Silverstorys - Bedtimestorys

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Silverstorys - Bedtimestorys

1  Reise der Zeit

2  Turm der Liebenden

3  Zwischen den Sternen

4  Die kleinen Dinge

5  Der verlorene Hain

6  Flüstern des Windes

7  Ende

Reise der Zeit

Zeit vergeht. Das ist eine Tatsache. Ein ungeschriebenes Gesetz. Eine Regel, die sich niemals ändern wird. Sekunde für Sekunde, macht sich der Zeiger der Uhr stets aufs neue auf den Weg.

Eine Reise, bei der er stetig seine Punkte passiert. Doch, so ähnlich sich dieser Zyklus aufs neue ist, so unterschiedlich kann es aber auch manchmal sein. Auch wenn es den Hauch eines Déjà-vus mit sich zieht. So wird es niemals Zwillinge geben. Ob gleich sich die Teilnehmer ähneln oder völlig neu sind. Ganz egal, ob Gäste, alte Bekannte sind oder fremde Gestalten. Die Orte ein neues unbekanntes Bild malen oder eine vertraute Umgebung sind.

Die Strahlen der Sonne können dich wärmen oder blenden. Die Dunkelheit kann dich führen oder einhüllen.

Es gibt unwahrscheinlich viele Wege und Möglichkeiten. Was auch passiert, egal wie wir es empfinden. Es beeinflusst das Ticken. Dieses kleine Geräusch. Solange, bis sich der nächste größere Freund, langsam auf den Weg macht. Stets wartet er darauf, dass ein Weg beendet wurde und macht dann einen Schritt. Aus den Kleinen Dingen, Orte und Personen, allem was sich kreuzt, entsteht ein weiterer Schritt.

So zieht es auch Diesen auf eine stets neue Reise. Doch braucht er wesentlich länger um sein Ziel zu erreichen. Doch jeder einzelne Schritt hilft dabei. Alles, jedes kleine Zahnrädchen trägt dazu bei, dass die Reise fortgesetzt wird.

Erschütterungen können das Zusammenspiel gefährden. Allerdings glaubt man beinahe gar nicht, wie stabil so ein Zusammenspiel, tief im inneren sein kann. Man sollte es nicht unterschätzen.

So führt doch schließlich alles einen Schritt weiter. Auch wenn der Weg mühselig nach unten geht, so muss er wieder rauf, um die Reise zu beenden.

Alles arbeitet auf einen noch größeren Schritt zu. Manchmal, wird dieser durch einen kleineren Freund gezeigt. Er ist längst nicht so groß, wie sein Weggefährte. Das macht ihn aber nicht unbedeutend. Ganz im Gegenteil. Er zeigt ebenso Resultate und folgt still und leise dem aufgezeigten Pfad. Auch wenn es mühseliger aussehen mag, so erreicht auch Punkte, die in solcher Ferne zu liegen scheinen. Früher oder später. Ganz gewiss.

Bis auch schließlich dieser seine Reisen beenden muss. Ja so ist das. Aber eines ist wohl klar. Egal wie Groß oder klein die Schritte des Letzten sind, Sie sind nur mit der Hilfe aller entstanden. Alles trägt dazu bei.

Die Zeit vergeht. Das ist eine Tatsache. Ein ungeschriebenes Gesetz.

Turm der Liebenden


Es gab da dieses Mädchen, Lucy. Sie lebte in einem kleinen Dorf. Eine kleinere beschaulichere Gemeinde. Es waren zwar genug Einwohner, dass nicht unbedingt jeder jeden kannte, doch zu wenige um mit den anderen Städten in der Ferne mithalten zu können. Das brauchte auch niemand. Es war eine eher friedvolle Zeit. Jeder ging so seinen Tätigkeiten nach und war mit dem zufrieden, was er oder sie hatte. Nur ab und wann zog es einen Anwohner mal in die Ferne, denn wer Hektik, Stress oder die bloße Aufregung einer Großstadt suchte, war dort am völlig falschen Ort. Nichts in der Richtung würde man dort finden, es sei denn man verursachte so etwas selbst. Allerdings war das nicht sonderlich empfehlenswert. Denn damit würde man bei den meisten einfach nur unangenehm auffallen.

