Glauben du musst

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Glauben du musst
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SEBASTIAN MOLL


Star Wars und der

christliche Glaube


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-96140-094-2

© 2018 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

Titelgrafik: Dietmar Reichert

Satz: Brendow Web & Print, Moers

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018

www.brendow-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Einleitung

Kapitel IV

„Ich finde Ihren Mangel an Glauben beklagenswert”

Religion für Skeptiker

Kapitel V

„Schneller, leichter, verführerischer“

Die dunkle Macht der Sünde

Kapitel VI

„Für mich ist es dafür jetzt zu spät“

Die Suche nach Erlösung

Kapitel I

„Diese Föderationsvertreter sind allesamt Feiglinge”

Geld – Die Wurzel allen Übels?

Kapitel II

„Abhängigkeit ist verboten“

Das Leben der Heiligen

Kapitel III

„Eine Prophezeiung, die missverstanden worden sein kann”

Zeichen und Wunder

Kapitel VII

„Er war schwach und töricht wie sein Vater, also habe ich ihn vernichtet.”

Das Gesicht des Bösen

Kapitel VIII

„Fesselnde Bücher es nicht waren” –

Die Autorität der Schrift

Schlussgedanken

EINLEITUNG

„Du hast nie einen Star-Wars-Film gesehen?“

„Uns wurde beigebracht, das sei Teufelswerk.“

„Was Die Dunkle Bedrohung angeht, ist das vollkommen richtig.“

Dieser Dialog zwischen dem fanatischen Star-Wars-Fan Abed und der frommen Christin Jessica aus der brillanten US-Sitcom Community offenbart auf kürzestem Raum die problematische Beziehung zwischen der mit etwa zwei Milliarden Anhängern größten Weltreligion einerseits und der mit einem Wert von etwa 42 Milliarden Dollar zweitgrößten Medienmarke dieser Welt andererseits. Für viele Mitglieder der Kirche stellen Science-Fiction-Filme wie Star Wars eine Welt dar, von der man sich als Christ besser fernhält, während die Hardcorefans der Sternensaga wiederum diese Geschichten als religiöses Heiligtum verehren und keinerlei Frevel daran dulden.

Da Sie, verehrter Leser, dieses Büchlein in Händen halten, gehe ich davon aus, dass Sie sich entweder für Kirche und Theologie interessieren oder Freude an Raumschiffen und Lichtschwertern haben. Statistisch gesehen ist beides in etwa gleich wahrscheinlich. 2015 besuchten durchschnittlich rund 766.000 Menschen einen Sonntagsgottesdienst der Evangelischen Kirche in Deutschland. Als im selben Jahr Episode VII (Das Erwachen der Macht) in die deutschen Kinos kam, sahen den Film bereits am ersten Wochenende 2,16 Millionen Menschen. Leben wir also mittlerweile in einem Land, in dem es fast dreimal so viele Star-Wars-Fans wie evangelische Christen gibt? Nun ja, nehmen wir die katholische Kirche sowie die zahlreichen Freikirchen hinzu, neigt sich das Pendel wieder leicht den Gottesdienstbesuchern zu.

Was mein eigenes Leben betrifft, so muss allerdings auch ich zugeben, dass ich Star-Wars-Fan war, bevor ich Christ wurde. Ich gebe außerdem gerne zu, dass ich diese großartigen Filme bis heute spannender finde als die meisten Predigten innerhalb der EKD – aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls bin ich der lebende Beweis dafür, dass man sich nicht für eine der beiden Welten entscheiden muss. Man kann sehr wohl gläubiger Christ und Genießer der Sternenkriege gleichzeitig sein. Wer meint, das sei unmöglich, begeht einen klassischen Kategorienfehler, denn er hat entweder nicht verstanden, worum es beim christlichen Glauben geht, oder er hat falsche Vorstellungen von Star Wars.

