Love Against The Rules

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Kapitel 6

Müde nehme ich einen Schluck von meinem Kaffee und gehe dabei meine E-Mails durch. Allerdings werde ich immer wieder abgelenkt, da sich Jayden in meine Gedanken schleicht.

Gestern hat er mich ausschlafen lassen und zum Frühstück Brötchen mit Wurst und Käse geholt. Am Morgen so verwöhnt zu werden hat mir so gut gefallen, dass ich ihm das Versprechen abgenommen habe, dass er dies nun öfters machen muss.

Danach sind wir zusammen duschen gegangen und haben einen langen, romantischen Spaziergang am Strand gemacht. Wir haben herumgealbert, als wären wir ein richtiges Paar. Als wir abends wieder bei mir waren, haben wir uns aufs Sofa gelegt und einen Film angesehen.

Heute Morgen habe ich allerdings jeden Knochen gespürt, denn wir hatten letzte Nacht mehr als nur einmal Sex. Noch nie habe ich mich so frei gefühlt, wie an diesem Wochenende. Jede einzelne Sekunde habe ich genossen. In seiner Gegenwart brauche ich mich nicht zu verstellen, so wie es bei meinen Eltern oder John immer der Fall ist. Aber trotzdem kommt mir immer wieder die Frage in den Kopf, was er damit meint, er habe das alles nicht so geplant.

Kann man so etwas überhaupt planen? Obwohl ich da schon oft drüber nachgedacht habe, bin ich bis jetzt noch auf keine Antwort gekommen. Ich meine, sicher, kann man es planen, dass man jemanden verführt. Aber bestimmt nicht solche Gefühle.

Mir schwirrt der Kopf. Als mein Handy neben mir klingelt, zucke ich erschrocken zusammen.

Mir hat das Wochenende mit dir sehr gut gefallen.

Jayden. Seine Nachricht sorgt dafür, dass ich lächle.

Mir auch. Kussi

Grinsend drücke ich auf den Senden-Knopf und warte ungeduldig auf seine Antwort.

Nur gut, dass ich dich genauso gerne küsse, wie du anscheinend mich. ;)

An diesem Wochenende verging nicht eine Sekunde, in der wir den anderen nicht berührt oder geküsst haben.

Jayden ist nicht so, wie er von Reportern und meinem Vater hingestellt wird. Ich bin mir aber darüber bewusst, dass ich ihn noch nicht lange genug kenne, um das mit Gewissheit sagen zu können. Jetzt will ich mich aber auch nicht damit beschäftigen.

„Du sollst doch arbeiten und nicht an dein Handy gehen.“ Jayden klingt amüsiert, als er mich eine Stunde später anruft.

„Und hast du keinen Termin?“

„Ehrlich gesagt komme ich gerade von einem Geschäftstermin mit meinem Vater und ein paar Leuten von einer seiner Stiftungen. Er hat mich sogar gefragt, wieso ich denn so nervös bin und alle paar Sekunden auf mein Handy schaue.“

Meine Finger verharren über der Tastatur und ich bekomme große Augen.

„Und was hast du geantwortet?“, frage ich vorsichtig nach, da ich mir nicht sicher bin, ob ich die Antwort darauf wissen will.

„Ich habe ihm gesagt, dass ich das Wochenende mit einer wunderschönen Frau verbracht habe, die ich unbedingt wiedersehen möchte.“

Er hat seinem Vater gesagt, dass er …?

„Und was hat er gesagt?“, flüstere ich, als ich meine Sprache nach einigen Sekunden wieder gefunden habe.

„Er hat sich gefreut. Allerdings musste ich ihm versprechen, meine Mom heute Abend anzurufen und es auch ihr zu sagen, dass ich eine feste Freundin habe.“

Ich weiß nicht viel über Elisabeth Drake. Eigentlich nur, dass sie und Alexander schon seit fast 30 Jahren verheiratet sind. Außerdem sitzt sie im Vorstand der Kunststiftung ihres Mannes.

Ich kann mich gerade aber auch nicht damit beschäftigen. Noch bin ich nämlich noch immer damit beschäftigt zu verarbeiten, dass er mich anscheinend als seine feste Freundin bezeichnet.

