

»Mit etwas Glück wird er zu sehr damit beschäftigt sein, den Nachzügler in der Runde zu begrüßen, um sich auf dich zu konzentrieren.«

»Hoffentlich. Gut möglich, dass Camden Marshall eine passende Ablenkung darstellt, aber ich würde nicht darauf wetten.«

»Ich frage mich, wie er wohl ist«, sinniert Jane und starrt aus dem Fenster.

»Ich habe den Großteil der letzten Nacht damit verbracht, ihn zu googeln, habe aber online kein einziges Bild von ihm oder seiner Familie gefunden, was echt seltsam ist.«

»Drew hat erwähnt, dass diese Leute völlig zurückgezogen leben.«

»Scheint so. Zumindest, wenn man den Klatschseiten Glauben schenkt. Camdens Vater bezahlt Techxet – die Firma von Sawyers Vater – und ein Team von Technikspezialisten dafür, dass diese vierundzwanzig Stunden am Tag sämtliche Bilder und jeglichen geschmacklosen Inhalt über sie online finden und entfernen. Ich konnte kaum etwas über sie in Erfahrung bringen. Nur, dass Camdens Vater Wesley Marshall ist, der Besitzer eines Pharmaunternehmens namens Femerst, und ein vielrespektierter Wohltäter. Und dass er Sawyer und Hunt vor ein paar Jahren auf einer New Yorker Privatschule kennenlernte, die sie alle gemeinsam besuchten.«

»Ich wette, er ist heiß«, spekuliert Jane, als unser Fahrer zum Gelände der Rydeville High abbiegt.

»Natürlich ist er heiß. Ich brauche kein Foto von ihm, um das bestätigt zu haben. Heiße, reiche Arschlöcher kleben immer aneinander. Gerade wir sollten das wissen.«

Im Rückspiegel kann ich sehen, wie sich Oscar ein Lächeln verkneift.

»Küss nur den dritten im Bunde nicht auch noch«, wispert Jane mit halb ernstem, halb schalkhaftem Gesichtsausdruck.

»Keine Sorge. Ich werde mich Camden Marshall keinen Zentimeter nähern. Da kannst du mir vertrauen.«


»Er ist definitiv heiß«, sagt Jane, als wir zu Mittag die Cafeteria betreten. Wentworth hat dieses Mal mit Henry zusammen Türdienst, und sie nicken uns zu, als wir an ihnen vorbeigehen. »Mr Fleming musste Rochelle und ihren Tussianhang im Englischunterricht mehrmals ermahnen, weil sie bei seinem Anblick fast dahingeschmolzen sind. Scheinbar ist Shelton mit ihm im gleichen Geschichtskurs und sie meinte, dass er megasexy ist.«

»Wie erwartet.«

Chad winkt mich zu unserem Stammtisch rüber. »Ich habe euch Mittagessen geholt, Ladys«, erklärt er und zieht erst für mich, dann für Jane einen Stuhl hervor.

»Danke, Chad. Das ist süß und sehr aufmerksam von dir.«

»Schleimer«, murmelt jemand unbekümmert, der am anderen Ende des Tisches sitzt.

»Ich nehme an, du genießt es, von vorn bis hinten bedient zu werden«, vernehme ich eine mir nur allzu bekannte Stimme dicht an meinem Ohr. Ich ziehe scharf die Luft ein, als Jackson seine Hände rechts und links von mir auf dem Tisch abstützt, um mich von hinten einzukesseln. Er presst seinen warmen Körper an meinen Rücken, was Hitze in mir aufwallen lässt.

Dieser Mist darf nicht passieren, daher ramme ich ihm kräftig meinen Ellenbogen in die Magengegend. Ich lande einen spitzen Treffer nahe seiner Rippen und weiß, dass ihm das den Wind aus den Segeln nehmen wird. Er verliert die Balance und stolpert rückwärts, wobei er ein gequältes Stöhnen ausstößt. Ich stehe auf und drehe mich um, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Hunt ihn beim Ellenbogen packt und ihn stützt, ehe er zu Boden geht.