Womit wir wieder bei diesem kleinen Mädchen sind, Lucy. Sie hatte etwas an sich, dass Sie zu etwas Besonderem machte. Natürlich ist jeder Mensch auf die eigene Art und Weise etwas Besonderes, doch das war in diesem Fall nicht gemeint. Nein, Sie war nicht nur besonders auf ihrer Art. Sie trug ein Mahl. Es befand sich seit ihrer Geburt auf ihren linken Unterarm. Dieses Mahl, zeichnete Sie. Es war keine Narbe, auch wenn manche dies gerne behaupteten. Auch tat es ihr nicht weh, wenn Sie die Stelle berührte oder etwas dagegen stieß. Zumindest nicht mehr als an jeder anderen Stelle. Für Sie war es eine einfache Verfärbung, nichts weiter.

Diese Einstellung war jedoch nicht wirklich verbreitet. Es war für viele eher ein Grund, Sie zu meiden. Manche Eltern hatten Angst, es sei ein Leiden, dass sich kein Arzt erklären könne und es wäre dann auch möglich, dass die eigenen Kinder angesteckt werden würden. Auch wenn das natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen war. Andere mieden einfach nur, dass, was anders war, hatten vielleicht kein großartiges Problem damit, mussten aber nichts riskieren und schalteten deshalb auf Ignoranz. Das machte die Lage für Lucy natürlich teilweise etwas schwierig, denn wie Kinder ebenso sind, ließen viele sich von dem Verhalten anstecken und machten es ihren Eltern nach.

Jetzt könnte man natürlich glauben, dass Lucy damit ein Problem hatte und tief unglücklich in diesem kleinen Dorf lebte. Aber nein, dem war nicht so. Sie unterschied sich auch in vielen anderen Punkten von den anderen Kindern, nicht nur in ihrem liebenswerten Charakter, nein, sie hatte noch viel mehr an sich. So nutzte Sie diese Situation um ihren eigenen Weg und ihre eigene kleine Welt zu entdecken. Sie hatte nämlich etwas Wunderbares, dass bei ihr stärker ausgeprägt war, als bei allen anderen, etwas dass jeder Mensch haben kann, es mit dem alter jedoch immer mehr verloren geht. Fantasie.

So spielte sie verträumt ihre eigenen Spiele, was allerdings seltener vorkam, denn viel lieber als sinnlos durch die Gegend zu laufen, schwebte sie in Gedanken davon. Wenn sie die Wolken sah, dachte Sie nicht daran, dass es vielleicht irgendwann einmal regnen könnte oder wie groß oder klein diese waren. Sie wollte eher wissen, woher kamen sie, an welchem Ort entstanden sie. Wenn der Wind dabei noch zusätzlich mitspielte und sie gespannt den Formen beim Wandeln zusehen konnte, war es endgültig um sie geschehen und sie versank komplett in Gedanken.

Es gab in dem Dorf außerdem jemanden, der sie mehr verstand, als alle anderen. Ihre Mutter, sie war gleichermaßen die beste Freundin von Lucy. Mit ihr zusammen lebte sie in dem kleinen Dorf, schon seit ihrer Geburt. Daher machte es auch keinen Sinn ihr Mahl zu verstecken, es wusste doch eh jeder Bescheid. Außerdem mochte Lucy das nicht, denn sie fand es war ein Zeichen, ein Symbol dafür, dass sie einzigartig war. Ihre Mutter verstand das. Sie und Lucy waren mehr als nur ein eingespieltes Team.

Das hatte natürlich Vor-und Nachteile. So war es z.B. nur sehr schwer, etwas, dass eine der Beiden belastete, vor der anderen geheim zu halten. Lucy wusste daher auch, dass Ihre Mutter sich manchmal darüber sorgte, dass Sie so alleine herumlief, auch wenn es ihr wirklich nichts ausmachte. Doch das Band der Beiden war ihr so wichtig, dass Sie daher manchmal bei Versuchen mitspielte, was Gruppentätigkeiten anging. Wie erfolgreich das war, wussten beide aber meist vorab.

Wenige der Erwachsenen oder Eltern, die ebenfalls überhaupt kein Problem damit hatte, was die Kleine auf dem Arm hatte und was nicht, wollten bloßen Gerüchten eh nicht glauben. Doch auch die hatten es nicht sonderlich einfach. Oft war der Einfluss der Menge einfach deutlich größer und die wenigen hatten Angst, sie oder die Kinder könnten ebenfalls dort mit reingezogen werden. Da diese sich nicht so deutlich Unterschieden wie Lucy, war die Angst, die konnten es nicht verkraften, zu groß.

Doch wie schon erwähnt. Es war nun nicht so sonderlich stark, dass man Lucy erniedrigte oder schlimmeres. Sie war ja keine Ausgestoßene. Doch was sie nun war oder nicht war, Lucy interessierte es nicht. Sie ging weiter ihren Weg.