Im Idealfall gehören auch Sie zur Gruppe derjenigen, die mit beiden Teilen dieses Buches vertraut sind. Falls dies bisher nicht der Fall sein sollte, so kann die Lektüre vielleicht dabei helfen, Einsichten in die jeweils andere Welt zu vermitteln und Vorurteile abzubauen. Als Star-Wars-Fan können Sie vielleicht erkennen, dass Theologie nicht nur etwas für langweilige Spießer ist, und als frommer Christenmensch merken Sie womöglich, dass eine weit, weit entfernte Galaxis keinerlei Bedrohung für Ihren Glauben darstellt. Aber ich möchte dem Ergebnis auf keinen Fall vorgreifen. Lesen Sie erst einmal in Ruhe, wir sehen uns am Ende des Buches wieder.

Kapitel IV
„ICH FINDE IHREN MANGEL AN GLAUBEN BEKLAGENSWERT"
RELIGION FÜR SKEPTIKER

Menschen sind vergesslich. Das wissen wir alle, jeder von uns spürt es bei sich selbst. Ich persönlich kann mir vor allem drei Dinge nicht merken: Namen, Zahlen und … noch irgendwas. Aber in der Welt der großen Filmklassiker, insbesondere im Bereich der Science-Fiction, scheint eine regelrechte Massenamnesie zu herrschen. Erinnern Sie sich noch an den Film Ghostbusters (1984)? Ganz New York wird von Geistern heimgesucht, das Ende der Welt steht kurz bevor. Nur Peter Venkman, Raymond Stantz, Egon Spengler und Winston Zeddemore können den Untergang noch verhindern. Unter Einsatz ihres Lebens besiegen sie den zerstörerischen Marshmallow-Mann und werden dafür von den Bewohnern der Stadt frenetisch gefeiert. Fünf Jahre später treffen wir unsere vier Helden in Ghostbusters II wieder – doch niemand außer ihnen scheint sich an die Ereignisse des ersten Films erinnern zu können! Ray muss sich von einem überprivilegierten Neunjährigen vorhalten lassen, dass er und seine Kollegen „absoluter Müll“ seien. Der Richter, vor dem sich die drei Freunde verantworten müssen, weil sie mitten auf der First Avenue ein Loch gegraben haben, hält kategorisch fest: „Das Gesetz erkennt nicht die Existenz von Geistern an. Ich glaube auch nicht an solche. Ich möchte also keinen Humbug über irgendwelche Kobolde, Gespenster oder Dämonen hören. Wir werden uns in diesem Fall an die Fakten halten.“ Haben alle diese Leute die vergangenen Jahre auf dem Mond gelebt, mit geschlossenen Augen und Fingern in den Ohren?

