Wir sind nicht allein

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Aus der Reihe: Yerion-Saga #1
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Wir sind nicht allein
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Shino Tenshi

Wir sind nicht allein

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Erste Schlacht

Installation

Ankunft

Erste Begegnungen

Das Leid der Frauen

Frauenpower

Rassenbonus

Zu real?

Davon schwimmen

Verzweiflung

Hacker?

Verbunden

Entstehungsgeschichte

Azrael

Ausgestossen

Nicht mehr als Einen

Das Band wird stärker

Versöhnung

Vampirmeute

Arenakampf mit Folgen

Des Atmens beraubt

We are One

Vorläufig festgenommen

Auf Kaution frei

Treffen in der Dunkelheit

Krankenhausaufenthalt

Kampf um die Vorherrschaft

Verrat

Aussprache

Erkenntnis

Kameradschaft

Hört auf!

Abschied

Ende gut alles gut

Alternatives Ende

Yerions Rassen

Impressum neobooks

Erste Schlacht

„Seriphon! Pass auf! Hinter dir!“ Die rote Robe flog unter der hastigen Bewegung, als schon die Luft zu knistern begann. Der Blitz wollte sich von den langen, zierlichen Fingern lösen, doch der Werwolf erschlaffte noch mitten im Sprung. Sein geiferndes Maul weit aufgerissen und bereit zu töten. Die grünen Augen waren einst voller Hass und erstarben nun langsam, als der leblose Körper hart auf den Boden aufschlug.

Ein kleiner Dolch steckte in seinem Rücken, doch der Elf achtete nicht länger darauf, sondern wandte sich schon wieder in eine andere Richtung. Die Luft um ihn herum war wie elektrisiert als dieses Mal der Blitz aus seiner Hand fuhr und mit einem lauten Knall in den Körper eines anderen Werwolfes einschlug.

Wie ein schwarzer Schatten flog eine Gestalt an dem Zauberer vorbei, der schon einen Feuerball in die rasende Meute schleuderte, doch sie hielten nicht an. Das riesige Rudel von Werwölfen stürmte unaufhaltsam auf den Elfen zu. Sie sprangen über ihre regungslosen Kameraden und alles an ihnen schrie nach Blut.

„Wir hätten doch mehr mitnehmen sollen, Seriphon.“ Der lange schwarze Mantel tanzte unter den gezielten Attacken des Assassinen. „Wir schaffen das, Shino. Niemals werden wir auf andere angewiesen seien. Diese Meute aus wilden Tieren ist doch ein Kinderspiel.“

Seriphon ignorierte die skeptischen roten Augen seines Begleiters, der sich mit seinen Dolchen und Kurzschwerter einen Weg durch die Werwölfe schlug. „Wenn du mal vernünftig auf deinen Rücken achten würdest, vielleicht.“ Erneut war dort ein schäumendes Maul, das nur wenige Zentimeter vor dem Nacken des Elfen erschlaffte. „Wenn sie wenigstens schmecken würden.“ Angewidert wischte sich Shino über seine Lippen und warf den reglosen Leib weg, doch er bekam nur ein Lächeln von dem Elfen.

Ein Feuerball raste an seinem Gesicht vorbei und ließ das Jaulen des Werwolfes erklingen. „Wir sind hier um diese Bastarde auszurotten. Azrael hat sie schon viel zu lange geduldet, doch jetzt ist Schluss. Wir werden ihre Zahl radikal reduzieren. Koste es, was es.“

Der Elf musste stoppen, als plötzlich ein gleißender Schmerz durch sein Schulterblatt raste und seinen Arm nutzlos herab baumeln ließ. Seine Finger tasteten nach hinten und spürten ein dünnes Stück Holz. Warmes Blut klebte an seinen Fingerspitzen und er bekam nur am Rande mit, wie Shino an ihm vorbei stürmte. Seine Klingen leuchteten feucht unter dem vielen Blut, das über sie geflossen ist und es würde mehr werden. Noch so viel mehr.

Seriphon biss die Zähne zusammen und brach den Schaft des Pfeils ab, bevor er sich mit einem lauten Schrei aufrichtete und eine Salve von Feuerbällen in die Meute schoss. Es war ihm egal, dass dort mittlerweile nicht mehr nur Werwölfe waren, sondern auch Zentauren. Sie sollten auch sterben, wenn sie diese räudige Meute unterstützten. Schließlich waren sie nicht mehr als ein Unfall gewesen, der außer Kontrolle geriet. Seriphon würde diesen Fehler nun teilweise korrigieren. Das war er dieser Welt schuldig und wenn Azrael es nicht tun wollte, dann mussten seine eigenen Leute es in die Hand nehmen.