Wäre sie nicht öfter alleine unterwegs, hätte sie zum Beispiel ihren Lieblingsort nie gefunden. Gut, eigentlich wäre es vielleicht so oder so passiert. Immerhin war der Ort nicht so unauffällig, wie man zuerst vermuten könnte. Also wohl nur eine Frage der Zeit. Das war es aber auch wirklich, denn sie musste schließlich auch alt genug werden um den Platz aufsuchen zu dürfen.

Einen schönen Frühlingsmorgen, saß Sie am Fuße des alten Turmes, der außerhalb des Dorfes auf einem kleinen Hügel stand. Er war von ihrem Haus aus in der Ferne zu sehen und weckte ihre Neugierde schon ziemlich früh. Sie konnte es kaum erwarten irgendwann einmal dieses Gemäuer von näherem zu begutachten. Ihr Lieblingsplatz? Nein, das war er nicht. Wobei das nicht ganz stimmt. Bis zu diesem Zeitpunkt war er es noch. Doch danach war der Turm nur noch auf Platz Zwei.

Der Turm hatte für Sie etwas Unerklärliches, ja etwas Mysteriöses. Den genauen Zweck wusste Sie gar nicht. Ob er früher als Aussichtsturm benutzt wurde oder ob man dort wache schob um vor eventuellen Feinden zu warnen. Sie konnte nur vermuten. Aber genau das mochte sie ja. Sie liebte es, sich Geschichten aus zu denken. Das dort oben vielleicht ein geheimer Raum war, mit unerklärlichem. Womöglich mit einem Ausblick, der unvergleichbar war. Herausfinden, würde sie es wohl nie.

 

Der Turm war schon immer verschlossen gewesen. Zumindest seitdem sie dorthin gehen durfte. Er war sogar nicht nur geschlossen, sondern regelrecht verriegelt und verrammelt. Auch die Fenster, die noch in erreichbarer Höhe lagen, waren mit Brettern dicht zu genagelt. Diese Maßnahmen hatten natürlich ihren Grund. Früher sollen die Türen wohl nur normal zu geschlossen gewesen sein. Doch im Laufe der Zeit, wurde das ausgenutzt. Verschiedene Gruppen von Kindern unterschiedlichen Alters, meist jüngere, hatten es sich als Mutprobe gesetzt nachts dort ein zu brechen und den Turm hinauf zu steigen. Das war natürlich äußerst gefährlich. Deshalb beschlossen die Bewohner des Dorfes, eine entsprechende Gegenmaßnahme zu ergreifen. Sie machten alle Wege komplett dicht, so fest, dass man selbst mit roher Gewalt nicht sonderlich weit kam. Einen Besitzer gab es ja schon länger nicht mehr und daher brauchte auch niemand dort hinein.

Wie gerne würde Lucy dort einen Blick hineinwerfen, hatte aber auch Angst es würde sie enttäuschen. Daher blieb sie einfach bei ihrer Fantasie und es musste zunächst reichen im Schatten zu sitzen und einfach anwesend zu sein.

Lucy genoss die Wärme der Sonne. Zwar war es noch recht früh, doch die Kraft und Energie war bereits deutlich zu fühlen. Sie hatte ihre Mappe dabei, wie in den meisten Fällen. Zusätzlich ausgerüstet mit einem kleinen Bleistift, war sie jederzeit bereit ein wenig zu Zeichnen. Manchmal einfache Bilder von ihrer Umgebung. Andere Male skizzierte sie das was ihr im Kopf herum spuckte. Je nach dem wie ihre Stimmung gerade war.

An diesem Frühlingsmorgen allerdings, konnte sie keine richtige Inspiration finden. Auch der wandernde Schatten des Turmes, den Sie ab und an beobachtete, half nicht. Sie war nicht so richtig in Form. Als eine leichte Brise aufkam und durch ihre schulterlanges Haar wehte, schloss sie kurz die Augen. Der Wind umspielte sie und warf ihr Strähnen ins Gesicht. Sie liebte das Vogelgezwitscher. Doch das war nicht das Einzige was sie hörte. Konnte das etwa? Hörte sie das sonst auch? Warum war Sie nie auf die Idee gekommen? Sie wusste das es nicht weit weg war. Sie war wohl auch schon da gewesen, doch immer in Begleitung ihrer Mutter. Inzwischen war sie doch sicher alt genug. Sie durfte sich ja auch etwas entfernen, nicht allzu weit und sollte darauf achten rechtzeitig vor der Dunkelheit zurück zu sein, doch das sollte doch im Rahmen sein oder?