Im Star-Wars-Universum steht es um die Gedächtnisleistung der Menschen leider nicht viel besser. Die Jedi-Ritter waren, so erfahren wir es von Obi-Wan Kenobi in Episode IV, für mehr als 1000 Generationen die Wächter des Friedens und der Gerechtigkeit in der Alten Republik. 1000 Generationen – das sind nach allgemeiner Zählung etwa 25.000 Jahre. 25.000 Jahre lang spielten die Jedi also eine entscheidende und anerkannte Rolle im gesellschaftlichen System der Republik. Und doch muss man knapp 20 Jahre nach deren Zusammenbruch erst einmal jedem erklären, wer die Jedi waren und was es mit der Macht eigentlich auf sich hat! Luke Skywalker hat jedenfalls noch nie etwas davon gehört und muss es sich in aller Ruhe von Obi-Wan erläutern lassen. Aber auch dieser kann sich ja nicht einmal mehr an R2-D2 erinnern, obwohl der kleine Droide über 20 Jahre lang ein fester Bestandteil seines Lebens war. Nicht zuletzt sind auch die imperialen Offiziere völlig unwissend, machen sich gar lustig über den Glauben an die Macht. Als sich einer von ihnen der gewaltigen Möglichkeiten des Todessterns rühmt, weist Vader ihn zurecht: „Seien Sie nicht allzu stolz auf Ihr technologisches Schreckgespenst! Die Fähigkeit, einen ganzen Planeten zu vernichten, ist nichts gegen die Stärke, die die Macht verleiht.“ Der angesprochene Offizier, der im Film unbenannt bleibt, aber im Abspann als General Motti identifiziert wird, erwidert: „Verschonen Sie uns mit Ihrem Kinderschreck von der magischen Macht, Lord Vader. Ihre traurige Anhänglichkeit an diese altertümliche Religion hat Ihnen nicht geholfen, die gestohlenen Unterlagen herbeizuzaubern, und Sie ebenso wenig die geheimen Stützpunkte finden lassen …“ – woraufhin er Bekanntschaft mit Vaders legendärem Würgegriff macht wie auch mit dessen nicht minder legendären Worten: „Ich finde Ihren Mangel an Glauben beklagenswert.“ Hier zeigt sich übrigens bereits eine erste Parallele zwischen Vater und Sohn, die uns direkt hätte auffallen müssen. Als Han Solo über Lukes Training mit dem Lichtschwert spottet („Antiquierte Waffen und Religionen können es nicht mit einer guten Laserkanone aufnehmen“ – im Original bezeichnet er Lukes Religion als „hokey“, also Quatsch), entgegnet dieser in altklugem Tonfall: „Sie glauben wohl nicht an die Macht?“ Dass er selbst erst wenige Stunden zuvor das erste Mal davon gehört hat, hindert ihn offenbar nicht daran, nun arrogant auf die ‚Ungläubigen‘ herabzublicken. Zwar gelingt ihm wenig später eine erste Demonstration seiner neuen Fähigkeiten, indem er blind die Schüsse einer Roboterkugel abwehrt, doch hat diese Demonstration leider nicht denselben Effekt wie ein telekinetischer Würgegriff, weshalb Han Solo vorerst auf seiner Skepsis beharrt: „Ich nenne es Glück.“ Natürlich dienen solche in den Film eingebauten Erklärungen in erster Linie dem Publikum. Bis 1977 hatte ja tatsächlich noch nie jemand von den Jedi oder der Macht gehört. Dennoch gibt es, sagen wir mal, geschickte und weniger geschickte Wege für solche erzählerischen Notwendigkeiten. In Mel Brooks Star-Wars-Parodie Spaceballs (1987) werden diese etwas unbeholfenen Versuche dann auch geschickt aufs Korn genommen. Nachdem Colonel Sandfurz dem furchteinflößenden Lord Helmchen ausführlich die gemeinsamen Eroberungspläne erläutert hat, wendet sich dieser, der besagte Pläne natürlich längst kannte, zum Publikum und fragt: „Haben das alle verstanden?“

 

Vielleicht ist die weitverbreitete Ablehnung gegenüber der Macht, die sich sowohl bei Han Solo als auch bei General Motti findet, aber auch nur ein Sinnbild für die Ablehnung gegenüber Religion im Allgemeinen, die uns auch in unserer Welt mehr als geläufig ist – entweder, weil wir sie selber verspüren, oder weil wir als religiöse Menschen damit leben müssen. Interessanterweise repräsentieren Han Solo und General Motti, trotz ihrer gemeinsamen Verachtung, zwei unterschiedliche Menschentypen und somit auch zwei unterschiedliche Charakterzüge, die zu ebendieser Verachtung führen. Han Solo ist der typische Draufgänger, der sich nach Abenteuer und Unabhängigkeit sehnt. Die Vorstellung, anderen gehorchen zu müssen, ist ihm zuwider. Daher reagiert er auch gereizt auf die Anordnungen von Prinzessin Leia: „Hören Sie, Hochwohlgeboren, eins wollen wir doch mal klarstellen: Ich nehme nur von einem Menschen Befehle entgegen. Von mir!“ Auch in der oben bereits erwähnten Szene mit Luke Skywalker kommt diese Haltung deutlich zum Ausdruck: „Junge, ich bin von einem Ende dieser Galaxis bis zum anderen geflogen. Ich habe allerhand merkwürdige Dinge gesehen, aber noch nie etwas, das mich davon überzeugt hat, dass es eine allmächtige Macht gibt, die alles beherrscht. Mein Schicksal jedenfalls wird nicht von einem mystischen Energiefeld beherrscht. Nichts als simple Tricks und Unsinn.“ Han möchte Herr seines eigenen Schicksals sein, Unterordnung ist seine Sache nicht. Menschen mit einer solchen Einstellung haben auch in unserer Welt eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber der Religion, besonders gegenüber den monotheistischen. (Der Einfachheit halber ist im Folgenden mit dem Begriff ‚Religion‘ immer ‚monotheistische Religion‘ gemeint.)