Mit einer kräftigen, wischenden Bewegung schleuderte er eine ganze Reihe von Werwölfen nach hinten. Sie fielen in den Pfeilhagel der Zentauren und schützten so ihn und seinen Begleiter, der immer noch wie ein tödlicher Schatten durch die Feindesreihen tanzte. Sein bleiches Gesicht war von Blut gespickt und seine Augen dem Wahnsinn verfallen, doch Seriphon war das nur Recht. Sie würden hier wüten und erst aufhören, wenn auch der letzte Feind reglos am Boden liegen würde.

Im nächsten Moment raste eine riesige Ansammlung aus Eiszapfen zwischen die Meute und durchbrach Haut, Fleisch und Knochen. Das Jaulen der Verletzten und Sterbenden überschattete langsam das Kampfgeschrei. Seriphon bemerkte, wie immer mehr Werwölfe den Kampfeswillen verloren. Selbst die Zentauren schossen weniger Pfeile ab, als sich die Leichen ihrer Kameraden zu ihren Füßen stapelten, doch die zwei Kameraden hörten nicht auf zu wüten wie Rachegötter.

Immer wieder flogen Zauber der Elemente durch den Raum und hielten die Werwölfe von dem Elfen fern, während der Vampir weiter durch die Reihen huschte und jegliches Leben nahm, das seine Klingen kreuzte. Langsam erstarben die Angriffe und der Kampfesschrei verstummte. Man hörte nur noch das Wimmern der Verletzten und das schwere Atmen der Angreifer, als das Gemetzel vorbei war.

„Siehst du? Wir schaffen es auch alleine.“ Ein breites Grinsen lag auf den Lippen von Seriphon, doch Shino sah ihn nur skeptisch an. Er wollte gerade etwas sagen, als erneut Schmerz durch das Gesicht des Elfen raste. Eine metallene Spitze ragte aus seinem Bauch hervor und der Vampir bewegte sich ohne nachzudenken. Sofort stürmte er auf seinen Freund zu, doch er konnte ihn nur vor dem Sturz auf den Boden bewahren, als der Werwolf hinter ihm schon zusammen brach. Das weiße Fell war durchtränkt von Blut, doch in seinem Gesicht war ein zufriedenes Lächeln: „Zeit zu sterben, Elf. Das Spiel ist auch für dich vorbei. Für immer.“

Shino zog seine Klinge, doch der Werwolf bewegte sich schon nicht mehr. Ohne nachzudenken packte er seinen Kameraden und rannte los. Weg von dem Schlachtfeld in die nächste Stadt, um das Leben des Elfen vielleicht doch noch zu retten. Er durfte nicht sterben. Nicht durch die Hand eines dreckigen Werwolfes. Niemals durch einen Werwolf…

Installation

Shards of Fantasy

Dieses Spiel lag heute auf meinem Schreibtisch. Ich hatte es mir gekauft, weil in meiner Klasse von nichts Anderem mehr gesprochen wurde, darum wollte ich es mir zumindest einmal ansehen.

Auf dem Cover war ein zersprungener Spiegel zu sehen und in jeder der zehn Scherben war eine Fantasiegestalt abgebildet: Werwolf, Vampir, Troll, Orc, Goblin, Elf, Fee, Minotaurus und Zentaur.

Die Beschreibung auf der Rückseite versprach eine Welt voller Abenteuer und nie endender Beschäftigungen, wie es alle Spiele dieser Art taten. Ich war kein großer Fan von solchen Programmen, doch ich wollte nicht mehr der Einzige in meiner Klasse sein, der es nicht spielte.

 

Das Installationsfenster war nun schon seit ein paar Minuten auf dem Bildschirm meines Computers zu sehen, doch das war nicht wichtig. Jedes Spiel brauchte seine Zeit, um sich auf dem Rechner zu verewigen, wodurch ich, statt mich zu langweilen, lieber weiter mit der Verpackung spielte.

Ich wusste noch nicht, welche Rasse ich wählen würde, darum nahm ich das Handbuch zur Hand und begann ein wenig darin herumzublättern, bis ich auf die Beschreibung der einzelnen Rassen stieß.

Für jede Rasse war eine Seite vorgesehen. Man sah ein Bild von einer typischen Figur, die als Repräsentant diente und einen kleinen Text, den ich mir Klasse für Klasse durchzulesen vornahm.