Langsam stand sie auf und blickte zum Horizont in die Richtung der wärmenden Sonne. Ihre Mappe und ihren Bleistift ließ sie in ihre kleine Tasche gleiten und machte sich auf. Immer der Nase nach, die Richtung musste Stimmen. Immerhin konnte sie es ja auch hören, mehr und weniger.

Es war doch ein größeres Stückchen Weg den sie zurücklegen musste. Das hatte sie so nicht mehr im Kopf. Es war aber auch schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass sie dort war, wenn sie denn überhaupt richtig ging. Selbst wenn nicht, wäre es ja auch nicht schlimm, dachte sie sich, dann wäre es einfach ein schöner entspannender Spaziergang gewesen. Doch das lockende Geräusch wurde immer lauter und kaum war sie dem trockenen und erdigen Weg über einen kleinen Hügel gefolgt, sollte dort auch die Bestätigung warten. Vor ihr erstreckte sich eine Bucht, in der Form eines „U“. Sie konnte von der leicht erhöhten Lage weit hinausschauen. Hinaus aufs Meer. Das Dorf lag in ziemlicher Küstennähe.

Lucy war mit ihrer Mutter zwar schon dort gewesen, doch das war ewig her. Warum sie so nicht auf den Gedanken kam, alleine hier mal hin zu gehen, konnte sie sich auch nicht erklären. Ihr Mund war leicht geöffnet und auch wenn sie noch schwache Bilder im Kopf hatte, war der Ausblick doch immer wieder aufs Neue erstaunlich und faszinierend, sodass sie wie versteinert dastand. Ihre Zunge wurde vom leichten Wind, der salzigen Luft ausgetrocknet. Ehe sie den Mund wieder schloss.

Sie brauchte einige Minuten, ehe sie sich wieder einfing. Kurz schüttelte Sie sich. Sie musste Lächeln. Es war ein selten schöner Ort. Auch wenn es kein traumhafter Sandstrand war, sondern mit Felsen übersät , war es für sie nahezu perfekt.

Sie folgte dem erdigen Weg, da dieser den teils steilen Abhang in geschlängelter Form hinunterführte. Sie ging langsam und entspannt die gesamte Bucht entlang. Zwar nah am Wasser, jedoch mit passendem Abstand, denn sie wusste wie stark Wellen sein konnten. Das konnte man schnell unterschätzen und sie war nicht unbedingt scharf darauf von der Kraft des Wassers ins Stolpern zu geraten oder sogar bei den vielen Felsen hin zu fallen und sich damit zu verletzen. Außerdem könnte das bedeuten, dass ihre Mutter dann verbieten würde, dass sie alleine wieder hierherkam. Auch wenn Lucy mittlerweile alt genug war, respektierte sie jedes Wort und würde es nicht wagen, ihr zu wieder sprechen, da sie dann ein zu großes schlechtes Gewissen haben würde.

Ohne Risiko ein zu gehen spazierte sie schließlich am Meer entlang. Es lud gerade dazu ein, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Es bot noch mehr Möglichkeiten, als der Turm. Geschichten, geheimnisvoll und mysteriös, eine nach der anderen. Was ist dort am Horizont? Was liegt dahinter? Welche Inseln oder Länder? Können jederzeit Schiffe von fremden Orten auftauchen? So viele Fragen.

Sie beobachtete die schreienden Möwen und schritt bis zum anderen Ende der Bucht. Von dort führte eine schmale Landzunge ein Stück raus. Wie ein Stab aus Sand und Gestein, der sich ins Meer bohrte. Am Fuß der Landzungen blieb sie allerdings stehen. Der Wind wurde stärker, doch das machte ihr nichts. Im Gegenteil. Die Luft fühlte sich so klar und rein an, wie kaum eine andere. Auch wenn das natürlich nur etwas Einbildung war, denn das Dorf, lag ja nicht so weit weg und die angenehme Seeluft, war natürlich auch dort vertreten. Stand sie allerdings mitten in der Bucht und spürte das Gefühl nahezu am ganzen Körper.

Ihr neuer Lieblingsort stand nun fest. Lucy wechselte die Orte. Mal war sie am Turm, mal am Meer. Eh nach dem wie ihre Stimmung gerade war, was das Wetter machte und welche Inspiration sie gerade brauchte. Beide Orte hatte sie sich so gut es ging eingerichtet.