„Wie lange musst du noch arbeiten?“ Mein Körper, vor allem ein ganz gewisser Teil, reagiert sofort auf den verführerischen Unterton in seiner Stimme.

„Bis fünf.“ Meine Arbeit habe ich immer gerne gemacht. Sie war ein Ort, an in ich mich flüchten konnte. Ich habe in den letzten Jahren sogar immer wieder freiwillig unzählige Überstunden gemacht. Aber heute bin ich froh, dass ich das Büro pünktlich verlassen kann.

„Soll ich dich abholen? Wir könnten etwas unternehmen.“ Mein Mund wird ganz trocken und mein Unterleib zieht sich bei seiner Frage zusammen.

„Was schwebt dir denn so vor?“

„Vielleicht eine Kleinigkeit essen gehen. Oder wir könnten spazieren gehen, wie du möchtest.“ Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie er mit den Schultern zuckt´.

„Essen hört sich gut an. Ich habe seit heute Morgen nichts mehr gehabt.“

„Dann hole ich dich in einer Stunde ab. Ich freue mich schon, Kaylee.“

Seine Stimme ist tief und verführerisch, als er meinen Namen sagt, sodass ich nur ein „Bis später“ herausbringe. Schnell lege ich auf, bevor er noch etwas erwidern kann.

Die nächste halbe Stunde vergeht wie im Flug. Ich konzentriere mich auf die Arbeit, damit ich nicht immerzu an Jayden denken muss. Oder besser gesagt ich versuche es.

„Wir sehen uns doch gleich“, erkläre ich lachend, als mein Handy klingelt und ich annehme, ohne vorher auf das Display zu schauen.

„Wen siehst du gleich?“ Die schrille Stimme von Lynn ertönt aus dem Lautsprecher. Sofort reiße ich die Augen auf und kontrolliere den Namen auf dem Display.

Es ist wirklich meine Schwester.

Was will die denn?

„Kennst du nicht.“

„Schade.“ Ich kann an ihrer Tonlage erkennen, dass sie wieder einen Schmollmund zieht. Das hat sie früher schon immer gemacht, um meine Geheimnisse zu erfahren. Aber ich habe irgendwann gelernt, damit umzugehen.

„Gibt es einen besonderen Grund für deinen Anruf?“, versuche ich das Thema zu wechseln.

„Irgendwann wirst du es mir schon sagen müssen. Um ehrlich zu sein, es gibt einen bestimmten Grund“, fährt Lynn schließlich fort. „Mom hat dich gestern beim Essen vermisst.“

Wie so oft versucht sie, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Allerdings klappt das nicht, denn mein Tag mit Jayden war viel zu schön, um auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ihn mir versauen zu lassen.

„Sorry, ich war unterwegs“, gebe ich knapp zurück.

„John war auch da. Und er war sehr enttäuscht, dass du dich in hast blicken lassen.“ In dem Fall war es die richtige Entscheidung, nicht hinzugehen.

John ist noch immer in mich verliebt und meine Familie, allen voran meine Mutter, unternehmen jeden Versuch, damit wir wieder ein Paar werden. Aber auch mein Vater lässt gerne Kommentare in dieser Richtung fallen.

Genervt verdrehe ich die Augen und überlege mir, was ich darauf sagen soll, als Lynn auch schon weiterredet. „Dad und John hatten sich extra wegen des Essens zwei Stunden Zeit genommen. Du weißt ja, sie arbeiten immer noch an dem Fall Drake.“

Gut, dass ich schon sitze. Sonst wäre ich jetzt wahrscheinlich umgekippt. Mein Vater kann es nicht einfach sein lassen.

„Wie lange will er das denn noch machen? Langsam wird das doch langweilig.“ Ich versuche, ruhig zu klingen, während mein Innerstes aufgewühlt bleibt. Mein Magen fühlt sich plötzlich an, als würden sich Ziegelsteine darin befinden.

„Solange, bis er die Männer endlich verhaftet hat. Er hat in den letzten Tagen weitere Beweise gesammelt.“

„Was denn für Beweise?“ Mein Herz schlägt so stark, dass es mir fast aus der Brust springt.

„Seit wann interessierst du dich denn dafür?“ Die Stimme meiner kleinen Schwester klingt skeptisch und sofort bereue ich es, dass ich nachgefragt habe. Aber ich muss es wissen.