Der Elf: Er ist ein magisches Wesen, das über einen hohen Intelligenzwert verfügt, wodurch man ihn eher selten mit dem Schwert kämpfen sieht. Dieser Rasse stehen die Magier- und Schamanenklasse offen.

Ich wusste nicht, ob ich wirklich so etwas spielen wollte. Magier fand ich schon immer langweilig. Sie waren zwar gute Schadensausteiler, doch dafür fielen sie auch leicht um, wenn sie einmal angegriffen wurden. Und Schamanen? Mit dieser Kultgruppe hatte ich mich noch nie identifizieren können, wodurch diese Rasse wohl schon mal wegfiel.

Der Minotaurus: Er ist ein großes Mischwesen aus Mensch und Stier. Sein bulliger Körperbau macht ihn zu einem perfekten Nahkämpfer, wodurch seine Rasse sich auf den Krieger und Dunkelritter spezialisiert hatte.

Krieger klang langweilig, doch Dunkelritter wirkte reizvoll, wodurch ich kurz zu den Klassenbeschreibungen blätterte und auch diese schnell überflog, bis ich den Eintrag zum Dunkelritter fand.

Der Dunkelritter: Er trägt schwere Plattenrüstung und bedient sich meist zwei Einhandschwerter, die er mit tödlicher Präzision schwingen kann. Wenn der Gegner mal zu weit entfernt ist, um ihm körperlichen Schaden zuzufügen, kann der Dunkelritter auch auf die Schattenmagie zurückgreifen.

Diese Klasse versprach einen hohen Grad an Abwechslung, doch empfand ich die Minotauren als Rasse nicht unbedingt sehr reizvoll, wodurch ich mir lieber noch die Beschreibungen der anderen Rassen durchlas. Vielleicht würde ich den Dunkelritter bei einer Rasse finden, die mir mehr zusagte.

Der Vampir: Der Blutsauger unter den Völkern von Yerion. Er ist ein Wesen der Tarnung und Täuschung, wodurch er es bevorzugt im Verborgenen zu bleiben und sich perfekt in den Schatten zu bewegen. Unter ihnen sind die meist gefürchteten Assassinen zu finden, jedoch sind sie auch begnadete Schützen.

Ich schnaubte nur. Nein, Vampir wollte ich wirklich nicht werden. Seit diesem riesigen Boom in der Literaturwelt und somit auch Fernsehwelt war mir die Lust an dieser Rasse gründlich vergangen. Außerdem konnten sie keine Dunkelritter werden und ich wollte auch nicht mit einer so feigen Spielweise beginnen.

Die Bilder der Rassen waren schön, doch auch von diesen sprach mich bisher keines an, wodurch ich ruhig weiterblätterte und die nächste Beschreibung las.

Der Goblin: Klein, grün, habgierig und hinterlistig. Das sind wohl die vier meist gehörten Eigenschaften, wenn man Leute nach dieser Rasse befragt. Und so sind sie auch in diesem Spiel. Klein und wendig, wodurch sie perfekt für den Job des Schurken geeignet sind. Manche unter ihnen begnügen sich aber nicht nur mit Diebstählen, sondern machen sich als Auftragsmörder einen Namen: Assassine.

Ich mochte weder kleine noch grüne Typen, weshalb auch der Goblin für mich nicht in Frage kam. Ein Seufzer schlich sich über meine Lippen, als ich wieder auf den Bildschirm sah. Er hatte gerade einmal dreißig Prozent hinter sich gebracht. Also hatte ich noch ein wenig Zeit, um auch die restlichen Rassen durchzulesen.

Die Fee: Klein aber oho. Das ist die Fee. Auf Grund ihrer geringen Körpergröße können sie keine schweren Waffen tragen oder gar eine feste Rüstung. Dadurch haben sie sich gänzlich auf das Zaubern spezialisiert, ob nun als Heiler oder als Magier. Sie haben eine hohe Intelligenz und Zauberkraft, wodurch sie die idealste Wahl sind, wenn man sich für eine der zwei Klassen interessiert.

Tinkerbell? Nein, das wollte ich wirklich nicht spielen. Außerdem hatte ich dort wieder das Problem, dass ich keinen Schaden erleiden durfte, was ich nicht einsah. Ich war ein sehr offensiver Mensch und so wollte ich auch spielen. Angriff war immer noch die beste Verteidigung und immer mitten rein in die Schlacht. Also weiter lesen, denn bis jetzt war noch nichts Passendes dabei gewesen.