Auch am Meer hatte sie so ihre Stelle, an die sie sich mit Vorliebe setzte. Sie war sogar so begeistert, von diesem Ort, das dort ihre besten Ideen entstanden. Auch ihre Mutter konnte die wesentlich stärkere Euphorie heraushören und fertigte ihr sogar eine besondere Decke an, die sie ihr zusätzlich zum Geburtstag schenkte. Diese war ziemlich groß, dünn und doch gemütlich. So wurde diese Gefaltet in einer Tasche, zum stetigen Begleiter, wenn sich Lucy auf den Weg zum Strand machte.

So wuchs die kleine Lucy auf. Übernahm die Wohnung über der ihrer Mutter in einem kleinen Haus. In diesem kleinen Dorf. Das Mädchen, dass etwas anders war. Natürlich waren diese einsamen Ausflüge und die Zeichnungen, die sie dabei anfertigte nicht unbedingt für ihren Status fördernd. Ihr war es zwar ziemlich egal, was die anderen Leute dachten und sie arrangierte sich damit, doch mit dem wachsenden Alter, konnte sie immer deutlicher erkennen, wie viele Probleme so manche Leute mit dem hatten, was nicht so ganz „normal“ war. Was auch immer als „normal“ bezeichnet wurde. Sie fand es schlimm etwas derart zu kategorisieren. Gerade die Dinge, die außergewöhnlich waren, waren doch erst richtig interessant.

Bei all dem fiel ihr auch deutlich auf, dass es oft die Einflüsse von gewissen Personen sind, die das Dorf kontrollierten. Es waren nur wenige. Um genauer zu sein, waren es die, die grob gesagt das sagen über die Gemeinde hatten. Die Anwohner nannten diese kleine Gruppe „den Rat“. Er war so was wie die offizielle Instanz. Wenn es darum ging besondere Entscheidungen, Urteile oder ähnliches zu treffen, suchte man diese auf.

Diese Menschen waren nicht unbedingt „Spießer“. Das Wort war vielleicht etwas hart gewählt. Jeder Mensch hat so seine Meinung. Allerdings war das in dem Dorf relativ schwierig. Gerüchte entstehen überall auf der Welt und jeder kann sie in die Welt setzen. Wenn dies jedoch einer oder sogar mehrere des Rates taten, wurde dies gleich als ungeschriebenes Gesetz festgelegt und für bare Münze genommen.

Lucy interessierte das nicht. Das war ihr alles zu Politisch. Wie schon erwähnt sie war anders. Sie mochte es nicht kontrolliert zu werden oder nach dem Durchschnitt zu leben. Was hatte das für einen Sinn? Ging dabei doch etwas Entscheidendes verloren. Die Fantasie. Zu viele Regeln und vor allem das Richten nach anderen war pures Gift dafür, zumindest empfand Lucy das so. Auch wenn Sie damit etwas anders war.

Doch eines Tages, sollte sich doch noch etwas mehr verändern, als es manchen Leuten in dem kleinen Dorf lieb war. Wie es beinahe anders nicht sein konnte, war diese Nacht sehr stürmisch. Der Wind peitschte mit einer enormen Geschwindigkeit gegen die Wände. In der Kombination mit dem Regen, war es ein Wetter, bei dem man nur sehr ungern draußen unterwegs war. Der so schon dunkle Nachthimmel wurde durch die wild durcheinander wirbelnden Wolken nahezu schwarz.

Lucy bekam bei so einem Wetter oft eine Gänsehaut und ein Gefühl der Geborgenheit. Natürlich nur, wenn sie selbst nicht getroffen wurde. Es war schwer zu erklären, aber sie mochte diese Geräusche. Der Regen wie er draußen plätscherte. Das Wasser, wie es das Dach hinunterfloss. Ebenso den Wind, wenn er sich zwischenzeitig pfeifend meldete. Hörte sie diese Soundkulisse und hatte es selber warm und gemütlich, am besten vor einem kleinen Kaminfeuer oder mit einer kuscheligen Decke, war das für sie enorm entspannend.

Auch in dieser einen Nacht hatte sie sich eingekuschelt. Auch wenn es schon ziemlich spät war, war sie nicht so richtig müde. Sie saß im Sessel, die Füße dicht an sich herangezogen, so dass sie geradeso in die Sitzfläche passte und las ein Buch. Neben ihr stand eine dampfende Tasse Tee. Es war schon der zweite, auch wenn er normalerweise müde machte, half er in diesem Fall nicht besonders. Auch das Buch war gerade so spannend, dass sie es nicht schaffte einfach auf zu stehen und sich ins Bett zu legen. Außerdem war Wochenende. Da durfte man auch mal etwas länger wach bleiben, auch wenn sie am nächsten Tag dann meist etwas weniger zu gebrauchen war.