„Wenn es mir egal ist, ist es falsch und wenn ich mich interessiere, ist es auch falsch. Könnt ihr euch mal entscheiden?“

„Du hast recht. Ich bin es nur nicht gewohnt, dass du mal Fragen stellst. Es ist wohl irgendeine CD mit Unterlagen aus der Buchhaltung darauf. Aber es sind so viele Informationen, dass sie Zeit brauchen werden, um sie auszuwerten. ´Jayden Enterprises´ ist schließlich groß.“ Sie sagt das mit einer solchen Gleichgültigkeit in der Stimme, dass ich mich frage, ob sie jemals überlegt hat, ob die Vorwürfe wirklich stimmen.

Mich überkommt das Bedürfnis, Jayden zu warnen.

Eine Woche, Kaylee. Du kennst Jayden jetzt erst seit einer Woche. Genau darauf könnte er es angelegt haben. Also renne nicht los und erzähle es ihm, sondern warte erstmal ab. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob du es ihm sagst oder nicht.

Ich weiß, dass mein Kopf recht hat, trotzdem möchte ich es ihm sagen.

„Wenn das so ist, wird Dad ja vielleicht bald mal ein anderes Gesprächsthema haben“, gebe ich mit der gleichen Gleichgültigkeit zurück, wie meine Schwester zuvor.

„Nur, weil sie bald im Gefängnis sitzen werden, heißt das nicht, dass schon alles erledigt und abgeschlossen ist. Es kommt ja noch das Gerichtsverfahren.“

Bei den Worten Gefängnis und Gerichtsverfahren würde ich am liebsten kotzen. Leise seufzend lasse ich meine Stirn auf die Tischplatte fallen und atme mehrmals tief durch. „Ich lache mich schlapp, wenn herauskommt, dass dort niemand etwas zu verstecken hat. Das würde bedeuten, dass die letzten Jahre umsonst waren und er sich entschuldigen muss.“

„Sei nicht albern. Er hat einen Insider in der Firma, der ihm schon so manche Info besorgen konnte.“

Es dauert eine Weile, aber irgendwann schafft es mein Gehirn, die Worte meiner Schwester zu verarbeiten.

„Oh Mann.“ Meine Stimme klingt so leise, dass ich sie selber kaum verstehen kann.

„Du kennst ihn doch. Er gräbt so tief, bis er etwas gefunden hat.“

„Hm“, brumme ich nur, da ich nicht weiß, was ich sonst dazu sagen soll.

 

„Wir sehen uns sicherlich nächste Woche Donnerstag bei Mom und Dad zum Essen. Vergiss das nicht, sonst wird Dad wirklich wütend“, erklärt sie noch zum Abschied und legt auf. Das nächste Mal werde ich da sein und zwar, um so unauffällig wie möglich mehr zu erfahren. Da ich mich mit Jayden treffe, betrifft diese Sache nun auch mich. Obwohl das meinem Vater und John nicht gefallen hat.

Jayden lehnt sich lässig an die Motorhaube seines BMWs, als ich das Verlagsgebäude verlasse, und grinst mich schief an. Ich bleibe stehen und lasse seinen Anblick auf mich wirken. Er sieht zum Anbeißen aus, obwohl er sein übliches Bürooutfit trägt.

Ich gehe auf ihn zu, wobei ich bemerke, dass er wieder von allen angestarrt wird. Von Frauen und von Männern.

Mit einem strahlenden Lächeln kommt er auf mich zu, schlingt seine Arme um meine Hüften und küsst mich. Ich schmelze in seinen Armen dahin. Eine Berührung von ihm reicht aus und ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist.