Der Troll: Sie sind ein sehr naturverbundenes Volk, das jedoch nicht vor roher Gewalt zurückschreckt und somit sowohl die Klasse des Schamanen als auch des Berserkers für sich beansprucht.

Na toll. Schon wieder dieser komische Naturkult und Berserker waren für mich nur Barbaren, die nichts anderes konnten, als draufzuhauen. Langweiliger als Krieger, weil sie noch weniger Hirn besaßen. Ich wusste jedoch, dass meine beste Freundin Laura diese Rasse gewählt hatte, weil sie Schamanen sehr gerne mochte. Das hatte ich noch nie verstanden und daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern.

Der Zentaur: Diese Mischwesen aus Mensch und Pferd sind schnelle Läufer und begnadete Schützen, während sich die Friedlicheren unter ihnen auf das Heilen mit Kräuter und Zaubern spezialisiert haben. Sie verstehen sich sehr gut auf Naturheilkunde und besitzen ein großes Wissen über die Welt um sich herum.

Pferde? Wollte ich wirklich die ganze Zeit einen Pferdehintern vor meiner Nase haben? Ich bekam schon die Krise, wenn sie vor unserem Auto herumliefen oder ich irgendjemanden reiten sah. Diese komische Wippbewegung des Gesäßes machte mich einfach fertig, wodurch auch diese Rasse ausschied. Zumindest wenn ich das Spiel doch irgendwie genießen wollte.

Ein Seufzer stahl sich über meine Lippen. Es waren nicht mehr viele übrig. Um genau zu sein zwei Stück. Vielleicht hätte ich mich vorher informieren sollen, ob es überhaupt eine Rasse gab, die mich wirklich interessierte? Doch jetzt war es schon zu spät. Das Spiel war geöffnet und schon zu achtzig Prozent installiert. Es gab kein Zurück mehr. Und wenn mir wirklich keine Rasse gänzlich zusprach, musste ich halt die Interessanteste unter ihnen nehmen. Doch noch gab es Hoffnung, wodurch ich ruhig weiter las.

Der Orc: Sie sind noch animalischer als die Trolle, wodurch sie sich nur auf rohe Gewalt verstehen. Sie bilden nur Krieger aus und die Besten unter ihnen werden zu Berserkern. Für diese Rasse gibt es nur eine Sprache, die sie verstehen und das ist die Sprache der Gewalt, wodurch der Orc in ganz Yerion gefürchtet und seine Gesellschaft nur ungern gesehen ist.

Na, toll. Noch mehr hau drauf und Schluss. Diese Rasse wollte ich wirklich nicht spielen und ich wollte auch nicht wissen, welcher Typ Mensch sich dafür interessierte. Doch bestimmt wurde sie gespielt, sonst würde man sie ja einfach aus dem Programm streichen. Oder etwa nicht? Na ja, eine Rasse gab es noch. Vielleicht war sie ja das, was ich mir wünschte.

Der Werwolf: Der Urfeind des Vampirs und auch ein Herrscher über die Schatten. Jedoch bedient er sich nur kleiner Schurkereien und der Schattenmagie, wodurch er auch Dunkelritter in seinen Reihen hat, die sich einen Namen machten, während die Faulen den Weg des Schurken einschlagen.

Das war es! Genau diese Rasse!

Ich spürte es, als ich das Bild des Werwolfes betrachtete, wie er mich in seiner schwarzen Plattenrüstung mit stolz erhobenem Haupt aus dem Heft heraus ansah. Oh ja! Den wollte ich spielen. Einen Dunkelritter-Werwolf. Er verkörperte alles, was ich mir von diesem Spiel wünschte. Spaß, Abwechslung und Respekt. Ideal für mich.

Das kurze Piepen meines Rechners wies mich darauf hin, dass das Spiel nun installiert war. Es konnte also losgehen. Meine Reise würde nun beginnen, wodurch ich ungeduldig auf den Button des Spiels klickte, sodass es sich starten konnte.