»Nicht sonderlich ladylike, Schönheit«, stellt Jackson mit rauer Stimme und leicht unregelmäßiger Atmung fest.

 

»Du hast es verdient.« Ich bedenke ihn mit einem intensiven Blick. Einem, der ihm zu verstehen gibt: Verhalt dich klug und halt die Klappe.

»Du hast ernsthafte Aggressionsprobleme«, meint Hunt.

»Tu nicht so, als würdest du mich kennen.«

»Ich denke, ich …«

Ich mache einen Schritt auf Jackson zu, sehe ihn warnend an, und er hält mitten im Satz inne. »Halt den Mund«, fauche ich ihm entgegen.

»Worüber?«, fragt eine tiefe, klangvolle Stimme hinter mir. Der verführerische Ton berührt etwas tief in meinem Inneren und zerrt Erinnerungen zurück ans Tageslicht. Meine Haut prickelt und mein Magen überschlägt sich mehrmals.

Das kann verdammt noch mal nicht wahr sein.

Ich habe Angst, mich umzudrehen. Fürchte mich davor, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Auch wenn wir nicht viel miteinander geredet haben, hat sich jeder Aspekt dieser Nacht für immer in mein Gedächtnis eingebrannt.

Das darf nicht wirklich geschehen.

Mein Puls beginnt zu rasen, mir stockt der Atem und Schmetterlinge tanzen plötzlich in meiner Brust. Wie in Zeitlupe drehe ich mich um und versuche, mich dabei auf das Unvermeidliche vorzubereiten. Doch nichts könnte mich vor dem Anblick bewahren, der sich mir bietet.

Während er mich anstarrt, werden seine sinnlichen braunen Augen noch dunkler, und der kühle, gleichgültige Ausdruck auf seinem Gesicht ist meilenweit von dem weichen, mitfühlenden entfernt, den ich kennengelernt habe. Die Ärmel seines weißen Hemds hat er bis zu den Ellenbogen aufgerollt, sodass die Tinte auf seiner Haut wie die Aufschrift auf einer Visitenkarte hervorleuchtet. Sein Haar trägt er noch genauso: an den Seiten kurz und oben länger, die längeren Haarsträhnen hat er auch heute nach links gekämmt. Das Tattoo an seinem Kopf, das ich mehrfach mit den Fingern nachgezeichnet habe, scheint mich zu verspotten, während ich unter seinem hasserfüllten Blick fast zusammenbreche. Er verströmt jede Menge Gefahr und Macht. Im gesamten Raum ist es mucksmäuschenstill geworden. Alle verfolgen mit angehaltenem Atem den Austausch zwischen uns.

»Du bist Camden Marshall«, flüstere ich und kämpfe verzweifelt gegen die Panik an, die in meinem Innern wütet.

»Ja, Abigail.« Er spuckt meinen Namen aus, als würde er ihn nur äußerst ungern aussprechen. »Und wir müssen reden.«

7. KAPITEL

»Folge mir«, weise ich Camden an und bin froh, dass sich meine Stimme nicht überschlägt und die Angst verrät, die in meinem Körper tobt. Jemand da oben im Himmel treibt mit mir ganz offensichtlich gern sein Spiel.

Chad taucht neben mir auf. »Ich begleite dich.«

»Das ist nicht nötig.« Unter keinen Umständen möchte ich ihn oder jemanden aus dem inneren Zirkel bei dieser Unterhaltung dabeihaben.

»Aber Trent hat gesagt …«

»Trent ist nicht hier«, fahre ich ihn an. »Kümmere dich um Jane. Ich bin gleich wieder da.« Ich mache auf dem Absatz kehrt, verlasse die Cafeteria, ohne mich darum zu scheren, ob mir die drei folgen, und gehe zum Haupt-Hörsaal. In der Mittagspause kommt dort niemand rein, daher bietet dieser Ort die meiste Privatsphäre zum Reden.