„Ich habe dich vermisst.“

„Ich dich auch.“ Glücklich grinse ich ihn an und lasse mich von ihm zu seinem Wagen führen. „Wo ist denn Reylee?“

„Ich habe ihm den restlichen Tag freigegeben. Komm, du musst etwas essen.“

„Wo fahren wir hin?“

„Eines Tages werde ich dich schick ausführen, in das beste Restaurant in der Stadt. Aber ich glaube kaum, dass du heute noch Lust hast, in ein schickes Abendkleid zu steigen, oder?“

„Vorher muss ich aber shoppen gehen, also sag mir rechtzeitig Bescheid.“ Als ich eine Grimasse ziehe, fangen wir beide an zu lachen. Im Hinterkopf behalte ich allerdings das Gespräch mit meiner Schwester. Ich würde ihm so gerne davon erzählen, aber ich habe auch Angst davor, wie er darauf reagiert. Vielleicht sollte ich die Tage zufällig John über den Weg laufen. Wenn ich es richtig anstelle, wird er mir sicherlich den genaueren Stand der Ermittlungen verraten.

Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merke, wie Jayden auf einen Parkplatz fährt.

„Dort gibt es die besten Hamburger der ganzen Stadt“, gibt er zu und hilft mir beim Aussteigen.

Das Restaurant ist zwar klein aber gemütlich. Die meisten Plätze sind besetzt, trotzdem werden wir sofort vom Kellner an einen Tisch in der hintersten Ecke geführt, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.

„Bist du öfter hier?“

„Mailo, mein Geschäftspartner, und ich essen hier immer, wenn wir in der Nähe sind.“

„Stammkunden mag man überall.“

Jayden grinst. Ich liebe dieses Grinsen. Es gehört zu den Sachen, die mich sofort in ihren Bann gezogen haben. Andere Dinge sind seine gute Laune, der verführerische Blick, den er mir zuwirft und seine tiefe Stimme.

Jayden bestellt für uns beide Wasser, Hamburger und Pommes. In dem Augenblick, in dem ich ihn darauf hinweisen will, dass ich für mich selber bestellen kann, holt er Luft und erklärt mir: „Das musst du einfach probieren.“ Kaum hat er den Satz beendet, kommt schon die Kellnerin und stellt die Gläser vor uns ab.

In den nächsten Minuten lobt er die Hamburger in den höchsten Tönen, sodass ich es kaum noch erwarten kann, sie endlich zu probieren.

Ungeduldig rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her, was Jayden zu belustigen scheint.

„Ich habe Hunger“, erkläre ich, aber ich kann an seinen Augen sehen, dass er weiß, dass das nicht der einzige Grund ist. Sie funkeln verschmitzt, woraufhin ich ihm die Zunge zeige.

Jayden kommt allerdings nicht mehr dazu, zu kontern, denn mit einem leisen Räuspern macht sich der Kellner bemerkbar. In der Hand hält er zwei vollbeladene Teller.

Ich wusste gar nicht, dass Hamburger so gut riechen können, durchfährt mich der Gedanke, als der Geruch in meine Nase steigt.

„Und? Habe ich zu viel versprochen?“ Neugierig beobachtet Jayden, wie ich einen Bissen nehme und kaue.

„Der ist wirklich gut.“

Während des Essens erzählt er mir von seinem Termin und dass er ein Grundstück erwerben will, auf dem dann die Stiftung seines Vaters eine Galerie für neue Künstler baut. Ich finde es schön, dass er die Arbeit seines Dads so unterstützt. Er scheint darin aufzugehen. Allerdings weiß ich auch, dass das nicht immer der Fall war. In einem Zeitungsartikel habe ich gelesen, dass Jayden noch vor fünf Jahren nicht mit der Arbeit, vor allem mit den Stiftungen, seines Vaters anfangen konnte. Umso glücklicher wirkt er jetzt.

Kapitel 7

„Kaylee? Was machst du denn hier?“ John schaut mich überrascht an, als ich hinter ihm in der Schlange an der Kasse auftauche.

Ich habe die letzte drei Stunden damit verbracht, in meinem Wagen zu sitzen und den Eingang des Supermarktes zu beobachten, in der Hoffnung, dass John heute einkaufen muss.

Zwei Tage sind vergangen, seitdem ich die Informationen von Lynn bekommen habe. In dieser Zeit habe ich beschlossen, dass der einzige Weg, um etwas Genaueres zu erfahren, ist, mit John zu sprechen. Meinen Dad kann ich schließlich nicht fragen. Er würde annehmen, dass ich meine Meinung geändert habe. Und meine Schwester ist schon beim letzten Mal stutzig geworden. Deswegen bleibt nur mein Ex übrig.