Es dauerte ein paar Sekunden und der Log-In-Bildschirm erschien. Ich gab meine Daten ein und nach zwei Atemzügen war ich mit dem Server verbunden, als mir sofort die Worte von Laura in den Sinn kamen: „Achte darauf auf welchen Server du startest. Mein Troll ist auf dem Server namens Breaking Dawn angemeldet. Wenn du auf einem anderen Server anfängst, dann können wir nicht gemeinsam spielen.“

Kurz huschte mein Blick über den Bildschirm, der eine ruhige Landschaft zeigte. Links war eine Liste mit dem Button „Neuen Charakter erstellen“. Wahrscheinlich würde der Charakter in der Landschaft angezeigt, wenn man ihn ausgewählt hatte. Nach wenigen Augenblicken fand ich die Anzeige des Servers, wodurch ich feststellte, dass ich auf einem anderen war. Okay, das musste ich also ändern. Kurz auf den Button geklickt und schon hatte ich eine kleine Liste. Es gab erst vier Server, weil das Spiel noch nicht allzu lange existierte, doch dies würde sich wohl ändern, wenn es wirklich Erfolg haben sollte.

Dann begann ich meinen Charakter zu erstellen. Zuerst wählte ich die Rasse und dann die Klasse, so wie ich es schon am Anfang geplant hatte. Kurz betrachtete ich die zwei Geschlechter, wobei ich die Männer zu animalisch fand und mich schließlich für einen weiblichen Werwolf entschied. Anschließend stellte ich ihre Haarfarbe, die Augenfarbe und ein paar Gesichtszüge ein, bevor ich ihr noch ein paar Narben gab und auch die Frisur auswählte. Dann kam das schwierigste: Der Name.

Ich wusste nicht, wie Laura ihren Troll genannt hatte, doch das war im Moment auch nicht wichtig, wodurch ich einfach meinen Werwolf betrachtete und versuchte zu sehen, was für einen Namen das Leben ihr gegeben hätte. Als er plötzlich vor meinem inneren Geiste erschien:

Destina

Ankunft

Die Werwölfe sind ein mächtiges Volk. Sie werden von allen Völkern gefürchtet und verehrt. Denn ihre Körperkraft ist kaum zu bändigen, genauso wie ihre Wildheit. So gerät es gerne einmal in Vergessenheit, dass sie durch einen tragischen Unfall entstanden.

Ein Elf versuchte einen Wolf durch Zauberei das Sprechen beizubringen. Doch was er ihm schenkte, war viel mehr als nur die Gabe, sich akustisch verständlich ausdrücken zu können, sondern auch humane Intelligenz und die Fähigkeit, auf zwei Beinen zu gehen. Außerdem schenkte er ihm die Anwesenheit des Daumens, wodurch diese neue Rasse die Möglichkeit bekam, Dinge zu greifen.

Schon schnell vermehrte sich der Wolf unter seinen Artgenossen und immer mehr Werwölfe, wie man sie fortan nannte, entstanden. Sie begannen schon fast zu einer Plage zu werden, wodurch ein hohes Preisgeld auf ihre Köpfe ausgesetzt wurde. Sofort nahmen die Vampire sich dieses Problems an und begannen Jagd auf die Werwölfe zu machen.

Zu Beginn fielen viele Wölfe den Vampiren zum Opfer, doch nach und nach begannen sie sich zu wehren und ihre eigenen Mächte zu entwickeln. Ihr Kampfmotto wurde: „Sehe, bevor du selbst gesehen wirst. Denn nur dann wirst du derjenige sein, der tötet.“

Einige gingen auch in die Lehre bei den Minotauren und eigneten sich so die Kunst der Schattenmagie an. Es schien ihre einzige Möglichkeit zu sein, sich gegen die Hetzjagd der Vampire zu behaupten. Mittlerweile sehr erfolgreich sogar.

Dies alles ist nun schon einige Jahrhunderte her. Doch ist die Jagd noch lange nicht beendet. Nicht für die Vampire. Und das, obwohl sich der dunkle Schatten immer weiter über Yerion ausbreitet…

Ich betrachtete die kleine Filmsequenz ruhig, während ich der Geschichte über die Werwölfe folgte. Nun ja, so wie es sich anhörte, sollte ich mich vor den Mitspielern der Vampirrasse in Acht nehmen. Aber das wird wohl nicht allzu schwierig werden.