»Wow, mach mal langsam, Schönheit«, sagt Jackson und zieht an meinem Ellenbogen.

Ich schubse ihn von mir weg. »Fass mich nicht an.«

»Das hast du nicht gesagt, als …«

Ich bedenke ihn mit einem giftigen Blick und er hört mitten im Satz auf zu reden. Dann ziehen sich seine Mundwinkel amüsiert nach oben, was mich wütend werden lässt.

»Übst du morgens beängstigende und böse Grimassen im Spiegel, bevor du zur Schule kommst? Denn so viel kann ich dir verraten, an deiner furchteinflößenden Miene solltest du noch arbeiten.«

Ich zeige ihm den Stinkefinger. »Ist das für dich eindeutiger?«

Er wirft lachend den Kopf in den Nacken.

»Jackson«, warnt Camden, als wir den Eingang zum Hörsaal erreichen.

Mit kerzengeradem Rücken und hoch erhobenem Kopf drücke ich die Doppeltüren auf und gehe hinein. Während ich die Treppe hinabsteige, versuche ich meinen fahrigen Puls dazu zu zwingen, sich wieder zu beruhigen. Ich brauche einen kühlen Kopf in dieser Situation. Als ich das Podium erreicht habe, drehe ich mich zu den beiden um, verschränke die Hände vor dem Körper und setze eine neutrale Miene auf.

Jackson hat wie immer sein typisches unbekümmertes Lächeln aufgesetzt, und ich bemerke, dass seine Uniform wie immer zerknittert ist, als würde er sie niemals bügeln. Er trägt nicht die vorgeschriebene Krawatte und die obersten Knöpfe seines Hemds stehen offen, was mir einen Blick auf die gebräunte Haut darunter gewährt, die meinen Händen leider nicht fremd ist.

Sawyer kommt mit selbstsicheren Schritten auf mich zu. Aus ihm werde ich irgendwie nicht schlau. Anders als Jackson trägt er definitiv eine frisch gebügelte Uniform; die Knöpfe seines Hemds sind alle geschlossen und seine Krawatte ist ordentlich gebunden. Nicht eine Haarsträhne tanzt aus der Reihe und er strahlt äußerst viel Selbstbewusstsein aus.

Mein Blick huscht zu dem Kerl, den ich seit jener schicksalshaften Nacht am Strand verzweifelt aus dem Kopf zu bekommen versuche. Camden ist voll hasserfüllter Energie und versucht gar nicht erst, seine Abscheu vor mir zu verbergen. Aus dunklen Augen funkelt er mich böse an, und seinen Mund hat er höhnisch verzogen, was seinem heißen Aussehen jedoch keinen Abbruch tut. Vielmehr betont es dieses noch.

Meine Erinnerung ist ihm nicht ansatzweise gerecht geworden, und ich hasse es, dass mein Körper vor Verlangen prickelt und sich mein Mund nach einer weiteren Kostprobe von ihm sehnt.

Ich schlucke den wirren Kloß aus Emotionen runter, der mir in der Kehle steckt, während die widersprüchlichsten Gefühle durch meinen Körper jagen. Herauszufinden, dass ich meine Jungfräulichkeit an den Feind verloren habe, macht mir einerseits Angst, andererseits finde ich das auch aufregend. Das Ganze wird auf diese Weise für Trent einen noch heftigeren Arschtritt bedeuten, heißt aber zugleich, dass ich in viel größeren Schwierigkeiten stecke, sobald er es herausfindet. Mein Plan hat gelautet, schon lange vor dem festgesetzten Hochzeitstermin weit weg von Rydeville zu sein, aber Camdens Auftauchen könnte mir einen Strich durch die Rechnung machen. Nun bin ich nicht mehr die einzige, die dieses Geheimnis teilt, und das könnte ein verflucht großes Problem werden. Das und die Tatsache, dass er mich ansieht, als sei ich die zweite Erscheinung des Antichrists.