„Ich war gerade in der Gegend und wollte mir noch etwas für heute Abend kaufen, bevor ich nach Hause fahre“, antworte ich und halte die Tüte Chips hoch. Dass ich gerade einen FBI-Agenten anlüge, ist mir durchaus bewusst, aber der Zweck heiligt nun einmal die Mittel. Davon abgesehen, habe ich schlimmeres vor.

„Ich hatte gehofft, dass ich dich am Sonntag sehe“, erklärt er und zeigt mir so, dass er nichts mitbekommen hat.

„Ich war den ganzen Tag unterwegs.“ Wenigstens dieser Teil entspricht der Wahrheit. „Vielleicht sehen wir uns das nächste Mal.“

„Vielleicht. Dein Dad hatte sich extra ein paar Stunden freigenommen. Er arbeitet zurzeit an einem großen Fall, der sich wahrscheinlich sogar über mehrere Bundesstaaten hinweg zieht.“

Mehrere Bundesstaaten?

„Was haben sie denn angestellt?“ Ich brauche ein paar Sekunden, um diese Frage zu stellen.

John sagt nichts, sondern bezahlt seine tiefgekühlte Pizza und entfernt sich ein paar Schritte, während ich der Kassiererin das Geld für meine Chips gebe.

„Es geht um Kunstschmuggel, Immobilienbetrug und Geldwäsche“, flüstert er mir zu, obwohl ich mir sicher bin, dass er es mir eigentlich gar nicht sagen dürfte. Doch so war er schon immer. Um mir zu imponieren, bricht er auch mal die Regeln. Dabei hat es mich noch nie beeindrucken können.

Meine Augen werden immer größer. Obwohl ich mich damit nicht auskenne, weiß ich doch, dass keiner dieser Punkt ein kleines Vergehen darstellt. Das sind alles schwere Straftaten, für die man mehrere Jahre ins Gefängnis geht. Aber ich kann mir das bei Jayden einfach nicht vorstellen.

„Wer hat ihn denn dieses Mal am Hintern kleben?“ Ich muss wissen, ob John wirklich von Jayden spricht oder jemand anderen meint. Obwohl mein Gefühl es mir bereits sagt, dass die Rede nur von dem Mann sein kann, zu dem ich mich hingezogen fühle.

„Alexander Drake und sein Sohn Jayen Drake. Außerdem auch Mailo Cole.“

Ich spüre, wie mir das Blut aus dem Gesicht weicht, als ich neben ihm den Laden verlasse. Bis zu diesem Moment hatte ich noch Hoffnung, dass er jemand anderen meint.

„Kaylee, geht es dir gut?“ John schaut mich besorgt an, nachdem wir meinen Wagen erreicht haben.

„Ich habe in der letzten Nach nicht so gut geschlafen“, erkläre ich ihm schnell und hoffe, dass er keine weiteren Fragen stellt.

„Dann fahr besser nach Hause und legt dich hin.“

„Das werde ich machen. Gute Nacht, John.“ Ich kann gar nicht schnell genug von ihm wegkommen.

„Wir sehen uns.“ John umarmt mich zum Abschied und ich lasse es geschehen. Obwohl ich mich gerne wehren oder etwas sagen würde, bin ich nicht dazu in der Lage.

Nachdem er mich losgelassen hat, steige ich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, in meinen Wagen und fahre vom Parkplatz. Die ganze Fahrt über frage ich mich, ob Jayden wirklich diese Verbrechen begangen haben könnte. Jedes Mal komme ich auf dieselbe Antwort: Ich traue ihm das nicht zu. Ich muss mit Jayden darüber sprechen, aber zuerst brauche ich einen Plan, wie ich das am besten anfangen soll.

Das letzte Mal habe ich mit Jayden gesprochen, als ich auf dem Parkplatz vor dem Laden auf John gewartet habe, und heute ist Freitag. Ich habe also seit zwei Tagen nichts mehr von ihm gehört.

Ich muss mit dir sprechen. Bitte ruf mich an.

Kaylee

Wie viele von diesen Nachrichten ich ihm in den letzten Stunden geschrieben habe, weiß ich nicht. Von Sekunde zu Sekunde werde ich nervöser.