Dem Islam wird zuweilen vorgeworfen, sein Name bedeute „Unterwerfung“. Bedenkt man die vielen negativen Assoziationen, die der Islam in unserer heutigen Diskussionskultur weckt, mag dieser Vorwurf berechtigt erscheinen, doch im Grunde ist diese Wortbedeutung nichts weiter als eine Banalität. Religion bedeutet immer Unterwerfung, Unterwerfung unter den Willen Gottes. Auch ein Christ würde dies nicht anders beschreiben. „Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe“, diese Worte Jesu im Garten Gethsemane, die er spricht, nachdem er seinen Vater zuvor angefleht hat, den Todeskelch an ihm vorübergehen zu lassen, zeugen von der völligen Ergebenheit in den Willen des Vaters. Er war hierin ein Vorbild, ein unerreichbares zwar wie in so vielem anderen auch, aber dennoch ein Vorbild. Durch ihn und mit ihm können Christen lernen, sich von Gott ergreifen zu lassen und ihren Willen in seinen dahinzugeben.

Für Menschen, die sich selber als rebellisch definieren, ist eine solche Haltung kaum zu ertragen. Das ist einer der Gründe, warum sich pubertierende Jugendliche nur selten für Kirche und Christentum begeistern können. Letzten Endes steht jede Form von Emanzipation – und die Pubertät ist eine solche – der Forderung nach Unterwerfung entgegen. Der Begriff leitet sich vom lateinischen emancipatio ab und bezeichnete im römischen Recht die Entlassung bzw. den Freikauf des Sohnes aus der väterlichen Gewalt. Gibt es eine bessere Bezeichnung für die Abwendung von der Religion als den Sohn, der sich aus der Herrschaft des Vaters lösen will? Jesus selbst greift dieses Motiv in einem seiner berühmtesten Gleichnisse auf, dem Gleichnis vom verlorenen Sohn. In dieser Geschichte lässt sich der jüngere Sohn von seinem Vater seinen Vermögensanteil auszahlen (Emanzipation) und verlässt seine Familie, um das Geld in fernen Ländern zu verprassen. Später kehrt er verarmt und reuig zurück: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, und ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen; mache mich zu einem deiner Tagelöhner!“ Doch sein Vater hat Erbarmen und heißt ihn fürstlich willkommen: „Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; und er war verloren und ist wiedergefunden worden.“

Die Menschheitsgeschichte beginnt bereits mit einem Emanzipationsprozess. Adam und Eva rebellieren gegen das Gebot des Herrn, weil sie selber sein wollen wie Gott. „Gott und sein Rebell“, so bezeichnete der Theologe Emil Brunner (1889-1966) treffend das Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen. Es gehört zu unserer Natur, uns gegen Gott und seine Gebote auflehnen zu wollen, Adam hat uns diese Veranlagung vererbt, wir nennen sie Sünde. Doch ähnlich wie der verlorene Sohn wird Adam von Gott nicht völlig verworfen, wenngleich auch nicht ganz so freundlich behandelt wie der Sohn in dem Gleichnis. Für ihn gilt eher die Weisung aus den Sprüchen Salomos: „Denn welchen der HERR liebt, den straft er, und hat doch Wohlgefallen an ihm wie ein Vater am Sohn.“ Letzten Endes handelt die gesamte Bibel von diesem einen Thema: Der Mensch, der sich leichtfertig von Gott losgesagt hat und sich nun nach der Wiedervereinigung mit dem Vater sehnt (siehe Kapitel VI).