Die Welt, in die man mich gesetzt hatte, wirkte düster und kalt. Sie war ein dichter Nadelwald aus Tannen und Fichten. Man roch das Moos und die Pilze, die sich aus dem Boden kämpfen. Oft sah man Wölfe durch die Schatten huschen und ich selbst stand vor einem Höhleneingang, wobei ich sofort von einem anderen Werwolf angesprochen wurde: „Willkommen, Destina. Schön, dass du dich dem Rudel, das sich auf die Suche nach neuen Höhlen macht, anschließen möchtest. Wir können jeden tapferen Kämpfer gebrauchen.“

 

Es war nur ein NPC, dennoch hörte ich geduldig zu, bevor ich dann ruhig weiterging, um mich ein wenig in der Umgebung umzusehen. Ich war wirklich in einem Wald. Anscheinend waren die Werwölfe noch nicht gut genug entwickelt, um in richtigen Siedlungen zu leben. Oder aber sie lebten absichtlich hier, weil sie sich so besser vor den Vampiren verstecken konnten.

„Hey, Shujo! Bist du nun auch endlich online? Hat aber lange gedauert, bis sich das Spiel auf deinen Rechner angesiedelt hat.“ Plötzlich öffnete sich ein Chatfenster, wobei ich erkannte, dass es meine beste Freundin Laura war. Ihr Charakter trug den Namen Terrivon und irgendwie war sie nicht mehr allzu weit vom Maximallevel 60 entfernt, was jedoch nicht weiter verwunderlich war, denn sie spielte schon eine geraume Weile.

„Ja, ich konnte mich einfach nicht mehr dagegen wehren. Schließlich durfte ich mir in diesem Bereich schon einiges anhören und dessen bin ich nun einfach müde“, antwortete ich ruhig, wobei ich dann schon den nächsten Text las: „Ah, okay. Hast eh lange durchgehalten. Warte, ich komm' vorbei, dann können wir etwas zusammen machen. Ich kann dir ein paar Orte zeigen. Du bist ein Werwolf. Ich weiß, wo diese Rasse startet. Warte kurz. Ich bin bald da.“

Ich musste lächeln. Ja, ich wusste, wie sehr sie sich darauf gefreut hatte, mit mir zu spielen. Schließlich hatte ich ihr sofort meine Kontaktdaten geben müssen, sodass sie mich adden konnte. Denn sie hatte schon länger mit mir zusammen spielen wollen. So oft hatte sie versucht mich zu überreden. Viel zu oft, wenn ich ehrlich war.

Ein breiteres Lächeln legte sich auf meine Lippen, während ich mich ruhig weiter umsah. Die Grafik war schön. Sehr realistisch gehalten, was mir durchaus gefiel. Ich mochte diese Comicgrafik nicht. Es kam mir vor, als würden sich die Entwickler mit einem derartigen Stil über ihr eigenes Spiel lustig machen. Außerdem würde es zu Shards of Fantasy einfach nicht passen.

„Hier bin ich.“ Plötzlich erklang die Stimme von Laura in meinem Ohr und ich erschrak kurz, wobei ich irritiert auf den buckligen Troll sah, der mich schelmisch angrinste. Seine blaue Mähne hing lässig über seine Schultern, während die gewaltigen Stoßzähne für den nötigen Respekt sorgten.

„Na, hab ich dich erschreckt? Ich hab dir doch gesagt, dass sich das Spiel der neusten Technik bedient, sodass man direkt kommunizieren kann und auch Emotionen von dem Spieler auf die Figur übertragen werden. Aber ich wusste, dass du mir wieder nicht zuhören würdest“, redete sie weiter auf mich ein, wobei ich mich langsam erholte, als ich schon die nächste spöttische Anmerkung hörte: „Hey, du bist ja ein Weibchen. Wie kommt das denn?“

„Da redet gerade die Richtige. Du bist doch selbst ein Kerl. Ich empfinde die männlichen Werwölfe nur als zu animalisch“, erklärte ich mich kurz, wobei ich dann ruhig näher zu ihr trat, „und warum ist dein Troll männlich?“

„Ganz einfach, weil mich so niemand blöd anmacht.“ Sie zuckte mit den Schultern bevor sie dann ein Reittier beschwor. „Komm, steig auf. Ich will dir die Hauptstadt zeigen und auch ein paar andere interessante Orte.“

Sie hatte einen gewaltigen Greifen gerufen, auf den sie anschließend stieg und ich dann zögerlich ebenfalls hinter ihr Platz nahm. „Wieso wird man blöd angemacht, wenn man ein Weibchen spielt?“

„Das wirst du schon noch selbst sehen. Oh ja, du wirst deine Wahl noch bereuen.“ Sie lachte auf, wobei ich nur ein wenig irritiert meine Augenbrauen zusammenzog. Irgendwie wollte ich das nicht wirklich glauben. Schließlich würde jeder hören, dass ich ein Junge war. Bestimmt übertrieb Laura nur wieder einmal…