Er hat nicht schockiert reagiert, als er mir begegnet ist, also wusste er bereits, wer ich bin. In unserer ersten Nacht war das jedoch nicht der Fall, denn ich bezweifle, dass unter diesen Umständen etwas zwischen uns passiert wäre.

Es sei denn, er hat das alles geplant?

Der Gedanke löst Übelkeit in mir aus, doch ich schüttle ihn ab. Die Sache hätte niemand voraussehen können. Ich hatte ursprünglich nicht vor, in jener Nacht zum Strand zu fahren. Es muss Zufall gewesen sein. Ein verfluchter Zufall, aber dennoch ein Zufall. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass er mich nicht doch erkannte. Vielleicht hat er mir meine Jungfräulichkeit aus irgendeinem kranken Grund genommen, weil er mich zum Beispiel in der Hand haben oder sich für irgendetwas rächen wollte.

Während mein Hirn versucht, dem Ganzen einen Sinn zu verleihen, überrollt mich eine weitere Welle von Übelkeit. Auch wenn ich davon ausgehen muss, dass seine Abscheu auf der Rivalität zwischen seinem Menschenschlag und dem meinem fußt, kann ich mich nicht dagegen wehren, mich zurückgewiesen zu fühlen. Offenbar bereut er das Ganze und es hat ihm nicht annähernd so viel bedeutet wie mir.

»Warum hasst du mich?«, frage ich, als die drei vor mir zum Stehen kommen, und sehe Camden direkt in die Augen.

»Wenn du das fragen musst, bist du sogar noch dümmer, als du aussiehst.« Im Gegensatz zu seinen hasserfüllten Augen, ist seine Stimme völlig emotionslos.

Seine Worte treffen mich tief in meinem Inneren, reißen alte Wunden auf, und sofort schalte ich in den Verteidigungsmodus. »Fick. Dich.« Ich fange an zu grinsen. »Oh, mein Fehler, das habe ich ja bereits gemacht, und es war in keiner Weise erinnerungswürdig«, lüge ich.

Jackson reißt die Augen auf und ihm fällt die Kinnlade runter, während Sawyer seinen äußerst wachsamen Blick sofort auf Camden richtet. »Wovon redet sie?«, fragt Sawyer.

Im Stillen trete ich mir für meinen Fehler heftig in den Arsch. Ich hatte angenommen, dass seine Kumpel von unserer gemeinsamen Nacht wüssten, und wollte das, was wir miteinander geteilt haben, abtun, bevor er die Gelegenheit dazu hatte. Den Reaktionen der anderen nach zu urteilen, hatten Jackson und Sawyer bisher keine Ahnung.

Also war das vielleicht gar nicht Teil irgendeines Plans, denn wenn es ein abgekartetes Spiel gewesen wäre, hätten seine Freunde doch davon gewusst?

Mist. Ich setze meinen eigenwilligen Gedanken ein Ende. Später kann ich die ganze Situation immer noch analysieren. Jetzt muss ich mich erst mal in Bestform präsentieren, und möglicherweise habe ich gerade alles deutlich verschlimmert. Da die drei nun mein Geheimnis kennen, muss ich mich konzentrieren, und einen Weg finden, um sicherzustellen, dass sie es nicht verraten.

Camdens Kiefermuskeln sind angespannt und er sieht mich weiter unverwandt an, als er seinem Freund antwortet: »Sie ist das Mädchen vom Strand.«

Jetzt wirkt Sawyer überrascht.

»Du machst gern an Stränden herum, Schönheit?«, wirft Jackson wenig konstruktiv ein und zwinkert mir dabei zu.

»Ich war bekifft«, stoße ich zwischen zusammengebissen Zähnen hervor.

Camden löst seinen Blick von mir, um Jackson anzustarren. Anspannung erfüllt die Luft. »Möchtest du das vielleicht genauer erläutern?«

Jackson schmunzelt, und ich balle die Hände an meinen Seiten zu Fäusten. »Sie hat sich Samstagabend an mich rangeschmissen und hätte es sich von mir besorgen lassen, hätte uns ihr Bodyguard nicht unterbrochen.«

»Du hast mich zuerst geküsst!«, protestiere ich.