Han Solo entspricht in gewisser Hinsicht dem Bild vom verlorenen Sohn. Zu Beginn des Films hat er eine durch und durch egoistische Einstellung, interessiert sich einzig und allein für Geld. Er nutzt die Notsituation von Obi-Wan und Luke für seine Zwecke aus und verlangt einen Wucherpreis für den Transport nach Alderaan. Zur Befreiung Leias lässt er sich nur durch Lukes Versprechungen auf eine große Belohnung überreden. Nach der erfolgreichen Befreiung weigert er sich, die Rebellenallianz zu unterstützen, und will sich stattdessen mit seiner Belohnung auf und davon machen. Zum Ende des Films kommt er Luke dann aber doch zur Hilfe und leistet so einen entscheidenden Beitrag zur Zerstörung des Todessterns. Obwohl er sich bereits zuvor zu einem „Möge die Macht mit Dir sein“ hat durchringen können, bleibt Han allerdings auch in den kommenden Filmen immer noch skeptisch gegenüber Lukes übernatürlichen Eingebungen. Als Luke in Episode VI seinen Vater auf dem Kommandoschiff spürt, an dem er und Solo gerade vorbeifliegen, meint dieser: „Das bildest du dir alles nur ein, Junge.“ Erst in Episode VII, also gut 20 Jahre später, erklärt Solo gegenüber Rey und Finn: „Es ist wahr, einfach alles. Die dunkle Seite. Die Jedi. All das gibt es.“ Ohne Zweifel dürfte zu dieser Erkenntnis vor allem das Schicksal seines eigenen Sohns beigetragen haben …

Im Falle von General Motti, der über Vaders „traurige Anhänglichkeit an diese altertümliche Religion“ spottet, liegen die Dinge anders. Obwohl wir nicht viel über diesen Offizier wissen, dürfen wir wohl annehmen, dass jemand, der sich innerhalb eines autoritären Regimes bis in die obersten Ränge hochgearbeitet hat, durchaus einen gewissen Sinn für Gehorsam und Unterwerfung mitbringt. Seine Ablehnung der Religion gründet auf etwas anderem, seinem unerschütterlichen Glauben an die Technik. Er ist der festen Überzeugung, mithilfe des Todessterns die ultimative Waffe zur Unterwerfung (!) der Galaxis in Händen zu halten. Das macht ihn zu einem natürlichen Gegenspieler Vaders, der das Todessternprojekt zwar unterstützt, aber seinerseits skeptisch ist gegenüber den Phantasien, die es in einigen Menschen weckt. Für ihn erwächst wahre Stärke einzig und allein aus Entbehrung und Hingabe an die Macht. Trotz dieser Differenzen innerhalb des Führungspersonals beruht die Stärke des Imperiums, wie auch der späteren Ersten Ordnung, letztlich auf einer Mischung aus beidem: einer überlegenen militärischen Technologie sowie der Nutzbarmachung der Dunklen Seite. In Episode VII wird dieser Konflikt durch Kylo Ren und General Hux symbolisiert. Beide ringen um die Gunst des Obersten Anführers Snoke, doch ist dies nicht der einzige Grund für ihr gespanntes Verhältnis. Als Mann der Technik und Wissenschaft hat Hux kein Verständnis für die mythische Seite der Ersten Ordnung, die Kylo repräsentiert. Dieser wiederum hat wenig Respekt für Hux und dessen künstlich konditionierte Truppen und sieht sich durch Finns Verrat in seiner Meinung bestätigt.

Betrachten wir unsere eigene Zivilisation, so kann kaum bestritten werden, dass wir eher dem wissenschaftlichen und technischen Weltbild zuneigen als dem mythischen. Dieser Prozess vom Mythos zum Logos, wie ihn der klassische Philologe Wilhelm Nestle (1865-1959) nannte, begann bereits in der griechischen Antike und hat insbesondere in den vergangenen drei Jahrhunderten gewaltig an Fahrt gewonnen. Der Soziologe Max Weber (1864-1920) beschrieb ihn wie folgt: „Machen wir uns zunächst klar, was denn eigentlich diese intellektualistische Rationalisierung durch Wissenschaft und wissenschaftlich orientierte Technik praktisch bedeutet. Etwa, dass wir heute, jeder z.B., der hier im Saale sitzt, eine größere Kenntnis der Lebensbedingungen hat, unter denen er existiert, als ein Indianer oder ein Hottentotte? Schwerlich. Wer von uns auf der Straßenbahn fährt, hat – wenn er nicht Fachphysiker ist – keine Ahnung, wie sie das macht, sich in Bewegung zu setzen. Er braucht auch nichts davon zu wissen. Es genügt ihm, dass er auf das Verhalten des Straßenbahnwagens ‚rechnen‘ kann, er orientiert sein Verhalten daran; aber wie man eine Trambahn so herstellt, dass sie sich bewegt, davon weiß er nichts. […] Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet also nicht eine zunehmende allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet etwas anderes: das Wissen davon oder den Glauben daran: dass man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, dass es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne. Das aber bedeutet: die Entzauberung der Welt.“