Geht es ihm gut oder ist ihm etwas passiert? Oder hat er vielleicht wegen der Ermittlungen so viel zu tun, dass er es nicht schafft, mich anzurufen? Soll ich bei ihm vorbeifahren? Vielleicht habe ich ja Glück und er ist zu Hause.

Bei dem Gedanken breitet sich in meinem Bauch ein ungutes Gefühl aus. Trotzdem, oder vielleicht deswegen, schlage ich den Weg zu seinem Penthouse ein.

Ein paar Meter vom Eingang entfernt finde ich einen Parkplatz. Die letzten Minuten habe ich mir überlegt, wie ich es am besten ansprechen könnte. Dabei bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass die direkte Art wahrscheinlich am einfachsten ist.

Ich atme tief durch und gehe mit großen Schritten auf das Hochhaus zu.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Der Portier lächelt mich zuvorkommend an.

„Ich möchte zu Jayden Drake“, antworte ich genauso freundlich und nenne ihm noch meinen Namen.

„Er kommt gleich runter“, teilt er mir nach einem kurzen Telefonat mit. Nickend gehe ich ein Stück zur Seite und mache Platz für eine ältere Dame, die ihre Post holen möchte.

Es dauert ein paar Minuten, aber schließlich öffnet sich die Fahrstuhltür und gibt den Blick auf Jayden frei, der mich mit einem finsteren Gesichtsausdruck ansieht.

Mein Herz beginnt zu rasen. Dieses Mal allerdings nicht vor Vorfreude, sondern vor Angst. So hat er mich noch nie angesehen.

„Wir müssen reden“, erkläre ich ihm mit piepsiger Stimmer.

„Ich glaube nicht.“ Mit diesen Worten macht er Anstalten an mir vorbeizugehen.

Hat er das gerade wirklich gesagt?

„Jayden, ich muss dir was erzählen.“ Dieses Mal klingt meine Stimme selbstbewusster, als ich ihn am Arm packe und ihn festhalte.

Was ist nur los mit ihm?

„Ich will es nicht hören. Ich habe dich und deinen FBI-Freund auf dem Parkplatz gesehen. Du brauchst mir nichts zu erklären. Das Bild, das sich mir dort bot, hat alles gesagt.“ Mehr gibt er zur Erklärung nicht von sich. Stattdessen verschwindet er.

Perplex und sprachlos lässt er mich allein zurück. Er kann nur meinen, dass er uns gesehen hat, als John mich umarmt hat.

Laut fluchend gehe ich hinaus zu meinem Wagen, damit klar wird, dass Jayden denkt, ich wäre wieder mit John zusammen. Sauer, aber auch enttäuscht und traurig steige ich in meinen Wagen.

Hätte ich ihm doch bloß von den Beweisen berichtet, als Lynn es mir erzählt hat. In diesem Fall wäre es nie zu diesem Missverständnis gekommen. So wäre es nie passiert, dass Jayden diesen Moment, in dem John mich umarmt, falsch versteht.

Den ganzen Samstag verbringe ich auf dem Sofa. Nach dem letzten Treffen mit Jayden habe ich mich nicht getraut, ihm eine Nachricht zu schicken oder ihn anzurufen. Wahrscheinlich ist meine Hoffnung zu groß, dass er von sich aus das Gespräch mit mir sucht.

Als Lisa anruft, gehe ich nicht ans Telefon, weil ich keine Lust habe, ihr zu erklären, was passiert ist. Immer wieder starre ich mein Handy an, nur um zu sehen, dass er mich nicht angerufen und keine Nachricht geschickt hat. Allein der Gedanke, dass ich in der Gegenwart von John glücklicher bin, als in Jaydens, ist lächerlich. Er muss doch gemerkt haben, dass ich mich wohlfühle, wenn er in meiner Nähe ist.

Am Sonntag beschließe ich, dem Theater ein Ende zu setzen.

Ruf mich an! Es ist wichtig!

Ich weiß nicht, ob es etwas ändern wird, aber ich will es ihm erklären. Das ist mein gutes Recht. Und daran wird auch er mich nicht hindern.

Als er sich nach drei Stunden noch immer nicht gemeldet hat. Reicht es mir. Ich war nur selten diejenige, die nach einem Streit angekrochen kam. Aber wenn man es genau nimmt, dann ist es ja nicht einmal ein Streit.