Ein Geräusch sollte Sie aus der Konzentration bringen. Es war sogar erschreckend, dass Lucy sogar zusammenzuckte. Ein dumpfer Knall war zu hören. Es schien als sei etwas irgendwo gegen geprallt. Lucy senkte das Buch vor ihrem Gesicht und runzelte die Stirn. Sie konnte dieses Geräusch sofort zuordnen, zumindest war sie sich ziemlich sicher, dass es die Haustür war. Verwundert blickte Sie zum Fenster. Es war nahezu schwarz. Nichts war draußen zu erkennen, Außer das Wasser, das gegen die Scheibe geschleudert wurde und entfernt ein paar dunkle Umrisse, die Bäume, wie sie dem Wind ausgesetzt, wild hin und her gedrückt wurden. "War Mutter so spät noch unterwegs gewesen?" Fragte sich Lucy und stand auf. Das war nun doch spannender als das Buch.

Barfuß tapste sie in den Flur und öffnete vorsichtig die Tür zur Treppe. Es knarrte zum Glück nur ganz leise. Vorsichtig schlich sie ein Stück in den kalten Flur. Griff sich dabei direkt unbewusst an die Oberarme und rieb diese leicht. Sie bildete sich ein, dann nicht so schnell zu frieren. Doch dann hatte sie auch dafür keinen Gedanken mehr übrig, denn sie wurde durch Stimmen abgelenkt. Sie gab sich mühe etwas zu verstehen...

"... und ich wollte nicht unhöflich sein." Diese Stimme, Sie war Lucy völlig fremd. Hatte ihre Mutter so spät noch Besuch? Das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise war schon längst Schlafenszeit. "Ach, das ist doch Unfug. Da können sie doch nichts für, dass unser Dorf so penibel ist und zusätzliche Sicherheit ansetzt. Kommen sie erst einmal rein und wärmen sie sich auf." Das war ihre Mutter, da hatte Lucy keinen Zweifel, auch wenn die Stimmen recht dumpf klangen. "Das ist zu freundlich. Ich hatte schon darüber nachgedacht jemanden zu fragen, doch es ist schon eine sehr späte Stunde und da wollte man gewiss auch niemanden stören. Ich wurde auf meinem Weg etwas aufgehalten, das hatte meinen Plan durcheinandergebracht. so spät wollte ich eigentlich nicht hier sein. Vor allem habe ich nicht mit dem Schloss gerechnet, geschweige denn mit solch einer Art Riegel. Ist das wirklich so?" Die Stimmen wurden immer leiser. Es schienen nur zwei Personen zu sein, der Fremde und ihre Mutter. Beide sind wohl in die Wohnung gegangen.

Auch wenn Lucys Neugierde nun völlig geweckt wurde und sie nur zu gern nach unten gehen würde um zu erfahren wer da so spät noch zu Besuch war, rührte sie sich nicht. Sie war da schon etwas schüchtern, außerdem fand sie, dass es komisch wirkte so spät nachts noch nach unten zu gehen. Vor allem musste sie sich erst umziehen, da Sie im Pyjama gewiss niemanden gegenüberstehen wollte, den sie nicht kannte. Nicht zuletzt wollte sie ja nicht so neugierig wirken, was der Fall gewesen wäre.

 

Sie grübelte noch in paar Minuten, dabei bemerkte sie schließlich, wie kalt es im Flur wirklich war und eilte daher leicht hüpfend zurück in ihre kleine Wohnung. Sie bekam richtige Gänsehaut, als sich die Wärme wieder um sie herumwickelte und sich auf ihre Haut legte. Unbewusst und um sich am besten auf zu wärmen legte Sie sich in ihr Bett, den Tee und das Buch hatte Sie völlig vergessen. In ihren Gedanken stellte Sie sich diverse Fragen. Sagte sich aber auch immer wieder, dass Sie das im Prinzip nichts anging und das Sie nicht so neugierig sein sollte, auch wenn das nur bedingt half. Mit geschlossenen Augen kreisten viele Möglichkeiten um sie herum, bis sie schließlich aus Müdigkeit einschlief.