Diese Entzauberung veranlasste wiederum den Theologen Rudolf Bultmann (1884-1976), das Konzept der „Entmythologisierung“ zu entwickeln, mit dem er hoffte, den existenziellen Gehalt des Neuen Testaments für die Moderne retten zu können. In einem berühmten Passus aus seinem Werk begründet er diese Maßnahme wie folgt: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muss sich klarmachen, dass er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“

 

Während unsere Welt also immer weiter entzaubert und entmythologisiert wird, scheinen Phänomene wie Star Wars für viele Menschen ein letzter Zufluchtsort vor der immer kühler und rationaler werdenden Wirklichkeit zu sein. Zweifellos beruht der Erfolg der Filme auch auf der magischen Welt, in die sie den Zuschauer entführen. Nicht anders verhält es sich mit dem Herrn der Ringe oder Harry Potter. Aber auch in vielen anderen erfolgreichen Medien finden wir dieses Motiv verankert. In der Filmreihe Fluch der Karibik beispielsweise verkörpern Captain Jack Sparrow und seine Anhänger die Ideale von Freiheit und Unabhängigkeit, gepaart mit mythischen Artefakten und einer Verbindung zu den göttlichen Mächten. Sparrows Gegenspieler Lord Cutler Beckett (Teil 2 und 3) hingegen steht für die technische Kontrolle über die Welt, die durch nichts stärker symbolisiert wird als die große Weltkarte in seinem Arbeitszimmer, die im Laufe des Films immer weiter ausgefüllt wird. Beckett möchte Sparrow durch einen Kaperbrief offiziell in den Dienst der Krone stellen und ihm so die Freiheit schenken. Als Will Turner ihm entgegnet, dass Jack eine solche Anstellung kaum als Freiheit betrachten würde, meint dieser nur: „Jack Sparrow gehört zu einer aussterbenden Art. Die Welt wird kleiner. Die weißen Flecken auf der Landkarte werden langsam gefüllt. Jack muss seinen Platz in der neuen Welt finden, oder er wird zugrunde gehen.“ Wer in diesem Konflikt das Publikum auf seiner Seite hat, bedarf keiner Erwähnung.

Der zunehmenden Kartographierung der Welt im 18. Jahrhundert entspricht in unserer Zeit die Digitalisierung. Auch diese wird von vielen Menschen als bedrohlich empfunden, als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit. Alles wird (vermeintlich) überwacht, gespeichert, kontrolliert, man ist immer und überall erreichbar, die Privatsphäre schwindet. Den einsamen Piraten oder den einsamen Ritter gibt es schon lange nicht mehr, nicht einmal mehr in der Kunst, wie der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (1921-1990) beklagte: „Die Macht Wallensteins ist eine noch sichtbare Macht, die heutige Macht ist nur zum kleinsten Teil sichtbar, wie bei einem Eisberg ist der größte Teil im Gesichtslosen, Abstrakten versunken. […] Die Kunst dringt nur noch bis zu den Opfern vor, dringt sie überhaupt zu Menschen, die Mächtigen erreicht sie nicht mehr. Kreons Sekretäre erledigen den Fall Antigone.“ Ob Dürrenmatt je die Star-Wars-Filme gesehen hat, ist nicht überliefert. Aber wenn er es getan hätte, so wären seine Sympathien sicherlich bei Darth Vader gewesen, als dieser seinen Glauben an die Macht gegenüber dem Technokraten Motti behauptet. Vader ist der Schurke des Stücks, keine Frage, aber zugleich ist er dessen berühmteste Figur. Von ihm geht eine Faszination aus, der man sich nur schwer entziehen kann.