 

Genervt greife ich nach meinem Handy und gebe eine letzte Nachricht in das Textfeld ein. Wenn er darauf nicht reagiert, ist es das gewesen.

Meine Schwester hat mir vor ein paar Tagen etwas erzählt und ich musste herausfinden, ob es wirklich stimmt. John hat es mir bestätigt und deswegen kann ich jetzt sagen, dass du in Schwierigkeiten steckst. Wenn du mehr wissen willst, kannst du mich anrufen.

Bevor ich sie absende, lese ich mir die Nachricht noch ein paarmal durch. Mir ist klar, dass ich verzweifelt bin, weil ich ihn nicht gehen lassen will. Und obwohl er wegen des Missverständnisses nicht mehr mit mir sprecht, soll er wenigstens gewarnt sein.

Die nächsten drei Stunden vergehen, ohne dass ich etwas von ihm höre. Mein Handy lasse ich keine Sekunde aus den Augen.

Ich rechne nicht damit, dass Jayden vorbeikommt, aber ich hoffe, dass er wenigstens anruft. Allerdings schreibt er nicht einmal eine Nachricht.

Genervt und sauer lasse ich mich in die Kissen zurücksinken, als es an meiner Tür klingelt. Erschrocken springe ich auf die Beine und überprüfe die Uhrzeit.

Es ist bereits neun Uhr abends. Mein Herz schlägt schneller bei dem Gedanken, dass Jayden vor der Tür stehen könnte. Aber als ich meine Wohnungstür öffne, werde ich enttäuscht. Es ist nicht Jayden, der da vor mir steht.

Der Mann, der mich nun angrinst, ist genauso groß wie Jayden und ebenso breit gebaut. Unter seiner engen Hose und dem noch viel engeren Shirt kann man seine Muskeln erahnen.

Er sieht gut aus, zieht mich allerdings nicht so in seinen Bann, wie es bei Jayden der Fall ist. Seine schwarzen Haare hängen ihm wirr ins Gesicht, was in mir den Eindruck erweckt, als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen.

„Du bist Kaylee, richtig?“, fragt er mich, als er an mir vorbeigeht und meine Wohnung betritt.

In diesem Moment bin ich viel zu überrascht, um ihn daran zu hindern. Benommen drehe ich mich zu ihm um und beobachte ihn, während er sich in meiner kleinen Wohnung umsieht.

„Jayden hat mir schon viel von dir erzählt. Ich bin Mailo.“ Er reicht mir seine Hand.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, frage ich ihn vorsichtig.

„Ich weiß, dass du eigentlich darauf wartest, dass Jayden sich meldet. Aber der hat heute sein Handy bei mir liegen gelassen. Ich war neugierig und habe die Nachrichten gelesen, die du ihm geschickt hast. Daraufhin habe ich versucht, ihn zu erreichen, aber er ist nicht in seiner Wohnung und bei seinen Eltern ist er auch nicht.“

Das erklärt zumindest, wieso er nicht zurückgeschrieben hat. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob er das getan hätte, wenn er sie gelesen hätte.

„Deine letzte Nachricht klang so verzweifelt, dass ich beschlossen habe, vorbeizukommen.“ Mailo setzt sich auf die eine Seite meines Sofas, während ich mich auf die andere fallen lasse.

„Jayden hat dir von mir erzählt?“

„Ich weiß alles.“

„Dann weißt du sicherlich auch, dass mein Vater ...“

„Der Mann ist, der für einen Haufen Ärger sorgt“, führt er meinen Satz zu Ende und lässt mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Seine Gelassenheit erstaunt mich. „Jayden war bei mir und hat mir gesagt, dass er gesehen hat, wie du und dein Ex-Freund euch umarmt habt. Ich habe versucht ihn zu beruhigen, und ihm gesagt, dass ihr euch bestimmt zufällig über den Weg gelaufen seid. Schließlich ist das ja nichts Ungewöhnliches.“

„Wir sind nicht zusammen.“

„Also hatte ich recht.“ Zufrieden schaut er mich an.