»Du hast meinen Kuss erwidert!«

Meine Fäuste schreien danach, ihm sein selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. »Mir war nicht bewusst, was ich da tue!«

»Ist das der Grund, warum ich dich neulich mitten in der Nacht knietief im Wasser vorgefunden habe, während sich deine Nippel gegen deinen Seidenmantel bohrten?«, faucht Camden und positioniert sich so, dass unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt sind. »Warst du da auch bekifft? Oder war das nur ein jämmerlicher Versuch, deinem armseligen Leben ein Ende zu bereiten?«

»Mein Leben ist nicht armselig«, lüge ich und trete einen Schritt zurück, bis ich mit den Waden gegen den Rand des Podiums stoße.

»Die Nachricht, die du mir hinterlassen hast, spricht eine andere Sprache.« Er holt den zusammengeknüllten Zettel aus seiner Tasche hervor und hält ihn mir vors Gesicht.

Bevor ich danach greifen kann, hat Sawyer ihn Camden bereits aus der Hand gerissen. Jackson beugt sich über dessen Schulter, und beide lesen, was darauf geschrieben steht, während Camden und ich einander in Grund und Boden starren.

»Aw, du hast ihr eine kostbare Erinnerung geschenkt, Cam«, neckt Jackson und haut seinem Kumpel auf den Rücken. »Und wie war es für dich?«

»Völlig bedeutungslos«, antwortet Cam gleichgültig und reißt mir damit das Herz aus der Brust. »Ich ficke aus gutem Grund keine Jungfrauen. Sie haben nämlich von Tuten und Blasen keine Ahnung.« Meine Wangen verfärben sich feuerrot, als Jackson und Sawyer loslachen. »Ich hätte dich einfach im Wasser lassen und der Welt einen Gefallen tun sollen.«

Ein heftiger Schmerz durchfährt mich und macht mir das Atmen schwer. Was für ein Arschloch sagt so etwas zu jemandem, der sich das Leben nehmen wollte?

»Es war ein Fehler. Da sind wir uns beide einig. Es gibt keinen Grund, das Ganze noch einmal zur Sprache zu bringen.« Da ich unbedingt von hier wegwill, ehe ich noch etwas sage, das ich bereuen werde, schiebe ich mich an ihm vorbei.

»Wer zum Teufel hat gesagt, dass du gehen kannst?«, knurrt Cam, packt meinen Arm und stoppt mich. Wärme breitet sich von seiner Haut auf meine aus, und ein herrliches Prickeln wandert meinen Arm rauf und runter. Ich hasse es, dass mein Körper so erwartungsvoll auf seine Berührung reagiert.

Ich versuche, mich zu befreien, aber sein Griff ist fest, und er packt nur noch gröber zu, je stärker ich mich zur Wehr setze. Ich zucke zusammen. »Au.«

 

Mit gezielter Bewegung schiebt Cam den Ärmel meiner Jacke und meines Hemds nach oben und lässt seinen Finger über die blauen Flecken auf meiner blassen Haut gleiten. »Warst du das?«, fragt er Jackson mit entspannter Miene und in lockerem Tonfall.

»Nope«, antwortet dieser, wobei er das P besonders betont. »Ich würde auf den idiotischen Verlobten tippen.«

»Wer hat dir das angetan?«, fragt Cam.

»Warum zum Teufel interessiert dich das?«, fauche ich.

»Das tut es nicht. Hierbei geht’s nur darum, Informationen zu sammeln.«

Ich lache auf und versuche ein weiteres Mal, meinen Arm aus seinem Griff zu befreien. »Und warum zur Hölle sollte ich euch welche liefern?«

Ein arrogantes Grinsen umspielt seinen Mund. »Du wirst uns welche liefern, vertrau mir. Du wirst genau das machen, was wir von dir verlangen.«

»Du hast sie nicht mehr alle.«

»Und du bist ein dummes, naives Mädchen, das glaubt, an der Spitze mitspielen zu können.«

»Du kannst hier nicht einfach auftauchen und mir sagen, was ich zu tun habe. Ich bin Teil der Elite. Ich werde dir sagen, was du tun sollst.« Angesichts meiner Worte brechen alle drei in schallendes Gelächter aus, was dafür sorgt, dass mein Hals und mein Gesicht ganz heiß werden. Auch wenn ich Gewalt verabscheue, werde ich nicht noch länger hier stehen und mich von ihnen niedermachen lassen.