Ist Star Wars also tatsächlich so etwas wie eine Ersatzreligion geworden? Kompensiert der säkularisierte Westen mit solchen Filmen seine transzendentale Obdachlosigkeit? Der russische Philosoph Nikola Berdjajew (1874-1948) bezeichnete den Menschen als „unheilbar religiös“ und sagte voraus, dass die Religion niemals aus der menschlichen Gesellschaft verschwinden werde, allen Anstrengungen der Menschen zum Trotz. Auch wenn er bei dieser Prophezeiung sicherlich nicht an die aufkommende Star-Wars-Begeisterung gedacht hat, so spiegelt diese durchaus eine Sehnsucht nach Verzauberung und Re-Mythologisierung wider, eine Art Gegenbewegung zu den Thesen Webers und Bultmanns.

Aber bereits im 19. Jahrhunderte wehrte sich der amerikanische Philosoph Willam James (1842-1910) gegen den immer dominanter werdenden Anspruch der Naturwissenschaft: „Das innere Bedürfnis zu glauben, dass diese natürliche Welt nur das Zeichen für etwas Geistigeres und Ewigeres ist, ist für diejenigen, die es empfinden, genauso stark und gebieterisch, wie es die innere Notwendigkeit einheitlicher Kausalgesetze für einen hartgesottenen Naturwissenschaftler ist. Durch die Bemühungen vieler Generationen hat sich das letztgenannte Bedürfnis im Nachhinein als prophetisch erwiesen. Warum könnte nicht das erste Bedürfnis auch prophetisch sein? Warum sollten wir, wenn uns unsere Bedürfnisse über die sichtbare Welt hinausweisen, dann dies nicht als Zeichen für die Existenz einer unsichtbaren Welt deuten? Wer oder was hat, kurz gesprochen, das Recht, unser Vertrauen in unsere religiösen Impulse zu zerstören? Die exakte Wissenschaft hat sicher kein Recht dazu, denn sie kann allenfalls Aussagen über das machen, was existiert, nicht dagegen über das, was nicht existiert.“

In Antoine de Saint-Exupérys weltberühmter Erzählung Der kleine Prinz heißt es: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Nichts anderes rät der verstorbene Obi-Wan seinem Schüler Luke am Ende von Episode IV. Als sich Luke im Anflug auf die entscheidende Öffnung des Todessterns befindet, ermutigt Obi-Wan ihn, seinen Zielcomputer auszuschalten und sich allein auf sein Gefühl zu verlassen. Bereits bei seinem ersten Training mit dem Lichtschwert (s.o.) hatte er ihn gewarnt: „Deine Augen können dich täuschen, traue ihnen nicht!“ – Das Wesentliche ist für sie unsichtbar.

Nun mag das ja alles ganz nett klingen, aber wie kann der moderne Mensch, der so unendlich viel von der empirischen Forschung profitiert hat, diese plötzlich wieder in Frage stellen? Oder muss er das vielleicht gar nicht? Wie oben bereits erwähnt, beginnt der Prozess der Verwissenschaftlichung schon im antiken Griechenland und führte dort auch bereits zu ähnlichen Problemen. Bedeutet die Verfügbarkeit wissenschaftlicher Erklärungen das Aus für jedwede übernatürliche Deutung? Der Schriftsteller Plutarch hat uns hierzu eine bemerkenswerte Geschichte aus dem Leben des Perikles überliefert. Auf dem Landgut des Perikles wurde ein toter Widder gefunden, der statt zwei Hörnern nur ein einziges besaß. Der Seher Lampon deutete dies als ein Zeichen, dass die Macht über Athen, die bisher in den Händen zweier Männer lag, bald auf Perikles allein übergehen würde. Der Philosoph Anaxagoras hingegen sezierte den Schädel des Tieres und fand die medizinische Ursache für die Missbildung, wofür er bei den Anwesenden viel Beifall erntete. Doch es dauerte nicht lange, bis auch Lampon große Bewunderung zuteilwurde. Denn kurze Zeit später übernahm Perikles tatsächlich die alleinige Herrschaft über Athen.