„Ich habe auf ihn gewartet, weil er mir etwas bestätigen sollte, was ich von meiner Schwester gehört habe. Aber das hast du sicherlich auch gelesen“, gebe ich zu und erzähle ihm alles.

Jayden spricht zurzeit zwar nicht mit mir, aber mit Mailo redet er offenbar. Und ihn betrifft es genauso. Während ich ihm alles schildere, flammt kurz der Gedanke in mir auf, dass ich mich gerade vielleicht irgendeiner Beihilfe zu einer Straftat schuldig mache, oder so, aber das ist mir egal.

Wenn Mailo Jayden berichtet, was ich gemacht habe, wird er vielleicht wieder mit mir sprechen und aufhören, sich so kindisch zu verhalten.

Mailo hört sich meine Geschichte schweigend an und nickt nur zwischendurch.

„Jemand aus der Firma?“, fragt er mich, als ich geendet habe.

„Er hat zwar keinen Namen genannt, ließ an diesem Punkt aber keinen Zweifel.“

„Wie viel hat Jayden dir erzählt? Ich meine, über diese Ermittlungen?“

„Wir haben nicht darüber gesprochen. Ich weiß allerdings, dass es meinem Vater ernst damit ist.“

„Dein Vater ist da wirklich ein Bluthund und dein Ex-Freund übrigens auch“, stöhnt Mailo und reibt sich dabei über die Stirn.

Nachdenklich betrachtet er mich.

„Wenn Jayden erfährt, dass ich hier war, wird er mir wahrscheinlich den Hals umdrehen“, fährt er schließlich fort. Mit großen Augen schaue ich ihn an.

„Wieso?“

„Er war ziemlich sauer, als er bei mir war. So verrückt er vorher nach dir war, so sauer war er diesmal.“

„Verrückt nach mir?“

„Obwohl er es wahrscheinlich nicht zugeben wird, aber er ist verrückt nach dir.“ Mailo macht eine Pause, in der er tief Luft holt und mich dabei anschaut. „Er ist glücklicher und zufriedener. Du hast ihn dazu gebracht, über Sachen nachzudenken, sie infrage zu stellen.“

Seine Worte überraschen mich.

„Das Gefühl habe ich nicht.“

„Solltest du aber. Sonst hätte er nicht so reagiert.“

„Keine Ahnung, wie ich ihm das sagen soll, was ich dir gerade berichtet habe. Ich kann ihn ja nicht einmal erreichen, wenn du sein Handy hast.“

Wortlos reicht Mailo mir das Smartphone.

„Nimmt es. Sollte er bei mir auftauchen, werde ich ihm sagen, dass du es hast und so hat er einen Grund, zu dir zu kommen. Ich bin mir sicher, dass er nicht auf sein Handy verzichten will. Vielleicht hat er es mit Absicht bei mir gelassen, damit er nachdenken kann.“

„Nachdenken?“

„Das vermute ich, wieso?“

„Ich glaube, ich weiß, wo er ist.“ Mit diesen Worten springe ich auf und renne in mein Schlafzimmer, um mich umzuziehen.

Verlassen und dunkel liegt das Haus vor mir. Von Mailo, der bei den Eltern von Jayden angerufen hat, habe ich den Zugangscode bekommen, um auf das Grundstück zu gelangen.

Ich habe recht gehabt. Jaydens Wagen steht vor dem Haus.

Jetzt sitze ich in meinem Auto und überlege, ob es eine gute Idee war, hierherzukommen. Vielleicht braucht Jayden Zeit alleine. Ich kann ihm das Handy auf das Dach oder die Motorhaube legen und wieder fahren. Aber ich will, dass er mit mir redet, also steige ich aus.

Langsam gehe ich auf die Haustür zu. Vorsichtig drehe ich am Knauf der Tür und merke, dass sie nicht abgeschlossen ist.

Meine Augen brauchen ein paar Sekunden, um sich an die Dunkelheit dahinter zu gewöhnen, aber vom letzten Mal weiß ich noch ungefähr, wo sich die Treppe befindet und wo die Möbel stehen.

Mit kleinen Schritten taste ich mich vorsichtig voran, bis ich schließlich die Tür zur Terrasse erreiche.

Jayden hat mir den Rücken zugedreht. Neben ihm steht eine Flasche Wein, die leer zu sein scheint.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?