Ich bin fertig damit, freundlich zu sein.

Mit der freien Hand greife ich zwischen unsere Körper, packe seine Eier und quetsche sie zusammen, so fest ich kann, wobei ich zusätzlich noch meine langen, manikürten Fingernägel in sein Fleisch bohre. Sofort lässt er mich los und stößt einen kehligen Laut aus. Fluchend stolpert Cam zurück und hält sich sein Gemächt. Ich nutze die Gelegenheit, um an Jackson und Sawyer vorbeizueilen, und erklimme die Treppenstufen so schnell ich kann.

»Haltet sie auf!«, keucht Cam mit schmerzerfüllter Stimme, und ich lächle in mich hinein, ehe ich noch etwas schneller werde.

Ich berühre mit den Händen bereits die Tür, als ich von hinten gepackt und zurückgerissen werde. Ich schreie auf, doch da legt sich bereits eine Hand auf meinen Mund. Gleichzeitig werde ich hochgehoben und an eine warme Brust gedrückt. Jackson kommt die Treppe hoch und auf uns zu, während ich mich noch in Sawyers Armen winde.

»Hör verdammt noch mal auf, dich zu bewegen«, knurrt Sawyer und steigt mit mir die Treppe hinunter. Ich beiße ihm in die Hand. »Scheiße!«, schimpft er und nimmt ruckartig seine Hand von meinem Mund. Beinah lässt er mich dabei fallen, doch er erholt sich schnell. »Das Miststück hat mich gebissen!« Sein Griff um meine Mitte verstärkt sich.

Jackson lacht. »Ich habe dir ja gesagt, dass sie temperamentvoll ist.«

»Nimm ihre Beine«, weist Sawyer Jackson an.

»Nein!« Ich hebe meine Beine an und trete Jackson in den Magen, ehe er nach mir greifen kann – meinen Ballettstunden und den rumpfstärkenden Übungen sei Dank.

Jacksons Gesichtsausdruck ist überaus komisch, als er ins Schwanken gerät und mit den Armen rudert, um die Balance nicht zu verlieren.

Sawyer muss sich entscheiden.

Entweder lässt er mich los oder er riskiert, dass sich sein Freund ernsthaft verletzt. Sawyer lässt mich wie einen Sack Kartoffeln fallen, wobei sich meine Schuhe in zwei verschiedene Richtungen verabschieden, und packt Jackson gerade noch rechtzeitig am Hemd, ehe dieser nach hinten kippt.

Den Schmerz, der meine Wirbelsäule hinaufkriecht, ignorierend, krieche ich ein Stück weg, komme auf die Füße und renne ein zweites Mal Richtung Tür. Beim Klang eiliger Schritte hinter mir schießt Adrenalin durch meinen Körper. Ich keuche auf, als ich die Doppeltüren aufstoße und in den menschenleeren Korridor laufe. Gerade, als ich denke, es geschafft zu haben, werde ich an den Haaren zurückgerissen.

Ein Schrei löst sich aus meiner Kehle und ein stechender Schmerz breitet sich entlang meiner Kopfhaut aus. An den Haaren werde ich zurück in den Hörsaal gezogen, und Tränen laufen mir die Wangen hinab, als ich heftig gegen eine Wand geschubst werde.

Cams Gesicht ist zu einer beängstigenden aggressiven Grimasse verzerrt. Seine Hand schließt sich um meinen Hals, ehe ich ein Stückchen in die Höhe gezogen werde.