Am nächsten Morgen war Lucy bereits früh munter. Die Sonne stach mit ihren Strahlen durch die Vorhänge vor den Fenstern und erhellte den Raum. Sie reckte und streckte sich. Dann gähnte sie schließlich noch einmal und stand auf und stellte sich vor das Fenster neben ihrem Bett. Die Sonne schien ihr auf die Haut und ins Gesicht. Es kribbelte etwas. Sie konnte die Energie regelrecht spüren. Der Anblick war ein ganz anderer als noch am Abend zuvor. Der Himmel war klar und blau. Die Bäume standen ruhig und kaum etwas bewegte sich. Der Wind ruhte sich aus. Das Dorf, vor ihrem Fenster, wirkte noch etwas leblos. Es war Wochenende und noch reichlich früh. Es musste wohl erst nach dem Sturm aufwachen.

Lucy machte sich für den Tag fertig. Nachdem Sie sich im Badezimmer frisch gemacht hatte und sich für den Tag angezogen hatte, ging sie nach unten und klopfte an der Tür ihrer Mutter. Natürlich hatte sie die nächtlichen Ereignisse noch nicht wirklich vergessen und war nach wie vor etwas neugierig, aber sie wollte auch so mal wieder zusammen Frühstücken, wie die beiden es gerne am Wochen den taten.

Am frisch gedeckten Tisch, beim Schmieren der Brote und dem trinken des Kaffees, schnitt Lucy das Thema schließlich an. "Wer ist gestern Abend eigentlich noch gekommen?" Ihre Mutter schaute verwundert über den Rand der Tasse hinweg. Die Augenbrauen gingen ein deutliches Stück nach oben. "Oh, dass hast du doch noch mitbekommen? Ich dachte du hast bereits geschlafen." Lucy schüttelte den Kopf. "Nein, ich konnte nicht schlafen und habe deshalb noch etwas gelesen. Dann habe ich nur das Knallen gehört." Ihre Mutter stellte die Tasse wieder ab. "Ja das war meine Schuld. Ich hatte gehofft, dass dich das nicht weckt. Ich habe die Stärke des Windes unterschätzt und da ist mir die Tür aus den Händen geglitten und flog zu." Lucy nickte. sie schmierte sich gerade etwas Leberwurst auf ein dunkel gebackenes Brot, hielt aber stetig Augenkontakt zu ihrer Mutter um deutlich zu machen, dass sie nach wie vor gerne wüsste wer so spät noch einen Grund für einen Besuch hatte.

"Ich habe gestern zufällig gesehen, dass ein Mann ziemliche Probleme mit ein paar Taschen hatte die er trug. Das bei dem Wetter und mitten in der Nacht. Ein ziemlich schlechter Zeitpunkt zu verreisen oder das Dorf zu besuchen. Da wollte ich wissen wer es ist und ob er Hilfe braucht." Sie nahm einen Bissen von ihrem Wurstbrot. Lucy, die etwas ungeduldig war, stocherte weiter: "Und? Wer war es?" Ihre Mutter hob kurz eine Hand und summte. Dann fuhr sie fort: "Moment, ich war noch am kauen. Also, nein es war keiner der hier lebt. Noch nicht zumindest. Es ist ein neuer Bewohner. Er ist der neue Besitzer des Turmes. Zumindest hat er das gesagt. Daraufhin habe ich ihn gefragt ob er denn den Schlüssel für die Verriegelung hat und auch weiß, dass der Eingang stark verriegelt ist. Da er den Schlüssel nicht hatte, nichts davon wusste und ich davon ausgegangen bin das er so ohne weiteres nicht in den Turm kommt, habe ich ihm Angeboten bei dem Wetter erst einmal rein zu kommen und sich etwas zu erholen."

Lucy, die inzwischen ihr Brot fertig bestrichen hatte, war wie eingefroren. Die Scheibe Brot, die Sie gerade zum Mund geführt hatte, um einen Bissen zu nehmen, blieb kurz davorstehen, als Sie das Wort "Turm" hörte. "Im ernst? ein neuer? Wie heißt er? Wo kommt er her?" Ihre Mutter wich etwas zurück, mit so vielen Fragen und vor allem so schnell, wie aus der Pistole geschossen, hatte sie nicht direkt gerechnet. Daher musste sie sich kurz einen Moment sortieren. "Ähm, ja... Also er hat sich als Herr Ellswood vorgestellt. Er hat den Turm wohl übernommen und kommt von weiter Weg. Er ist auf der Suche nach einem schönen und ruhigen Ausgangsort. Zumindest hat er das gesagt." Lucy senkte die Brotscheibe wieder, wobei sie allerdings aufgehalten wurde. Ihre Mutter griff an ihre Hand und sagte: "Vergiss das Essen nicht, Lucy." Dabei musste Sie schon etwas lachen.