Plutarch kommentierte diese Geschichte wie folgt: „Meines Erachtens haben jedoch beide, der Naturphilosoph wie der Seher, ihre Aufgabe erfüllt, indem der eine die Ursache, der andere den Endzweck des Wunderzeichens richtig erfasste. Denn dem Gelehrten lag ob, durch Beobachtung festzustellen, woher es gekommen und wie es entstanden sei, dem Seher, vorauszusagen, zu welchem Zweck es geschehen und was es bedeute. Es wird behauptet, das Vorzeichen werde zunichte gemacht, wenn man die Ursache der Wundererscheinung aufdecke, doch übersehen solche Leute, dass sie zugleich mit den göttlichen Zeichen auch die von uns künstlich ersonnenen verwerfen, den Klang der Erzscheibe, das Leuchten der Feuersignale, den Schatten der Sonnenuhr; alle diese Dinge sind ja aus bestimmter Ursache und in der Absicht erschaffen, dass sie uns irgendetwas anzeigen.“

Die genannten Beispiele mögen ein wenig aus der Zeit gefallen sein, aber das Argument bleibt zeitlos gültig. Eine Sache erklären zu können nimmt ihr nichts von ihrer Bedeutung. Ich kann mir sämtliche Noten von Beethovens Mondscheinsonate ansehen, die Bau- und Funktionsweise eines Klaviers untersuchen, die physikalische Erzeugung von Tönen verstehen … an der unendlichen Schönheit dieses Kunstwerkes ändert das alles nichts. Das Gleiche gilt für das menschliche Leben. Die Wissenschaft mag das menschliche Genom entschlüsseln und die Funktionsweise unseres gesamten Körpers erforschen. Aber das Wunder des Lebens bleibt davon völlig unberührt. Knapp 2000 Jahre nach Plutarch entwickelte der amerikanische Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould (1941-2002) hierfür den Begriff NOMA (Nonoverlapping Magisteria – Nicht überlappende Herrschaftsbereiche). Für Gould können Wissenschaft und Religion niemals in einen wirklichen Konflikt geraten, da sich beide mit unterschiedlichen Gebieten befassen. Während sich die Wissenschaft mit der empirisch erfassbaren Wirklichkeit auseinandersetzt, befasst sich die Religion mit der geistlichen Deutung und moralischen Bewertung dieser Wirklichkeit. Gould formuliert es wie folgt: „Die Naturwissenschaftler untersuchen den Lauf des Himmels, die Theologen fragen, wie man in den Himmel kommt.“

Schon der heilige Augustinus (354-430) schrieb in seinem Kommentar zum Buch Genesis: „Oft genug kommt es vor, dass auch ein Nichtchrist ein ganz sicheres Wissen durch Vernunft und Erfahrung erworben hat, mit dem er etwas über die Erde und den Himmel, über Lauf und Umlauf, Größe und Abstand der Gestirne, über bestimmte Sonnen- und Mondfinsternisse, über die Umläufe der Jahre und Zeiten, über die Naturen der Lebewesen, Sträucher, Steine und dergleichen zu sagen hat. Nichts ist nun peinlicher, gefährlicher und am schärfsten zu verwerfen, als wenn ein Christ mit Berufung auf die christlichen Schriften zu einem Ungläubigen über diese Dinge Behauptungen aufstellt, die falsch sind und, wie man sagt, den Himmel auf den Kopf stellen, sodass der andere kaum sein Lachen zurückhalten kann. Dass ein solcher Ignorant Spott erntet, ist nicht das Schlimmste, sondern dass von Draußenstehenden geglaubt wird, unsere Autoren hätten so etwas gedacht. Gerade sie, um deren Heil wir uns mühen, tragen den größten Schaden, wenn sie unsere Gottesmänner daraufhin als Ungelehrte verachten und zurückweisen. Denn wenn sie einen von uns Christen auf einem Gebiet, das sie genau kennen, bei einem Irrtum ertappen und merken, wie er seinen Unsinn mit unseren Büchern belegen will, wie sollen sie dann jemals diesen Büchern die Auferstehung der Toten, die Hoffnung auf das ewige Leben und das Himmelreich glauben, da sie das für falsch halten müssen, was diese Bücher geschrieben haben über Dinge, die sie selbst erfahren haben und als unzweifelhaft erkennen konnten? Es ist unbeschreiblich, wie viel Verdruss und Kummer einsichtigen Brüdern durch solche unbesonnenen Eiferer bereitet wird.“