Verzweifelt greife ich nach seinem Arm und kämpfe darum, genug Luft in meine Lungen zu bekommen. Die Wand scheppert, als er mich schüttelt, den Griff um meinen Hals verstärkend, und seinen Körper gegen meinen presst. »Lass uns eine Sache klarstellen, Abigail. Wir haben dich in der Hand. Wir können mit dir machen, was wir wollen.« Er drückt sein Becken gegen meins, damit ich seine Erektion spüre.

Es sollte mich anwidern, dass ihn das anturnt. Aber ich bin ebenfalls erregt. Vermutlich bin ich noch bekloppter, als ich dachte.

»Wenn du noch mal so eine Scheiße abziehst, breche ich dir das Genick.« Er bohrt seine Finger in meinen Hals, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, und schwarze Punkte beginnen, vor meinen Augen zu tanzen.

»Cam, sie läuft schon blau an.« Sawyer schaut mich teilnahmslos an, als er das sagt, aber ich bemerke einen Funken Sorge in seiner Stimme. Auch wenn sich diese wahrscheinlich mehr auf seinen Freund richtet als auf mich.

»Kumpel.« Jackson zieht an Cams Arm. »Es reicht.« Zum ersten Mal ist der schmunzelnd-flirtende Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden. »Wir müssen uns an den Plan halten.«

Cam bedenkt mich ein letztes Mal mit einem bitterbösen Blick, ehe er mich loslässt. »Es gibt einen neuen Plan«, erklärt er und reibt sich die Hände an seiner grauen Hose ab, als klebe die Pest daran.

Ich sacke in mich zusammen, und spüre kaum den Schmerz, als ich auf dem Boden aufschlage. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, nach Luft zu schnappen.

Er beugt sich zu mir herunter und wischt mit seinen Daumen unter meinen Augen entlang. An seiner Fingerkuppe klebt danach jede Menge verwischter Mascara. »Du siehst schrecklich aus. Richte dich wieder her.« Er steht auf und baut sich über mir auf, als wäre er eine Art Gott. Ich zeige ihm den Mittelfinger, weil meine Kehle zu wund ist, um ihn zu beschimpfen.

»Es ist süß, dass du denkst, du hättest hier noch einen Hauch von Kontrolle.« Er zieht mich erneut an den Haaren und ich schreie auf. »Herzlichen Glückwunsch, Baby, du bist unser neues Spielzeug.«

Jackson lehnt sich gegen die Wand und seine Augen leuchten auf, als er zu verstehen scheint.

»Ich bin für niemanden ein Spielzeug«, krächze ich und zucke zusammen, als ich höre, wie heiser meine Stimme klingt.

»Und ob du das bist«, erwidert Cam mit einem boshaften Grinsen. »Du wirst tun, was wir wollen, und wann wir es wollen, denn wenn du das nicht machst, werde ich deinem Vater und deinem Verlobten erzählen, dass du deine Jungfräulichkeit bereits aufgegeben hast.«

»Das kannst du nicht machen!« Ich kämpfe mich auf die Füße. »Sie werden mich umbringen!« Mein Vater wird mich mit bloßen Händen erwürgen, wenn ich die Abmachung ruiniere, die er mit Trents Vater getroffen hat.

Cam schiebt seine Hand in meine Haare, ballt sie zu einer Faust und reißt meinen Kopf in einem unangenehmen Winkel nach hinten. Ich kann nur mit Mühe ein Wimmern unterdrücken. Dann kommt er meinem Gesicht mit seinem ganz nah und verzieht angewidert die Lippen, während er seinen Blick über mich schweifen lässt. »Sehe ich so aus, als würde mich das kümmern?«

Mein Herz hämmert wie wahnsinnig in meiner Brust, und ich hasse es, wie sehr mich seine boshaften Worte und harschen Blicke verletzen. Hasse es, dass er einen Schatten auf die eine gute Erinnerung wirft, die ich hatte, und sie auf diese Weise allem anderen in meinem Leben gleichmacht: einer großen Lüge.

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