Lucy hob die Scheibe wieder an, nahm einen Bissen und häckselte diesen geradezu in Sekundenschnelle um möglichst schnell den Mund wieder frei zu haben. "Was meint er mit Ausgangsort? Was macht er denn so?" So richtig konnte Sie ihre Neugierde auch nicht erklären. Es hatte wohl mit dem Turm zu tun. Immerhin verbrachte sie dort gerne Zeit, früher mehr als später, aber für sie hatte er etwas mystisch Mysteriöses. Wohl schon als sie kleiner war, malte sie sich die wildeste Geschichte aus. Wer den Turm wofür genutzt haben mochte und welche Geheimnisse er noch versteckt hielt.

Nun wo Lucy hörte, dass jemand diesen Turm nun bewohnen sollte, weckte das etwas in ihr. Was es genau war, konnte sie sich nicht erklären. Ob es die Angst war, dass damit der Turm auch nur ein normales Gebäude wurde. Dass damit alle Erinnerungen über Bord geworfen wurden oder ob es die schlichte Neugierde war, wer dazu kam, sich in einen Turm nieder zu lassen.

"Ich weiß nicht. Ich hatte ihn auch gefragt, was er so macht. Er meinte, dass er einfach ein ruhigeres Plätzchen suchte, wo er sich einfach entspannen und eigenen Hobbys nachgehen konnte. Dabei glaube ich zwar nicht, dass er alles verraten hatte, denn ich hatte so das Gefühl, dass das nur so ein ablenkender Satz war. Allerdings fand ich es unhöflich danach zu haken. Immerhin kennt man sich ja nicht und einen Fremden aus zu fragen, gehört sich einfach nicht. Vielleicht verheimlichte er ja nichts und es wirkte nur so oder es war privater, da wollte ich nicht riskieren ihm zu nahe zu treten." Lucy konnte das natürlich verstehen und schwieg nickend einen kurzen Moment. „Was ist dann passiert? Wo ist er jetzt?“ Ihre Mutter nahm einen weiteren Schluck Kaffee, bei dem sie sich beinahe verschluckte und kurz husten musste, bevor sie mit rauer Stimme antwortete: „Er ist nur ein Weilchen geblieben. Nachdem der Sturm etwas nachgelassen hatte und der Regen aufhörte, ist er wieder aufgebrochen. Ich habe zwar gefragt, ob er sich da sicher ist, da es ja mitten in der Nacht war und ich gerne helfen würde. Ich hätte ihn ja wenigstens den Weg zu einem Ratsmitglied zeigen können, doch das hat er mehrfach dankend abgelehnt, bis er schließlich aufgebrochen ist.“ Lucy verdaute die ganzen Informationen nur sehr langsam. Sie wurde aber von Minute zu Minute immer neugieriger. Sie brauchte auch nicht unbedingt viel Geduld. Denn es sollte schon an diesem Tag etwas passieren, dass alles ein wenig veränderte.

Lucy war im Dorf unterwegs. Sie spazierte mit einem Korb in Richtung des Marktes. Sie wollte ein paar Kleinigkeiten besorgen. Dinge die sie brauchte, wobei das natürlich nur ein Vorwand war und eigentlich eine ziemlich simple Ausrede. Es war etwas anderes, das Sie natürlich in das Dorf lockte.

Sie kam kaum auf dem kleinen gepflasterten Hof an, da konnte sie unmittelbar vor dem runden weißen Springbrunnen schon etwas erkennen, das förmlich nach ihr schrie. Ein paar Leute standen ebenfalls Neugierig davor.

Lucy stellte sich etwas hinter die anderen Leute und drehte ihren Kopf so, dass Sie einen guten Blick auf das erhaschen konnte, was unmittelbar vor dem Brunnen stand. Es war ein hölzernes Schild, mit dunkler Maserung. Die Ecken waren mit leicht geringeltem Metall versehen. In der oberen linken Ecke waren drei Zahnräder aufgemalt, mit groben sich überschneidenden Linien. In der gegenüberliegenden Ecke befand sich ein Pfeil, der geschwungen unter das Schild zeigte. Am interessantesten war jedoch das, was in sauberer Handschrift mittig auf dem Schild stand.